Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/4. Der Kampf mit Oesterreich/8. König Sigmund und das Reich

Fehden Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/4. Der Kampf mit Oesterreich
von Rudolf Wackernagel
Das Konzil
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Achtes Kapitel.
König Sigmund und das Reich.



Nach der Betrachtung dieses turbulenten Wesens, das in der Hauptsache lokale Bedeutung hatte, schenken wir den allgemeinen Beziehungen der Stadt zum Reiche noch einen Blick.

Wir verließen König Sigmund beim Basler Fürstentag des Sommers 1418; das Wenige, das über sein Verhältnis zu Basel im folgenden Jahrzehnt bekannt ist, kann hier angebracht werden.

Zunächst sind es einige Erweisungen der üblichen Art an Basler Private, wie die Erhebung des Eberhard von Hiltalingen zum königlichen Familiaren, Urkunden über das Fricker Patronat des Steinenklosters, die Erneuerung von Reichslehen für die Rotberg, Ramstein, Schaler usw. Die Ermächtigung des Hans Waltenheim und seiner Gesellschaft zu Repressalien gegen die Venezianer war ein Analogon des Verfahrens im Falle Schreiberlein und nur ein Teil der allgemeinen Sperre.

Sodann aber ist hier Peter Gatz wieder zu nennen.

Dieser, vielleicht ein Sohn des Basler Krämers Henman Gatz, der unter den Kreditoren des Markgrafen Rudolf von Röteln genannt wird, war schon in Konstanz mit König Sigmund in Berührung gekommen, als Geschäftsführer des Henman Offenburg und Vertreter Basels wie auch auf eigene Rechnung. Von da an während mehrerer Jahrzehnte trifft man immer wieder auf ihn. Er ist in den Beziehungen zu Sigmund dem Offenburg ähnlich, wenn er auch dessen Bedeutung lange nicht erreichte. Als Münzmeister, daneben als Bankier erscheint er noch lange Jahre nach Sigmunds Tode in Basel.

Jetzt in Konstanz erhielt er für seine Forderungen gleich Andern keine Zahlung, dagegen einige Jahre später ein Entgelt, das zugleich seiner künftigen Laufbahn die Richtung gab. 1421 machte ihn der König zum Münzmeister der goldenen Münze in Frankfurt und Nördlingen und der silbernen Münze in Frankfurt und verpfändete ihm den Schlagschatz dieser [466] Münzstätten bis zur Höhe seiner Forderung. Als dann 1425 die Frankfurter Reichsgoldmünze dem Konrad von Weinsberg übertragen wurde, unter Vorbehalt der Ansprüche des Gatz, war die Absicht, sofort eine andere Guldenmünze in Basel zu errichten und den Gatz zu deren Münzmeister zu machen. Doch kam die Sache noch nicht zu Stande. Erst im Jahre 1429, auch jetzt noch jedenfalls auf die Beziehungen zu Peter Gatz Rücksicht nehmend, dann aber hauptsächlich im Hinblick auf die bevorstehende Eröffnung des Konzils, vollzog König Sigmund die Gründung einer Guldenmünze in Basel, der dritten des Reiches neben denjenigen in Frankfurt und Nördlingen, und proklamierte dies durch Urkunde aus Preßburg vom 19. September 1429. Zum Reichsmünzmeister in Basel ernannte er den Gatz; dem Rat der Stadt gab er das Recht, den Wardein zu bestellen und durch diesen das Münzgeschäft zu beaufsichtigen.

Henman Offenburg kann so wenig hier wie sonst, wo von Beziehungen Sigmunds zu Basel die Rede ist, übergangen werden.

Für Offenburg bedeuteten die 1420er Jahre die Zeit der Entwicklung zur vollen Kraft. Es war das Jahrzehnt, in dem der Vierzigjährige zum Fünfziger reifte, während dessen ihm auch äußerlich eine Frucht seiner Tätigkeit um die andere zufiel. In ausnahmsweise großer Zahl haben sich Nachrichten und Dokumente über sein Gut erhalten. Sie zeigen, wie beschaffen das Vermögen eines solchen im großen Stile reichen Städters sein konnte. Schlagschatz und bischöfliche Hofzinse zu Breisach, das Schultheißentum und die Reichssteuer zu Mülhausen, der Zoll zu Otmarsheim, der Pfaffenhof in Basel, der vom Reiche zu Lehen ging, das Dorf Bartenheim, Zehnten zu Haltingen, die Steuer zu Neuenburg, ein Fischereirecht in der Sisselen bei Laufenburg, die Herrschaft Schauenburg waren Teile dieses Vermögens. Alles das ruhte auf Verbriefungen von König und Fürsten; anderes Zahlreiches und Erhebliches war daneben noch vorhanden, von dem wir keine Einzelkunde besitzen. Aber beim Steueranschlag von 1429 stand Henman Offenburg unter den vierzehn Reichsten der Stadt.

Auch sozial brachten ihm diese Jahre die Entwickelung, die der Persönlichkeit und den reichen Mitteln entsprach. Schon 1421 hatte Offenburg, obwohl noch Apotheker und Safranzünftig, seine Tochter Ursula dem Junker Peter Truchseß von Rheinfelden vermählt; damals finden wir ihn auch neben hohen Herren, wie den Grafen von Tierstein und von Mörs, den Freiherren von Geroldseck und von Ramstein, einen Vertrag über das Wittum der Ursula von Geroldseck besiegeln. Es war nur natürlich, daß er seinen alten Stand und das Gewerbe, dessen Boden allerdings ein [467] goldener gewesen war, jetzt aufgab. 1424 verließ er die Zunft zu Safran und trat in die Hohe Stube ein.

Aber als die schönste Ergänzung zu diesem Reich- und Vornehmwerden und als die treffendste Charakterisierung des Mannes selbst stellt sich die Tätigkeit dar, die er in eben diesen Jahren, reife Kraft und gesichertes Ansehen einsetzend, den öffentlichen Dingen widmete.

Der für uns erkennbarste Teil sind seine Gesandtschaftsreisen. Es war etwas Unermüdliches in ihm. Die Legationen, die ihn von Basel aus nach den Städten und Schlössern der oberrheinischen Gegend führten, sind zahllos. Aber über sie hinaus sehen wir ihn im April 1421 am Nürnberger Reichstag, im folgenden Mai in Straßburg, im Juni beim König Sigmund in Preßburg, im März 1422 ebenfalls beim König in Nikolsburg, im folgenden Juli und August wieder in Nürnberg beim großen Reichstag, im März 1423 am Städtetag in Ravensburg, im Januar und dann wieder im Herbst 1424 in Ungarn bei König Sigmund, im Februar 1425 wieder dort, im April 1425 am Ulmer Städtetag, 1427 in Rom, 1429 in Preßburg, 1430 in Ulm. Auf diesen Reisen ist Offenburg der weitbekannte und geachtete Mann geworden. Die Städteboten vom Rheine und aus ganz Süddeutschland, die ihn bei den Versammlungen zu sehen und zu hören bekamen, konnten inne werden, wie viel die Sache gemeiner Städte an diesem klugen Basler besitze; in der königlichen Kanzlei fand der „Herre Offenburg“, wie er dort hieß, den aus Anerkennung und Aerger gemischten Respekt, den kein Verkäufer dem überlegenen Händler versagen kann. Beim König selbst war er seit den Konstanzer Tagen guter Aufnahme immer gewiß. Als ihm dieser zu dem früher verliehenen Wappen nun noch eine goldfarbene Krone gewährte, war es die Anerkennung der inzwischen geschehenen Standeserhöhung.

Das Wichtigste leistete hiebei Offenburg seiner Stadt in den Angelegenheiten des Kemser Zolles und der Reichspfandschaften.

Diese Reichspfandschaften waren die Vogtei und der Transitzoll zu Basel. Auf dem Zoll standen viertausendfünfhundert Gulden, auf der Vogtei nicht mehr als tausend Gulden, so daß König Sigmund eines Tags, als ihm dies bei Durchgehung der Registraturbücher der Reichskanzlei auffiel, die Vogtei in guter Meinung dem Henman Offenburg zur Lösung antrug. Dieser freilich trat hierauf nicht ein; aber statt seiner meldete sich sofort ein anderer Bewerber um diese wichtige Rechtsame, Basels Nachbar, der alte Markgraf Rudolf. Die Gefahr war nicht klein. Und nun zeigte sich Offenburgs Verdienst. Er wußte den Entscheid über das Begehren des [468] Markgrafen hinzuhalten, verhandelte inzwischen mit dem Basler Rate und brachte geschickt, unter Aufzahlung von siebenhundert Gulden, den König zur Erteilung eines Privilegs, 31. Juli 1422, wonach die Basler die Pfandschaften innehaben sollten, bis ein römischer Kaiser oder König sie mit achttausendzweihundert Gulden (tausend Vogtei, viertausendfünfhundert Transitzoll, zweitausend Zoll zu Kems, siebenhundert Aufzahlung) löse, und daß diese Lösung nur für alle Pfandschaften samthaft, nicht für eine allein ohne die andern, sollte geschehen können. Hiedurch war die Lösung überhaupt erschwert, Basel der Besitz gesichert; der weitere Vorteil lag darin, daß nun auch der Kemser Zoll darin einbegriffen war.

Zu Kleinkems, bei St. Georgen, war im Jahre 1394 durch Burchard Münch von Landskron, seit kurzem Herrn des nahen Istein, eine Zollstätte errichtet worden, mit Einwilligung König Wenzels. Von Münch gelangte dieses Zollrecht schon frühe an Burchard von Bebelnheim, dann an die von Staufen; diese gaben den Zoll an Konrad zum Haupt und Henman Offenburg zu Lehen. Auch hier trat nun der Letztgenannte für seine Stadt ein. Er bewirkte auf Ersuchen des Rates, daß zwischen diesem und der Erbschaft Staufen ein Kauf über das für Basel wichtige Zollrecht zu Stande kam, im September 1421. Die Angelegenheit berührte aber auch das Reich, weil diesem auf dem Kemser Zoll zweitausend Gulden standen; ihre Behandlung geschah zugleich mit derjenigen der Basler Reichspfandschaften, und wie dort, so arbeitete auch hier Markgraf Rudolf den Interessen Basels entgegen. Als Herr von Kleinkems machte er Schwierigkeiten; ihn verdroß, daß der Zoll nicht ihm, sondern den Baslern zustehen sollte. Aber Offenburg wußte sich zu helfen. Wie er vom König die Zustimmung zum Verkaufe des Kemser Zollrechtes an Basel erlangt hatte, so erlangte er von ihm auch das Privileg, daß Basel sein Recht nicht am Orte selbst auszuüben brauche, sondern dies nach Gefallen eine halbe Meile oberhalb oder unterhalb von Kems tun könne. Damit war die Stadt den Chikanen des Markgrafen überhoben; im Jahre 1424 brachte sie durch Erwerb einer auf dem linken Ufer gegenüber Kleinkems liegenden Matte, auf der das Zollhaus stehen konnte, die Angelegenheit in Ordnung. Sein Recht aber wurde durch die oben erwähnte Abmachung befestigt, wonach die Pfandsumme für Kems mit den Summen der Pfandschaften vereinigt und als im Einzelnen unablösbar erklärt wurde.


Daß Leben, Interesse, Arbeit der Stadt über das Naheliegende hinaus ins Weite ging, offenbart sich an ihren Beziehungen zu Sigmund nur [469] im kleinsten Teile. Viel deutlicher spricht ihr Verkehr mit andern Städten.

Eine erstaunliche, unaufhörliche Bewegung tut sich da vor uns auf. Die brauchbaren und einflußreichen Mitglieder des Rates scheinen ihr halbes Leben im Sattel zu sitzen. Sie sind zu allen Zeiten und nach allen Richtungen, oft wochenlang vom Rate abwesend. Auf zahllosen Konferenzen werden sie betroffen: der bei den oberrheinischen Städten hochangesehene Hans Ludman von Rotberg, später an seiner Stelle Henman Offenburg, weiterhin Burchard zu Rhein, Haus Reich, Hug zer Sunnen, Werner Murnhart u. A. Aber dieses Wesen, charakteristisch für die damalige Regierung und Verwaltung, bestimmt auch die Ueberlieferung. Im mündlichen Verkehr der Gesandten geschah das Meiste, und so umfangreich die städtische Korrespondenz jener Jahre ist, so fragmentarisch erscheint sie doch und so unergiebig im Vergleich mit dem wirklich Geschehenen.

Der Verkehr mit andern Städten geschah durchaus nicht nur auf den Reichstagen. Die meiste Bewegung und das Wichtigste lag vor diesen. Dem Besuch eines Reichstages gingen wiederholte Vorberatungen auf den kleinern Zusammenkünften von Städteboten voraus. Nach Landschaften und Gruppen trat man zusammen, beriet und verständigte sich über das künftige Handeln und ließ diesen Beschluß den Freunden in den andern Gruppen bekannt werden. Mit Straßburg und den übrigen Reichsstädten des untern Elsaß bis zu den großen Gemeinwesen am Mittelrhein und in der Wetterau, mit den Städten des obern Elsaß und des Breisgaus, mit den oberländischen Städten, den Städten am Bodensee, den regsamen, reich aufblühenden Städten in Schwaben und Franken stand solchergestalt Basel in beständigem Rapport. Was auf Konferenzen in Speier oder Frankfurt zustande kam, wurde durch Straßburg an Basel, von diesem weiterhinauf nach Bern, Luzern, Konstanz gemeldet. Was der Gesandte Basels von einem Städtetag in Ulm nach Hause brachte, ging andern Tags als Botschaft den Rhein hinab. Mit aller Deutlichkeit ergibt sich uns hier die Rolle Basels als einer Vermittlerin zwischen Oberland und Rheinland, und nicht weniger deutlich erscheint Basel auch als Vertreterin der oberrheinischen Städtegruppe. Gelegentlich mit der offenkundigen Absicht, sich hiebei von dem mächtigen Straßburg unabhängig zu erhalten. In der Regel aber handelten Basel und Straßburg gemeinsam und riefen bald in Basel, bald in Straßburg, zumeist aber in Breisach die Boten der Städte des obern Elsaß und des Breisgaus zusammen.

Mitten in solchem Verkehre stehend, empfing Basel die mannigfaltigsten [470] Anregungen und konnte täglich das Bewußtsein haben, daß seine Sache auch die Sache anderer Städte sei; dieses gemeinsame Leben, dieses Zusammenarbeiten war für die Städte geradezu Bedürfnis und Gebot. Wiederholt sprachen sie es aus, daß sie zur Wahrung ihrer Freiheiten, zur Abwehr unbilliger Widerwärtigkeit und Anfechtung zusammenhalten müßten. Das Auftreten der Herren in der Pfahlbürgersache, die von den Kurfürsten geplanten Aenderungen der Reichsgoldmünze, das Verbot König Sigmunds, mit Venedig Handel zu treiben, die Uebergriffe der Landgerichte — all dies waren Lasten oder Gefahren für jede Stadt und wurden gemeinsam bekämpft. Weiterhin verband die Städte die Sorge für die Sicherung des Landes, und hierin gingen sie mit den Fürsten zusammen; Landfriedensprojekte und Entwürfe zu umfassenden Bündnissen beschäftigten die Städte wiederholt.

Ein besonderes Hervortreten Basels in all dieser Tätigkeit ist nicht zu bemerken. Der Anteil der einzelnen Stadt an dem großen gemeinsamen Wirken ist für uns nicht zu fassen. Sie beriet und handelte mit den übrigen. Nur gelegentlich hatte Basel, wie durch seine Gesandten, so durch seine Briefe die andern Städte zu vertreten. So im Mai 1425, als es die schwierige Redaktion der Erwiderung übernahm, die dem König auf seine Frage, wessen er sich zu den Städten versehen könne, namens Straßburgs und der oberrheinischen Städte erteilt werden sollte. Es war die Zeit der Zerwürfnisse mit Markgraf Bernhard und des Zusammengehens der Städte mit dem Pfalzgrafen; da dann der König den Oberrheinern gegenüber die strengen Worte brauchte, wenn sie auch den Pfälzer als ihren König betrachteten, so wollte er dennoch Herr und König sein.


Im Vordergrund aller Reichsangelegenheiten aber stand die böhmische Frage. Sie erfüllte und beherrschte das ganze Jahrzehnt.

Der Hinrichtung des Johannes Hus am 6. Juli 1415 in Konstanz antwortete aus Böhmen ein schrecklicher Widerhall. Volk und Adel traten zusammen, erhoben sich, wendeten sich in wildestem Zorn gegen die Kirche. Und während das Konzil nur Bannbullen hatte, organisierte sich diese Bewegung immer mehr, entwickelte sich rasch und mit unwiderstehlicher Gewalt zu einem Alles in Frage stellenden Aufruhr. In Verkündung der Lehren des Hus über Glaube und Gottesdienst, in der Auflehnung gegen die herrschende Kirche begann der Husitismus; aber er blieb hiebei nicht stehen. Er wendete sich auch gegen die in Staat und Gesellschaft geltende Ordnung; „die Bauern nannten die Herren, die Edeln und die Gewaltigen [471] Brüder“; kein Königtum sollte mehr gelten, das Volk herrschen, das Eigentum gemeinsam sein. Es war nicht mehr nur Ketzerei, sondern Rebellion und eine Gefahr allgemeinen Umsturzes.

Nach dem Tode Wenzels hatte sein Bruder Sigmund die Herrschaft über Böhmen angetreten und zur Unterwerfung der Husiten sofort das deutsche Reich aufgeboten. „Gegen die Ketzer“ lautete der Kriegsruf, den neben dem König auch der die Kirche vertretende Legat Branda erschallen ließ, und bald ging die Aufregung durch ganz Deutschland.

Hier beschäftigt uns nur die Teilnahme Basels an diesen Dingen.

Sie begann mit einer großen kirchlichen Szene. Am 2. Juli 1420 versammelte sich die ganze Bevölkerung der Stadt in den Kirchen, woselbst nach vollbrachter Messe sich die Gemeinde im Gebet zu Gott und allen Heiligen, namentlich aber den Märtyrern vereinigte, um für König Sigmund und seine Helfer im Kampfe wider die böhmischen Ungläubigen Hilfe zu erflehen. Der Rat hatte diese allgemeine feierliche Fürbitte angeordnet, und sie mochte vom Volke um so inbrünstiger dargebracht werden, wenn es sich der eigenen schweren Heimsuchungen der letzten Jahre erinnerte, neben all dem unaufhörlichen Kampfe der Epidemie von 1414, der Teurung, des Erdbebens, des ungeheuren Brandes, des Mißwachses, endlich der vor kurzem erst erloschenen furchtbaren Seuche.

Im April 1421 beschickte Basel den Reichstag zu Nürnberg, auf dem von der böhmischen Sache geredet wurde; als Wichtigstes brachten die Gesandten Basels die Nachricht von dem Bunde nach Hause, den die rheinischen Kurfürsten zur Unterdrückung des Husitismus geschlossen hatten; danach sollte die Ketzerei in den Landen der Verbündeten selbst, in der Heimat, wo nur irgendwie sich Unglaube und Irrlehre bemerkbar machten, verfolgt werden. An den folgenden Beratungen zu Wesel zwischen Fürsten und Städten nahm Basel nicht teil; es lehnte die Aufforderung, dem Bunde beizutreten, ab, gab jedoch die Zusicherung, von sich aus in seinem Gebiete der Ketzerei begegnen zu wollen. Der Rat tat dies auch sofort. Er verständigte sich mit dem Bischof und dem Domkapitel, diese trafen die Anordnungen für den Klerus, und am 25. Mai 1421, einem Sonntag, konnte hier die solenne öffentliche Ablegung des Ketzereides geschehen. Früh morgens in allen Kirchen wurde wider die Ketzerei gepredigt und ein Brief der böhmischen Stadt Tachau verlesen, in dem die Bedrängnis der Rechtgläubigen geschildert war; nach dem Gottesdienst hatte sich jeder Zunftmann mit Söhnen und Knechten auf sein Zunfthaus zu begeben; dann, nach dreimaligem Sturmgeläute der Ratsglocke, zogen alle Zünfte auf den [472] Markt und schwuren hier vereinigt mit lauter Stimme, am Christenglauben festzuhalten, der Ketzerei der „Hussen und Wicleffen“ zu widerstehen, Ungläubige und Ketzer, die ihnen bekannt würden, dem Rate zu melden und zur Bestrafung zu überantworten. Den Vögten zu Liestal, Waldenburg, Honberg und Olten befahl der Rat, in den dortigen Gebieten gleichergestalt zu verfahren. Damit war zu Basel die Ketzerpolizei eingeleitet.

Aber Basel ließ es hiebei nicht bewenden. Es sagte im Juni dem König zu, zehn Glefen auszurüsten und zum Reichsheere, das gegen Böhmen ziehen sollte, stoßen zu lassen. Der Juli ging über den Rüstungen hin. Am 10. August ritten die Basler Söldner aus. Hauptmann war Burchard zu Rhein, unter ihm dienten als Spießer Dietrich Sürlin, Balthasar Rot, Friedrich Fröwler, Hans Spitz, Thüring von Eptingen, Peter Truchseß, Lüti von Bärenfels und Alexius zu Rhein, Jeder mit ein paar Knechten. Der ganze Trupp zählte einundvierzig Pferde; er führte einen Rüstwagen und ein Zelt mit zwei Fahnen mit.

In Eger vereinigten sich die Kontingente der Fürsten und Städte, um von hier aus in Böhmen einzubrechen. Man war entschlossen, mit den Ketzern aufzuräumen; Alles sollte totgeschlagen werden, mit Ausnahme der unvernünftigen Kinder. Maschau, Kadan wurden eingenommen, noch mehrere feste Plätze erstürmt unter wilden Grausamkeiten. Im September lagerte sich das Kreuzheer vor der Stadt Saatz; aber hier war es bald mit Glück und Gelingen zu Ende. Der tapfere Widerstand der Belagerten, die Uneinigkeit der Führer brachen die Zuversicht. Man erwartete den Zuzug des Königs Sigmund, und er kam nicht. Die Lebensmittel gingen aus. Als im Oktober der gefürchtete Feldherr der Husiten Ziska heranzog, wandte sich das Kreuzheer zur Flucht. In der allgemeinen Panik ritt mit verhängtem Zügel auch das Häuflein der Basler Söldner. Ende Novembers rückten diese wieder zu Hause ein. Die Kosten, die der Stadt aus der Expedition erwuchsen, betrugen dreizehnhundertsechsunddreißig und einen halben Gulden; die Zahlungen ins Feld waren für den Rat durch Henman Offenburg, Hans Wiler und Heinrich Halbisen mittelst Geldanweisungen an ihren Nürnberger Geschäftsfreund Michel Pfinzing besorgt worden.

Es sollten von da an zehn Jahre vergehen, bis wieder ein Basler Kontingent böhmische Erde betrat. Diese Jahre sind es, die uns das große grausige Bild der Husitenkriege zeigen, mit ihren Strömen von Blut, mit Brand und Verwüstung. Was darin lebt und auf beiden Seiten zum Aeußersten treibt, ist eine zu wildem Fanatismus gewordene Ueberzeugung [473] und Begeisterung. Aber für Basel bedeutete der böhmische Krieg etwas ganz Anderes. Es war ein über eine ferne Szene gehendes Schauspiel. Zwischen dem mächtigen, an Leidenschaft und Schmerz, Unglück und Verblendung so reichen Vorgange und der Teilnahme, die ihm Basel schenken konnte, lag die Behandlung dieser Dinge durch die Organe des Reiches.

Basel nahm an der ganzen Geschäftigkeit dieser Organe auf seine Weise teil, durch Beschickung der meisten Reichstage, und vor allem durch Beratung mit andern Städten. Es empfing im Sommer 1422 das am Nürnberger Reichstag erlassene Gesetz über die Stellung von Kontingenten zum Krieg in Böhmen. Unter dem Eindruck der schweren Niederlage, die König Sigmund am 8. Januar d. J. bei Deutschbrod erlitten hatte, war die Aufstellung eines Reichsheeres beschlossen worden, dessen Zusammensetzung an Hand des erwähnten Gesetzes geschehen sollte; das Kontingent Basels war auf sechzehn Glefen (Straßburg zwanzig, Frankfurt fünfzehn, die Breisgauer Städte insgesamt zehn) normiert. In Wirklichkeit aber stellte Basel keinen Mann.

Es ist nicht zu bestreiten, daß die Stadt durch eigene Sorgen stark in Anspruch genommen war, und die böhmische Sache lag ihr in der Ferne. Die Zerwürfnisse zwischen Katharina und Friedrich von Oesterreich, die nie weichende wälsche Gefahr, der Ellikurterkrieg, der Streit mit Markgraf Bernhard, die allgemeine Unsicherheit, all dies rief ihrer Aufmerksamkeit. Aufgebote und Mahnungen des Königs lehnte sie mit dem Hinweis auf solche Verpflichtungen und Hemmnisse ruhig ab. Auch Papst Martin mahnte vergeblich. Basel sah zu, wie die Kurfürsten sich zusammenschlossen, mit ihrem Binger Kurverein für den stets abwesenden König einzutreten versuchten. Für Basel bildete diese Entfernung des Königs keine Sorge; Offenburg reiste leicht und gerne und brachte auch in Preßburg zu Stande, was der Stadt frommte. Daneben hielt der Rat Abrechnung mit den Herren, die vordem nach Böhmen geritten waren, und ließ sich von ihnen den zuviel erhaltenen Sold zurückerstatten.

So gingen die Jahre hin, bis im Herbst 1427 wieder eine schwere Alarmnachricht aus Böhmen kam, von der Niederlage des Reichsheeres bei Tachau, und unter der Wirkung hievon neue Anläufe gemacht wurden. Auch jetzt erschien wieder ein Legat der römischen Kirche. Diesmal war es ein energischer Engländer, der Kardinal Heinrich von Winchester. Er war mit im Felde gewesen und hatte die Flucht des Heeres nicht aufhalten können; nun griff er mit starker Hand in die Reichsgeschäfte ein. Auch Basel wurde durch ihn zur Versammlung der Stände in Frankfurt [474] aufgeboten, für den Fall des Ausbleibens unter Bedrohung mit den Strafen, die über Anhänger der Ketzerei verhängt werden.

Das Ergebnis dieses Reichstages war das große Kriegssteuergesetz vom 2. Dezember 1427. Man wählte einen neuen Weg. Nicht mehr Truppen bot das Reich auf, sondern es erhob eine Geldsteuer, um mit dem Ertrag ein Söldnerheer für den böhmischen Krieg zu werben.

Auch Basel erhielt das Gesetz. Aber wie anderwärts, so nahm auch hier das Steuergeschäft keinen Fortgang; bei den Akten Basels liegen wiederholte Schreiben Sigmunds und der Kurfürsten, in denen die Stadt an Einsendung des „Hussengeldes“ gemahnt wird. Es sind dieselben Schreiben, die auch an die übrigen Stände ergingen; ihre Wiederholung zeigt, daß die Steuer nirgends einging.

Daneben nahm jetzt der Krieg selbst eine neue Form an. Die Husiten brachen aus ihren Grenzen heraus und ergossen sich mit allen Greueln des Krieges über die Nachbarländer. Alles drängte zur Katastrophe. Auch der Beheimsteiner Vertrag, den der Feldhauptmann des Reiches, Markgraf Friedrich von Brandenburg, im Februar 1430 mit den Ketzern einging, hielt das Verderben nicht auf; aber er zum ersten Mal zeigte, daß Verhandlungen vielleicht das bessere Mittel wären.

Im Februar 1431 trat der Reichstag zu Nürnberg zusammen, größer und glänzender als er seit Jahren gewesen war. Sichtlich empfand Jeder, daß es nun die letzte Entscheidung gelte. Wieder wurde eine Matrikel über Aufstellung eines Reichheeres beschlossen; und am 29. April einigten sich die Städte zu Speier über ihre Teilnahme an dem Feldzug.

Basel hatte an allen diesen Versammlungen teilgenommen; zur selben Zeit aber waren bei ihm der Abt von Vezelay und die Deputierten der Universität Paris eingetroffen, als Ankündiger und Anfänger des Konzils, dessen Präsident Cesarini zugleich Führer des Kreuzheeres war. So von der allgemeinen Erregung ergriffen, wohl auch durch die Konzilsherren befeuert, entschloß sich Basel, diesmal über Reden und Schreiben hinaus zu handeln.

Am 23. Juli geschah im Kapitelsaale beim Münster die förmliche Eröffnung des Konzils; am 25. Juli ritt das Basler Kontingent in den Husitenkrieg. Sein Hauptmann war Konrad von Hallwil, Herr des Schlosses Dorneck; die vier unter ihm stehenden Spießer waren Herr Heinrich [475] von Ramstein, Adelberg von Bärenfels, Ludman von Rotberg und Hans Konrad Sürlin. Der Trupp zählte im Ganzen zweiunddreißig Reiter; sein Fähnlein war weiß, schwarz und rot.

Aber auch diesmal wieder wehten Basels Farben im Böhmerlande nur, um die Schmach der Reichsarmee zu teilen. Am 14. August trafen sich die Heere bei Taus; als die Husiten anrückten, hielten die Deutschen nicht einmal Stand, sondern stoben angsterfüllt in wilder Flucht davon.

Damit waren diese Kriege zu Ende. Und wenig mehr als ein Jahr später sah Basel an seinem Ufer die Gesandten der Husiten aus den Schiffen, treten, um friedlich mit dem Konzil zu unterhandeln.