Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/4. Der Kampf mit Oesterreich/7. Fehden

Markgraf Bernhard Geschichte der Stadt Basel. Erster Band/4. Der Kampf mit Oesterreich
von Rudolf Wackernagel
König Sigmund und das Reich
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Siebentes Kapitel.
Fehden.



Der Ellikurterkrieg und der Krieg mit Markgraf Bernhard waren die Hauptereignisse des Jahrzehnts für Basel.

Nicht so unmittelbar wichtig wie sie, aber angreifender, ermüdender, war die Menge einzelner kleiner Vorfälle, die nebenher ging.

Vor allem kommen die Wälschen in Betracht. Daß bei diesen, im weitesten Kreise genommen, die entschiedene Tendenz des Vordringens zum Oberrhein bestand, ist schon gezeigt worden. Es handelt sich um einen Geist und einen Willen, der sich an einzelnen Erfolgen, wie z. B. die Regierung der Katharina von Burgund war, nicht genügen ließ. Er kam nie zur Ruhe, er schuf stets neue Unternehmungen, und infolge hievon lebte dieses wälsche Wesen in den Köpfen der Bewohner der oberrheinischen Lande selbst als eine stete Gefahr, als ein notwendiges Element der öffentlichen Zustände, wobei Manche, die genauer zusahen, sich nicht verhehlten, daß hinter dem Kleinen und Alltäglichen, mit dem man schon fertig zu werden vermochte, einige Große und Unüberwindliche standen. Der Gedanke hieran dominierte die Zeit. Auf der ganzen Linie gingen unaufhörliche Gerüchte von bedrohlichen Ansammlungen im Westen; man empfand das Fehlen einer über Allen stehenden, einheitlichen, die fremde Gefahr abwehrenden Macht; man ermahnte gegenseitig zur Wachsamkeit, verhieß sich Hilfe, trat in Bünden zusammen.

Im Vordergrund steht Ludwig von Chalon, aus dem Zweige Arlay des gräflichen Hauses von Burgund, von seiner Mutter her Fürst von Orange, durch Vermählung mit Johanna, einer Tochter des letzten Grafen von Mömpelgard, auch in diese Erbschaft (Montfaucon, Grandson, Orbe, Echallens) eingetreten. 1421 schloß er mit Markgraf Bernhard ein Bündnis zu Schutz und Trutz gegen Jedermann, und zur gleichen Zeit trat er auch König Sigmund näher, der ihn zum Reichsvikar in Burgund machte, ihm die Grafschaft Genf verlieh usw.

[450] Die Verbindung dieses mächtigen Herrn mit dem niederbadischen Markgrafen war von Wichtigkeit für den ganzen Oberrhein, und in der Tat hieß es, kaum nachdem der Feldzug gegen Bernhard im Juni 1424 begonnen hatte, daß der Prinz von Chalon schon im Lande sei. Am 19. Juni alarmierte der österreichische Vogt in Altkirch den Basler Rat mit dieser Nachricht; er verlangte Hilfe; der von Chalon samt dem von Warsee und dem von Neuenburg hätten ein mächtiges Heer zusammengebracht und wollten Belfort und Dattenriet belagern. Am Tage darauf war von fünfzehntausend Reisigen die Rede, die sich vor Belfort zu legen im Begriffe stünden. Am 24. Juni hatte Basel noch Weiteres vernommen: vierzehntausend Ritter und Knechte, sechstausend englische Bogner, viertausend mit Schaufeln, wären beisammen, gedächten Mülhausen zu belagern. „Sollte es aber zur Einnahme dieser Stadt kommen, so möchten wir und die andern Städte nimmer mehr ledig werden.“ So wuchs Gerücht und Schrecken von Tag zu Tag. In Wirklichkeit betrug die vor Belfort stehende Belagerungsarmee des Prinzen nicht mehr als zweitausendfünfhundert Mann mit Einrechnung des ganzen Trosses, und wie diese ganze Rüstung zu spät gekommen war, um Bernhard noch helfen zu können, so hielt sie auch nicht Stand, als die Basler ihr mit Ernst entgegentraten. Diese wälschen Herren waren am lautesten bei ihren Rüstungen; über das Verwüsten des Landes, das Verbrennen von Dörfern, das Töten und Gefangennehmen von Bauern hinaus unternahmen sie selten etwas Größeres; allezeit war es nur ein Hin- und Herziehen, Ausfallen und Zurückweichen.

Aber gerade dieses Treiben weckte überall die Unruhe. Ein ängstliches Reden von wälscher Invasion wurde beständig von Stadt zu Stadt weitergegeben. Am 12. März 1425 schreibt Basel den Herren des Schlosses Grandwil, daß tägliche Meldungen einlaufen von großen Ansammlungen in wälschem Land, die ins Deutsche herausziehen wollen, am 8. Juni der Straßburger Ammeister dem Rate zu Basel von den Kriegshaufen in Lothringen, von denen man nur nicht wisse, wohin sie den Kopf zu wenden gedenken. Am 6. Juli kommt die Mähr von achtzig wälschen Reisigen, die bei Kaltenbrunn ins Land gekommen und Brand gelegt haben; eine Woche später die Nachricht aus Straßburg von einer großen „huffunge“ im Westerreich, die entweder oben bei euch oder hier unten bei uns ins Elsaß einfallen will; es sollen bei zweitausend Reiter sein. Basel ist sehr beunruhigt und schreibt seinen Bundesstädten im Elsaß und Breisgau von der Sache, bittet um Hilfe und erhält auch die Zusicherung, daß sie ihr Bestes tun werden. Wenn auch diese Meldungen sich meist nur als leere Gerüchte [451] erwiesen, stand die Stadt doch in ernsten Sorgen. Sie erfuhr ja, was weiter hinten im Westen vor sich ging; das furchtbare kriegerische Gewoge, diese stets neuen Schrecken von Schlachten, Belagerungen, Stürmen, die damals Frankreich erfüllten, blieben unsern Landen keineswegs verborgen, und diese Kenntnis mußte notwendig Alles verschärfen und verdüstern, was von der Grenze gemeldet wurde. Wie bekümmert mochten die Gesandten Basels im Januar 1426 von Heidelberg heimreiten, wo ihnen der Pfalzgraf schlimme Mähre gesagt hatte: „es sei etwas im Werke; man arbeite und werbe am Herzog von Burgund und an Andern; man wolle Gäste in das Land bringen, etliche über die von Basel von des von Neuenburg wegen, etliche über die Reichsstädte von Gemars wegen, etliche über die von Straßburg von des Bischofs wegen, etliche über die im Breisgau von des Markgrafen Bernhard wegen. Den Erzbischof von Mainz habe man um Hilfe hiebei angesprochen, ihn den Pfalzgrafen um Neutralität; aber er habe geantwortet, daß er das nicht tun könne, denn er sei mit den Städten verbündet.“

Wer waren denn die „Walchen“, denen diese nie weichende Sorge galt, von denen in den Schriften beständig die Rede ist? Vor allem natürlich Frankreich und Burgund; doch diese nur im allgemeinen Sinne, als Größen, die nur von weitem gefürchtet zu werden brauchten. Die eigentlichen Vertreter dieses drohenden Wälschtums standen näher, waren deutlich erkennbar und oft unmittelbar spürbar. Dies waren die Herren Diebold von Neuchatel und Ludwig von Chalon, der von Vienne, der von Vergy, der von Froberg, der von Vaumarcus. Dann der große Graf Hans von Freiburg, der aus einem Breisgauer ganz zum Wälschen geworden war. In Beerbung seiner Mutter Verena hatte er die Grafschaft Neuenburg am See erhalten; außerdem finden wir ihn mit dem burgundischen Herrscherhause enge verbunden. Auf der Brücke zu Montereau 1419 war er einer der Begleiter des Herzogs Johann und Zeuge seines Todes; dem Herzog Philipp diente er im geheimen Rate und als Marschall von Burgund.

Es erweist sich aber, daß die ganze Bewegung nicht zunächst gegen Basel gerichtet war, sondern gegen Oesterreich, und hiebei handelt es sich vor allem wieder um Herzogin Katharina.

Wir erinnern an deren Streitigkeiten mit Herzog Friedrich von Oesterreich nach dem Tode ihres Gemahls, an die Einnahme ihrer Gebiete von Reichs wegen im Frühjahr 1415. Als im Mai 1418 Herzog Friedrich seinen endgiltigen Frieden mit König Sigmund machte, übergab ihm dieser [452] wieder alle seine Herrschaften in den Vorlanden, auch die laut Ehevertrag der Katharina verschriebenen, wie Ensisheim, Thann, Masmünster, Pfirt, Landser, Altkirch. Von da an erscheint Friedrich während mehrerer Jahre als Herr dieser Gebiete; er verfügt über sie. Er übergibt 1419 ihre Verwaltung seiner Gemahlin Anna von Braunschweig, und diese ist jetzt Regentin. Als sie im September die Regierung antritt und Basel besucht, wird sie durch den Rat festlich empfangen und bewirtet. Katharina aber erscheint als ganz beiseite geschoben, nirgends mehr ist von ihr die Rede. Wir haben diese Verhältnisse nicht zu schildern; für uns von Interesse ist nur die Haltung Basels.

Diese Stadt, die sich mit Katharina verbündet und Friedrich bekriegt hatte, nimmt nunmehr an dessen Rehabilitierung tätigen Anteil. Aus allen Rücksichten politischen wie wirtschaftlichen Lebens lag dem Rate daran, auf diese Geschicke des obern Elsasses einzuwirken. Daher er beständig wachsam beobachtet, bei jeder Gelegenheit sich geltend macht, zum Frieden redet. Alles nur, um die Ruhe des Landes zu sichern, die Zustände zu befestigen. Von Annexionsgedanken verlautet gar nichts, aber mit Geldhilfe ist die Stadt bei der Hand. Wie sie s. Z. der Katharina mit Vorschüssen beigestanden, wie sie dann im Kriege des Grafen Hans von Freiburg getan, so macht sie auch jetzt bereitwillig Aufwendungen und leiht dem Herzog Friedrich sechstausendeinhundert Gulden, „umb das er wieder ze gnaden komen und sin land wieder an sich bringen möcht“. Sie will nicht einmal eines der sundgauischen Aemter dafür zu Pfand nehmen, obwohl der Herzog ihr dies anbietet.

Noch 1420 und 1421 verfügen Friedrich oder statt seiner Anna von Braunschweig über diese Herrschaften; in eben dieser Zeit erfolgt auch die Rückzahlung des 1418 durch Basel dem Herzog gemachten Darleihens. Dann aber tritt eine Wendung ein. Herzogin Katharina tritt wieder hervor, und Basel hat zwischen ihr und Friedrich zu vermitteln. Im Dezember 1421 treffen sich die Parteien zu Masmünster und verhandeln unter dem Vorsitze Basels über Rückgabe der Herrschaften und Schlösser an Katharina.

Aber neue Schwierigkeiten erhoben sich. Die Lage war eine kritische. Im Burgundischen wurde gerüstet; am 7. Oktober 1422 schloß Katharina mit Graf Konrad von Freiburg ein Bündnis, um Oesterreich zu bekriegen. Basel ließ es seinerseits an Bemühungen nicht fehlen. Seine Gesandten gingen die Einen nach Wien zu Herzog Friedrich, die Andern zusammen mit Boten der Städte im Elsaß und des Markgrafen Rudolf nach Belfort. Hier konnte man Burgund dazu bewegen, den beschlossenen Kriegszug [453] in den Sundgau um einige Wochen zu verschieben. Bei Herzog Friedrich dagegen war vorerst nichts zu erreichen, da er den Ansprüchen Katharinas die Anerkennung verweigerte; in der schweren Sorge um den bevorstehenden Krieg sagte daher Basel dem König die Teilnahme am Zuge gegen die Husiten ab. Unterdessen ritten seine Gesandten eifrig hin und her, Arnold von Rotberg nach Innsbruck, Hug zer Sunnen und Offenburg nach Belfort, und ihre Arbeit hatte endlich Erfolg. Am 12. März 1423 trafen sich die streitenden Parteien in Basel, und hier kam es zum Vertrage, durch den Friedrich der Schwägerin auf Lebenszeit Elsaß und Sundgau wieder einräumte.

Basel machte hiebei nicht nur den Vermittler. Es leistete der Herzogin auch Geldvorschüsse, es schickte bewaffnete Mannschaft zum Akt der Uebergabe Belforts; Rotberg und Offenburg begleiteten die Herzogin, als sie ihre Lande wieder einnahm. Basel handelte mit allem dem im Interesse Burgunds, woraus sich auch die Verhandlungen erklären, die in eben diesen Tagen zwischen dem Rat und Herzog Philipp geführt wurden. Aber das Motiv seines Handelns war auch jetzt wieder kein anderes, als das, dem Lande „Frieden und Gemach“ zu verschaffen, obwohl bei solcher Bemühung zwischen Streitlustigen, wie es gelegentlich sagte, „nit große früntschaft ze holen war“.

Immerhin gewann Basel im Jahre darauf den Beitritt Katharinas zur großen Liga gegen Markgraf Bernhard; am 24. April 1425 schloß es neben Freiburg, Colmar und Breisach mit ihr einen Münzvertrag.

Am 26. Januar 1426 starb Katharina. Ihr Andenken lebte auch im Steinenkloster zu Basel, das sich ihrer Gunst zu erfreuen gehabt hatte, in einer Jahrzeit weiter.

Aber mit Katharina starb keineswegs der burgundische Anspruch. Sie hatte ihren Neffen Herzog Philipp zum Erben eingesetzt, und obwohl nun die auf ihre Lebenszeit ihr verschriebenen Elsässer Herrschaften an Friedrich zurückfielen, hatte Burgund noch immer Forderungen geltend zumachen, solange das Heiratsgut nicht zurückerstattet wurde. Damit war der Krieg gegeben.

Er dauerte von da an lange Jahre hindurch. Selten als offener anerkannter Krieg der beiden Mächte Oesterreich und Burgund, zumeist als ein latenter Zustand, in kleinen Formen, scheinbar zufällig, als Streit der beiderseitigen Vasallen, mit Grenzhändeln, Scharmützeln, Ueberfällen. Wir sehen unaufhörliche Konflikte der Adligen hüben und drüben; und wie das Land hiebei nie zur Ruhe kam, so stand auch Basel in Sorge.

[454] Bemerkenswerte Einzelheiten in diesem allgemeinen Zustande waren die Angelegenheiten Vaumarcus und Froberg. Der Herr von Vaumarcus, aus einer Nebenlinie des Neuenburger Grafenhauses am See stammend, war in Basel als Hans von Famerkú wohl bekannt; er besaß das Bürgerrecht und hatte 1425 den Hof Michelfelden vor der Stadt erworben. Später finden wir ihn unter den burgundischen Kammerherren, gelegentlich auch als Gesandten des Herzogs Philipp.

Jetzt war er Pfandherr der Herrschaft Badenweiler und wurde als solcher, um seines Herrn des Grafen Hans von Freiburg willen, durch die Brüder Hans und Heinrich von Müllheim und durch Walther vom Stein angegriffen und geschädigt; auch Graf Eitelfritz von Zollern, der unvermeidliche Herzog von Schiltach u. A. sammelten ihre Kräfte zu einem Raubzug in diese Herrschaft. Basel nahm sich hiebei seines Bürgers nach Kräften an, redete zum Guten, mahnte Freiburg und Breisach zur Wachsamkeit. Aber mit diesen Händeln kombinierte sich nun die Sache des Frobergers. Jean Louis von Froberg von Tuilliers, der „Schan Loy“ der Basler Akten, war im Ellikurter Krieg einer der Alliierten des Diebold von Neuenburg gewesen. Jetzt stand er im Zwist um die Herrschaft Froberg mit seiner Tante Johanna, der Witwe des Hans von Froberg, die ihrerseits von Oesterreich unterstützt wurde, während hinter dem Froberger so gut wie hinter Vaumarcus der Graf von Freiburg stand. Mitte August 1428 zog ein Heer aus den vorderösterreichischen Landen unter Führung des Grafen Hans von Tierstein vor Froberg und belagerte die Feste, aber ohne Erfolg. Denn die Walchen unter dem Grafen von Freiburg brachen los, ledigten Froberg und drängten hinter den weichenden Oesterreichern drein, zweitausendfünfhundert Mann stark, in den Sundgau. Masmünster entging ihnen zur Not, aber Dammerkirch wurde verbrannt, viele Dörfer gingen in Flammen auf; tödtend, gefangennehmend, verwüstend zogen die Walchen durch das schöne Land.

Basel hatte alle Ursache einzugreifen. Die Gefahr solcher kleinern Expeditionen lag darin, daß sie leicht ins Große wuchsen. Denn hinter diesen lokalen und ephemeren Vorfällen standen stets die Absichten der Mächtigeren. Mit aller Deutlichkeit wurde dies empfunden. Bei diesem Einfall wirkten nicht nur Vaumarcus und Schan Loy mit, sondern auch die Beiden von Warsee mit ihren Leuten, andre burgundische und savoyische Herren in großer Zahl, sowie zweihundert Bogner des Königs von Frankreich; ein weiterer Zuzug von zweitausend Reitern wurde erwartet. „Nun verstand ir wol, lieben Herren,“ schrieb der Mömpelgarder [455] Landvogt dem Rate, „solt her Hans von Famerkú oder Zschanloy die Engelschen oder die Burguner oder die Lutringer oder die Saffoiger ins land bringen, daz si dann wol die minsten houptlüt möchten sin.“ Er mahnt angelegentlich, Alles zu tun, um baldigen Frieden zu schaffen. „Wann geschicht es nit, so mügen wol gest kummen, die dem land nit nütz sind.“

Basel tat wirklich das Mögliche; es übernahm die gütliche und eventuell rechtliche Schlichtung des Streites und versprach, im Falle Oesterreich dem Spruche nicht nachkommen sollte, seinerseits im Namen Oesterreichs dem Grafen von Freiburg sechstausend Gulden zu zahlen. Basel verstand sich hiezu „dem ganzen Lande zu Nutz und zu Trost“, im Geiste derselben Politik, die es schon in den Tagen der Herzogin Katharina geübt hatte.

Der schließliche Ausgang des Friedensgeschäftes ist uns nicht bekannt. Aber schon im folgenden Jahre 1429 kam ein Gegenschlag durch den Edelknecht Ludwig Meier von Hüningen, der mit einer kleinen Schar sich des Schlosses Froberg bemächtigte und es verbrannte. Er tat dies als Parteigänger Oesterreichs; vor wenigen Jahren noch war er auf Seiten Diebolds von Neuchatel gewesen und hatte das österreichische Florimont mit derselben Keckheit und Gewandtheit eines raschen Ueberfalles gewonnen wie jetzt Froberg.


Dieser Junker Meier von Hüningen, als unruhige Gestalt uns überall begegnend — unter den Söldnern Mülhausens, im Heere gegen die Husiten, im Dienste des Grafen von Lupfen, später österreichischer Hauptmann in Rapperswil, Hauptmann der Stadt Freiburg i/U., der alten Heimat Basel völlig entfremdet — kann als Typus einer Menschenart gelten, die damals zuerst in größerer Menge uns bemerkbar wird. Er führt zugleich tief hinein in die Fülle von Bewegung und Kampf, von der alle Schriften der Zeit wiedertönen.

Neben den Verwicklungen, die auf die wälsche Tendenz zurückweisen, gehen unaufhörliche Erschütterungen durch die oberrheinischen Lande, im Einzelnen unerheblich, als Ganzes aber von einer Bedeutung, daß Basel auch ohne direkte Beteiligung doch alle seine Interessen berührt sah, daß ihm nicht nur diplomatische Wachsamkeit und Unermüdlichkeit, sondern auch ein permanentes Gerüstetsein in Waffen geboten war.

Eine vorweg zu nennende Einzelheit aus diesen Leistungen der Stadt sind ihre Zuzüge nach Straßburg. Am 28. Juli 1418 hatten die beiden Städte ihren Bund erneuert; und als dieser abgelaufen war, auf Martini [456] 1423, tat die große Landfriedenseinung, an der die Städte beteiligt waren, dieselbe Wirkung.

Wiederholt hatte Straßburg unsere Stadt um Hilfe anzusprechen. Es waren die ernsten Streitigkeiten mit dem Lothringer Johann von Haussonville seit 1419, mit der aus Straßburg gewichenen Ritterschaft seit 1420, die jahrelang Straßburg in Atem hielten und eine Verstärkung seiner Kriegsmacht von auswärts her nötig machten. Die Ritterschaft hatte zwar direkt mit Basel verhandelt, und die Gesandten dieser Stadt waren bei ihr in Schafftolzheim gewesen. Die Ritter verlangten, daß Basel ihrem Streit mit der Stadt fernbleibe; Basel berief sich auf das Bündnis und schlug los. Sein erster Zuzug geschah im Februar 1420; unter dem Befehl des Konrad von Eptingen ritten vierzehn Glefen, jede zu vier Hengsten; die Straßburger legten sie in die Besatzung zu Molsheim, und wie heiß es dort in den Gefechten mit den Edeln zuging, zeigen die Rechnungsposten Basels für verlorene Pferde und Harnische und Waffen, für Pflege von Verwundeten usw. Im Mai konnten sie nach Hause reiten. Aber schon im Jahre 1421 kamen wieder ernstliche Mahnungen Straßburgs, und im Januar 1422 ging die zweite Schar von Basel ab. Der Krieg Straßburgs mit den Adligen dauerte in erbitterter Weise fort; er ist in der Geschichte jener Stadt unter dem Namen des Dachsteinerkrieges bekannt. Dreißig mit Glefen zogen jetzt von Basel aus unter Hans Werner zum Wiger. Nach vier Monaten kehrten sie zurück.

Aber Straßburg kam noch nicht zur Ruhe. Seit 1427 machten seine Fehden mit Gumpold von Giltlingen, Friedrich Bleich u. A., dann der große, im alten Haß wieder aufgenommene Kampf gegen Markgraf Bernhard und Bischof Wilhelm neuerdings Hilfe nötig. Im Juli 1427 ritt wieder eine Basler Soldtruppe hinab: Peter und Hans von Ramstein, Peter zum Wind, Peter Halbisen, Hans Murer u. A., als Hauptmann Erni von Bärenfels. Wir vernehmen nur nebenbei, daß diese im Laufe des Jahres 1427 wieder heimkehrten. Deutlich zeigen die Basler Akten, wie die Sache Straßburgs als eine gemeine Angelegenheit aller Städte empfunden wurde. Nachdrücklich erhob Straßburg allenthalben sein Begehren um Hilfe; es bat Basel, auch die Städte im Oberland zu mahnen. Basel ließ das Begehren an Solothurn weitergehen und wiederholte diesem die Vorstellungen Straßburgs: „wenn es mit uns aus sein wird, so wird es an andre Städte gehen. So sei es Köln und Mainz gegangen, so den schwäbischen Städten, so auch Würzburg und Bamberg; nach Straßburg werden die andern dran kommen.“ Aber die Solothurner traten auf nichts ein, lehnten ab; die [457] Sache täte ihnen in Treuen leid, aber ihrer Räte seien jetzt viele nicht in der Stadt, sondern draußen im Herbst und sie könnten nichts tun. So die Solothurner. Basel dagegen entzog sich auch diesmal der Hilfeleistung nicht. Es schickte Truppen; bei den Belagerten in Oberkirch waren auch seine Söldner, unter dem Befehle des Hans Wonlich; außerdem half es auf Konferenzen zum Frieden reden. Zuletzt war es doch nicht solche Vermittlung, sondern ein schöner Sieg der Straßburger selbst, über die Belagerer von Oberkirch, der die Sache zu Ende brachte.


Im übrigen stehen wir vor einem seltsamen Gewirre, das diese Jahre füllt. Nur die wenigen großen Ereignisse und die mächtigen Herrscher treten heraus. Auch Gestalten wie der Rötler Markgraf und die Grafen von Tierstein nehmen nicht mehr die weithin sichtbare Stellung ein wie vordem. Völlig im Dienste Oesterreichs steht Graf Hans von Tierstein. Markgraf Rudolf, hochbetagt, geht in alter Weise, leise und klug, seinem Vorteil nach, auch mit Basel noch gelegentlich über allerhand Rechte streitend; daneben ist er auf Schloß Röteln der ruhige Beschauer dieser bewegten oberrheinischen Welt und legt das sich Ereignende in seiner Schloßchronik nieder. Aber er dominiert nirgends.

Um das wenige Große drängt sich eine allgemeine leidenschaftliche Bewegung, hervorgerufen durch zahlreiche Einzelkräfte, deren jede nur für sich arbeitet und sich Bahn brechen will. Das Ganze eine Erscheinung, die wir von da an nie mehr aus den Augen verlieren, zum erstenmal aber jetzt deutlich vor uns sehen. Sie erst macht das Bild der Zeit zu einem so reichen und gibt eine Vorstellung von den Aufgaben, die der Stadtregierung über große Politik und Verwaltung hinaus täglich erwuchsen. Und wie bunt ist die Menge dieser Personen: in den unaufhörlichen Fehden verwilderte und heimatlos gewordene Menschen, ein paar verwegene Kaufleute, schlechte Wirtschafter, aus der Bahn geworfene Existenzen, hauptsächlich aber die große derbe Schar der Freibeuter und Parteigänger. Man hat dabei nicht nur an Adlige zu denken, die der Armut ihrer Schlösser entflohen sind. Neben ihnen drängt sich in diesem Krieg- und Raubleben ein zahlreiches, niederes Volk jeder Art und Herkunft. Sie Alle finden in Kampf und Unruhe ihren Beruf und dienen Jedem, der sie kauft. Sie bilden die Banden, die, im Bestande stets wechselnd, das oberrheinische Gebiet in Erregung halten, bald Straßenräuber, bald eine Soldateska von eigentümlichem Wert, deren oft krause Namen die Absagebriefe der Herren [458] füllen, die aber zwischenhinein auch als Söldner unter dem Feldzeichen einer Stadt reiten.

All dies Leben, wie es in den verschiedenartigsten Nachrichten überliefert wird, scheint durcheinander zu wirbeln, kreuzt sich in allen möglichen Aeußerungen, Briefen, Klagen, Uebeltaten, Fehden, Verhandlungen. Mitten inne unsere Stadt in unaufhörlicher Arbeit; sie soll helfen, Rat geben, strafen, schlichten, zuziehen, Boten schicken, und wo nicht Andre dies von ihr fordern, hat sie von sich aus Allem aufzubieten zur Wahrung von Gut und Ehre ihrer selbst wie ihrer Bürger.

Das ganze Land war voll Räuberei und Gewalttat. Ueberall klagte man, welch „große Irrsal“ herrsche, niemand vor Mißhandlung sicher sei. Wie im Reiche draußen Fürsten und Städte zusammentraten, in wiederholten Konferenzen den Kampf wider dies Unwesen berieten und doch nichts ausrichteten, so auch hier. Die österreichische Regierung regte sich; die Städte trafen die Abrede, Reiter auszurüsten, die durch das Land streifen, den Kaufmann und den Pilger schirmen sollten. Es waren Anordnungen, die offenbar wenig taugten. Denn die Klagen hören nicht auf. Bei Banzenheim wurde eidgenössischen Kaufleuten ihr Gut genommen, und Zürich verlangte von Basel, daß es sich um die Rückgabe bemühe. Basel selbst aber mußte seinen Angehörigen, Tunsel, Ospernell, Meltinger u. A., die zur Frankfurter Messe unterwegs waren, Warnung zukommen lassen, auf der Hut zu sein. Hans von Stutzheim, Burchard Schlosser von Zell, Hans Frischlin u. A. galten als die Häupter der Raubbanden, die in der untern Hard ihr Wesen trieben.

Natürlich standen die Edeln des Landes selbst diesem Treiben nicht fern; namentlich begegnen uns hier die adligen Bastarde, die auch in der Söldnerwelt eine Rolle spielten: Hensli von Wessenberg der „wilde Bankert“, Otmar und Heinrich die Bastarde von Blumenegg, Walther von Ouwe der Bastard, einmal vier solcher unechten Söhne nebeneinander: Berthold von Hatstat, Heinrich von Ramstein, Jakob von Klingen, Ulrich zu Rhein. Aber der in diesen Jahren am meisten genannte Vertreter dieser Gattung war Hans der Bastard von Andlau genannt Ottenheini. Er steht im Dienste des Markgrafen Bernhard, dann des Bischofs von Straßburg, fängt die armen Leute der Herzogin und geht, vorgeblich um dieser Feindschaft willen, auch auf Angehörige Basels. Mit Dietrich von Wasselnheim zusammen führt er dem Basler Metzger Jecky Vasnacht drei Pferde weg und nimmt seinem Knecht Gürtelgewand und Messer mit den Worten, daß [459] er den Meister lieber nehmen würde als die Pferde, und wenn er golden wäre, so wäre er ihm lieber, als wenn er ein Mensch wäre.

Eine ganz vereinzelte Erscheinung dem gegenüber, ein Fremdling, der plötzlich sich zeigt, um sofort unterzugehen, ist der Ritter Daniel Auer, der wegen eines bei Flumental verübten Raubes durch die Solothurner über den Hauenstein gejagt wird und bei Bubendorf in die Hände der Basler fällt. Es kommt ans Licht, daß er auch den Bernern allerhand große Schmach angetan habe. Am 5. Februar 1426 wird er zu Basel enthauptet und erhält ein Grab bei den Barfüßern.

Aber auch wohlbekannte Namen tönen hier. Im April 1424 überfiel Herr Hans von Mörsberg mit seinen Söhnen Konrad und Peter nahe bei Bubendorf eine französische Gesellschaft und nahm die Gemahlin des Ritters Franz von Grignans samt Kaplan und Diener gefangen. Der Vorfall war ein so krasser, die Persönlichkeiten der Angegriffenen wie der Uebeltäter so namhaft, daß Basel mit aller Energie einschritt; es kam bis zum Aufgebot von Mannschaft in den Aemtern.

Mit einem Andern aus dieser Gesellschaft, der einst Basel viel zu tun gegeben hatte, ging es in diesen Jahren zu Ende. Es war Hans Wilhelm von Girsperg. Die alte Feindschaft, wenn auch nicht förmlich beigelegt, schwieg doch wenigstens; Girsperg besaß ein Haus zu Basel, ritt hier unbehelligt aus und ein, und setzte sich auch in der Nähe fest. Seit Januar 1416 Gemahl der Johanna von Tierstein, des Grafen Otto Tochter — der Rat hatte zur Hochzeit Ehrenwein gespendet —, besaß er Rechte an den Schlössern Farnsburg und Tierstein, die im Oktober 1418, nach dem Tode seines Schwiegervaters, von ihm auf den Pfäffinger Grafen Hans übergingen. Vom folgenden Jahr an aber finden wir den Girsperger wieder in seinen Stammlanden und im alten Treiben, bei Raubanfällen auf den Elsässer Straßen. Die von Uri klagen, daß er den Bürgi im Baumgarten, der „auf Gottes Fahrt“ war, gefangen und in den Turm zu Girsperg geworfen habe. Auch Einen von Biberach fängt er, dann Knechte der Frau von Oesterreich, dann Kaufleute von Isny. In allen diesen Fällen wird Basel von den Geschädigten angesprochen, weil der Girsperger sein Bürger oder doch sein Hintersaß sei. Aber es lehnt jede Gemeinschaft ab. Als der von Girsperg mit einem Basler in Streit steht, untersagt ihm der Rat die Stadt und erbietet sich, das Gericht am Kreuzstein halten zu lassen. Endlich bringt das Jahr 1422 das Ende. Girsperg wird auf seiner eigenen Burg erschossen, bei deren Belagerung durch Smasman von Rappoltstein und Hans von Lupfen. Seine Witwe Johanna von Tierstein nahm dann [460] einige Jahre später den sechzigjährigen Burchard Münch von Landskron zum Manne.


Mit der üblichen Vorstellung einer Wegelagerei, die nur aus Raublust geübt wird, werden wir nicht allen Erscheinungen gerecht, die uns hier begegnen. Auf psychologisch merkwürdige Weise zeigt z. B. Konrad Sinz die Entwicklung eines reichen Patriziersohnes und Ratsherrn zum Straßenräuber; in der Angelegenheit des Hans Schreiberlein, die zudem weit ins Allgemeine reicht, sehen wir wohlsituierte Kaufleute kraft Rechtens zu solchen Gewaltmitteln greifen.

Unter den Basler Kaufleuten jener Zeit tritt wiederholt der Sohn des frühern Stadtschreibers Johann von Altdorf hervor; vom Berufe des Vaters trug er den Beinamen und hieß gemeinhin Hans Schreiber oder Schreiberlein. Er war Besitzer des Hauses zum Hasen neben dem Rathause und trieb allerhand Geld- und Warengeschäfte. Als sein Teilhaber erscheint gelegentlich Laurenz Taubenei von Aschaffenburg. Sie handelten mit aragonischem Safran und andern Dingen.

Im Jahre 1417 wünschte Sigmund seinen neuen Bundesgenossen König Heinrich von England mit einem Geschenk in Wein zu ehren und übertrug dessen Besorgung seinen Basler Geschäftsleuten. Es handelte sich um zweihundertfünfzig Fuder, die von Basel den Rhein hinab und übers Meer nach London gebracht werden sollten.

Zu dieser Unternehmung traten mehrere Basler Consortien zusammen: Heinrich von Biel und Dietrich von der Ziel mit dem Blumenwirt Peter Hans Wentikum von der einen, Hans Schreiberlein mit Wilhelm von der Ziel und Laurenz Taubenei von der andern Seite. Die Spedition ging vor sich; Sigmund hatte für die ganze Rheinfahrt Zollfreiheit bewilligt.

Aber König Heinrich bekam diesen Wein nie zu kosten. Die Zwistigkeiten Sigmunds mit Jakobäa von Holland, Tochter des unlängst verstorbenen Grafen Wilhelm, deren Lande er dem Bischof Johann von Lüttich zugesprochen hatte, um sie dann ans Reich zu ziehen, traten dazwischen. Als die Weinschiffe in holländisches Gebiet gekommen waren, wurden sie unweit Utrecht durch Jakobäa und ihren Gemahl, den Herzog Johann von Brabant, weggenommen, weil es Wein König Sigmunds sei.

Die Geschädigten aber waren die Basler Spediteure, und diesen erlaubte nun Sigmund, sich an allem Gut der Frau von Holland und des Herzogs von Brabant selbst schadlos zu halten; seinen Untertanen durchs ganze Reich befahl er, ihnen hiebei behilflich zu sein.

[461] Es war ein Repressalienverfahren, das Sigmund auch auf anderem Gebiet, den Venetianern gegenüber, anzuwenden liebte. Ein Preisgeben und Schutzloserklären von Reiches wegen. Die Zeit und ihre Art von Rechtsgefühl und Rechtsübung wird dadurch aufs deutlichste illustriert, insbesondere aber auch die Lage bezeichnet, in der Handel und Verkehr und Speditionsgeschäft sich damals befanden.

Die Verfügung Sigmunds kam durch die Basler sofort in Anwendung und wurde schon bald ausgedehnt auf holländisches und brabäntisches Gut überhaupt. Schreiberlein erscheint dabei immer als der Tätige, als der Führer der Basler. Dem Utrechter Handelsherrn Michel Lütpart genannt mit der Schrammen legt er Arrest auf sein Gut zu Basel, weil die Stadt Utrecht bei der Nahme mitgewirkt habe; dann aber greift er weiter, nimmt den Kaufmann Andreas Bott von Dordrecht gefangen und läßt ihn nur auf Urfehde wieder frei; den Cornelis Stoit von Tollen und den Thoman Lausens von Delft, die auf der Pilgerfahrt nach St. Jago in die Nähe Basels kommen, überfällt er und nimmt ihnen ihr Zehrgeld, ihre Pferde und alle Habe.

Es war ein anerkannter Zustand, gegen den auch der Rat von Basel von Rechtswegen nichts tun konnte. Als sich der Herzog Johann von Brabant bei ihm über die Gewalttaten des Schreiberlein und seiner Genossen beschwerte, antwortete er kühl, daß es sich um erteilte Rechte handle, gegen die er seinerseits nichts vermöge; der Herzog wolle sich an den König wenden. Und als Bartolommeo Givoldi von Como, Lagerherr zu Antwerpen, eine Fuhre mit Wollenballen durch Basel nach Lamparten schicken wollte, erlangte er nur auf Fürsprache der Räte von Straßburg und Basel, daß Schreiberlein versprach, die Ballen unbehelligt passieren zu lassen.

Diese Angaben können genügen. Der ganze Handel zog sich noch jahrelang hinaus. Als Schreiberlein und seine Teilhaber im Lande des Markgrafen Bernhard über Brabanter Kaufleute herfielen, ihnen Waren im Wert von angeblich zehntausend Gulden abnahmen und von den Gefangenen überdies ein Lösegeld von zwanzigtausend französischen Kronen verlangten, schritt Bernhard ein, und auf sein Begehren widerrief König Sigmund im Februar 1422 die den Baslern erteilte Erlaubnis. Aber im Oktober gleichen Jahres schon folgte eine neue Maßregel: auf Klage der Basler verhängte Sigmund die Reichsacht über die Städte Brüssel, Löwen, Antwerpen, Breda, Leyden, Rotterdam usw. Und was dies in der Praxis bedeuten konnte, zeigen Verhandlungen vor den Schöffen in Köln, Dezember 1423, woselbst Einer der Basler Compagnie, Elias von der Ziel, die [462] Holländer Peter von Leyden und Samson von Herzogenbusch arrestierte. Ende 1423 wurde aber die Acht wieder aufgehoben, offenbar weil sich inzwischen die Städte mit den Basler Kaufleuten hatten verständigen können. Im April 1424 ist von einem solchen Vertrag die Rede; aber im Januar 1425 sah sich Sigmund neuerdings auf Klage der Basler zur Verhängung der Acht über einige der Städte veranlaßt.

Wir kennen den schließlichen Ausgang der Sache nicht und vernehmen nur, daß im Januar 1430 Schreiberleins Witwe und Söhne sich mit Adam von der Ziel, der nun in Speier wohnte, über ihren Anteil am Ergebnis einer allfälligen Abrechnung mit den Holländern verständigten. Ein Neben- oder Nachspiel eigener Art endlich war die Angelegenheit des Junkers Hans von Müllheim, der als Helfer Schreiberleins, zusammen mit Burchard Münch von Landskron, bei der Gefangennahme einer niederländischen Gesellschaft in der Nähe Basels beteiligt war und dann, als Schreiberlein auf Bitte Basels die Gefangenen freigelassen hatte, wegen des hiedurch ihm entgangenen Gewinnes Ansprüche an den Rat von Basel erhob; die Sache kam erst nach langen Verhandlungen zur Ruhe, indem durch die Schiedsleute darauf abgestellt wurde, daß Schreiberlein „Hauptmann“ des Unternehmens, der von Müllheim aber nur Helfer gewesen sei und somit die Anordnungen Jenes zu anerkennen habe.


So beschaffen war die Zeit. Wir haben den Eindruck einer allgemeinen Verwilderung und Verhärtung. Der Rechtsschutz ist an die engsten Grenzen gebunden. Oeffentliches und privates Wesen fließen merkwürdig ineinander: die Verwicklungen der Stadt machen dem Einzelnen des Leben unsicher, und die Händel des Einzelnen können der Stadt über Nacht einen Krieg bringen. Wir sehen eine Verwirrung vor uns, bei der immerfort Alles in Frage gestellt ist. Und dennoch gibt dieselbe Zeit uns auch das Bild hoher Blüte, ausgedehnten Gedeihens. Wir dürfen nicht glauben, daß jene Menschen die geschilderten Zustände seufzend und duldend tragen. Dulder waren allerdings sehr oft die Bauern, die „armen Leute“ auf dem offenen Lande. Aber in den Städten schuf solche Zeit ein starkes und tatenfrohes Geschlecht. Dieses empfand all den Kampf, mit dem Arbeit wie Genuß täglich neu erstritten und geschirmt werden mußten, keineswegs wie eine Prüfung oder ein schweres Verhängnis, sondern als die natürliche Zugabe zum Leben. Daher das nie nachlassende Anspannen aller Kräfte, beim Gemeinwesen wie beim einzelnen Bürger; unter der [463] Wirkung einer solchen Alle durchdringenden Energie entstand eine Generation um die andere, und jeder erwuchsen die größten Aufgaben.


Das vollkommene Gegenstück zu all diesem wirklichen Streit ist der Kampf eines „irrenden Ritters“, des tapfern Lusitaniers Juan de Merlo 1428 in Basel. Ein Kampfspiel, das in seiner Umgebung wie ein Anachronismus aussieht, tatsächlich aber durchaus nicht vereinzelt dasteht; seine Parallelen begegnen uns vielfach, zumal in den burgundischen Memoiren. Diese Erzählungen zeigen deutlich, mit welcher Feierlichkeit und wie bewußt solche Zweikämpfe veranstaltet wurden, mochten sie nun die Bedeutung eines im Namen und für die Ehre einer ganzen Nation ausgefochtenen Streites haben, oder geschahen sie lediglich zur persönlichen Genugtuung, pour montrer 1a prouesse, pour acquérir honneur. Letzterer Art war der Kampf des Portugiesen in Basel. Wie sich dieser Merlo sieben Jahre später zu Arras, bei Gelegenheit des Friedenskongresses, im Kampfe mit Pierre von Beauffremont produzierte, so war auch sein Auftreten in Basel nur eine der Etappen seiner durch die Lande gehenden Fahrt.

Zunächst wollte freilich der Basler Rat von der Sache nichts wissen und lud den Fremden ein, irgendwo sonst, nur nicht hier, zu fechten. Aber Merlo, der jedem Waffengenossen ohne weiteres den Gruß bot und den Kampf antrug, hatte schon seinen Gegner gefunden, in Heinrich von Ramstein, dem Sohne des frühern Bürgermeisters, und der Zweikampf konnte nicht mehr verhindert werden.

Um so sorgfältiger traf nun der Rat seine Anordnungen, um die Stadt zu sichern, im Gedanken an die zahlreichen Schaulustigen, deren Herbeiströmen aus der ganzen Gegend zu einer solchen Veranstaltung zu erwarten war. Er gab seine Befehle für Schließung und Behütung der Tore, vermehrtes Patrouillieren durch die Straßen, Ueberwachung des Rheins, Verwahrung der Sturmglocken, des Zeughauses usw. Das Gefecht sollte vor dem Münster, auf dem alten Turnierplätze der Basler Ritter, stattfinden. Als Tag wurde der 12. Dezember 1428, ein Sonntag, bestimmt.

Um die Arena zogen sich doppelte Schranken, zwischen denen dichtgedrängt fünfhundert Bewaffnete von den Zünften standen; dem Münster gegenüber erhob sich eine Tribüne, auf der eine glänzende Gesellschaft versammelt saß, dabei viele Herren, die sich in diesen Tagen der Badenweiler Streitsache des Grafen von Freiburg wegen hier zur Konferenz eingefunden hatten. Als Kampfrichter saß da der Markgraf; weiterhin der Rat der Stadt mit dem von Mathis Schlosser hochgehaltenen Banner. [464] Auch die Edeldamen waren hier zu sehen, während den Bürgerweibern vom Rate befohlen worden war, zu Hause zu bleiben und zum Feuer zu sehen. Eine große Volksmenge füllte den verschneiten Münsterplatz.

Die Gottesdienste in den Kirchen waren früh beendet worden; zur verabredeten Zeit, eine Stunde nach Sonnenaufgang, traten die Kämpfer von entgegengesetzten Seiten in den Ring und begannen den Zweikampf. Zu dreien Malen, mit Rastpausen dazwischen, griffen sie sich an: zuerst warfen sie die Lanzen und wechselten fünfzig Streiche mit der Mordaxt, dann vierzig mit dem Schwerte, dann dreißig mit dem Degen. Sie fochten ritterlich, und Beiden gab man große Ehre; zuletzt blieb Juan de Merlo Sieger und erhielt als solcher vom überwundenen Ramstein einen Rubin als Kampfpreis, dann aber, noch auf dem Platze des Streites, von der Hand des Grafen Hans von Tierstein den Ritterschlag.

Wohl um dieser Basler Ritterwürde willen hat der hier durchgefochtene Kampf in der Erinnerung des Merlo und seiner Landsleute besondere Bedeutung und einen die Kunde der andern Taten überdauernden Ruhm erlangt. Noch der späte Cervantes läßt seinen Helden, da er den treuen Sancho und den Canonicus von berühmten abenteuernden Rittern und ihren Großtaten unterhält, auch die Geschichte des Juan de Merlo und seines Kampfes mit dem Ramsteiner in Basel erzählen.