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Volk dahin. Es gab Tage, an denen gegen Dreihundert starben. Alle Kirchhöfe waren angefüllt; man tat große Gruben auf und schichtete in diesen die Leichen aufeinander. Das Ratsbuch sagt, der Meinung nach seien während dieser Seuche in Basel bei fünftausend Menschen aus der Welt geschieden; die Chronik redet von achttausend.

Mit der größten Sterblichkeit, zur Zeit der Hundstage, erreichten auch Teurung und Hungersnot ihre Höhe. Dazu lastete eine schier unerträgliche Hitze über der Stadt.

Und gerade um diese Zeit war das Konzil mit dem Allerwichtigsten beschäftigt. Wie furchtbar die Väter durch die Pest erschreckt wurden, sagt uns Einer aus ihrer Mitte selbst, Enea Silvio, der diese durch den Tod gepeinigte Stadt auf ergreifende Weise schildert. Die Väter waren alle bleich geworden, keine Farbe mehr auf ihren Wangen. Die Kleinmütigsten flohen hinweg; die Bleibenden führten ihr Werk bis zur Absetzung Eugens, rings vom Tod umgeben, entschlossen durch. Dann aber scheint die Angst allmächtig über sie gekommen zu sein. Man beriet, ob man nicht jetzt das Konzil auflösen oder doch an einen gesunden Ort verlegen wolle. Die gerne geschlossen hätten, drangen auf sofortige Wahl des neuen Papstes, die Mutigen mahnten, damit noch zuzuwarten. Im gewohnten Saale beim Münster stritten die Führer über diese Entscheidung, am Tage nach der Absetzung Eugens. Die Einen verwiesen auf die unerhörte Gewalt der Seuche, ihr stetes Anwachsen; die Andern erwiderten, daß starke Männer und die im Kampfe für Christum stünden, den Tod nicht zu fürchten hätten; die Pest habe zugenommen, weil das Konzil so lange zögerte, Recht zu üben; jetzt sei der Gerichtsspruch ergangen, und die Krankheit werde nachlassen. Man entschied sich dafür, zu bleiben und die Wahl zu verschieben.

Während mir von den Verwüstungen, welche die Pest in der Stadt anrichtete, nichts Anderes erfahren, als allgemeine Angaben und große abgerundete Zahlen, wird uns beim Konzil der ganze Vorgang erkennbarer; die Erzählung des Enea Silvio läßt uns die weitern Lücken sehen, die der Tod in die Reihen der Konzilsleute brach. Von den Bullenschreibern starben acht, von den Schreibern der Pönitentiarie ebensoviele oder noch mehr; viele der Doktoren fehlten; von den Erkrankenden kamen die wenigsten wieder zum Leben. Enea Silvio selbst freilich, den die Seuche heftig angriff, genas wieder. Aber die Grabschriften und das Memorienbuch der Karthaus nennen die zahlreichen Herren des Konzils, die in diesen furchtbaren Wochen starben, als die Bekanntesten unter ihnen den großen Juristen Lodovico Pontano, der am 11. Juli rasch hinweg starb,

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Erster Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1907, Seite 523. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_1.pdf/542&oldid=- (Version vom 1.8.2018)