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und den Patriarchen Ludwig von Aquileja, den letzten der Herzoge von Teck; dieser starb am 19. August, ohne den von ihm ersehnten Tag der Wahl eines neuen Papstes gesehen zu haben; aber ihn tröstete, daß er wenigstens die Absetzung Eugens noch erlebt habe, und freute sich, eine solche Botschaft ins Jenseits zu bringen.

Nur eine so starke Ueberzeugung, wie die in diesen Worten sich zeigende, vermochte die Führer des Konzils aufrecht zu erhalten. Sie gedachten an das Wort des Judas Maccabaeus: „uns ist leidlicher zu sterben, denn daß wir solchen Jammer an unserem Volke und Heiligtum sehen.“ Sie waren entschlossen, für die Autorität der Kirche auch jetzt einzustehen, das heilige Werk ihrer Reform trotz Todesgefahr nicht zu verlassen. Noch die späte ruhige Erzählung des Segovia läßt den heroischen Idealismus erkennen, der während dieser Zeit die Basler Versammlung beseelte.

Aber welche Stimmung umgab sie in der Stadt? Schon vor Jahren einmal, als um Basel die Früchte mißrieten, hatte das Volk dem Konzil die Schuld gegeben. Was die Väter seitdem geleistet, zuletzt mit der Absetzung des Papstes, gab jedenfalls Manchem zu denken. Die Frage lag nahe, ob nicht diese unerhörte Häufung von Unglück eine Strafe des Himmels sei. Als bei der Bestattung des Patriarchen von Aquileja ein Murren unter den Zuschauern sich erhob und das Volk dem exkommunizierten Prälaten, den man hier mit solchen Ehren zu Grabe trug, die Schuld gab an der Dürre, war dies wohl nur Aeußerung einer allgemeinen Ansicht.

Daß in den Massen eine furchtbare Aufregung herrschte, ist nicht zu bezweifeln. Sie suchten nach Mitteln, um den Zorn Gottes zu besänftigen. Daher vor allem die Bittgänge, die jetzt in einem sonst nicht gewöhnlichen Maße veranstaltet wurden. Zunächst die Fahrt zu dem wundertätigen Marienbild Totmoos. Am 12. Juni zogen etwa tausend Wallfahrer dorthin, zwanzig Priester gingen auf der Stadt Kosten mit. Am 21. Juni machte eine Sonderprozession der Kleinbasler denselben Weg. Aber die Seuche ließ keineswegs nach, sondern wuchs, und der ersehnte Regen blieb aus. Da veranstalteten die Münsterkapläne einen zweiten, noch größern Bittgang, diesmal zu U. L. F. nach Einsiedeln. Das Domkapitel gab seinen Willen dazu; von St. Peter und aus den Klöstern schlossen sich Viele an; aus dem Volke kamen an die Tausend. Ueber Säckingen, Brugg, Zürich ging die Wallfahrt; kein Geschwätz wurde unterwegs geduldet, sondern unter unaufhörlichem Weheklagen, unausgesetzten Bittgesängen die vier Tage lang zog die Schar zu dem Gnadenorte.

Auch das Konzil tat das Seine, namentlich durch Verheißung von

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Erster Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1907, Seite 524. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_1.pdf/543&oldid=- (Version vom 1.8.2018)