« Buch VII Flavius Josephus
Jüdische Altertümer
Buch IX »
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[466]
Achtes Buch.

Dieses Buch umfasst einen Zeitraum von 163 Jahren.

Inhalt.

1. Wie Solomon die Regierung antrat und seine Feinde tötete.

2. Von seiner Weisheit, seiner Erfahrung und seinem Reichtum.

3. Wie er Gott zu Jerusalem einen Tempel erbaute.

4. Wie nach Solomons Tod das Volk von seinem Sohne Roboam abfiel und zehn Stämme den Jeroboam zum Könige wählten, während nur zwei Stämme dem Roboam treu blieben.

5. Wie Susak, der König der Aegyptier, ein Heer gegen Jerusalem führte, die Stadt eroberte und deren Schätze nach Aegypten mitnahm.

6. Kriegszug des Königs Jeroboam gegen Abias, den Sohn des Roboam. Seine Niederlage.

7. Wie ein gewisser Basanes Jeroboams Geschlecht vertilgte und zur Herrschaft gelangte.

8. Kriegszug der Aethiopen gegen die Jerusalemer unter der Regierung Asanes’, des Sohnes des Abias. Untergang des Heeres der Aethiopen.

9. Wie nach Ausrottung des Geschlechtes des Basanes Zamares und dann dessen Sohn Achab die Israëliten regierten.

10. Wie Adad, der König von Damaskus und Syrien, zweimal gegen Achab zu Felde zog und geschlagen wurde.

11. Die Ammaniter und Moabiter überziehen Josaphat, den König von Jerusalem, mit Krieg und werden besiegt.

12. Wie Achab gegen die Syrer zu Felde zog, eine Niederlage erlitt und selbst fiel.

[467]
Erstes Kapitel.
Wie Solomon die Regierung antrat und seine Feinde tötete.

(1.) 1 Im vorhergehenden Buche habe ich erzählt von David und seinen Tugenden, wie viel Gutes er seinen Volksgenossen erwies, welche glänzenden Kriegsthaten er vollbrachte und wie er danach in hohem Alter starb. 2 Sein Sohn Solomon, den er noch bei Lebzeiten nach dem Willen Gottes zum Herrscher des Volkes gemacht hatte, war noch jung, als er zur Regierung kam. Bei seiner Thronbesteigung wünschte ihm das gesamte Volk, wie das beim Regierungsantritt eines neuen Königs zu geschehen pflegt, alles Glück, eine gesegnete Regierung und ein langes Leben.

(2.) 3 Adonias aber, der schon bei Lebzeiten seines Vaters nach der Herrschaft gestrebt hatte, begab sich jetzt zu Beersabe, grüsste sie ehrerbietig und stellte ihr auf die Frage, was er von ihr begehre, und nachdem sie sich bereit erklärt, ihm seinen Wunsch zu erfüllen, folgendes vor. 4 Sie wisse doch wohl, dass seinem Alter gemäss und nach dem Willen des Volkes die Regierung eigentlich ihm zukomme. Da dieselbe aber nach Gottes Willen an ihren Sohn Solomon übergegangen sei, so wolle er sich ihm gern unterordnen und den gegenwärtigen Zustand der Dinge anerkennen. 5 Er bitte sie nur, sich bei seinem Bruder dafür zu verwenden, dass er ihm die Abisake, die bei seinem Vater geschlafen habe, zur Ehe gebe. Der Vater habe ja seines hohen Alters wegen keinen vertraulichen Umgang mit ihr gehabt, sodass sie noch Jungfrau sei. 6 Beersabe versprach, sich um die Heirat Mühe zu geben; der König werde auch gewiss gern seinem Bruder den Gefallen thun, zumal wenn sie ihn darum bäte. Adonias entfernte sich darauf voll Hoffnung auf das Zustandekommen der ehelichen Verbindung, Solomons Mutter aber begab sich geradeswegs zu ihrem Sohne, um mit [468] ihm über die Angelegenheit zu sprechen. 7 Ihr Sohn kam ihr entgegen, umarmte sie liebevoll, führte sie in den Saal, wo der Königsthron stand, setzte sich darauf und liess seiner Mutter einen Platz zu seiner Rechten anweisen. Als Beersabe sich gesetzt hatte, sprach sie: „Gewähre mir das eine, um das ich dich bitte, und kränke mich nicht durch eine Weigerung.“ 8 Solomon bat sie, über ihn zu verfügen, da es ihm wohl anstehe, seiner Mutter nichts abzuschlagen. Ja, er tadelte sie sogar, dass sie nicht mit voller Zuversicht auf Erfüllung ihrer Bitte zu ihm rede, sondern überhaupt habe befürchten können, er würde ihr dieselbe verweigern. Darauf bat sie ihn denn, er möge die Jungfrau Abisake seinem Bruder Adonias zur Ehe geben.

(3.) 9 Der König aber geriet über dieses Ansinnen in heftigen Zorn und entliess seine Mutter, indem er ihr bemerkte, Adonias führe andere Dinge im Schilde, und er wundere sich, dass sie nicht verlange, er solle ihm als dem älteren auch noch die Herrschaft abtreten, zumal er so mächtige Freunde wie den Feldherrn Joab und den Hohepriester Abiathar habe. Und sogleich beschied er den Befehlshaber der Leibwache, Banajas, zu sich und trug ihm auf, seinen Bruder Adonias umzubringen. 10 Dann liess er den Hohepriester Abiathar kommen und sprach zu ihm: „Vom Tode zwar retten dich die Mühsale, die du mit meinem Vater erduldet, und die heilige Lade, die du in Gemeinschaft mit ihm nach Jerusalem überführt hast. Weil du aber ein eifriger Anhänger des Adonias bist, so bestrafe ich dich damit, dass du dich hier nicht mehr aufhalten, noch mir unter die Augen kommen darfst, sondern du sollst dich in deine Heimat begeben, dich ländlicher Arbeit widmen und dieses Leben bis zu deinem Tode führen: denn in deinem Amte kannst du länger nicht bleiben.“ 11 Um dieser Ursache willen verlor das Haus Ithamars die Hohepriesterwürde, wie Gott dem Eli, dem Grossvater Abiathars, vorhergesagt hatte, und es ging dieselbe an Sadok aus dem Geschlechte des Phineës über. 12 Bis zu der Zeit aber, da [469] die hohepriesterliche Würde an Ithamars Haus gelangte und bei ihm verblieb, lebten aus dem Geschlechte des Phineës folgende Männer ohne die Priesterwürde: Bokkias, der Sohn des Hohepriesters Joseph, dann des Bokkias Sohn Joatham, des Joatham Sohn Maraioth, dessen Sohn Arophaeus und des Arophaeus Sohn Achitob. Des Achitob Sohn aber war Sadok, der unter Davids Regierung Hohepriester wurde.

(4.) 13 Als der Feldherr Joab den Tod des Adonias erfuhr, geriet er in grosse Angst, denn er war ihm wohlgesinnter als dem Könige Solomon. Und da er argwöhnte, es möchte auch ihm diese Gesinnung Gefahr bringen, floh er zum Altar in der Meinung, er werde dort wegen des Königs Frömmigkeit in Sicherheit sein. 14 Sobald aber dem Könige Joabs Absicht gemeldet worden war, schickte er den Banajas zu ihm und befahl diesem, ihn vom Altare wegzuführen, damit er vor Gericht seine Sache vertrete. Joab jedoch erklärte, er werde das Heiligtum nicht verlassen und wolle lieber hier als irgendwo anders sterben. 15 Als Banajas diese Antwort Joabs dem Könige meldete, befahl ihm Solomon, dem Joab seinem Verlangen gemäss dort das Haupt abzuschlagen und ihn so für die Ermordung der beiden Feldherrn zu bestrafen. Den Körper solle er dann bestatten lassen. Auf diese Weise Werde die Schuld an seinem ganzen Geschlechte haften, während der König selbst und sein Vater für den Tod Joabs nicht verantwortlich gemacht werden könnten. 16 Banajas vollzog diesen Befehl und wurde dann selbst zum Oberfeldherrn ernannt; Sadok aber ward alleiniger Hohepriester, nachdem Abiathar dieser Würde verlustig erklärt war.

(5.) 17 Darauf liess der König auch den Semeï rufen und befahl ihm, sich zu Jerusalem ein Haus zu bauen, dort beständig zu wohnen und den Bach Kedron nicht zu überschreiten. Falls er diesem Befehl nicht Folge leiste, werde er mit dem Tode bestraft werden. Er bedrohte ihn aber nicht nur, sondern zwang ihn auch, sich unter einem Eid zur Beachtung der Vorschrift zu verpflichten. [470] 18 Semeï versprach denn auch unter einem Schwur, den Befehl streng zu befolgen, verliess seine Heimatstadt und siedelte nach Jerusalem über. Als er nun drei Jahre später vernahm, es seien ihm zwei Sklaven entlaufen und nach Gitta geflohen, machte er sich auf, um sie zurückzuholen. 19 Der König, der über diese Missachtung seines Befehles und noch mehr über die Verletzung des Eides sehr unwillig wurde, beschied den Semeï zu sich und sprach zu ihm: „Hast du nicht geschworen, mich nicht zu verlassen und nie aus dieser Stadt in eine andere zu gehen? 20 Diesen Eidbruch sollst du büssen und zugleich damit auch die Schmähungen, die du gegen meinen Vater auf der Flucht dir hast zu schulden kommen lassen, du verbrecherischer Mensch! Du sollst wissen, dass es den Bösen nichts nützt, wenn sie nicht auf der Stelle ihre Strafe erleiden, und dass sie allezeit, auch wenn sie sich sicher wähnen, derselben gewärtig sein können.“ Banajas brachte darauf auch den Semeï um.

Zweites Kapitel.
Von Solomons Weib, seiner Weisheit und seinem Reichtum. Er erhält von Hiram Material zum Tempelbau.

(1.) 21 Als Solomon so durch Beseitigung seiner Feinde seine Herrschaft befestigt hatte, nahm er eine Tochter Pharaos, des Königs der Aegyptier, zur Ehe. Darauf erweiterte und verstärkte er die Befestigungen Jerusalems und herrschte von nun an in tiefstem Frieden. Das Ungestüm seiner Jugend hinderte ihn nicht, Gerechtigkeit zu pflegen, die Gesetze zu beobachten und das im Gedächtnis zu behalten, was sein Vater sterbend ihm aufgetragen hatte. Vielmehr benahm er sich wie ein Mann von reiferem Alter und geschärftem Verstande und durchdrang alle Verhältnisse mit hervorragender Urteilskraft. 22 Auch beschloss er nach Chebron zu ziehen und dort auf dem von Moyses errichteten ehernen Altar Gott zu opfern, und brachte tausend Brandopfer daselbst dar. [471] Hiermit hatte er Gott eine grosse und wohlgefällige Ehrenbezeugung erwiesen. Denn in der folgenden Nacht erschien ihm der Herr im Schlafe und hiess ihn für diese Frömmigkeit eine Belohnung verlangen. 23 Da erbat sich Solomon von Gott das Schönste und Beste, das er auch am liebsten verleiht, und das den Menschen am nützlichsten ist. Er verlangte nämlich nicht Gold oder Silber oder irgend welchen anderen Reichtum, wie ihn sich sonst wohl ein junger Mann gewünscht haben würde (denn das halten die meisten allein für schätzenswert und für Geschenke Gottes), sondern er sagte: „Gieb mir, o Herr, einen scharfen Verstand und ein klares Urteil, damit ich dem Volke Wahrheit und Gerechtigkeit verkünde, wenn ich zu Gericht sitze.“ 24 Über diese Bitte freute sich Gott so sehr, dass er ihm auch alles übrige, was er sich nicht gewünscht, verhiess, Reichtum, Ruhm, Sieg über die Feinde und vor allem Weisheit und Erfahrung, wie sie nie weder ein König noch ein anderer Mensch besessen habe. Auch versprach er ihm, er werde seinen Nachkommen die Königsherrschaft erhalten, wenn er in Gerechtigkeit und Gehorsam verharre und seinem Vater in allen Tugenden ähnlich werde. 25 Als Solomon dies von Gott vernommen, erhob er sich sogleich von seinem Lager, betete Gott an und kehrte nach Jerusalem zurück, wo er vor der heiligen Hütte viele Opfer darbrachte und alle die Seinigen bewirtete.

(2.) 26 In diesen Tagen brachte man einen schwierigen Rechtsfall vor ihn, dessen Entscheidung fast unmöglich erschien. Ich halte es für nötig, diese Sache kurz auseinanderzusetzen, damit die Leser die Schwierigkeit der Entscheidung begreifen und, falls sie in eine ähnliche Lage kommen sollten, an dem Scharfsinne des Königs sich ein Beispiel nehmen können, wie sie selbst in Streitigkeiten zu entscheiden haben. 27 Es kamen nämlich zum Könige zwei Buhldirnen, von denen die eine Unrecht erlitten zu haben behauptete und also sprach: „Ich wohne, o König, mit diesem Weibe hier in einem Gemach. Es traf sich nun, dass wir beide an demselben [472] Tage und zur selben Stunde einen Knaben gebaren. 28 Am dritten Tage aber erdrückte diese im Schlafe ihren eigenen Knaben, nahm mir dann heimlich aus meinem Schosse den meinigen fort, zog ihn zu sich herüber und legte mir, während ich noch schlief, das tote Kind in meine Arme. 29 Als ich nun am Morgen mein Kind nähren wollte, fand ich nicht mein eigenes, sondern das tote Kind dieses Weibes bei mir liegen. Dass die Sache sich wirklich so verhielt, habe ich durch genaue Forschung ermittelt. Ich forderte deshalb mein Kind zurück, und da ich es nicht erhielt, habe ich zu deiner Hilfe, o Herr, meine Zuflucht genommen. Denn weil wir allein waren und sie keine Furcht hat, dass jemand sie überführen könnte, leugnet sie hartnäckig und frech.“ 30 Als sie so gesprochen, fragte der König das andere Weib, ob sie etwas dagegen einzuwenden habe. Diese leugnete die That und behauptete, ihr eigenes Kind lebe, das ihrer Gegnerin aber sei umgekommen. Da wusste nun niemand Rat, und alle zerbrachen sich den Kopf wie über ein Rätsel. Der König allein fand die Lösung. 31 Er befahl sowohl das lebende wie das tote Kind zu holen, rief einen von der Leibwache heran und hiess ihn beide Kinder mit dem Schwerte in zwei Teile teilen und jeder der beiden Mütter die Hälfte von dem einen wie dem andern Kinde geben. 32 Ob dieser Entscheidung des Königs konnten die sämtlichen Anwesenden ein stilles Lächeln nicht unterdrücken, da sie ihn für kindisch hielten. Die wirkliche Mutter aber schrie laut, man solle das doch nicht thun und lieber ihr eigenes Kind dem anderen Weibe geben; sie sei zufrieden, wenn es am Leben bleibe und sie es erblicken könne, möge auch die andere es besitzen. Die andere Mutter dagegen war mit der Teilung sogleich einverstanden, da sie der wirklichen Mutter gern den grausamen Schmerz gegönnt hätte. 33 Da sprach der König, der aus den Worten beider ihre wahre Gesinnung erkannte, der Mutter, die geschrien hatte, das lebende Kind zu, da es in Wahrheit ihr eigenes sei; die andere aber bestrafte er für ihre Bosheit, weil sie, nachdem [473] sie ihr eigenes Kind umgebracht, nun auch noch an dem Tode des Kindes der Genossin ihre Freude haben wolle. 34 Diese Entscheidung war dem Volke ein augenfälliger Beweis für die Weisheit und den Scharfsinn seines Königs, und von da an hörten sie auf ihn wie auf einen, der mit göttlicher Einsicht begabt ist.

(3.) 35 In der Militär- und Civilverwaltung ernannte der König folgende Beamte: Dem Bezirke Ephraïm stand Ures vor, dem Bezirke Bethleëm Dioklerus. Die Gegend von Dora und die ganze Küste hatte Abinadab unter sich, der eine Tochter Solomons heiratete. 36 Die grosse Ebene,[1] sowie das Land bis zum Jordan unterstand dem Banajas, dem Sohne des Achilus. Die Provinzen Galaditis und Gaulanitis bis zum Libanon, in denen sechzig grosse und wohlbefestigte Städte lagen, verwaltete Gabares. Achinadab, der ebenfalls eine Tochter Solomons Namens Basima zur Ehe hatte, verwaltete ganz Galilaea bis nach Sidon hin, 37 ferner Banakates die Küste in der Gegend von Arke und Saphates die Gebirgsgegenden des Itabyrius und Karmel sowie Galilaea bis zum Jordan. Über dieses ganze Gebiet ward wieder ein besonderer Statthalter gesetzt. Dem Semeïs wurde dann noch der Bezirk des Stammes Benjamin und dem Gabares das Land jenseits des Jordan unterstellt, und ihnen wieder ein besonderer Statthalter übergeordnet. 38 Wunderbar wuchs nun der Wohlstand der Hebräer und besonders des Stammes Judas. Da sie nämlich im Frieden lebten, von Kriegen und inneren Unruhen verschont blieben und dabei die ihnen höchst willkommene Freiheit in vollen Zügen genossen, verlegte sich jeder mit Eifer darauf, seinen Besitz zu vermehren und wertvoller zu machen.

(4.) 39 Der König hatte aber auch noch andere Statthalter, die im Gebiete der Syrer und der übrigen Fremden vom Euphrat bis nach Aegypten die Regierung innehatten und ihm den Tribut einzogen. 40 Diese lieferten [474] täglich für die Hofhaltung des Königs und seinen Tisch dreissig Koren[2] Weizenmehl, sechzig Koren anderes Mehl, zehn Mastochsen und zwanzig Weideochsen sowie hundert gemästete Schafe. Dies alles wurde noch ausser Wildbret, Hirschen, Büffeln, Geflügel und Fischen tagtäglich dem Könige von den fremden Völkern geliefert. 41 Weiterhin besass Solomon eine so grosse Zahl Wagen, dass er vierzigtausend Krippen für Gespannpferde brauchte. Ausserdem hielt er zwölftausend Reitpferde, von denen die Hälfte zu Jerusalem in der Nähe des Königs sich befand, die andere Hälfte dagegen in den königlichen Schlössern zerstreut untergebracht war. Derselbe Aufseher, der die königliche Speisekammer verwaltete, hatte auch die Aufsicht über die Pferde und übte dieselbe dort aus, wo der König sich jedesmal befand.

(5.) 42 Infolge der Weisheit und Einsicht, die Solomon von Gott erhielt, überragte er alle Menschen, die vor ihm gelebt hatten, und selbst die Aegyptier, die doch besonders weise sein sollen, erreichte der König nicht bloss an scharfem Verstand, sondern übertraf sie noch darin. 43 Auch diejenigen, die um jene Zeit bei den Hebräern einen besonderen Ruf von Weisheit erlangt hatten, und deren Namen Ethan, Aeman, Chalkeus und Dardan, Söhne des Emaon, ich nicht übergeben zu dürfen glaube, liess er weit hinter sich. 44 Er verfasste eintausendundfünf Bücher Gedichte und Gesänge, sowie dreitausend Gleichnisse und Sprüche. Denn über jeden Baum vom Hyssop bis zur Ceder dichtete er eine Parabel, desgleichen auch über die Zugtiere und alle übrigen Tiere der Erde sowohl im Wasser wie in der Luft. Auch kannte er deren Naturgeschichte genau und wusste über alles in philosophischer Weise zu sprechen; ebenso war er über die Eigenschaften aller anderen Dinge unterrichtet. 45 Gott lehrte ihn auch die Kunst, böse Geister [475] zum Nutzen und Heile der Menschen zu bannen. Er verfasste nämlich Sprüche zur Heilung von Krankheiten und Beschwörungsformeln, mit deren Hilfe man die Geister also bändigen und vertreiben kann, dass sie nie mehr zurückkehren. 46 Diese Heilkunst gilt auch jetzt noch viel bei uns. Ich habe zum Beispiel gesehen, wie einer der Unseren, Eleazar mit Namen, in Gegenwart des Vespasianus, seiner Söhne, der Obersten und der übrigen Krieger die von bösen Geistern Besessenen davon befreite. 47 Die Heilung geschah in folgender Weise. Er hielt unter die Nase des Besessenen einen Ring, in dem eine von den Wurzeln eingeschlossen war, welche Solomon angegeben hatte, liess den Kranken daran riechen und zog so den bösen Geist durch die Nase heraus. Der Besessene fiel sogleich zusammen, und Eleazar beschwor dann den Geist, indem er den Namen Solomons und die von ihm verfassten Sprüche hersagte, nie mehr in den Menschen zurückzukehren. 48 Um aber den Anwesenden zu beweisen, dass er wirklich solche Gewalt besitze, stellte Eleazar nicht weit davon einen mit Wasser gefüllten Becher oder ein Becken auf und befahl dem bösen Geiste, beim Ausfahren aus dem Menschen dieses umzustossen und so die Zuschauer davon zu überzeugen, dass er den Menschen verlassen habe. 49 Das geschah auch in der That, und so wurde Solomons Weisheit und Einsicht kund. Ich habe hierüber sprechen zu müssen geglaubt, damit allgemein bekannt werde, wie gewaltig der Geist des Königs und wie wohlgefällig er Gott war, und damit niemand unter der Sonne des Königs ausgezeichnete Tugend verborgen bleibe.

(6.) 50 Als Hiram, der König der Tyrier, die Thronbesteigung Solomons vernahm, freute er sich, da er Davids Freund gewesen war, und liess dem Solomon durch eine Gesandtschaft seine Glückwünsche darbringen. Darauf sandte ihm Solomon einen Brief folgenden Inhalts. 51 „Solomon an den König Hiram. Wie du weisst, wollte mein Vater Gott einen Tempel bauen, wurde aber durch unausgesetzte Kriegszüge daran gehindert. Denn [476] er liess nicht eher vom Kriege ab, als bis er alle seine Feinde tributpflichtig gemacht hatte. 52 Ich dagegen danke Gott für den Frieden, dessen ich mich erfreue, und da ich ausserdem die Musse dazu habe, will ich Gott den Tempel erbauen, wie er dies meinem Vater schon vorausgesagt hat. Deshalb bitte ich dich, meinen Boten einige Männer auf den Libanon mitzugeben, um Baumstämme zu fällen. Denn auf das Fällen von Bäumen verstehen sich die Sidonier besser als unsere Landsleute. Ich werde den Holzarbeitern jeden Lohn bewilligen, den du bestimmst.“

(7.) 53 Als Hiram, dem der Auftrag viele Freude bereitete, diesen Brief gelesen hatte, schrieb er dem Solomon zurück wie folgt: „König Hiram an den König Solomon. Gott gebührt Lob dafür, dass er das Reich deines Vaters dir, einem so weisen und tugendhaften Manne, übertragen hat. Gern werde ich dir alles zu Gefallen thun, was du von mir begehrst. 54 Ich werde dafür sorgen, dass meine Leute Cedern und Cypressen in grosser Zahl und von besonderer Grösse fällen, sie ans Meer schaffen und an irgend einen Küstenort deines Gebietes zu Schiffe hinbringen. Von dort mögen dann die Deinigen sie nach Jerusalem holen. Du kannst uns dafür Getreide liefern, an welchem wir Mangel haben, da wir eine Insel bewohnen.“

(8.) 55 Noch heute giebt es Abschriften dieser Briefe nicht nur in unseren Büchern, sondern auch bei den Tyriern. Will also jemand sich davon überzeugen, so braucht er nur die Archivvorsteher in Tyrus anzugehen und wird finden, dass die dortigen Schriftstücke mit den hier wiedergegebenen übereinstimmen. 56 Dies erwähne ich bloss, um meine Leser davon zu überzeugen, dass ich nichts als die Wahrheit zu schreiben beabsichtige und nicht durch Berichten von Wahrscheinlichkeiten, die auf Täuschung oder Ergötzung der Leser hinauslaufen, mich der Kritik entziehen will, dass ich aber auch nicht ohne weiteres Glauben beanspruche oder, wenn ich von wahrheitsliebender Geschichtschreibung abgewichen bin, ungetadelt [477] bleiben will. Ich bitte vielmehr ausdrücklich darum, dass niemand meine Berichte gutheisse, wenn ich sie nicht durch bestimmte Beweise stützen kann.

(9.) 57 Solomon lobte beim Empfange des Briefes Hirams dessen willige Freundlichkeit sehr und beschloss, ihm aus Erkenntlichkeit jährlich zwanzigtausend Koren Weizen und eben so viele Bad Öl (ein Bad enthält zweiundsiebzig Sextarien[3]) und Wein zu schicken. 58 Hierdurch wurde die Freundschaft zwischen Solomon und Hiram immer mehr befestigt, und sie schwuren sich ewige Treue. Solomon legte nun dem Volke die Gestellung von dreissigtausend Arbeitern auf, denen er ihren Dienst durch weise Einteilung desselben sehr erleichterte. Es sollten nämlich zehntausend von ihnen einen Monat lang auf dem Libanon Holz fällen, dann aber nach Hause zurückkehren und sich zwei Monate lang ausruhen, während welcher Zeit die übrigen zwanzigtausend ihre Arbeit ableisteten, 59 bis dann im vierten Monat wieder die ersten an die Reihe kamen. Die gesamten Arbeiter beaufsichtigte Adoram. Von den Anwohnern, die David zu dem Werke bestimmt hatte, wurden siebzigtausend als Träger von Steinen und anderen Baumaterialien, und achtzigtausend als Steinmetzen beschäftigt, über welche dreitausenddreihundert Aufseher gesetzt waren. 60 Sie sollten nun zunächst für die Fundamente des Tempels gewaltige Felsblöcke behauen, sie im Gebirge aneinander passen und dann erst in die Stadt schaffen. Diese Arbeit verrichteten aber nicht nur einheimische Arbeiter, sondern auch die Werkleute, welche Hiram geschickt hatte.

[478]
Drittes Kapitel.
Der Tempelbau.

(1.) 61 Solomon begann den Tempelbau im vierten Jahre seiner Regierung, im zweiten Monate, den die Macedonier Artemisios, die Hebräer aber Iar nennen, fünfhundertzweiundneunzig Jahre nach dem Auszug aus Aegypten, tausendzwanzig Jahre nach der Übersiedelung Abrams aus Mesopotamien nach Chananaea, vierzehnhundertvierzig Jahre nach der Sintflut 62 und dreitausendeinhundertundzwei Jahre nach der Erschaffung Adams. Zu der Zeit, als der Tempelbau ins Werk gesetzt wurde, herrschte Hiram schon im elften Jahre über Tyrus, und seit der Gründung von Tyrus waren damals zweihundertvierzig Jahre verflossen.

(2.) 63 Zunächst wurden nun in beträchtlicher Tiefe die Fundamente des Tempels aus festem, dem Zahn der Zeit trotzenden Steinmaterial gelegt und zwar so, dass sie mit der Erde gleichsam eine Masse und dadurch eine sichere Unterlage für den ganzen Bau bildeten, die bei ihrer grossen Stärke nicht nur den gewaltigen Koloss an sich, sondern auch die vielerlei Zieraten tragen konnte. Denn die letzteren sollten kein geringeres Gewicht haben als der Rohbau an sich, dem übrigens bei all seiner Pracht und Zierlichkeit eine bedeutende Höhe und Ausdehnung zugedacht war. 64 Bis zur Decke wurde der Bau aus weissem Marmor aufgeführt, und zwar in einer Höhe von sechzig, einer Länge von sechzig und einer Breite von zwanzig Ellen.[4] Darüber erhob sich noch ein Aufbau von gleichen Dimensionen, sodass die ganze Höhe des Tempels hundertzwanzig Ellen betrug. Er war gegen Osten gerichtet. 65 Die Vorhalle mass, der Breite des eigentlichen Gebäudes entsprechend, in der Länge zwanzig, in der Breite zehn und in der Höhe hundertzwanzig Ellen. [479] Rings um den Tempel wurden dreissig kleinere Gebäude errichtet, welche denselben ausserhalb umschlossen und bestimmt waren, durch ihre grosse Zahl und dadurch, dass sie dicht aneinander stiessen, den eigentlichen Tempelbau zusammenzuhalten. 66 Sie standen miteinander durch Thüren in Verbindung, und jedes von ihnen mass in der Länge wie in der Breite fünf und in der Höhe zwanzig Ellen. Über diesen Gebäuden wurden noch zwei Stockwerke in denselben Massen aufgeführt, sodass das Ganze die Höhe des unteren Stockwerkes des Tempels erreichte; das obere Stockwerk dagegen war nicht von solchen Gebäuden umgehen. Das Dach bestand aus Cedernholz. 67 Jedes der kleinen Gebäude hatte sein eigenes Dach, welches mit den Dächern der benachbarten Gebäude nicht zusammenhing, und ausserdem war das Ganze von einem gemeinsamen Dache geschützt, das aus besonders langen, von einer bis zur anderen Seite reichenden Balken zusammengefügt war, sodass die Mittelwände von diesen Balken zusammengehalten und dadurch noch besser befestigt wurden. 68 Die Decke unter den Dachbalken bestand aus demselben Material und war getäfelt und mit ciseliertem Gold bekleidet. Die Wände aber wurden mit Platten aus Cedernholz versehen und vergoldet, sodass der ganze Tempel innen in hellem Glanze erstrahlte, und die Augen der Eintretenden durch den überall aufleuchtenden Goldschimmer geblendet wurden. 69 Der ganze Tempel war sehr kunstvoll aus geglätteten Steinen erbaut, die in den Fugen so genau aneinander passten, dass man weder die Spuren eines Hammers noch irgend eines anderen Werkzeuges daran wahrnehmen konnte. Dadurch erschien der ganze Bau wie aus einem Guss, und es machte den Eindruck, als ob er mehr aus sich selbst als infolge der Anwendung von Werkzeugen sich ineinander füge. 70 Den Aufstieg aus dem unteren in das obere Stockwerk bewirkte man durch Anlegung einer in die Dicke der Mauer eingelassenen Wendeltreppe. Denn das obere Stockwerk hatte nicht, wie das untere, ein grosses, nach [480] Osten gerichtetes Thor, sondern war durch kleine Thürchen von den Seiten aus zugänglich. Endlich wurde der Tempel innen wie aussen mit Stangen aus Cedernholz versehen, die von dicken Ketten zusammengehalten wurden und dem Ganzen noch mehr Festigkeit gaben.

(3.) 71 Das Innere des Tempels teilte der König in zwei Räume, von denen die hintere Abteilung das Allerheiligste darstellte. Diese Abteilung war zwanzig Ellen lang; den vorderen, vierzig Ellen messenden Raum aber bestimmte er zum Heiligtum. In der Wand, welche die beiden Abteilungen trennte, brachte er eine Thür aus Cedernholz an, die reich mit Gold und Reliefarbeit verziert 72 und vor der ein aus Hyacinth, Purpur, Scharlach sowie dem zartesten und weissesten Byssus gewirkter Vorhang befestigt war. In dem Allerheiligsten, das zwanzig Ellen im Quadrat mass, wurden zwei Cherubim aufgestellt, die von gediegenem Golde waren, fünf Ellen in der Höhe massen und je zwei fünf Ellen weit ausgespannte Flügel hatten. 73 Sie standen nahe bei einander, weil sie mit ihren äusseren Flügeln bis an die nördliche beziehungsweise südliche Wand des Allerheiligsten reichten, mit den beiden inneren Flügeln aber sich berührten und die in der Mitte stehende heilige Lade bedeckten. Diese beiden Cherubim waren von unaussprechlicher und unfassbarer Schönheit. 74 Auch der Fussboden des Tempels war mit Goldplatten belegt. Das Thor des Tempels endlich entsprach der Höhe der Tempelwand und war zwanzig Ellen breit; es war gleichfalls mit Gold verziert. 75 Überhaupt fand sich Goldbekleidung aussen wie innen am Tempel reichlich angebracht. Vor dem Thore wurde ein ähnlicher Vorhang wie im Innern befestigt, während die Thür der Vorhalle nichts dergleichen aufwies.

(4.) 76 Solomon liess sich darauf aus Tyrus vom Könige Hiram einen Künstler Namens Cheiramos schicken, der mütterlicherseits mit dem Stamme Nephthali verwandt war und den Urias, einen Mann israëlitischer Abkunft, [481] zum Vater hatte. Dieser war ein tüchtiger Kunsthandwerker und besonders geschickt in Gold-‚ Silber- und Erzarbeit. Auf Geheiss des Königs verfertigte er alle in sein Fach einschlagende Zieraten des Tempels. 77 Für den Tempeleingang stellte er zwei eherne Säulen her, die vier Finger dick, achtzig Ellen hoch waren und achtzehn Finger Umfang hatten. Auf jeder Säule brachte er ein gegossenes Kopfstück in Gestalt einer Lilie an, welches fünf Ellen hoch und von einem Flechtwerk eherner Palmen umgeben war, 78 an dem zweihundert Granatäpfel in zwei Reihen herabhingen. Von diesen Säulen wurde die eine Jachis genannt und an der rechten Seite des Einganges, die andere, die den Namen Boaz erhielt, an der linken Seite aufgestellt.

(5.) 79 Darauf goss man das eherne Meer in Gestalt einer Halbkugel. Den Namen „ehernes Meer“ erhielt es von dem Verfertiger seiner Grösse wegen, denn es war ein Becken von zehn Ellen Durchmesser und hatte eine Wandstärke von der Breite einer Hand. Das Waschbecken ruhte auf einem zehnmal gewundenen Untersatz, 80 der eine Elle im Durchmesser hatte und von zwölf Rindern umgeben war. Diese blickten nach den vier Himmelsgegenden, drei nach jeder Seite, und wandten ihre Hinterteile nach innen, sodass die Halbkugel auch rings auf diesen ruhte. Das Meer enthielt dreitausend Bad.

(6.) 81 Alsdann wurden zehn eherne, vierseitige Untersätze für die Waschbecken verfertigt, jeder fünf Ellen lang, vier breit und sechs hoch. Sie wurden in ciselierter Arbeit folgendermassen zusammengesetzt. In den Ecken eines Vierecks stellte man vier Säulchen auf, in welche die Seiten der Untersätze gleichmässig eingelassen wurden. 82 Diese Seiten waren in drei Felder geteilt, deren jedes eine besondere Erhöhung hatte; auf den letzteren befanden sich in Reliefarbeit ein Löwe, ein Stier und ein Adler. Die Säulchen zeigten wie die Seiten ciselierte Arbeit. 83 Das Ganze ruhte auf vier Rädern, die ebenfalls gegossen waren und anderthalb Ellen Durchmesser [482] hatten. Es war zum verwundern, wie schön gerundet die Felgen der Räder waren und wie sie sich ebensowohl den Seiten der Untersätze als den Speichen genau anpassten. 84 An den vier oberen Ecken befanden sich Träger in Form von ausgestreckten Händen, auf denen ein bis zum Grund des Waschbeckens reichender gewundener Aufsatz ruhte. Das Becken selbst stützte sich auf Löwentatzen und Adlerklauen, welche an die Träger so angefügt waren, dass alles nur ein Guss zu sein schien. Zwischen den Tierklauen befanden sich ciselierte Palmen. 85 Das war die Beschaffenheit der Untersätze, zu denen man dann auch die zehn runden, ehernen Waschbecken anfertigte, jedes zu vierzig Choë, vier Ellen hoch und von ebendemselben Durchmesser des oberen Umfanges. Diese Waschbecken stellte man auf die Untersätze, die man Mechonoth nannte, 86 und brachte fünf davon auf der linken, nördlichen Seite des Tempels und fünf auf der rechten, südlichen, unter, alle aber mit der Richtung nach Osten. Auf der rechten Seite wurde auch das eherne Meer aufgestellt, und sodann alle Becken mit Wasser gefüllt. 87 Das eherne Meer war bestimmt für die Reinigung der Hände und Füsse der Priester, bevor sie zum Altare stiegen; die anderen Waschbecken aber dienten dazu, die Eingeweide und Füsse der zum Brandopfer benutzten Tiere zu säubern.

(7.) 88 Dann wurde auch der eherne Brandopferaltar hergestellt, zwanzig Ellen lang und breit und zehn Ellen hoch; ferner alle dazu gehörigen ehernen Geräte, Handbecken, Schaufeln, Zangen und Haken, sämtlich so schön aus Erz gearbeitet, dass sie wie Gold glänzten. 89 Weiterhin liess der König eine Menge Tische aufstellen, darunter einen grossen aus Gold, der die Brote Gottes tragen sollte, und ausserdem eine ungeheure Menge anderer in verschiedenen Formen, auf welche man die Krüge und Schalen stellte, zwanzigtausend von Gold und vierzigtausend von Silber. 90 Dazu kamen nach Moyses’ Vorschrift eine Menge Leuchter, von denen einer [483] im Tempel selbst aufgestellt wurde, wo er nach dem Gesetze tagsüber brennen sollte und an der Südseite seinen Platz fand, während der Tisch mit den Broten ihm gegenüber auf die Nordseite zu stehen kam. Mitten zwischen ihnen stand der goldene Altar. Das alles enthielt der vordere Raum von vierzig Ellen, der sich vor dem Vorhang des Allerheiligsten befand. In letzterem dagegen befand sich nur die heilige Lade.

(8.) 91 Damit waren aber die Geräte nicht erschöpft, denn es kamen noch hinzu achtzigtausend Weinkrüge, zehntausend goldene und zwanzigtausend silberne Becher, ferner achtzigtausend goldene und doppelt so viele silberne Schüsseln, um das Weizenmehl darin zum Altar zu bringen, dann sechzigtausend goldene und doppelt so viele silberne Gefässe, in denen das Mehl mit Öl gemischt wurde. 92 Ferner zwanzigtausend goldene und doppelt so viele silberne Masse, ähnlich denen, die bei Moyses Hin und Assaron heissen; dann zwanzigtausend Weihrauchkästchen von Gold, um darin Räucherwerk in den Tempel zu bringen, und fünfzigtausend andere Gefässe, um darin Feuer von dem grossen Altar zu dem innerhalb des Tempels befindlichen kleinen zu übertragen. 93 Priesterkleider zum Gebrauch der Hohepriester wurden tausend angefertigt nebst Schultermänteln, Brustlatz und Edelsteinen. Das Stirnband aber, auf welches Moyses den Namen Gottes geschrieben hatte, war nur in einem Exemplar vorhanden, das sich auch bis zum heutigen Tag erhalten hat. Die Gewänder für die Priester wurden aus Byssus verfertigt nebst zehntausend purpurnen Gürteln, 94 zweihunderttausend Posaunen nach Moyses’ Vorschrift, zweihunderttausend Byssusgewändern für die Chorsänger aus den Leviten; endlich zur Begleitung der Gesänge noch vierzigtausend Musikinstrumente, welche Nabla und Kinyra hiessen und aus Elektrum[5] hergestellt waren.

[484] (9.) 95 Das alles liess Solomon aufs reichhaltigste und prächtigste herrichten und scheute keinen Aufwand, um den Tempel auszustatten, sondern bewies die grösste Freigebigkeit zur Ehre Gottes. Alsdann umgab er auch noch den Tempel ringsum mit einer Mauer, die in unserer Sprache Geision, in der griechischen aber Thrinkos heisst, und zwar in einer Höhe von drei Ellen, um dem Volke den Eintritt in den Tempel zu wehren und ihn den Priestern allein frei zu lassen. 96 Ausserhalb dieser Mauer errichtete er ein besonderes Heiligtum von viereckiger Gestalt mit grossen und weiten Hallen, die gewaltige Thoröffnungen, je eine nach den vier Himmelsgegenden gerichtet, aufwiesen; die Thorflügel aber waren vergoldet. In dieses Heiligtum durfte jeder aus dem Volke eintreten, wofern er nur rein war und die Gesetzesvorschriften beobachtete. 97 Es lässt sich aber nicht beschreiben, wie wundervoll dieses äussere Heiligtum ausgestattet war. Grosse Schluchten, in die man wegen ihrer ungeheuren Tiefe kaum hineinzuschauen wagte, liess der König durch Erdanschüttungen ausfüllen und machte sie, obgleich ihre Tiefe bis zu vierhundert Ellen betrug, der Ebene des Berggipfels gleich, auf dem der Tempel stand. 98 Diesen Raum umgab er mit doppelten Hallen, die auf Säulen aus den an dieser Stelle gebrochenen Steinen ruhten und getäfelte Bedachungen aus Cedernholz erhielten. Alle Thore dieses Heiligtums liess der König aus Silber verfertigen.

Viertes Kapitel.
Wie Solomon die heilige Lade in den Tempel überführte und Gott öffentlich durch Gebet und Opfer dankte.

(1.) 99 Diese Prachtgebäude nebst der inneren Ausstattung stellte der König Solomon in einem Zeitraum von sieben Jahren her und bewies damit nicht bloss seinen ungeheuren Reichtum, sondern auch seinen regen Eifer, da er das, was eigentlich ein ganzes Menschenalter erfordert [485] hätte, während der im Vergleich zur Grösse des Tempels so kurzen Zeit vollendete. Darauf schrieb er an die Führer und Ältesten der Hebräer und beschied das gesamte Volk nach Jerusalem, damit es den Tempel besuche und der Überführung der Lade Gottes beiwohne. 100 Nachdem dies allgemein bekannt geworden, kamen alle dort zusammen im siebenten Monat, der bei uns Thisri, bei den Macedoniern aber Hyperberetaios heisst, und in den auch das hohe und heilige hebraeische Fest der Lauben fällt. 101 Alsdann übertrug man die Lade samt der von Moyses dafür errichteten Hütte und allen gottesdienstlichen Geräten nach dem Tempel. Voran schritten der König und das gesamte Volk, ihre Opfertiere mit sich führend, sowie die Leviten, die den Weg mit Trankopfern und dem Blute zahlreicher Opfertiere besprengten und eine unermessliche Menge Räucherwerk verbrannten, 102 sodass die Luft ringsum davon erfüllt ward und der süsse Duft sich weithin verbreitete und Kunde davon gab, Gott sei auf dem Wege und ziehe (um bei einem menschlichen Bilde zu bleiben) in das ihm erbaute und geweihte Haus. Auch hörten sie nicht auf, Hymnen und Chorgesänge erschallen zu lassen, bis sie den Tempel erreicht hatten. 103 Als die heilige Lade nun in das Allerheiligste gebracht werden sollte, trat das ganze Volk zur Seite, und nur die Priester, die sie getragen hatten, setzten sie zwischen die beiden Cherubim. Diese berührten sich mit den Enden ihrer Flügel und waren vom Künstler so geformt, dass sie die Lade gleichsam überschatteten und ein Kuppeldach über ihr bildeten. 104 Die Lade enthielt aber nichts weiter als die beiden steinernen Tafeln, auf denen die zehn von Gott dem Moyses auf dem Berge Sinai gegebenen Gebote eingeschrieben waren. Der Leuchter, der goldene Tisch und der goldene Altar wurden im Tempel vor dem Allerheiligsten an derselben Stelle aufgestellt, die sie auch in der Hütte eingenommen hatten, und es wurden alsdann sogleich die täglichen Opfer aufgelegt. 105 Der eherne Altar aber erhielt seinen Platz vor dem Tempel [486] dem Eingang gegenüber, sodass man bei geöffneter Thür ihn, die heiligen Handlungen und die Pracht der Opfer sehen konnte. Alles übrige Gerät stellte man insgesamt im Inneren des Tempels auf.

(2.) 106 Sowie nun die Priester alles um die Lade her geordnet und das Heiligtum verlassen hatten, senkte sich plötzlich eine dichte Wolke, jedoch nicht rauh und regenschwer wie zur Winterszeit, sondern weich und lieblich, auf den Tempel hernieder und umhüllte die Augen der Priester mit Finsternis, sodass einer den anderen nicht wahrnehmen konnte. In allen Gemütern aber regte sich der Gedanke, Gott sei in den Tempel herabgestiegen und habe sich denselben zur Wohnstätte gewählt. 107 Und während alle dies bei sich erwogen, erhob sich der König Solomon von seinem Sitze und richtete Worte an Gott, die er der göttlichen Natur angemessen und für sich selbst schicklich erachtete. „Du hast zwar,“ sagte er, „o Herr, ein ewiges Haus, das du dir aus Himmel, Luft, Erde und Meer selbst geschaffen, und das du erfüllst, ohne davon eingeschlossen zu werden. 108 Indes habe ich doch deinem Namen diesen Tempel errichtet, damit wir aus ihm unsere Gebete und Opfer zu dir emporsenden und versichert sein können, dass du hier zugegen bist und die Deinigen nicht verlässt. Denn wenn du alles siehst und alles hörst, so wirst du, da du jetzt unter uns wohnst, uns allen deine Fürsorge schenken und jedem, der zu dir fleht, Tag und Nacht deine Gegenwart beweisen.“ 109 Nachdem er so zu Gott weihevoll gesprochen, wandte er sich an das Volk und wies es auf Gottes Allmacht und Güte hin, wie er seinem Vater David alles Zukünftige vorhergesagt, wovon schon sehr vieles sich erfüllt habe und das übrige sich noch erfüllen werde, 110 und wie er besonders ihn als denjenigen vorherbezeichnet habe, der nach seines Vaters Tod den Tempel ihm erbauen werde, nachdem er König geworden sei. Weil sich das alles so wunderbar erfüllt, sollten sie Gott preisen und an nichts verzweifeln, was er ihnen [487] zu ihrem Heile verheissen habe, da sie an dem, was sie gesehen, ihren Glauben stärken könnten.

(3.) 111 Als der König so zum Volke geredet, wandte er sich wieder nach dem Tempel hin, streckte seine Rechte über das Volk aus und sprach: „Unmöglich können die Menschen mit Werken Gott für die erhaltenen Wohlthaten danken, denn die Gottheit bedarf nichts und ist zu erhaben, als dass ihr damit vergolten werden könnte. Du hast uns aber, o Herr, über die anderen Geschöpfe gesetzt, und es ziemt uns daher, deine Majestät zu loben und dir für alles zu danken, was du meinem Hause und dem Volke der Hebräer erwiesen hast. 112 Denn womit könnten wir besser deinen Zorn besänftigen und deine Gnade und Güte über uns erflehen, als mit dem Worte, das wir aus der Luft entnehmen und durch die Luft wieder zu dir hinsenden? Für dieses Geschenk gebührt dir besonderer Dank, imgleichen auch dafür, dass du meinen Vater aus niedrigem Stande zu so grossem Ruhm hast gelangen lassen, 113 und dass du an mir bis zum heutigen Tage alle deine Verheissungen erfüllt hast. Ich bitte dich, dass du mir auch fernerhin alles verleihest, was du denen zu gewähren pflegst‚ die du besonders beglücken willst, und dass du unser Geschlecht für alle Zeiten erhalten wollest, wie du dies meinem Vater David sowohl im Leben als bei seinem Hinscheiden verheissen hast. Solches gewähre uns gnädig und verleihe meinen Nachkommen einen tugendhaften Wandel, der dir wohlgefällig ist. 114 Dann aber bitte ich dich auch noch, du wollest deinen Geist in diesen Tempel senden, damit du uns wahrhaft gegenwärtig seist. Und wenn auch das ganze Weltall dich nicht fassen kann, geschweige denn dieser Tempel, so flehe ich dennoch zu dir, du wollest ihn vor feindlicher Verwüstung bewahren und ihn als dein besonderes Eigentum in deinen Schutz nehmen. 115 Sollte aber das Volk sich einmal gegen dich verfehlen und deshalb mit Hungersnot, ansteckenden Krankheiten oder anderen Plagen bestraft werden, so erhöre es, wenn es in diesen Tempel flieht und zu dir um [488] Rettung fleht, und erweise deine Gegenwart, indem du dich seiner erbarmst und es von seiner Drangsal erlösest. 116 Aber nicht nur den Hebräern wollest du dich also gnädig erweisen, wenn sie in Sünden gefallen sind, sondern auch, wenn jemand anderswoher und selbst von den äussersten Gegenden des Erdkreises sich dir nahen sollte, um deine Hilfe zu begehren, so erhöre seine Bitte. 117 Denn so wird es allen offenbar werden, dass du selbst diesen Tempel bei uns errichtet wissen wolltest, dass wir aber deshalb Fremden gegenüber nicht feindselig und gehässig aufzutreten beabsichtigen, sondern allen deinen Schutz und den Genuss deiner reichen Freigebigkeit gönnen.“

(4.) 118 Nach diesen Worten warf sich der König zur Erde nieder und verharrte eine Weile in Anbetung. Dann erhob er sich und liess die Opfer zum Altare bringen. Als nun die Brandopfer auf dem Altar lagen, erkannte er an einem augenfälligen Zeichen, dass Gott das Opfer mit Wohlgefallen annehme. Denn es fiel Feuer vom Himmel, ergriff vor aller Augen das Opfer und verzehrte es. 119 Das Volk schloss aus dieser untrüglichen Erscheinung, dass Gott damit seine Bereitwilligkeit, im Tempel zu wohnen, zum Ausdruck gebracht habe, und es fiel zur Erde und betete an. Der König aber begann Gott zu preisen und hiess das Volk in den Lobgesang einstimmen, indem er ihnen vorstellte, dass sie nun Gottes Wohlwollen erkannt hätten 120 und ihn bitten möchten, er wolle alle ihre Wünsche erfüllen, sie rein und sündenlos erhalten und ihnen die Gnade erzeigen, sie in Gerechtigkeit, Gottesfurcht und treuer Beobachtung der von ihm dem Moyses gegebenen Gebote zu stärken. So würden sie glückseliger sein, als die andern Sterblichen. 121 Zugleich beschwor er sie, doch besonders daran zu denken, dass sie das ihnen jetzt zu teil gewordene Glück nun auch erhalten und vermehren müssten, und dass es nicht genug sei, dasselbe durch Gottesfurcht und Gerechtigkeit erworben zu haben, sondern dass es auch ihre angelegentliche Sorge sein müsse, es [489] dauerhaft zu machen. Denn es sei für die Menschen nicht so schwer, sich einen Besitz zu erwerben, als das Erworbene zu behaupten und sich durch keine Sünde desselben unwürdig zu machen.

(5.) 122 Nachdem der König diese Ermahnungen an das Volk gerichtet hatte, entliess er dasselbe. Zuvor jedoch brachte er noch für sich und alle Hebräer zwanzigtausend Kälber und einhundertzwanzigtausend Schafe als Opfer dar. 123 Damals wurde der Tempel zuerst mit dem Blute der Opfertiere benetzt, und alle Hebräer nebst Weibern und Kindern darin bewirtet. Alsdann beging der König mit dem Volke vor dem Tempel vierzehn Tage lang in grosser Pracht und Herrlichkeit und unter Freudenmahlen das Fest Skenopegia (Laubhüttenfest).

(6.) 124 Als sie nun der Festesfreude und den Pflichten gegen Gott genug gethan, kehrten sie alle, nachdem sie sich vom Könige verabschiedet hatten, nach Hause zurück voll Dankesbezeugungen gegen Solomon, der ihnen mit so vieler Mühe ein so herrliches Bauwerk errichtet, und unter heissen Gebeten zu Gott, dass er ihnen ihren König noch lange erhalten möge. Auf dem Heimwege frohlockten sie, sangen Gott Loblieder und legten so die Reise zurück, ohne deren Beschwerden sonderlich zu empfinden. 125 Und auch die, welche die Lade in den Tempel gebracht und dabei Gelegenheit gehabt hatten, seine hervorragende Schönheit auch im Innern zu bewundern und an den grossen Opfern und Festlichkeiten teilzunehmen, kehrten ein jeder in seine Stadt zurück. Der König aber hatte in der Nacht einen Traum, der ihm kundthat, Gott habe sein Gebet erhört 126 und wolle den Tempel in seinen Schutz nehmen und beständig darin wohnen, wenn Solomons Nachkommen und das ganze Volk sich der Gerechtigkeit befleissigten. Insbesondere wolle er ihn selbst, wenn er den Ermahnungen seines Vaters folge, zum Gipfel des Glückes und der Macht führen, und aus seinem Hause sowie dem Stamme Judas stets den Beherrscher des Landes erwählen. 127 Wenn er aber von den Gesetzen abfalle und [490] sie vergesse, oder sogar sich zur Verehrung fremder Götter verleiten lasse, so werde er ihn vertilgen und weder von seinem Geschlechte eine Spur übrig lassen, noch das Volk der Israëliten vor Unheil bewahren. Mit Krieg und unsäglicher Drangsal werde er sie dann bestrafen, sie aus dem Lande, das er ihren Vätern gegeben, vertreiben und fremder Gefangenschaft überantworten. 128 Den Tempel aber werde er dann von den Feinden in Brand stecken und plündern und die Stadt von deren Händen zerstören lassen. Das Leid, das sie dann treffe, solle weithin zur Kenntnis der Völker gelangen und so entsetzlich sein, dass man es kaum für möglich halten werde. 129 Wenn diese dann, von Bestürzung ergriffen, nach der Ursache forschten, weshalb Gott den Hebräern so sehr zürne, die er früher in Glück und Wohlstand versetzt habe, so sollten sie aus dem Geständnis der Überlebenden die Antwort entnehmen: Zur Strafe für ihre Sünden und die Übertretung der Gesetze ihrer Väter. Dass Gott also zu Solomon im Traume geredet habe, wird durch die heiligen Bücher bekräftigt.

Fünftes Kapitel.
Wie Solomon sich einen herrlichen Palast erbaute und die ihm von Hiram gestellten Rätselfragen löste.

(1.) 130 Nach der Erbauung des Tempels, die, wie gesagt, in sieben Jahren vollendet wurde, schritt Solomon zum Bau eines Königspalastes, den er in kaum dreizehn Jahren fertig stellte. Immerhin ging der Bau desselben langsamer voran als der des Tempels. Denn der Tempel, der in einem in Anbetracht seiner gewaltigen Grösse fast unglaublichen Zeitraum erbaut wurde, verdankte seine Vollendung in dieser Frist nur der Hilfe Gottes, für den er errichtet wurde. 131 Zum Königspalast aber waren die Baumaterialien nicht so lange vorher und nicht so eifrig gesammelt worden, und übrigens verzögerte sich seine Erbauung auch ebendeswegen, weil [491] er eine Wohnung nur für Könige und nicht für Gott werden sollte. 132 Gleichwohl war auch er ein Prachtbau und entsprach dem Wohlstand des Volkes wie seines Königs. Ich halte es deshalb für notwendig, seine ganze Anordnung und Einrichtung zu beschreiben, damit meine zukünftigen Leser sich eine Vorstellung davon machen können.

(2.) 133 Der Hauptteil des Palastes war geräumig und prächtig und ruhte auf einer grossen Anzahl Säulen. Er war bestimmt, bei Gerichtsverhandlungen das Volk aufzunehmen und musste also einen beträchtlichen Raum aufweisen. Daher betrug seine Länge einhundert, seine Breite fünfzig und seine Höhe dreissig Ellen. Die Säulen, auf denen er ruhte, waren vierkantig und ganz aus Cedernholz, die Decke in korinthischem Stil gehalten, und die gleichmässig angebrachten Thüren mit dreifelderigen Thürflügeln dienten ihm ebensowohl zur Zierde als zum Schutze. 134 An diesen Haupttheil schloss sich seiner ganzen Breite nach ein zweites Gebäude an, das viereckig und dreissig Ellen breit war. Dieses hatte an der entgegengesetzten Seite einen auf starken Säulen ruhenden Anbau, in welchem sich ein prächtiger Thron befand auf dem der König Platz nahm, wenn er Gericht hielt. Daran reihte sich wieder ein anderes Gebäude, das zur Wohnung der Königin bestimmt war, alsdann noch weitere Räume zur Unterhaltung und Erholung nach vollbrachtem Tagewerk, sämtlich mit Cedernholz getäfelt. 135 Alles wurde aus zehnelligen Quadern erbaut, die Wände aber wurden mit kostbaren behauenen Steinen bekleidet, wie man sie zum Schmuck von Tempeln und zur Ausstattung königlicher Paläste in der Erde aufsucht, die durch deren Herausgabe gewissermassen sich selbst ehrt. 136 Die Aussenseite des Gebäudes wies eine prachtvolle dreireihige Säulenanordnung auf, über welcher eine vierte Abteilung mit wunderbar kunstvollen Skulpturen versehen war, Bäume und Strauchwerk darstellend, von denen schattige Zweige herabhingen, welche die Steine verbargen. 137 Diese Skulpturen waren so überaus fein [492] gearbeitet, dass sie jeden Augenblick sich bewegen zu wollen schienen. Der Rest der Wandfläche bis zum Dache war in verschiedenen Farben gemalt. Ausserdem errichtete der König noch andere Gebäude zu Vergnügungszwecken und weitläufige Hallen, darunter auch einen Speisesaal, der von Gold und anderem Zierwerk strotzte, und in dem alles Gerät, welches zu Tafelzwecken diente, aus Gold verfertigt war. 138 Es ist überhaupt schwierig, die Grösse und Mannigfaltigkeit der Königsburg zu beschreiben oder anzugeben, wie viele grösseren und kleineren Gemächer und wie viele unterirdische Räume sie hatte, oder die Pracht der Parkanlagen auseinanderzusetzen, die zugleich das Auge ergötzten und kühlen Schatten spendeten. 139 Kurz, der ganze Bau bestand nur aus weissem Marmor, Cedernholz, Gold und Silber, und Decken wie Wände waren mit in Gold gefassten Steinen ebenso geschmückt wie der Tempel Gottes. 140 Dann liess sich der König noch aus Elfenbein einen Thron anfertigen, der ungemein gross und mit sechs Stufen versehen war. Auf jeder Stufe standen zu beiden Seiten zwei Löwen und ebenso viele oben am Throne. Den Sitz bildeten Hände, und die Lehnen boten die Gestalt eines halben Stieres dar, der nach rückwärts schaute. Alles war in Gold gefasst.

(3.) 141 Sämtliche Bauwerke vollendete Solomon in zwanzig Jahren. Er hatte dazu von Hiram, dem Könige der Tyrier, eine Menge Gold, Silber, Cedern- und Kiefernholz erhalten. Dafür lohnte er diesem mit reichen Geschenken und sandte ihm jährlich Getreide, Wein und Oel, woran Hiram, wie oben bemerkt, als Inselbewohner Mangel litt. 142 Dazu schenkte er ihm auch noch zwanzig galilaeische, nahe der Grenze von Tyrus gelegene Städte. Als aber Hiram diese besucht und besichtigt hatte, missfiel ihm das Geschenk, und er liess deshalb dem Solomon sagen, er brauche die Städte nicht. Seit dieser Zeit hiessen die Städte das Land Chabalon, das heisst in phoenicischer Sprache „etwas, was nicht recht gefällt“. 143 Der Tyrierkönig sandte auch dem Solomon spitzfindige Rätsel und [493] liess ihn bitten, ihm dieselben zu lösen und ihren Sinn zu erklären. Das war nun für Solomon, der einen sehr scharfen Verstand besass, eine Kleinigkeit, und nachdem er die Lösungen gefunden und ihre Bedeutung dargelegt hatte, teilte er sie dem Hiram mit. 144 Dieser beiden Könige gedenkt auch Menander, der die Geschichte der Tyrier aus dem Phoenicischen ins Griechische übersetzt hat, mit folgenden Worten: „Nach Abibalos’ Tode folgte ihm in der Regierung sein Sohn Hiram, der vierunddreissig Jahre regierte und ein Alter von dreiundfünfzig Jahren erreichte. 145 Dieser warf den sogenannten weiten Damm auf, errichtete im Tempel des Zeus eine goldene Säule und liess auf dem Berge Libanon Holz zur Bedachung von Tempeln unter seiner persönlichen Aufsicht fällen. 146 Die alten Heiligtümer liess er niederreissen und dem Herakles wie der Astarte neue Tempel bauen, von denen der Tempel des Herakles im Monat Peritios errichtet wurde. Er überzog auch die Jykäer mit Krieg, weil sie den Tribut nicht bezahlten, unterwarf sie von neuem und kehrte dann wieder heim. In dieser Zeit lebte ein jüngerer Sohn des Abdemon, der schwierige Fragen zu lösen verstand, welche Solomon, der König von Jerusalem, ihm aufgab.“ 147 Auch Dios erwähnt ihrer mit folgenden Worten: „Nach Abibalos’ Tode regierte dessen Sohn Hiram, der am östlichen Teile der Stadt einen Damm aufwarf und die Stadt erweiterte, indem er den Tempel des Olympischen Zeus, der abseits lag, in die Stadt einbezog. Zu dem Zweck füllte er den zwischen Stadt und Tempel gelegenen Raum mit Erde aus. Den Tempel versah er überdies mit goldenen Weihgeschenken. Er stieg danach auf den Libanon und liess dort Holz zur Erbauung von Tempeln fällen. 148 Solomon, der damals in Jerusalem regierte, sandte Rätselfragen an Hiram und bat sich von ihm ebensolche aus. Wer sie nicht lösen konnte, musste dem anderen Strafe bezahlen. 149 Hiram nun konnte die Rätsel nicht lösen und zahlte eine hohe Geldstrafe. Später aber liess er dieselben von einem Tyrier Abdemon lösen und legte zugleich dem Solomon andere [494] Rätsel vor, die nun dieser nicht lösen konnte, wofür er dann auch seinerseits eine bedeutende Geldstrafe bezahlen musste.“ Dies der Bericht des Dios.

Sechstes Kapitel.
Wie Solomon Jerusalem befestigte, grosse Städte gründete, gegen die Chananäer zu Felde zog und den Besuch der Königin von Aegypten und Aethiopien empfing.

(1.) 150 Weil nun der König sah, dass die Mauern von Jerusalem keine Türme hatten, und er der Meinung war, dass ein solcher Zustand sich mit der Würde der Stadt nicht vertrage, ging er sogleich ans Werk und baute hohe Türme auf die Mauer. 151 Weiterhin gründete er auch Städte, die zu den stärksten des Landes gezählt werden konnten, zunächst Asor, Magedo und Gazara, das im Gebiet der Palaestiner lag. Diese letztere Stadt hatte Pharao, der König der Aegyptier, belagert und erstürmt und nach Ermordung ihrer Bewohner dem Erdboden gleichgemacht, dann aber seiner an Solomon verheirateten Tochter geschenkt. 152 Aus diesem Grunde nun und weil sie von Natur fest war und bei Kriegen gute Dienste zu leisten versprach, baute der König sie wieder auf. Nicht weit davon erbaute er ebenfalls zwei Städte, Betchora und Baloth‚ 153 sodann auch noch andere, die durch ihre milde Luft, ihre gesunde Lage und ihren Reichtum an Quellen sich zur Erholung und zu Kurzwecken eigneten. Hierauf unterwarf er sich die Wüste oberhalb Syrien und gründete auch dort eine grosse Stadt, die von Syrien zwei, vom Euphrat eine und von dem mächtigen Babylon sechs Tagereisen entfernt lag. 154 Der Grund, weshalb diese Stadt so weit von den bewohnten Teilen Syriens entfernt angelegt wurde, war der, dass es südlich von ihr kein Wasser gab, und nur an dieser Stelle sich Quellen und Cisternen befanden. Diese Stadt, die übrigens mit festen Mauern umgeben wurde, nannte [495] der König Thadamor, wie sie auch noch heute bei den Syrern heisst. Die Griechen dagegen nennen sie Palmyra.

(2.) 155 Mit diesen Angelegenheiten beschäftigte sich der König Solomon. Weil nun wohl mancher begierig sein dürfte, zu erfahren, weshalb alle Könige der Aegyptier von Minaios an, der noch viele Jahre vor unserem Stammvater Abram Memphis gründete, bis auf Solomon, also während eines Zeitraumes von dreizehnhundert Jahren, von einem Könige, der später regierte, den Namen Pharao erhalten haben, erachte ich es für passend, darüber Aufklärung zu schaffen und den wahren Grund dieses Namens darzulegen. Pharao heisst nämlich im Aegyptischen „König“. 156 Ich glaube nun, dass die Könige in ihrer Jugend andere Namen hatten, bei ihrer Thronbesteigung aber alle den einen Namen sich beilegten, den ihre Landessprache ihnen für ihre Würde gab. So nannten sich auch die Könige zu Alexandria, die vorher andere Namen gehabt, seit ihrer Thronbesteigung nach dem ersten von ihnen Ptolemaios. 157 Auch die römischen Herrscher, die bei ihrer Geburt andere Namen erhalten haben, nennen sich mit dem einen gemeinschaftlichen Namen Caesar, den ihre Stellung und Würde ihnen verleiht. Den väterlichen Namen legen sie alsdann ganz ab. Das halte ich auch für die Ursache, weshalb Herodot von Halikarnassos nach Minaios, dem Gründer von Memphis, noch von dreihundertdreissig Königen[6] spricht, ohne ihre Namen zu nennen; sie hiessen eben alle Pharao. 158 Sobald aber eine Königin zur Regierung gelangt, nennt er ihren Namen Nikaule,[7] offenbar weil alle Könige denselben Namen führten, den aber ein Weib sich nicht beilegen konnte, weshalb er die Königin mit ihrem Eigennamen nennen musste. 159 Ich habe auch in unseren Archiven gefunden, dass nach dem Pharao, der Solomons Schwiegervater war, kein König der Aegyptier mehr so genannt wird, und dass die vorhin erwähnte [496] Königin als die Herrscherin von Aegypten und Aethiopien bezeichnet wird, die den Solomon besuchte. Von ihr werde ich gleich näheres bringen; das Vorstehende habe ich nur als Beweis dafür angeführt, wie manchmal die Schriften der Aegyptier mit den unseren übereinstimmen.

(3.) 160 Solomon wandte sich nun zunächst gegen die aufsässigen Chananäer, die auf dem Libanon bis zur Stadt Amathe hin wohnten, unterwarf sie und legte ihnen als Tribut auf, ihm Knechtesarbeiten zu leisten und jährlich eine gewisse Zahl Leute zur Bestellung seiner Äcker zu überlassen. 161 Von den Hebräern nämlich diente damals niemand als Knecht, und da ihnen Gott so viele Völkerschaften unterthan gemacht, hatten sie das ja auch nicht nötig, konnten vielmehr die Unterjochten dazu zwingen. Sie thaten deshalb Waffendienst und zogen lieber mit Wagen und Rossen zu Felde, als dass sie zu Knechtesdiensten Neigung verspürten. 162 Über die Chananäer nun, die Solomon mit sich nahm, setzte er fünfhundertfünfzig Aufseher, denen die gesamte Sorge für dieselben oblag‚ und die ihnen namentlich jene Fertigkeiten beibringen mussten, deren sie im Dienste des Königs bedurften.

(4.) 163 Alsdann liess der König im aegyptischen Meerbusen viele Schiffe erbauen, und zwar in einem am Roten Meere gelegenen Orte mit Namen Gasiongabel, nicht weit von der Stadt Aelana entfernt, die jetzt Berenike genannt wird. Denn dieser ganze Landstrich gehörte damals den Juden. Auch für den Bau dieser Flotte erhielt er von der Freigebigkeit Hirams, des Königs der Tyrier, reichliche Unterstützung. 164 Hiram sandte ihm nämlich eine Anzahl Steuermänner und kundige Seefahrer. Diese hiess Solomon mit seinen eigenen Beamten nach Sophira in Indien, dem heutigen sogenannten Goldlande, fahren und ihm von dort Gold holen. Sie sammelten davon gegen vierhundert Talente, worauf sie wieder zum Könige heimkehrten.

(5.) 165 Die Beherrscherin von Aegypten und Aethiopien, die nach Weisheit dürstete und auch im übrigen vortreffliche [497] Eigenschaften besass, hatte so viel von Solomons Weisheit und Tugenden gehört, dass sie vor Verlangen brannte, ihn persönlich zu sehen. 166 Denn sie wollte aus eigener Erfahrung seine Vorzüge kennen lernen und sich nicht mit dem blossen Gerücht begnügen, dessen Glaubwürdigkeit immer vom Berichterstatter abhängt und oft sehr zweifelhaft ist. Sie beschloss daher, sich zu Solomon zu begeben, um seine Weisheit auf die Probe zu stellen und ihm schwierige Fragen zur Entscheidung vorzulegen, und kam mit grosser Pracht und glänzendem Aufwand nach Jerusalem. 167 In ihrem Gefolge hatte sie Kamele, die mit Gold, verschiedenen Spezereien und kostbaren Edelsteinen reich beladen waren. Der König empfing sie mit besonderer Freundlichkeit und löste die ihm vorgelegten spitzfindigen Fragen infolge seines scharfen Verstandes schneller als man glaubte. 168 Die Königin geriet in Erstaunen, da sie merkte, dass seine Weisheit nicht nur ihre eigene übertraf, sondern auch noch grösser war, als das Gerücht sie bezeichnet hatte. Besonders aber erregte der Königspalast wegen seiner Schönheit, Grösse und der kunstvollen Anordnung der einzelnen Gebäude ihre Bewunderung: denn auch hierin prägte sich des Königs Weisheit aus. 169 Namentlich ein Gebäude, das „Wald des Libanon“ hiess, sowie die Pracht der täglichen Mahlzeiten, der Reichtum an Möbeln, die Kleidung der Dienerschaft und ihre Geschicklichkeit liessen sie aus dem Staunen nicht herauskommen. Auch die täglichen Opfer und die heiligen Handlungen der Priester und Leviten nahmen ihre Aufmerksamkeit in Anspruch. 170 Sie musste sich gestehen, dass das, was sie sah, sie so wunderbar ergriff, dass sie sich vor Staunen kaum zu halten wusste, und sie erklärte daher dem Könige, dass ihre Erwartungen weit übertroffen worden seien. 171 „Alles, o König,“ sagte sie, „was das Gerücht zu uns trägt, erregt Zweifel in uns. Von dem aber, was du besitzest‚ deiner Weisheit und Einsicht und deinen königlichen Schätzen, hat der Ruf nichts Unwahres berichtet, sondern ist vielmehr weit hinter der Wirklichkeit [498] zurückgeblieben, was mir jetzt klar wird, da ich dein Glück vor Augen habe. 172 Die Sage konnte wohl unser Ohr ergötzen, uns aber keinen Begriff von der Wirklichkeit beibringen. War schon das, was ich gehört hatte, wunderbar und kaum glaublich, so erreicht es doch bei weitem nicht das, was ich jetzt vor mir sehe. 173 Wahrlich, das Volk der Hebräer und deine Diener und Freunde sind glücklich zu preisen, da sie täglich dein Angesicht schauen und deine Weisheit hören. Gott sei gelobt, der dieses Land und Volk so sehr liebt, dass er dich zum Könige darüber gemacht hat.“

(6.) 174 Darauf dankte sie dem Könige für die freundliche Aufnahme mit Worten und Geschenken. Sie gab ihm zwanzig Talente Gold sowie eine ungeheure Menge von Gewürzen und kostbaren Edelsteinen; auch soll sie ihm die ersten Pflanzen des Opobalsams, der jetzt noch in unserem Lande wächst, geschenkt haben. 175 Solomon machte ihr darauf Gegengeschenke, wie sie ihrem Wunsche entsprachen. Er versagte ihr nichts, sondern bewies sich ihr gegenüber in wahrhaft königlicher Weise hochherzig und freigebig. Nachdem sie so gegenseitig ihre Geschenke ausgetauscht hatten, begab sich die Königin von Aegypten und Aethiopien auf den Heimweg.

Siebentes Kapitel.
Solomons Reichtum. Er versinkt in Üppigkeit. Gott erregt Ader und Jeroboam gegen ihn. Solomons Tod.

(1.) 176 Um diese Zeit erhielt der König aus dem sogenannten Goldlande kostbare Steine und Kiefernholz. Das Holz verwandte er zu Geländern im Tempel und im Königspalast, sodann auch zur Herstellung musikalischer Instrumente, welche die Leviten zur Begleitung ihrer Lobgesänge brauchten. Alles aber, was ihm zuging, war weit schöner und prächtiger als das, was wir jetzt besitzen. 177 Niemand wird zum Beispiel glauben, dass das Kiefernholz von damals dem, welches jetzt mit diesem [499] Namen belegt wird, so wenig ähnlich war, dass die Verkäufer jene Bezeichnung für eine Holzart gebrauchten, um die Käufer besonders anzulocken. 178 Denn es war dem Feigenholz ähnlich, aber weit weisser und glänzender. Ich glaubte dies erwähnen zu müssen, damit kein Zweifel entstehe über die wahre Natur des Kiefernholzes, dessen sich der König bediente.

(2.) 179 An Gold wurden dem Könige jährlich sechshundertundsechzig Talente geliefert, ohne dasjenige mitzurechnen, was er von Händlern kaufte und was die Könige und Häuptlinge Arabiens ihm als Geschenk sandten. Aus dem Golde liess er zweihundert Schilde machen, von denen jeder sechshundert Sekel wog, 180 und noch dreihundert kleinere Schilde, deren einzelne ein Gewicht von drei Minen Gold hatten. Diese Schilde liess er in dem Gebäude, welches „Wald des Libanon“ genannt wurde, aufhängen. Sodann liess er auch kunstvolle Becher, die bei Gelagen verwendet wurden, aus Gold und Edelsteinen anfertigen. Desgleichen waren alle übrigen Geräte von Gold, denn Silber galt so wenig, dass niemand etwas dafür verkaufen wollte oder kaufen konnte. 181 Im sogenannten Tarsischen Meere hatte der König eine grosse Anzahl Schiffe, die zu den entlegensten Völkern Waren aller Art bringen und dafür Gold, Silber, Elfenbein, aethiopische Sklaven und Affen eintauschen mussten. Zu einer einzigen Reise brauchten diese Schiffe drei Jahre.

(3.) 182 Der Ruf von Solomons Vorzügen und von seiner Weisheit hatte sich so sehr ausgebreitet, dass allenthalben die Könige, denen die Berichte über ihn unglaublich vorkamen, vor Verlangen brannten, ihn zu sehen, und durch grosse Geschenke ihm ihre Aufmerksamkeit bewiesen. 183 Sie sandten ihm goldene und silberne Gefässe, Purpurkleider, mancherlei Spezereien, Pferde und Wagen, ferner Maultiere zum Lasttragen, mit denen man ihrer Stärke und Schönheit wegen dem Könige Vergnügen zu bereiten gedachte. Dadurch vermehrte sich die Zahl seiner Wagen, die bis dahin tausend betrug, um vierhundert, [500] und die der Pferde, deren er schon zwanzigtausend besass, um zweitausend. 184 Die Pferde waren so edel und schnell, dass sie ihresgleichen suchten, 185 und eine nicht geringere Zierde boten die mitgesandten Bereiter dar, die in voller Jugendblüte standen, herrlich anzuschauen und von hervorragendem Wuchse waren. Sie trugen langes Haupthaar, waren in Gewänder von tyrischem Purpur gekleidet und puderten ihr Haar täglich mit Goldstaub, sodass ihre Häupter erglänzten, wenn die Sonnenstrahlen sich in dem Golde brachen. 186 Der König versah sie mit Bogen und anderen Waffen und begab sich in ihrer Begleitung täglich bei Sonnenaufgang aus der Stadt, er selbst in weissem Gewande und den Wagen lenkend. Das Ziel der Fahrt war ein zwei Schoinen von Jerusalem entfernter Ort, der Etham hiess und reich an schönen Gartenanlagen und Quellen war.

(4.) 187 Wie nun Solomon allen Angelegenheiten seine Sorgfalt zuwandte und besonders auf Schönheit achtete, so liess er auch die Instandsetzung der Wege sich angelegen sein und alle Strassen, die nach der Königsstadt Jerusalem führten, mit schwarzen Steinen[8] pflastern, einmal um dieselben den Reisenden bequem zu machen, dann aber auch, um seinen Reichtum und seine Prachtliebe zu zeigen. 188 Seine Wagen teilte er ab und stellte in einzelnen Städten eine bestimmte Zahl davon auf, während er nur wenige bei sich behielt. Diese Städte nannte er Wagenstädte. Silber brachte der König so viel nach Jerusalem, als wenn es Gestein gewesen wäre, und die Felder Judaeas bepflanzte er mit Cedern, die man dort bis dahin nicht kannte, und mit Sykomoren. 189 Von aegyptischen Händlern kaufte er Wagen mit zwei Pferden für sechshundert Drachmen Silber und schickte diese den Königen in Syrien und jenseits des Euphrat.

(5.) 190 Als Solomon so der berühmteste und Gott wohlgefälligste König geworden war und an Weisheit und Reichtum alle früheren Herrscher der Hebräer übertraf, [501] fing er an, von den Gebräuchen und Satzungen seines Vaters abzufallen, und so entsprach sein Ende nicht seinem Leben. 191 Denn er gab sich unmässig den Weibern hin, und schliesslich genügten ihm die einheimischen Frauen nicht mehr, sondern er verband sich auch mit fremden, Sidonierinnen, Tyrierinnen, Ammaniterinnen und Idumäerinnen, und übertrat so die Gesetze des Moyses, der alle Ehen mit Ausländerinnen untersagt hatte. 192 Gleichzeitig fing er auch an, aus Liebe zu diesen Frauen deren Götzendienst zu treiben. Denn eben deshalb hatte der Gesetzgeber das Eingehen von Ehen mit fremden Weibern verboten, damit die Hebräer nicht deren Gebräuche und Götzenverehrung annähmen und von ihren eigenen Gesetzen und der Verehrung Gottes abfielen. 193 Darauf achtete aber Solomon in seinem wilden Vergnügungstaumel nicht. Weil er nun ausser der Tochter Pharaos nicht weniger als siebzig Gattinnen und dazu noch dreihundert Kebsweiber hatte, geriet er in eine derartige Abhängigkeit von ihnen, dass er ihre Gebräuche annahm und, um ihnen Beweise seiner Zuneigung und Liebe zu geben, ihren heimatlichen Sitten sich anzubequemen für nötig hielt. 194 Und da er auch schon im Alter vorgerückt war, und seine Urteilskraft zu schwach wurde, als dass er sich die Einrichtungen seines Volkes wieder ins Gedächtnis hätte zurückrufen können, vernachlässigte er Gott noch mehr und ergab sich ganz dem Götzendienste seiner fremden Weiber. 195 Auch früher hatte er ja schon gesündigt und gegen die Gesetzesvorschriften verstossen, als er die ehernen Bilder von Rindern als Untersatz für das eherne Meer und die Löwen für seinen Thron hatte anfertigen lassen: denn deren Herstellung war nicht erlaubt. 196 Obgleich er nun das schöne Tugendbeispiel und den Ruhm seines Vaters, den dieser als Lohn für seine Frömmigkeit hinterlassen, vor Augen hatte, und obgleich ihn Gott zweimal in einer Traumerscheinung ermahnte, in den Fussstapfen seines Vaters zu wandeln, wich er doch von dem Pfade der Tugend ab und starb infolgedessen eines ruhmlosen [502] Todes. 197 Es erschien auch ein von Gott gesandter Seher, der ihm verkündigte, dass seine Frevel offenkundig geworden seien, und er sich seiner Thaten nicht lange mehr erfreuen werde. Zwar solle ihm die Herrschaft nicht bei Lebzeiten entrissen werden, da Gott seinem Vater David verheissen habe, ihn zu seinem Nachfolger zu machen. 198 Nach seinem Tode dagegen solle die Strafe seinen Sohn treffen, und wenn auch nicht gerade das ganze Volk ihm würde untreu werden, so sollten doch zehn Stämme an einen seiner Knechte fallen und nur zwei Stämme einem Enkel Davids verbleiben um seines Grossvaters willen, den Gott geliebt habe, und um der Stadt Jerusalem willen, wo er einen Tempel habe besitzen wollen.

(6.) 199 Als Solomon dies vernommen, ergriff ihn Schmerz und Bestürzung, da all sein Glück zu nichte zu werden drohte. Kurze Zeit nach der Verkündigung des Sehers erweckte ihm Gott einen Gegner mit Namen Ader, der aus folgender Ursache die Feindseligkeiten begann. 200 Er war noch jung, von Geburt Idumäer und aus königlichem Geblüt. Als nun Davids Feldherr Joab Idumaea unterjocht und in einem Zeitraum von sechs Monaten alle waffenfähigen Männer umgebracht hatte, floh Ader zu Pharao, dem Könige von Aegypten. 201 Dieser nahm ihn freundlich auf, schenkte ihm ein Haus und Ackerland und gewann ihn, als er erwachsen war, so lieb, dass er ihm die Schwester seiner Gattin, Thaphine mit Namen, zur Ehe gab und den Sohn, den diese ihm gebar, mit den königlichen Kindern erziehen liess. 202 Als aber Ader vernahm, dass David gestorben und Joab getötet worden sei, begab er sich zum König und bat ihn, er möge ihm die Rückkehr in sein Vaterland gestatten. Pharao fragte ihn darauf, ob er bei ihm vielleicht Mangel gelitten habe, oder ob ihm sonst ein Unrecht widerfahren sei, dass er ihn zu verlassen wünsche. Alsdann setzte er ihm mit wiederholten Bitten zu, sodass Ader sich entschloss, zu bleiben. 203 Zu der Zeit aber, als Solomons Glück infolge seiner Sünden [503] und des göttlichen Zornes zu wanken begann, kehrte Ader endlich mit Pharaos Erlaubnis nach Idumaea zurück. Doch versuchte er vergeblich, dieses Land zum Abfall von Solomon zu bewegen; denn es hatte starke Besatzungen, die solche Anschläge schnell unterdrückt haben würden. Deshalb ging er nach Syrien. 204 Dort traf er einen gewissen Raazar, der seinem Herrn, dem König Adrazar von Sophene, entlaufen war und als Räuber das Land unsicher machte. Mit diesem verband er sich, zog mit einer Schar von Räubern weiter, besetzte einen Teil Syriens und liess sich zum Könige ausrufen. Dann fiel er noch bei Lebzeiten Solomons in das Gebiet der Israëliten ein, verwüstete und plünderte das Land und bereitete so den Hebräern schweres Unheil.

(7.) 205 Obendrein erhob sich auch gegen Solomon noch ein Landsmann, Jeroboam, der Sohn des Nabataeus, der gemäss einer ihm früher kundgegebenen Prophezeiung die Hoffnung hegte, selbst König zu werden. Schon als Knabe verlor er seinen Vater und wurde von seiner Mutter allein erzogen. Durch seine tapfere und edle Gesinnung hatte er die Aufmerksamkeit Solomons auf sich gelenkt, der ihm bei der Befestigung Jerusalems den Bau der Mauer übertrug. 206 Dieses Amt verwaltete er so gut, dass der König ihn lobte und ihn zum Befehlshaber im Stamme Joseph ernannte. Um die Zeit nun, von der wir reden‚ begegnete dem Jeroboam vor den Thoren von Jerusalem ein Seher aus der Stadt Silo, mit Namen Achias. Dieser begrüsste ihn, führte ihn abseits vom Wege auf einen Acker, wo sie allein waren, 207 zerriss seinen Mantel in zwölf Stücke, hiess Jeroboam zehn davon nehmen und sprach: „So wird Gott das Reich Solomons zerreissen und seinem Sohne gemäss der Verheissung, die er David gegeben, zwei Stämme, dir aber die anderen zehn Stämme geben, weil Solomon schwer gegen ihn gefrevelt und sich ganz den Weibern und deren Götzen ergeben hat. 208 Da dir nun die Ursache bekannt ist, weshalb Gott sich von Solomon abgewandt hat, so übe Gerechtigkeit und beobachte [504] das Gesetz, weil dir um deiner Frömmigkeit willen die hohe Würde bestimmt ist, die David innegehabt.“

(8.) 209 Jeroboam, der von Natur heissblütig und ehrgeizig war, konnte sich infolge dieser Prophezeiung nicht mehr ruhig halten. Sobald er die Befehlshaberstelle erlangt hatte, gedachte er der Worte des Achias, begann das Volk von Solomon abwendig zu machen und beredete es, ihm selbst die Herrschaft zu übertragen. 210 Als Solomon von dieser seiner Absicht Kenntnis erhielt, suchte er seiner habhaft zu werden, um ihn zu töten. Jeroboam aber, dem dies rechtzeitig gemeldet wurde, floh zum aegyptischen König Susak und blieb hier bis zu Solomons Tode, sodass er vor seinen Nachstellungen gesichert war. 211 Solomon aber starb im hohen Alter von vierundneunzig Jahren nach achtzigjähriger Regierung und wurde zu Jerusalem beigesetzt. Er war der glücklichste, reichste und weiseste aller Könige, und nur der eine Schatten ruht auf seinem Namen, dass er noch im Alter sich von seinen Weibern verführen liess und gegen Gott frevelte. Über diese Sünde und das Leid, welches daraus den Hebräern erwuchs, werde ich noch an anderer Stelle Gelegenheit finden zu reden.

Achtes Kapitel.
Wie nach Solomons Tod das Volk von seinem Sohne Roboam abfiel, und wie zehn Stämme den Jeroboam zum König erwählten.

(1.) 212 Als nach Solomons Tod Roboam, den ihm die Ammaniterin Nooma geboren hatte, ihm in der Regierung gefolgt war, sandten die Stammesoberhäupter sogleich Boten nach Aegypten, um den Jeroboam zurückzurufen. Dieser begab sich darauf nach Sikim, wohin auch Roboam kam, weil er sich den dort versammelten Israëliten als König vorstellen wollte. 213 Die Oberhäupter und Jeroboam baten ihn nun, er möge ihnen ihre Knechtschaft etwas erleichtern und sich milder erweisen als sein Vater, der sie schwer [505] bedrückt habe. Dann würden sie ihm auch ergebener sein und ihm lieber dienen, wenn er sie gnädig behandle, als wenn er ihnen Furcht einflösse. 214 Roboam aber sagte, er wolle ihnen nach drei Tagen Antwort geben, und erregte schon dadurch Argwohn, dass er nicht sogleich ihren Bitten Gehör gab. Sie glaubten nämlich, dass besonders in der Jugend der Sinn der Menschen zur Güte und Milde geneigt sei. Doch schien ihnen immerhin noch eine Hoffnung darin zu liegen, dass er versprochen habe, die Sache zu überlegen, und nicht gleich eine abschlägige Antwort erteilte.

(2.) 215 Roboam liess hierauf die Freunde seines Vaters kommen und beriet mit ihnen, welche Antwort er dem Volke geben solle. Diese rieten ihm, wie das von wohlwollenden und mit des Volkes Gesinnung vertrauten Männern nicht anders zu erwarten war, er solle das Volk freundlich und mild anreden und sich herablassend benehmen; denn so werde er das Volk für sich gewinnen, weil naturgemäss die Unterthanen nichts so gern sähen, als wenn die Herrscher sich ihnen gütig erwiesen und sich ihnen fast gleichstellten. 216 Diesen nützlichen und, wenn auch nicht für immer, so doch beim Regierungsantritt beherzigenswerten Rat wies Roboam indes zurück; denn Gott fügte es, dass er seinen Vorteil verkannte. Er liess vielmehr die Jünglinge rufen, die mit ihm aufgewachsen waren, setzte ihnen auseinander, was die Greise ihm geraten hatten, und hiess sie nun auch ihre Ansicht äussern. 217 Diese, die bei ihrer Jugend und dem Ratschlusse Gottes nicht anders konnten, rieten ihm, dem Volke zu antworten, sein kleiner Finger sei dicker als seines Vaters Rumpf. Hätten sie von Solomon harte Behandlung erfahren, so würden sie von ihm eine noch viel härtere erdulden müssen. Habe jener sie mit Peitschen gezüchtigt, so werde er sie mit Skorpionen quälen. 218 Dieser Rat gefiel dem Könige, und da er eine solche Antwort der Würde des Herrschers angemessen erachtete, nahm er, als das Volk sich am dritten Tage voll Verlangen, die Entscheidung [506] des Königs zu hören, und in der Hoffnung, dieselbe werde günstig ausfallen, versammelt hatte, keine Rücksicht auf den Rat der älteren Freunde und erteilte den Bescheid im Sinne der Jünglinge. Das geschah aber nach Gottes Willen, da die Weissagung des Achias sich erfüllen sollte.

(3.) 219 Roboams Worte trafen alle wie ein Schwerthieb, und sie standen zunächst wie versteinert da, als sollten sie auf die Probe gestellt werden. Dann aber entrüsteten sie sich, und riefen wie aus einem Munde aus, sie wollten von jetzt ab mit David und seinen Nachkommen nichts mehr zu thun haben, und nur den Tempel wollten sie ihm lassen, weil sein Vater denselben erbaut habe. 220 Sie gerieten so sehr in Erbitterung und Zorn, dass sie den Steuerverwalter Adoram, den der König zu ihnen geschickt hatte, um sie zu besänftigen und ihnen Verzeihung anzukündigen, wenn sie vielleicht nur in jugendlichem Wagemut so gehandelt hätten, gar nicht zu Wort kommen liessen, sondern ihn mit Steinwürfen töteten. 221 Als Roboam das sah und befürchtete, sie möchten auch ihn wie seinen Diener zu steinigen versuchen, bestieg er eilig seinen Wagen und floh nach Jerusalem. Die Stämme Judas und Benjamin nun erwählten ihn darauf zu ihrem Herrscher, das ganze übrige Volk aber trennte sich von Davids Geschlecht und rief Jeroboam zum König aus. 222 Roboam versammelte alsdann die beiden ihm treu gebliebenen Stämme und stellte aus ihnen ein Heer von hundertachtzigtausend auserlesenen Streitern zusammen, mit dem er gegen Jeroboam und dessen Volk zu Felde ziehen und sie unterwerfen wollte. 223 Doch wurde er hieran von Gott durch einen Seher verhindert, der ihm sagen liess, es sei frevelhaft, dass er seine eigenen Stammesgenossen mit Krieg überziehen wolle, zumal der Abfall des Volkes nach dem Willen Gottes erfolgt sei. Daraufhin unterliess er auch den Ausmarsch. 224 Ich werde nun zunächst von den Thaten des Königs Jeroboam reden und dann erst von denen [507] des Königs Roboam, damit in der Geschichtserzählung die notwendige Ordnung gewahrt werde.

(4.) 225 Jeroboam also baute sich einen Königspalast in der Stadt Sikim und nahm daselbst seinen Wohnsitz. Einen zweiten Palast liess er in der Stadt Phanuel errichten. Da nun in kurzem das Fest der Laubhütten bevorstand‚ überlegte er bei sich, das Volk würde vielleicht, wenn es nach Jerusalem zöge, um dort Gott anzubeten und das Fest zu feiern, anderen Sinnes werden und, angelockt von der Pracht des Tempels und des Gottesdienstes, von ihm abfallen und sich dem früheren König wieder zuwenden. Das, dachte er, würde ihn in Lebensgefahr bringen, und er ersann deshalb folgenden Plan. 226 Er liess zwei goldene Kälber anfertigen und denselben zwei Tempel erbauen, den einen in Bethel, den anderen in Dan, das bei den Quellen des kleinen Jordan liegt. In jedem dieser Tempel stellte er eines der Kälber auf, liess die zehn Stämme zusammenkommen und hielt an sie folgende Ansprache: 227 „Ihr Stammesgenossen, ihr wisst alle, wie ich glaube, dass Gott allgegenwärtig ist, und dass es keinen Ort giebt, wo er sich besonders aufhielte, sondern dass er überall die Bitten seiner Kinder erhört. Deshalb will ich euch nicht dazu drängen, dass ihr der Gottesverehrung wegen den weiten Weg nach der feindlichen Stadt Jerusalem zurücklegt. 228 Den Tempel daselbst hat doch nur ein Mensch gemacht; in gleicher Weise habe ich zwei goldene Kälber an Gottes statt anfertigen lassen und eins davon in Bethel, das andere in Dan aufgestellt, damit jeder von euch zu dem ihm am nächsten gelegenen Ort sich begeben und Gott verehren kann. Einige von euch werde ich zu Priestern und Leviten machen, sodass ihr den Stamm Levis und die Nachkommen Aarons nicht mehr nötig habt. Wer also gern Priester werden möchte, opfere Gott ein Kalb und einen Widder, was ja auch der erste Priester Aaron gethan haben soll.“ 229 Mit diesen Worten betrog er das Volk und veranlasste es, von der Religion seiner Väter abzufallen [508] und das Gesetz zu übertreten. Das war für die Hebräer die Quelle grossen Unglücks und die Ursache, weshalb sie von fremden Völkern unterjocht und in die Gefangenschaft geschleppt wurden. Doch hiervon wird später noch die Rede sein.

(5.) 230 Im siebenten Monat nun, als das Fest bevorstand, wollte er dasselbe in Bethel begehen, wie die beiden anderen Stämme es in Jerusalem feierten; er errichtete daher vor dem Kalbe einen Altar und stieg selbst als Hohepriester mit seinen Priestern zu demselben hinan. 231 In dem Augenblick aber, als er die Opfer im Angesicht des Volkes auf den Altar legen wollte, trat ein Seher mit Namen Jadon, den Gott aus Jerusalem gesandt hatte, auf, stellte sich mitten unter das Volk und sprach, zum Altare gewandt und dem König leicht vernehmlich, also: 232 „Gott verkündet durch mich, dass ein Mann aus Davids Geschlecht mit Namen Josias kommen wird, der auf dir die falschen Priester opfern und die Gebeine dieser Aufwiegler, Betrüger und Gottlosen verbrennen soll. Und damit das Volk hier glaubt, dass dies geschehen werde, will ich euch ein Zeichen verkündigen. Dieser Altar wird zerbersten, und das Fett der Opfertiere von ihm zu Boden fliessen.“ 233 Über diese Worte des Sehers geriet Jeroboam in Zorn, streckte seine Hand gegen ihn aus und befahl, ihn zu ergreifen. Da sank die ausgestreckte Hand plötzlich herab und wurde wie totenstarr, sodass Jeroboam sie nicht mehr erheben konnte. Alsdann zerbarst der Altar, und alles auf ihm Befindliche fiel zur Erde, wie der Seher vorhergesagt hatte. 234 Der König erkannte nun, dass der Mann die Wahrheit gesprochen und auf göttliche Eingebung hin prophezeit habe; er bat ihn daher, er möge zu Gott flehen, dass sein Arm wieder belebt werde. Der Seher entsprach seinem Wunsch und bat zu Gott, und da der Arm darauf sogleich wieder gesund wurde, lud Jeroboam voll Freude den Seher zum Mahle ein. 235 Jadon aber entgegnete, er dürfe sein Haus nicht betreten, noch Speise und Trank in dieser Stadt zu sich nehmen, weil Gott ihm [509] dies verboten habe. Ja, er dürfe nicht einmal auf dem Wege, den er gekommen, zurückkehren, sondern müsse einen anderen einschlagen. Da bewunderte ihn der König wegen seiner Genügsamkeit, über sich selbst aber geriet er in Angst, weil er nach dem, was vorgefallen, Unheil befürchtete.

Neuntes Kapitel.
Wie Jadon um seines Ungehorsams willen von einem Löwen zerrissen wurde, und wie ein falscher Prophet den König von Gott abwendig machte.

236 In der Stadt befand sich aber ein gottloser Greis und falscher Prophet, den Jeroboam in hohen Ehren hielt, weil er ihm nur Angenehmes sagte und ihn damit bethörte. Dieser Mann war damals ans Bett gefesselt, weil seine Körperkräfte infolge des Alters nachgelassen hatten. Als ihm aber seine Söhne von dem Seher aus Jerusalem erzählten und von den Wunderzeichen im Tempel 237 und der geheilten Hand Jeroboams, befürchtete er, der Fremde möchte sein Ansehen beim Könige schmälern oder ihn gar verdrängen, und befahl daher seinen Söhnen, ihm sogleich seinen Esel zu satteln, weil er eine Reise machen wolle. 238 Diese befolgten den Befehl alsbald, und so bestieg er den Esel und zog dem Seher nach. Er traf ihn, wie er unter einer hohen und schattigen Eiche ausruhte, und machte ihm Vorwürfe, dass er nicht bei ihm eingekehrt sei, und seine Gastfreundschaft in Anspruch genommen habe. 239 Als darauf Jadon einwarf, es sei ihm von Gott verboten gewesen, von einem Bewohner der Stadt etwas anzunehmen, sprach der falsche Prophet zu ihm: „Gott hat dir aber sicher nicht verboten, bei mir zu speisen, denn auch ich bin ein Seher und verehre ihn wie du, und er hat mich jetzt zu dir gesandt, dass ich dich als Gast mit mir nehme.“ 240 Jadon glaubte dem Lügner und kehrte um. Als sie nun beim Mahle sassen und sich mit Gesprächen unterhielten, [510] erschien Gott dem Jadon und verkündigte ihm, er werde für seinen Ungehorsam Strafe erleiden; denn es werde ihm ein Löwe begegnen und ihn zerreissen, und so solle er nicht im Grabe seiner Vorfahren ruhen. 241 Hierin kann man Gottes Fügung erkennen, der es zuliess, dass Jeroboam Jadons Worten infolge falscher Auslegung derselben keinen Glauben schenkte. Als Jadon nun auf dem Heimweg nach Jerusalem sich befand, begegnete ihm ein Löwe, der ihn von seinem Reittier riss und tötete. Dem Esel that er jedoch nichts zuleide, legte sich vielmehr neben ihn und bewachte ihn und den Leichnam des Sehers, bis einige Vorübergehenden es sahen, in die Stadt gingen und es dem falschen Seher anzeigten. 242 Dieser liess durch seine Söhne den Leichnam in die Stadt holen und bestattete ihn sehr ehrenvoll. Dann aber befahl er seinen Söhnen, sie sollten ihn nach seinem Tode in demselben Grabe beisetzen, und fügte hinzu, es sei alles wahr, was Jadon in betreff der Stadt, des Altars, der Priester und der falschen Propheten geweissagt habe. Wenn er aber nach seinem Tode bei Jadon bestattet werde, würden seine Gebeine unbehelligt bleiben, weil man sie von denen Jadons nicht werde unterscheiden können. 243 Als er so dem Seher die letzten Ehren erwiesen und seinen Söhnen den Auftrag erteilt hatte, begab er sich, boshaft und gottlos wie er war, zu Jeroboam und sprach zu ihm: „Wie konntest du dich durch die Worte jenes Thoren so verwirren lassen?“ Als der König ihm darauf erzählte, was mit dem Altar und mit seiner Hand sich ereignet habe‚ und den Jadon einen wahrhaft grossen und göttlichen Propheten nannte, fing er in verschmitzter und boshafter Weise an, diese Meinung zu erschüttern und die Wahrheit des Geschehenen durch Zweifel herabzusetzen. 244 Er versuchte nämlich, dem Könige einzureden, sein Arm sei vor Müdigkeit erstarrt‚ weil er die Opfer damit getragen habe; darauf habe er ein wenig ausgeruht, und so sei der Arm wieder in Ordnung gekommen. Der Altar aber sei deshalb zusammengebrochen, weil er noch frisch erbaut und [511] mit so vielen und grossen Opferstücken belastet gewesen sei. Dann erzählte er ihm, wie den Verkündiger dieser angeblichen Wunderzeichen ein Löwe zerrissen habe. Das beweise doch, dass er kein wirklicher Seher gewesen sei. 245 Mit diesen Reden beschwatzte er auch wirklich den König und trieb ihn, nachdem er ihn immer mehr von Gott und der Gerechtigkeit abgewendet hatte, schliesslich zu allen Schlechtigkeiten an. So gross war Jeroboams Bosheit und Vermessenheit gegen Gott, dass er Tag für Tag nur darauf sann, wie er immer wieder neue Frevelthaten vollbringen könne. Das mag für jetzt von Jeroboam genügen.

Zehntes Kapitel.
Von Roboam und seiner Bestrafung durch Susak.

(1.) 246 Roboam, der Sohn Solomons, der, wie gesagt, über zwei Stämme die Herrschaft führte, baute oder befestigte folgende Städte: Bethleëm, Etame, Thekoa, Bethsura, Socho, Odollam‚ Ipan, Marissa, Zipha, Adoraïm, Lachis, Azeka, Saraïm, Elom und Chebron, 247 alle im Stamme Judas gelegen. Auch im Stamme Benjamin erbaute er grosse Städte, befestigte sie, legte Besatzungen unter besonderen Befehlshabern hinein und versah sie reichlich mit Getreide, Wein, Öl und allen anderen notwendigen Lebensmitteln, sowie mit Schilden und Speeren für Tausende von Kriegern. 248 In Jerusalem versammelten sich um ihn die Priester und Leviten aus dem ganzen Lande der Israëliten samt denen aus dem Volke, die noch gut und gerecht waren. Diese verliessen ihre Wohnsitze, um Gott nach der Sitte ihrer Väter in Jerusalem zu verehren, und verabscheuten die Kälberanbetung Jeroboams. So vermehrten sie drei Jahre lang die Macht Roboams. 249 Dieser heiratete, nachdem er schon früher eine Verwandte zur Ehe genommen und mit ihr drei Kinder gezeugt hatte, noch eine andere Verwandte mit Namen Machane, eine Tochter der Thamar, welche den [512] Abesalom zum Vater hatte. Von dieser letzteren erhielt er einen Sohn Abias. Auch von anderen Gattinnen hatte er noch mehrere Kinder, doch liebte er die Machane am meisten. 250 Im ganzen hatte er achtzehn rechtmässige Gattinnen und dreissig Kebsweiber, von denen er zusammen achtundzwanzig Söhne und sechzig Töchter erhielt. Zu seinem Nachfolger ernannte er Abias, den Sohn der Machane, und vertraute ihm seine Schätze und die festesten Plätze an.

(2.) 251 Ich glaube, dass gar oft den Menschen ihr Glück und Wohlstand zur Ursache von Schlechtigkeit und Bosheit wird. So wandte sich auch Roboam, als er seine Macht wachsen sah, zu Freveln und Verbrechen jeder Art, vergass den Dienst und die Verehrung Gottes und verleitete seine Unterthanen, dasselbe zu thun. 252 Es pflegen ja leider mit den Sitten der Herrscher auch die der Untergebenen zu entarten, und die letzteren folgen meist den Lastern der Fürsten, um nicht durch ihr gutes Betragen deren Ruchlosigkeit anzuschuldigen. Anders können sie ja nicht den Schein wahren, als ob sie die Thaten der Fürsten billigten. 253 So erging es auch Roboams Unterthanen, die, als er die Gesetze freventlich übertrat, sich bemühten, durch ungerechten Lebenswandel der Gesinnung des Königs ihre Anerkennung zu zollen. Gott aber schickte den Aegyptierkönig Susak, um den Roboam zu bestrafen. Herodot hat irrtümlicherweise dessen Thaten dem Könige Sesostris beigelegt. 254 Susak also zog im fünften Jahre der Regierung Roboams mit einem gewaltigen Heere gegen ihn zu Felde. Es folgten ihm nämlich zwölfhundert Wagen, sechzigtausend Reiter und vierhunderttausend Mann Fussvolk, von denen die meisten Libyer und Aethiopen waren. 255 Mit diesen fiel er in das Land der Hebräer ein, nahm die festesten Städte Roboams ohne Schwertstreich, legte Besatzungen in dieselben und zog dann auch vor Jerusalem.

(3.) 256 Als nun Roboam und sein Volk in der Stadt von Susaks Heer eingeschlossen waren, wandten sie sich [513] wieder flehentlich an Gott, er möge ihnen Sieg und Rettung verleihen, konnten ihn aber nicht dazu bewegen. 256 Vielmehr verkündete ihnen der Prophet Samaeas, Gott wolle sich von ihnen wenden, wie sie sich auch von ihm und seinem Dienste abgewandt hätten. Als sie dies hörten, entsank ihnen der Mut, und hilflos wie sie waren, fingen sie an einzugestehen, dass Gott sie mit Recht verschmähe, weil sie gegen ihn gefrevelt und seine Gebote und Satzungen übertreten hätten. 257 Da nun Gott sie so zerknirscht und reumütig sah, verkündete er dem Seher, er werde sie nicht verderben, sie aber den Aegyptiern unterjochen, damit sie erprobten, ob es leichter sei, einem Menschen zu dienen, oder Gott. 258 Susak nahm also auch Jerusalem ohne Schwertstreich ein, weil Roboam ihm aus Furcht die Thore öffnete. Doch blieb er dem Vertrage nicht treu, sondern plünderte den Tempel, raubte die Schatzkammer Gottes wie des Königs aus, schleppte eine unermessliche Menge Gold und Silber mit sich und liess so gut wie nichts zurück. 259 Auch die goldenen grossen und kleinen Schilde, die Solomon hatte anfertigen lassen, nahm er mit, im gleichen die goldenen Köcher, die David dem Könige von Sophene genommen und Gott geweiht hatte. Darauf kehrte er nach Hause zurück. 260 Diesen Kriegszug erwähnt auch Herodot aus Halikarnassos, der sich nur im Namen irrt und erzählt, der König habe ausser vielen anderen Völkern auch das palaestinische Syrien unterjocht und zwar ohne Schwertstreich. 261 Er meint damit offenbar die Unterwerfung unseres Volkes durch den Aegyptier. Auch berichtet er, der König habe in dem Lande der also Unterjochten Säulen mit Darstellungen weiblicher Schamteile[9] zurückgelassen, und es sei unser König Roboam gewesen, der ihm ohne Kampf die Stadt übergeben habe. 262 Ferner sagt er, die Aethiopen hätten von den Aegyptiern die Beschneidung[10] gelernt; „denn auch [514] die Phoeniker,“ fügt er hinzu, „und die in Palaestina wohnenden Syrer haben dieselbe nach ihrer Angabe von den Aegyptiern überkommen.“ Bekannt ist aber, dass in Palaestina keine Syrer sich der Beschneidung bedienen, als wir. Doch mag jeder hierüber denken, wie er will.

(4.) 263 Nach Susaks Abzug verabfolgte Roboam der königlichen Leibwache statt der goldenen Schilde eine gleiche Anzahl eherner, die er hatte anfertigen lassen. Da es ihm nun nicht beschieden war, in Kriegszügen und glänzenden Thaten sich auszuzeichnen, so regierte er zwar in aller Ruhe, doch unter beständiger Furcht vor Jeroboam, mit dem er in Feindschaft lebte. 264 Er starb im Alter von siebenundfünfzig Jahren, von denen siebzehn auf seine Regierung kamen. Stolz und unvernünftig wie er war, hatte er nur deshalb einen so grossen Teil seines Reiches eingebüsst, weil er den Rat der Freunde seines Vaters nicht befolgte. Bestattet wurde er zu Jerusalem im königlichen Grabmal. Ihm folgte sein Sohn Abias im achtzehnten Jahre der Herrschaft Jeroboams über die zehn Stämme. 265 Es erübrigt jetzt noch, dass ich auch von Jeroboams Ende berichte. Dieser fuhr fort, Gott zu beleidigen, errichtete auf hohen Bergen einen neuen Altar nach dem anderen und ernannte neue Priester aus dem Volke.

Elftes Kapitel.
Tod des Sohnes Jeroboams. Abias besiegt den Jeroboam und stirbt bald darauf. Sein Nachfolger Asanus. Tod Jeroboams und seines Sohnes Nadab.

(1.) 266 Kurz nachher aber liess Gott für seine Frevelthaten die verdiente Strafe über sein Haupt und sein ganzes Geschlecht kommen. In dieser Zeit nämlich erkrankte Jeroboams Sohn Obimes, und er befahl deswegen seiner Gattin, sie solle ihre königliche Kleidung ablegen und in gewöhnlichem Gewande sich zum Seher Achias [515] begeben, 267 der eine wunderbare Sicherheit darin besitze, die Zukunft vorherzusagen, da er ihm seine Erwählung zum König prophezeit habe. Sobald sie zu ihm käme, sollte sie sich fremd stellen und ihn fragen, ob ihr Sohn wieder genesen würde. Die Königin ging darauf, wie ihr Gatte ihr befohlen hatte, in Verkleidung nach Silo, wo Achias wohnte. 268 Als sie nun im Begriffe war, sein Haus zu betreten, erschien dem Seher, der vor Alter erblindet war, Gott und offenbarte ihm, dass Jeroboams Gattin ihn besuchen komme, und was er auf ihre Frage antworten solle. 269 Die Königin gab sich nun für eine fremde Frau der niederen Stände aus. Der Seher aber rief ihr zu: „Tritt ein, Jeroboams Weib, weshalb verstellst du dich? Gott, vor dem nichts verborgen bleibt, hat mir in einer Erscheinung deine Ankunft verkündigt und mir vorgeschrieben, was ich dir sagen soll.“ Als sie darauf sich zur Rückkehr anschickte, hiess er sie ihrem Gatten folgendes mitteilen: 270 „Ich habe dich aus kleinen und niedrigen Verhältnissen zu hoher Stellung erhoben, von Davids Haus die Herrschaft genommen und sie dir gegeben. Du aber hast dessen nicht gedacht, meinen Dienst vernachlässigt und dir Götter aus Gold gemacht, um sie zu verehren. Darum will ich dich vernichten samt deinem ganzen Geschlecht, und es den Hunden und Vögeln zur Speise überantworten. 271 Einen König will ich mir über die Israëliten erwählen, der niemand aus Jeroboams Geschlecht am Leben lassen wird. An dieser Strafe soll auch das Volk Anteil haben, denn ich werde es aus dem gelobten Lande vertreiben und in die Gegend jenseits des Euphrat verbannen, weil es sich zum Genossen der Frevel seines Herrschers gemacht und die von ihm verfertigten Götter angebetet hat, ohne meines Dienstes zu gedenken. 272 Du aber, Weib, geh eilig zu deinem Gatten, um ihm dies zu melden. Du wirst deinen Sohn als Leiche vorfinden, denn sowie du den Fuss in die Stadt setzest, wird er sterben. Das ganze Volk wird wehklagend seinem Sarge folgen, denn an ihm allein aus Jeroboams Geschlecht ist Gutes erfunden worden.“ [516] 273 Über diese Prophezeiung entsetzte sich die Königin, und untröstlich über den bevorstehenden Tod ihres Sohnes stürzte sie hinweg und legte den Weg unter Jammern und Wehklagen zurück. Von unsäglichem Leid gequält, beschleunigte sie ihre Schritte, obgleich sie ihren Sohn so nur noch eher als Leiche sehen sollte; doch glaubte sie ihrem Gatten die Eile schuldig zu sein. Bei ihrer Ankunft fand sie ihren Sohn tot vor, wie der Seher ihr vorausgesagt hatte, und erzählte dem Könige alles.

(2.) 274 Jeroboam aber kümmerte sich nicht darum, sondern hielt eine grosse Aushebung ab, um ein Heer zusammenzubringen zum Kriege gegen Abias, den Sohn Roboams, der seinem Vater in der Regierung gefolgt war, und den er seiner Jugend wegen als Gegner nicht sonderlich anschlug. Abias aber geriet über die Nachricht von dem Anmarsch Jeroboams keineswegs in Schrecken, sondern zog mit einem für sein Alter ungewöhnlichen und dem Feinde unerwarteten Mut ein Heer aus den beiden Stämmen zusammen und rückte dem Jeroboam bis zu einem Orte, der Semaron heisst, entgegen. Hier schlug er in dessen Nähe ein Lager auf und rüstete sich zum Kampfe. 275 Er hatte vierhunderttausend Streiter, Jeroboams Heer dagegen war doppelt so gross. Als nun die Heere bereits in Schlachtordnung standen, bestieg Abias eine Anhöhe und gab mit der Hand ein Zeichen, Jeroboam und das Volk möchten ihn anhören. 276 Und da Stille eingetreten war, fing er also an zu reden: „Es ist euch wohl bekannt, dass Gott den David und seinen Nachkommen die Herrschaft für alle Zeiten verliehen hat. Deshalb wundere ich mich, dass ihr meinen Vater verlassen, euch seinem Knechte Jeroboam anschliessen konntet und jetzt mit ihm in den Krieg gezogen seid, um den anzugreifen, den Gott zum Herrscher erwählt hat, und ihm seinen Besitz zu entreissen. Den grössten Teil des Reiches hat ja Jeroboam inne, doch wird er sich dessen nicht lange mehr erfreuen. 277 Vielmehr wird Gott ihn für seine vielen Frevelthaten wie auch dafür bestrafen, dass er euch zu denselben verführt hat. Mein [517] Vater hat euch kein Unrecht gethan, und bloss deshalb habt ihr euch von ihm losgesagt‚ weil er schlechtem Rate folgend euch in der Versammlung nichts Angenehmes sagte. Ihn habt ihr wegen seines angeblichen Zornes verlassen, in Wahrheit aber seid ihr von Gott und seinen Geboten abgewichen. 278 Es wäre daher billig, wenn ihr der harten Worte des noch jungen und unerfahrenen Roboam nicht mehr gedenken, vielmehr an Solomon und seine Wohlthaten euch erinnern wolltet. Denn der Väter Verdienst tilgt die Fehler ihrer Nachkommen. 279 Daran habt ihr aber nicht gedacht, noch denkt ihr jetzt daran, sondern rückt in gewaltiger Masse gegen uns aus. 280 Wovon erwartet ihr denn eigentlich den Sieg? Vielleicht von euren goldenen Kälbern und den hochragenden Altären, die nicht Zeichen eurer Frömmigkeit, sondern eurer Gottlosigkeit sind? Oder macht euch eure überlegene Zahl Hoffnung auf den Sieg? Doch nichts vermag bei einem Heere die Zahl, wenn der Krieg in Bosheit und Frevelmut angefangen wird. Denn auf Gerechtigkeit und Frömmigkeit allein beruht die sichere Siegeshoffnung. Diese aber ist auf unserer Seite, die wir von Anfang an die Gesetze beobachtet und Gott verehrt haben, ihn, der nicht von Menschenhänden aus vergänglichem Stoffe gemacht ist und der sich nicht von einem frevelhaften Könige täuschen lässt, sondern der durch sich selbst ist und den Anfang und das Ende aller Dinge bildet. 281 Daher ermahne ich euch, Vernunft anzunehmen und vom Kriege abzustehen. Denkt an die Satzungen eurer Väter und erinnert euch daran, was euch zur Grösse eures Glückes erhoben hat.“

(3.) 282 So sprach Abias zum Volke. Während er aber noch redete, sandte Jeroboam heimlich aus seinem Lager eine Abteilung Krieger, die auf Schleichwegen den Abias umzingeln sollten. Als dieser nun plötzlich von Feinden umgeben war, entsank seinen Kriegern aller Mut. Abias aber ermunterte sie und riet ihnen, auf Gott zu vertrauen, den die Feinde nicht einschliessen könnten. 283 Da beteten alle einstimmig zu Gott um Hilfe, [518] und während die Priester in die Posaune stiessen, stürzten sie mit lautem Geschrei auf die Feinde los. Diesen nahm Gott den Mut und liess sie dem Heere des Abias unterliegen. 284 Und es entstand unter ihnen ein solches Blutbad, wie es nie in einem Kriege, weder bei den Griechen noch bei den Barbaren, vorgekommen ist, sodass Abias’ Krieger einen herrlichen und wunderbaren Sieg erfochten. Sie töteten fünfhunderttausend Feinde; dann erstürmten und plünderten sie die festesten Städte derselben und eroberten Bethel und Isana nebst deren Gebiet. 285 Nach dieser Niederlage konnte Jeroboam sich nicht mehr aufraffen, so lange Abias am Leben blieb. Doch starb dieser bald nach dem Siege und wurde zu Jerusalem im Grabe seiner Vorfahren beigesetzt. Er hinterliess zweiundzwanzig Söhne und sechzehn Töchter die er von vierzehn Gattinnen erhalten hatte. 286 In der Regierung folgten ihm sein Sohn Asanus und dessen Mutter Machaja, da ersterer noch jung war. Während der Regierung des Asanus erfreute sich dann das Land der Israëliten eines zehnjährigen Friedens.

(4.) 287 So viel mag über Abias, den Sohn Roboams und Enkel Solomons, genügen. Jeroboam, der König der zehn Stämme, starb nach einer Regierung von zweiundzwanzig Jahren, und es folgte ihm sein Sohn Nadab, als Asanus bereits zwei Jahre König war. Jeroboams Sohn regierte zwei Jahre und war seinem Vater an Ruchlosigkeit und Gottlosigkeit vollkommen ebenbürtig. 288 In den beiden Jahren seiner Regierung führte er Krieg gegen die Stadt Gabatho im Gebiete der Palaestiner und belagerte dieselbe. Hierbei kam er infolge der Nachstellungen eines seiner Freunde mit Namen Basanes, Sohnes des Machelus, um. Dieser riss nach Nadabs Tod die Herrschaft an sich und vertilgte Jeroboams ganzes Geschlecht. 289 Dabei ging Gottes Weissagung in Erfüllung; denn einige von Jeroboams Verwandten, die in der Stadt gefallen waren, wurden von Hunden zerrissen und verschlungen, andere, die auf dem Lande erschlagen wurden, fielen den Vögeln zum Opfer. So [519] erlitt Jeroboams Haus die wohlverdiente Strafe für seine Gottlosigkeit und seine Frevelthaten.

Zwölftes Kapitel.
Der Aethiopenkönig Zaraeus wird von Asanus besiegt. Asanus ruft gegen Basanes den König von Damaskus zu Hilfe. Ausrottung des Geschlechtes des Basanes. Zamares. Achab.

(1.) 290 Asanus, der König zu Jerusalem, war ein Mann von vortrefflichen Eigenschaften. Vor allem war er gottesfürchtig, und bei all seinem Thun und Denken hatte er nur Gott und die Beobachtung des Gesetzes im Auge. Seinem Reiche war er ein wohlwollender Herrscher, und er scheute sich auch nicht, wo es nötig war, das Schlechte auszurotten und alles Unreine zu beseitigen. 291 Sein Heer bestand aus dreihunderttausend Kriegern vom Stamme Judas, die Schild und Lanze führten, und zweihundertfünfzigtausend Schildträgern und Bogenschützen vom Stamme Benjamin. 292 Als seine Regierung zehn Jahre gewährt hatte, zog Zaraeus, der König von Aethiopien, mit grosser Heeresmacht gegen ihn zu Felde. Dieser führte neunhunderttausend Mann Fussvolk, hunderttausend Reiter und dreihundert Wagen mit sich. Als er bis zur Stadt Maresa im Stamme Judas vorgerückt war, warf sich Asanus ihm entgegen, 293 stellte in einem Thale, welches Saphtha heisst, nicht weit von der Stadt sein Heer in Schlachtordnung auf und bat, als er die grosse Menge der Aethiopen erblickte, mit erhobener Stimme zu Gott, er möge die vielen tausend Feinde in seine Hand geben. „Auf nichts anderes,“ sagte er, „setze ich mein Vertrauen, als auf dich, o Herr, durch den wenige über viele und Schwache über Starke die Oberhand gewinnen können. Mit deiner Hilfe hoffe ich über Zaraeus zu siegen.“

(2.) 294 Als Asanus so flehte, gab ihm Gott ein Zeichen des Sieges, worauf er wacker die Aethiopen angriff, eine [520] Menge von ihnen tötete, die übrigen in die Flucht schlug und sie bis in die Gegend von Gerara verfolgte. Endlich waren die Hebräer des Mordens müde und wandten sich nunmehr zur Plünderung der Stadt Gerara und des feindlichen Lagers. Dabei fiel eine Menge Gold, Silber, Kamele, Zug- und Weidevieh in ihre Hände. 295 Nach diesem glänzenden, mit Gottes Hilfe errungenen Siege zog Asanus an der Spitze seines Heeres wieder nach Jerusalem zurück. Nicht weit von der Stadt begegnete ihnen ein Seher, Azarias mit Namen. Dieser bat sie, ein wenig zu verziehen, und sprach also zu ihnen: „Diesen Sieg hat euch Gott gegeben, weil ihr euch stets gerecht und fromm bewiesen habt und in allen Dingen seinem Willen gehorsam gewesen seid. 296 Fahrt ihr so fort, so wird Gott immer die Feinde in eure Hand geben und euch ein glückliches Leben verleihen. Fallt ihr aber von wahrer Gottesverehrung ab, so wird das gerade Gegenteil euch treffen, und es wird die Zeit kommen, da kein wahrer Prophet und kein gerechter Priester mehr im Volke zu finden sein wird. 297 Auch eure Städte werden dann verwüstet werden, und eure Volksgenossen als Fremdlinge auf dem ganzen Erdkreise umherirren. Befleissigt euch also, da es noch Zeit ist, der Gottesfurcht und bringt euch nicht selbst um das Wohlwollen Gottes.“ Über diese Worte freute sich der König wie das Volk, und alle versicherten ihre Bereitwilligkeit, an Recht und Gerechtigkeit festzuhalten. Auch stellte der König im ganzen Lande besondere Männer an, die auf sorgfältige Beobachtung des Gesetzes sehen sollten.

(3.) 298 So stand es mit Asanus, dem Könige der beiden Stämme. Nunmehr wende ich mich wieder zu Basanes, dem Könige der übrigen Stämme, der Jeroboams Sohn Nadab getötet und die Herrschaft an sich gerissen hatte. 299 Er residierte in der Stadt Tharsa und regierte vierundzwanzig Jahre, war aber noch gottloser und verruchter als Jeroboam und dessen Sohn, bedrückte das Volk und schmähte Gott. Der Herr sandte ihm deshalb den Seher [521] Jehu und liess ihm verkündigen: „Dein ganzes Geschlecht will ich vertilgen und dieselben Plagen über dich verhängen, wie sie über Jeroboams Haus gekommen sind. 300 Denn obwohl du durch meine Gnade König geworden bist, hast du derselben nicht durch eine fromme und gerechte Regierung entsprochen, was sowohl mir angenehm, als auch dir erspriesslich gewesen wäre. Vielmehr hast du Jeroboams Bosheit nachgeahmt‚ dessen Geist in dir fortlebt. Da du ihm also gleich geworden bist, soll auch gleiche Strafe dich treffen.“ 301 Obwohl nun Basanes erfahren hatte, welches Leid ihn und sein Geschlecht für seine Schandthaten treffen würde, liess er doch von seinem Lebenswandel nicht ab, wodurch er vielleicht noch Verzeihung von Gott erlangt haben würde. 302 Hartnäckig vielmehr, wie der Fleissige dem Preise, strebte Basanes trotz der Verkündigung des Sehers dem Untergange seines Geschlechtes entgegen, als sei das etwas Gutes, und häufte, als kämpfe er um die Wette in der Ruchlosigkeit, täglich neue Frevel zu den anderen. 303 Zuletzt griff er auch noch mit einem Heere die nicht unansehnliche Stadt Armathon, vierzig Stadien von Jerusalem entfernt, an, nahm sie ein und befestigte sie in der Absicht, dort eine Besatzung hinzulegen, die durch feindliche Einfälle das Reich des Asanus beunruhigen sollte.

(4.) 304 Über dieses Unternehmen seines Feindes geriet Asanus in Furcht, und da er bedachte, wieviel Schaden die Besatzung Armathons seinem Lande zufügen könnte, schickte er Gesandte mit Geschenken in Gold und Silber an den König von Damaskus, um dessen Bundesgenossenschaft zu erbitten und ihn daran zu erinnern, welche Freundschaft schon zwischen ihren Vätern bestanden habe. 305 Dieser nahm die Geschenke an und schloss gern das begehrte Bündnis ab; dem Basanes aber kündigte er die Freundschaft und schickte Truppen in dessen Gebiet, um es zu beunruhigen. So wurden die Städte Ahion, Dana, Abellane und viele andere teils eingeäschert, teils geplündert. 306 Als der König das vernahm, [522] gab er die Befestigung von Armathon auf und zog in Eile zurück, um seinen bedrängten Unterthanen Hilfe zu bringen. Von dem Material, das er zur Befestigung Armathons bestimmt hatte, erbaute Asanus in derselben Gegend zwei feste Plätze, Gaba und Maspha. 307 Basanes aber war es nicht mehr vergönnt, gegen Asanus zu Felde zu ziehen; denn es ereilte ihn der Tod, und er ward in Tharsa begraben. In der Regierung folgte ihm alsdann seine Sohn Elanus, der schon zwei Jahre nachher von Zamares, dem Befehlshaber seiner halben Reiterei, umgebracht wurde. 308 Denn als Elanus einst bei seinem Verwalter Orsa speiste, und keiner von seinen Feldherren oder von der Leibwache ihm zu Hilfe kommen konnte, da sie sämtlich bei der Belagerung von Gabatha, einer Stadt der Palaestiner, beschäftigt waren, beredete Zamares einige von seinen Reitern, ihn zu überfallen.

(5.) 309 Nach der Ermordung des Elanus riss Zamares die Herrschaft an sich und liess nach Jehus Prophezeiung das Geschlecht des Basanes vollständig ausrotten, das auf dieselbe Weise umkam, wie ich von Jeroboams Geschlecht berichtet habe. 310 Als das Heer, welches vor Gabatha lag, hörte, was dem Könige zugestossen sei, und dass Zamares, sein Mörder, sich der Herrschaft bemächtigt habe, rief es seinen Führer Amarinus[11] zum Könige aus. Dieser brach sogleich von Gabatha auf, zog zur königlichen Residenz Tharsa und eroberte die Stadt im Sturm. 311 Zamares zog sich darauf in das Innere seines Palastes zurück, legte Feuer an denselben und verbrannte mit ihm, nachdem er nur sieben Tage regiert hatte. Das Volk der Israëliten aber teilte sich, und es wählte der eine Teil den Thamnaeus, der andere den Amarinus zum Könige. Der letztere behielt die Oberhand und wurde, nachdem Thamnaeus umgekommen war, König über das gesamte Volk. 312 Er trat seine Regierung im dreissigsten Jahre der Herrschaft des Asanus an und behielt sie [523] zwölf Jahre lang, von denen er sechs Jahre in Tharsa und sechs in Semareon, welches die Griechen Samaria nennen, residierte. Er selbst nannte die Stadt Semareon nach einem gewissen Semar, der ihm den Berg verkauft hatte, auf welchem sie erbaut war. 313 Zwischen ihm und den früheren Königen bestand nur der eine Unterschied, dass er noch ruchloser war als jene. Alle hatten sie übrigens das Bestreben, das Volk durch fortwährende Verübung von Frevelthaten Gott zu entfremden. Deshalb liess auch der Herr einen von ihnen durch den anderen umbringen und ihre Geschlechter zu Grunde gehen. Amarinus starb in Samaria, und es folgte ihm sein Sohn Achab.

(6.) 314 Aus dem Gesagten kann man so recht erkennen, wie sehr Gott sich um die menschlichen Angelegenheiten kümmert und wie er die Guten liebt, die Bösen aber hasst und vernichtet. Die Könige der Israëliten nämlich gingen wegen ihrer Frevelthaten samt ihrem Geschlechte zum grössten Teil einer durch den anderen zu Grunde. Asanus aber, der König von Jerusalem und den zwei Stämmen, erreichte wegen seiner Frömmigkeit und Gerechtigkeit ein hohes Alter und starb nach einundvierzigjähriger Regierung eines seligen Todes. 315 Nach seinem Ableben übernahm die Herrschaft sein Sohn Josaphat, den ihm die Abida geboren hatte. Diesen hielten alle wegen seiner Tugend und Frömmigkeit für den würdigen Nachfolger seines Vorfahren David. Doch hiervon später.

Dreizehntes Kapitel.
Achabs und Jezabels Gottlosigkeit. Der Prophet Elias. Nabuths Schicksal.

(1.) 316 Achab residierte in Samaria und herrschte zweiundzwanzig Jahre lang. Auch er unterschied sich in nichts von seinen Vorgängern als darin, dass er allen möglichen Schändlichkeiten ergeben war. Alle ihre [524] Verbrechen und Frevelthaten ahmte er nach, besonders aber Jeroboams Ruchlosigkeit: 317 denn er betete nicht nur dessen goldene Kälber an, sondern ersann auch noch andere Greuel. Zur Ehe nahm er die Tochter des Königs Ithobal von Tyrus und Sidon, die Jezabel hiess, und von der er die Verehrung ihrer heimischen Götter lernte. 318 Sie war ein verwegenes und unruhiges Weib und ging in ihrer Frechheit und in ihrem Hochmut so weit, dass sie sogar dem Götzen, den die Tyrier Bel nennen, einen Tempel erbaute. Diesen umgab sie mit einem Hain von allerlei Bäumen und setzte ihrem Gott Priester und falsche Propheten ein. Auch der König hatte solches Gelichter um sich und übertraf überhaupt alle seine Vorgänger an Gottlosigkeit und Frevelmut.

(2.) 319 Da kam ein Seher des allmächtigen Gottes aus Thesbona, einer Stadt im Galaditerlande, zu Achab und verkündete ihm, Gott werde in den folgenden Jahren weder Regen noch Tau zur Erde senden, bis er selbst sich wieder einfinden werde. Das bekräftigte er mit einem Eide und zog sich dann nach dem Norden des Landes zurück, wo er an einem Bache wohnte, der ihn mit Trinkwasser versorgte, während seine Speise ihm von Raben gebracht wurde. 320 Als kurz darauf aber auch dieser Bach austrocknete, begab er sich auf Gottes Geheiss zur Stadt Sarephtha, die unweit Tyrus und Sidon in der Mitte zwischen beiden Städten lag. Dort sollte er eine Witwe finden, die ihn mit Nahrung versehen würde. 321 Als er nun dem Stadtthor sich näherte, erblickte er eine Frau, die mit Holzsammeln beschäftigt war. Und da Gott ihm offenbarte, das sei die Frau, die ihm Speise geben würde, ging er auf sie zu und bat sie unter freundlichem Gruss, ihm etwas Wasser zum trinken zu geben. Sie ging sogleich weg, um es zu holen, worauf er sie zurückrief und sie auch ein Brot mitbringen hiess. 322 Als sie aber hoch und teuer schwur, sie habe nichts im Hause, als etwas Mehl und Öl, und habe sich ein wenig Holz zusammengesucht, um sich und ihrem Sohne einen Kuchen zu backen und dann Hungers [525] zu sterben, da sie sonst nichts mehr besitze, sprach er zu ihr: „Geh nach Hause und sei gutes Muts. Bereite mir ein wenig Speise und bringe sie her. Denn ich sage dir, dein Mehlgefäss und dein Ölkrug werden nicht leer werden, bis Gott wieder Regen schickt.“ 323 Als der Prophet so gesprochen, begab sie sich nach Hause und that, wie er befohlen hatte. Und von da an hatte sie so viel, dass sie nicht nur sich und ihren Sohn, sondern auch noch den Propheten ernähren konnte, und keiner von ihnen litt Mangel, bis die Dürre nachliess. 324 Dieser Trockenheit gedenkt auch Menander, der in der Geschichte des tyrischen Königs Ithobal also sagt: „Unter seiner Regierung herrschte eine grosse Dürre, die vom Monat Hyperberetaios des einen Jahres bis zum selben Monat des nächsten Jahres dauerte. Als er dann zu den Göttern beten liess, entstanden heftige Gewitter. Er gründete die Städte Botrys in Phoenicien und Auza in Libyen.“ Damit meint Menander die Dürre unter Achab, da um diese Zeit Ithobal über die Tyrier herrschte.

(3.) 325 Als nun der Sohn der eben genannten Frau, die den Propheten mit Speise versorgte, in eine Krankheit fiel und infolge davon den Geist aufgab, wehklagte sie, schlug sich mit den Fäusten und stiess schmerzliche Jammerlaute aus, indem sie die Schuld an dem Unglücke der Ankunft des Sehers zuschrieb, der sie wegen ihrer Sünden angeklagt habe, sodass ihr Sohn habe sterben müssen. 326 Er aber hiess sie getrost sein und ihm den Sohn übergeben, den er ihr lebend wiedergeben werde. Darauf trug er ihn in das Gemach, das ihm zur Wohnung diente, legte ihn auf sein Lager und rief zu Gott, das sei doch eine unverdiente Vergeltung dafür, dass die Frau ihn aufgenommen und verpflegt habe. Alsdann bat er, Gott möge dem Knaben das Leben wiedergeben. 327 Da erbarmte sich der Herr des traurigen Loses der Mutter, und um zu beweisen, dass er den Seher nicht zu ihrem Unheil gesandt habe, erwies er sich dem letzteren gefällig und erweckte den Knaben wider alles [526] Erwarten zum Leben. Die glückliche Mutter bedankte sich bei dem Propheten und rief aus, nun habe sie klar erkannt, dass Gott durch ihn rede.

(4.) 328 Kurz danach begab sich der Prophet auf Gottes Geheiss wieder zum Könige Achab, um ihm den bevorstehenden Regen zu verkünden. Die Hungersnot hatte unterdessen im ganzen Lande gewütet, und nicht nur die Menschen litten Mangel, sondern auch die Pferde und anderes Vieh, da die Weiden infolge der Dürre keine Nahrung darboten. 329 Da rief der König seinen Verwalter Obedias zu sich und befahl ihm, an den Quellen und Bächen nach Gras zu suchen. Finde er welches, so solle er es abmähen lassen und dem Vieh verfüttern. Ferner sandte er im ganzen Lande Boten umher, die den Propheten Elias suchen sollten, und da sie ihn nicht fanden, befahl er dem Obedias, ihn zu begleiten. 330 Und so zogen sie aus, Obedias auf dem einen, der König auf dem anderen Wege. Obedias aber hatte einst, als die Königin Jezabel die Seher umbringen liess, deren hundert in unterirdischen Höhlen verborgen und sie mit Brot und Wasser versorgt. 331 Als er sich nun vom Könige getrennt hatte, begegnete ihm der Seher Elias, und nachdem er von ihm erfahren, wer er sei, fiel er vor ihm nieder. Der Prophet aber hiess ihn zum Könige gehen und dort melden, Elias werde bald erscheinen. 332 Darauf entgegnete Obedias: „Was habe ich denn gegen dich verbrochen, dass du mich zu dem schickst, der das ganze Land durchsuchen liess, um dich zu töten? Weisst du denn nicht, dass es keinen Ort giebt, wohin er nicht Boten gesandt hat, um dich zu ergreifen und ihm zuzuführen? 333 Nun fürchte ich, dass du dich unter Gottes Hilfe von hier entfernen willst. Da ich vom Könige geschickt bin, dich zu suchen, so muss ich, wenn ich dich nicht ausfindig machen kann, den Tod erleiden. 334 Ich bitte dich also, mich zu retten und daran zu denken, dass ich die hundert Seher vor dem Untergang bewahrt habe und sie noch jetzt heimlich mit Speise versorge.“ Der Prophet aber ermahnte ihn, [527] ohne alle Furcht zum Könige zu gehen, und versprach ihm eidlich, dass er noch an diesem Tage sicher vor Achab erscheinen werde.

(5.) 335 Als Obedias dem Achab den Aufenthaltsort des Elias angezeigt hatte, zog Achab ihm entgegen und fragte ihn zornig, ob er es sei, der dem hebraeischen Volke die Hungersnot beschert habe. Dieser aber entgegnete ohne alle Beschönigung: „Du selbst mitsamt deinem Geschlechte hast all das Unheil verschuldet, weil du fremde Götter ins Land gebracht und sie verehrt, deinen eigenen Gott aber, der der wahre Gott ist, verlassen und verachtet hast. 336 Jetzt gehe hin und versammle das ganze Volk auf dem Berge Karmel, auch deine und deines Weibes Seher, wie viele es auch sein mögen, sowie die Priester deiner heiligen Haine, im ganzen gegen vierhundert. “ 337 Als nun auf des Königs Geheiss alle auf dem genannten Berge sich versammelt hatten, trat der Prophet Elias mitten unter sie und sprach: „Wie lange wollt ihr euch noch der wahren Einsicht verschliessen? Haltet ihr den Gott eurer Väter für den wahren und alleinigen Gott, so folget ihm und seinen Geboten; achtet ihr ihn aber für nichts und glaubt ihr, dass den fremden Göttern eure Verehrung gebühre, so gebt euch diesen hin.“ 338 Als das Volk hierauf nichts erwiderte, schlug Elias vor, er wolle, um die Macht der fremden Götter und ihres eigenen Gottes zu erproben, obgleich er nur allein dastehe, die anderen aber zu vierhundert seien, einen Ochsen nehmen, ihn schlachten und auf einen Holzstoss legen, ohne denselben anzuzünden. Die anderen sollten dann das nämliche thun und ihre Götter anrufen, dass sie das Holz entzünden möchten. Aus dem Erfolge werde man den wahren Gott erkennen. 339 Da dieser Vorschlag allgemeine Zustimmung fand, hiess Elias die anderen Seher zuerst den Ochsen opfern und ihre Götter anrufen. Als sie aber trotz Gebet, Anrufung und Opfer nichts erreichten, rief ihnen Elias spöttisch zu, sie müssten ihre Götter lauter rufen, da sie vielleicht verreist [528] seien oder schliefen. 340 Sie fuhren dann bis zum Mittag mit ihren Bemühungen fort und zerfleischten sich nach ihrer Sitte mit Schwertern und Spiessen. Da schickte Elias sich ebenfalls an, sein Opfer darzubringen, hiess die anderen zurücktreten und bat das Volk, näher heranzukommen und acht zu geben, dass er nicht heimlich Feuer an das Holz lege. 341 Hierauf nahm er zwölf Steine, der Zahl der Stämme entsprechend, erbaute aus ihnen einen Altar und grub rings um denselben einen tiefen Graben. Dann legte er die Holzstücke auf den Altar und liess vier Gefässe, die mit Quellwasser gefüllt waren, über denselben ausgiessen, sodass das Wasser ringsum herabfloss und den Graben füllte. 342 Nach diesen Vorbereitungen flehte er zu Gott und bat, er möge dem verblendeten Volke seine Macht zeigen. Und siehe, plötzlich fiel Feuer vom Himmel, senkte sich vor den Augen des Volkes auf den Altar und verzehrte das Opfer nebst dem Wasser, sodass der Platz trocken wurde.

(6.) 343 Bei diesem Anblick fielen die Israëliten zur Erde nieder und beteten den einen Gott an, den sie den einzigen, wahren und höchsten Gott nannten, während sie alle anderen als thörichte und leere Einbildungen der Menschen bezeichneten. Auf Elias’ Befehl ergriffen sie sodann die falschen Propheten und töteten sie. Den König aber ermahnte Elias, er solle sich nach Hause zum Mahl begeben und übrigens ohne Sorge sein, denn in kurzem werde er sehen, dass Gott der Erde Regen sende. 344 Achab entfernte sich darauf; Elias aber stieg auf den Gipfel des Karmel, setzte sich dort nieder, beugte sein Haupt bis zum Knie und befahl seinem Diener, sich auf eine hochragende Felsspitze zu begeben, aufs Meer hinauszuspähen und ihm Mitteilung zu machen, sobald er eine Wolke sich erheben sähe. Denn bis dahin war der Himmel noch rein und heiter. 345 Der Diener ging und kehrte mehrmals mit der Nachricht zurück, er habe noch nichts gesehen; beim siebentenmal aber meldete er, er habe etwas Schwarzes am [529] Himmel erblickt, aber nicht grösser als eines Menschen Fussspur. Daraufhin schickte Elias zu Achab und liess ihm sagen, er möge eilends zur Stadt fahren, bevor des Himmels Schleusen sich öffneten. 346 Der König begab sich alsdann nach Jesraëla. Gleich darauf verfinsterte sich der Himmel und überzog sich mit Wolken, und es erhob sich ein gewaltiger Sturm mit Platzregen. Der Prophet aber folgte unter dem Schutze Gottes dem Wagen des Königs bis nach Jesraëla.

(7.) 347 Als nun Achabs Gattin Jezabel erfuhr, welche Wunder Elias vollbracht und dass er ihre Seher habe töten lassen, erzürnte sie gewaltig und liess ihm drohen, sie werde ihn ebenso umbringen lassen, wie er ihre Seher umgebracht habe. 348 Aus Schrecken hierüber floh Elias in eine Stadt mit Namen Bersubee, die an der äussersten Grenze des Stammes Judas nahe bei Idumaea liegt. Hier liess er seinen Diener zurück und begab sich allein in die Wüste. Dann verlangte er nach seinem Tode, da er nicht besser als seine Väter sei und nach deren Heimgang keine Freude mehr am Leben habe. 349 Darauf legte er sich unter einen Baum und schlief ein. Doch weckte ihn bald etwas Unsichtbares auf, und als er sich erhob, fand er an seiner Seite Wasser und Brot stehen, womit er sich erquickte. Alsdann setzte er seinen Weg fort und kam zum Berge Sinai, wo Moyses von Gott die Gebote erhalten haben soll. 350 Dort fand er eine tiefe Höhle, die er betrat und zu seinem Aufenthaltsort wählte. Plötzlich fragte ihn eine Stimme, von der er nicht wusste, woher sie kam, warum er die Stadt verlassen und sich hierher begeben habe. Er antwortete: Weil er die Seher der fremden Götter getötet und das Volk davon überzeugt habe, dass es nur einen Gott gebe, den sie von Anfang an verehrt hätten, und weil des Königs Gattin ihm deshalb nach dem Leben trachte. 351 Darauf befahl ihm die Stimme, ins Freie zu treten, dann werde er erfahren, was er zu thun habe. Als er nun mit Tagesanbruch aus der Höhle herausging, fühlte er die Erde erbeben [530] und sah einen hellen Feuerglanz. 352 Darauf wurde es wieder ruhig, und er vernahm Gottes Stimme, der ihn ermahnte, nichts zu befürchten, denn keiner seiner Feinde werde etwas über ihn vermögen. Er solle jetzt in sein Heim zurückkehren und zum König über sein Volk Jehu, den Sohn des Nemessaeus, zum König der damascenischen Syrer aber den Azaël ausrufen. Statt seiner selbst aber solle er den Elissaeus aus Abela zum Propheten ernennen. Das gottlose Volk werde dann teils durch Jehu, teils durch Azaël umkommen. 353 Elias kehrte nun in das Land der Hebräer zurück, und da er Elissaeus, den Sohn des Saphatus, antraf, wie er in Gemeinschaft mit einigen anderen zwölf Joch Ochsen am Pfluge lenkte, trat er auf ihn zu und warf ihm sein eigenes Gewand über. 354 Sogleich fing Elissaeus an zu weissagen‚ verliess seine Ochsen und folgte dem Elias nach. Doch bat er noch um die Erlaubnis, von seinen Eltern Abschied nehmen zu dürfen; und als ihm dies gewährt wurde und er seinen Eltern Lebewohl gesagt hatte, ging er mit Elias und blieb während dessen Lebenszeit sein Schüler und Diener.

(8.) 355 Ein gewisser Nabuth, gebürtig aus Izara, hatte einen Acker, der an des Königs Besitzungen anstiess. Der letztere liess ihn nun ersuchen, ihm für einen beliebigen Preis dieses an seinen Besitz grenzende Ackerstück abzutreten, da er damit sein Gut abrunden wolle. Wenn er aber kein Geld haben wolle, könne er auch einen beliebigen anderen Acker des Königs sich dafür aussuchen. Nabuth jedoch weigerte sich, darauf einzugehen, und erklärte, er wolle sein ererbtes Land selbst bebauen. 356 Da nun der König sein Verlangen nicht erfüllt sah und dies für eine ihm angethane Schmach hielt, ärgerte er sich sehr und nahm weder Speise noch Trank zu sich. Jezabel fragte ihn, weshalb er so niedergeschlagen sei, dass er weder Bäder noch Mahlzeiten nehmen wolle. Der König erzählte ihr darauf, wie widerspenstig sich Nabuth benehme, und wie er trotz seines freundlichen Anerbietens, mit dem er [531] sich beinahe unter seine Würde erniedrigt habe, verhöhnt werde, da sein Wunsch nicht erfüllt worden sei. 357 Jezabel aber ermunterte ihn, er solle sich dies nicht anfechten lassen, vielmehr seine Verstimmung ablegen und sich wieder seinen täglichen Beschäftigungen zuwenden. Sie werde schon dafür sorgen, dass Nabuth seine Strafe erhalte. 358 Und sogleich schrieb sie in Achabs Namen an die Vorsteher der Israëliten, sie sollten einen Fasttag anberaumen, eine Volksversammlung berufen und dem Nabuth den Vorsitz darin einräumen‚ da er aus edlem Geschlechts sei. Dann sollten sie drei verworfene Menschen anstiften, gegen ihn Zeugnis abzulegen, er habe Gott und den König gelästert, und alsbald ihn steinigen und so aus dem Wege räumen. 359 Nabuth wurde auch wirklich, wie die Königin verlangt hatte, falsch angeklagt, Gott und den König gelästert zu haben, und das Volk tötete ihn mit Steinwürfen. Als Jezabel diese Nachricht erhielt, ging sie zum König und hiess ihn Nabuths Weinberg nunmehr umsonst in Besitz nehmen. 360 Hierüber war Achab sehr erfreut, sprang von seinem Lager auf und ging hin, um Nabuths Weinberg zu besichtigen. Gott aber sandte in seinem Zorn dorthin auch den Seher Elias, der den Achab fragen sollte, weshalb er den rechtmässigen Besitzer des Grundstückes habe töten lassen und sich selbst umgesetzmässigerweise dasselbe aneignen wolle. 361 Als Elias nun erschien, fragte ihn der König, was er ihm zu verkünden habe, da er wohl die Schmach empfand, bei der Sünde selbst von dem Seher betroffen worden zu sein. Elias erwiderte ihm: Auf derselben Stelle, wo Nabuths Leichnam von Hunden verschlungen worden sei, solle auch das Blut des Königs und seiner Gattin vergossen und sein ganzes Geschlecht umgebracht werden, weil er den ungeheuren Frevel begangen habe, dem Gesetze zum Hohn einen Bürger zu töten. 362 Da wurde Achab von Reueschmerz ergriffen, legte einen Sack an, ging mit blossen Füssen umher, fastete und bekannte seine Sünden. Und Gott liess sich versöhnen und verkündete [532] ihm durch den Seher, er wolle bei seinen Lebzeiten die Strafe nicht über sein Geschlecht kommen lassen, weil er seine Vergehen bereue, sondern erst unter dem Sohne Achabs seine Drohungen erfüllen.

Vierzehntes Kapitel.
Wie Adad, der König von Damaskus und Syrien, zweimal gegen Achab zu Felde zog und besiegt wurde.

(1.) 363 Als es mit Achab so stand, zog Adad, der König der Syrer und Damascener, alle Streitkräfte seines Landes zusammen, nahm sich zweiunddreissig kleine Fürsten aus dem Gebiete jenseits des Euphrat zu Bundesgenossen und marschierte gegen Achab. 364 Dieser, der ihm an Heeresmacht nicht gewachsen war, wagte keine offene Feldschlacht, sondern drängte alle Bewohner des Landes in die festesten Städte und blieb selbst in Samaria, das ausserordentlich stark befestigt war und uneinnehmbar erschien. Der König von Syrien aber schloss mit seinem ganzen Heere Samaria ein und belagerte die Stadt. 365 An Achab sandte er alsdann einen Herold und verlangte von ihm, er solle zunächst seine Gesandten empfangen, die ihm seinen Willen kundmachen würden. Als der König der Israëliten sich hierzu bereit erklärt hatte, erschienen die Gesandten und forderten, dass Achabs Schätze sowie seine Kinder und Frauen Eigentum Adads werden müssten. Sei er hiermit einverstanden und gestatte er dem Adad, alles zu nehmen, was ihm beliebe, so wolle dieser sein Heer zurückziehen und die Stadt von der Belagerung befreien. 366 Darauf liess Achab durch die Gesandten dem Adad mitteilen, er und alle die Seinigen seien Adads Eigentum. 367 Als die Gesandten dies ihrem Herrn berichtet hatten, schickte er nochmals zu Achab und liess fordern, er solle, falls es ihm mit der Übergabe Ernst sei, am folgenden Tage Adads Krieger in die Stadt einlassen, die den Königspalast und die Häuser seiner Freunde und Verwandten durchsuchen, alles Kostbare mitnehmen [533] und das, was ihnen nicht gefalle, dalassen würden. Über diese zweite Botschaft des Königs der Syrer entrüstet, berief Achab das Volk zusammen und sprach: 368 „Ich bin bereit, um eurer Rettung und um des Friedens willen meine Weiber und Kinder dem Feinde auszuliefern und auf meinen ganzen Besitz zu verzichten. Das liess ja der Syrer durch die erste Gesandtschaft fordern. 369 Jetzt aber will er auch noch seine Knechte schicken, alle Häuser durchsuchen und nichts Wertvolles in unseren Händen lassen. Damit will er offenbar sich eine Ursache zum Kriege schaffen, indem er überlegt, dass ich Wohl euretwegen gern mein Eigentum hingeben, es aber lieber zum Kriege kommen lassen werde, als dass euch etwas Schimpfliches widerfährt. Doch will ich thun, was euch gefällt.“ 370 Das Volk sprach sich darauf gegen jede Nachgiebigkeit aus und beschloss, sich zum Kriege zu rüsten. Achab entliess deshalb die Gesandten mit dem Bescheid, das erste Verlangen wolle er um der Sicherheit seines Volkes willen erfüllen, von einer Befriedigung der zweiten Forderung dagegen könne keine Rede sein.

(2.) 371 Auf diese Nachricht hin geriet Adad in Wut und sandte zum drittenmal Boten an Achab mit der Drohung, er werde einen Wall um die Stadt aufwerfen lassen, der noch höher sei als ihre Mauern, die er übrigens lächerlich klein finde, und es brauche dazu jeder seiner Krieger nur eine Handvoll Erde herbeizutragen. 372 Achab entgegnete, das Prahlen mit den Waffen bringe noch keinen Ruhm, sondern nur das siegreiche Bestehen des Kampfes. Mit dieser Antwort kehrten die Gesandten zurück und trafen den König, wie er gerade mit den zweiunddreissig Fürsten speiste. Adad befahl darauf sogleich, die Stadt mit Wällen und Schanzen zu umgeben und nichts auf die Belagerung Bezügliche ausser acht zu lassen. 373 Während dieser Zurüstungen geriet Achab und das gesamte Volk in grosse Angst. Bald jedoch fassten sie wieder Mut, da ein Seher auftrat, der verkündete, Gott wolle die gewaltige [534] Masse der Feinde in ihre Hand geben. 374 Und da der König fragte, durch wen er den Sieg erringen werde, entgegnete der Seher, durch die Söhne der Heerführer, doch müsse der König sie anführen, da sie noch unerfahren seien. Demzufolge liess er die Söhne der Führer, im ganzen zweihundertzweiunddreissig, rufen, und da er erfahren hatte, der Syrer schwelge eben in den Freuden der Tafel, liess er die Thore öffnen und sandte die Jünglinge hinaus. 375 Als dies dem Adad durch Kundschafter gemeldet worden war, schickte er den Jünglingen eine Abteilung Krieger entgegen mit dem Befehl, dieselben, wenn sie den Kampf versuchten, gefesselt zu ihm zu führen; kämen sie aber in friedlicher Absicht, so sollten auch seine Leute sich ruhig verhalten. Inzwischen hielt Achab das ganze Heer in der Stadt zum Ausfall bereit. Die Söhne der Führer nun wurden mit der Abteilung Krieger handgemein, töteten eine grosse Anzahl von ihnen und verfolgten die übrigen bis zum Lager. Als der König der Israëliten diesen Vorteil wahrnahm, liess er seine gesamten Truppen ausrücken, die die Syrer unversehens angriffen, schlugen und zerstreuten. 376 [WS 1]Denn da die Syrer keinen Ausfall erwartet hatten, traf sie der Angriff wehrlos und berauscht, sodass sie unter Zurücklassung ihrer Rüstungen aus dem Lager entflohen, und selbst der König nur dank der Schnelligkeit seines Pferdes entkam. 378 Achab verfolgte die Syrer noch lange und machte viele von ihnen nieder; dann plünderte er das Lager, welches einen grossen Reichtum an Gold, Silber, Wagen und Pferden aufwies, und kehrte nach der Stadt zurück. Der Seher aber ermahnte ihn, sein Heer gerüstet zu halten, da der König der Syrer im nächsten Jahre abermals gegen ihn zu Felde ziehen werde.

(3.) 379 Sobald Adad mit den Resten seines Heeres in Sicherheit war, pflog er mit seinen Freunden Rat, wie er die Israëliten wieder angreifen könne. Diese waren der Meinung, man solle nicht mehr im Gebirge mit ihnen kämpfen, weil ihr Gott dort besonders mächtig [535] sei. Aus diesem Grunde seien sie auch jetzt von ihnen besiegt worden, während sie bei einer Schlacht in der Ebene sicher die Oberhand behalten würden. 380 Weiterhin rieten sie ihm, die Fürsten, die er zu Bundesgenossen hatte, in ihre Heimat zu entlassen, deren Truppen aber bei sich zu behalten und seine Satrapen an die Stelle der Fürsten zu setzen. Auch solle er, um den Verlust zu decken, den er erlitten, Truppen, Wagen und Pferde in deren Land ausheben lassen. Dieser Rat gefiel dem Adad, und so traf er ungesäumt die nötigen Zurüstungen.

(4.) 381 Beim Beginn des Frühlings zog er dann mit seiner Streitmacht gegen die Israëliten und schlug bei der Stadt Apheka in einer weiten Ebene sein Lager auf. Achab marschierte ihm mit seinen Truppen entgegen und lagerte sich ihm gegenüber; doch war sein Heer, im Vergleich zu dem des Feindes nur klein. 382 Und wiederum erschien der Seher bei Achab und verkündete ihm, Gott werde ihm den Sieg verleihen, da er den Syrern beweisen wolle, dass seine Macht in der Ebene nicht geringer als im Gebirge sei. Sieben Tage lang blieben die beiderseitigen Heere nun ruhig einander gegenüber liegen. Als aber am letzten dieser Tage der Feind beim Morgengrauen sein Heer in Schlachtordnung aufstellte, rüstete sich auch Achab zum Kampfe, 383 und es gelang ihm, in heisser Schlacht den Feind zu werfen und bei der Verfolgung noch viele von dessen Leuten zu töten. Auch kam ein grosser Teil von ihnen dadurch um, dass sie teils unter die Räder der Wagen gerieten, teils von ihren eigenen Kampfgenossen umgebracht wurden, und nur wenigen war es möglich, sich nach Apheka zu retten, das in ihrem Besitz war. 384 Doch kamen auch diese, siebenundzwanzigtausend an der Zahl, noch um, indem sie von den einstürzenden Festungsmauern erschlagen wurden. Im Treffen selbst waren hunderttausend Mann gefallen. Adad floh mit einigen seiner vertrautesten Freunde und verbarg sich in einem unterirdischen Gelasse. 385 Seine Gefährten teilten [536] ihm nun mit, die Könige der Israëliten seien freundlich und milde, sodass sie hofften, von Achab ihre Begnadigung zu erlangen, wenn sie ihn feierlich darum bäten. Der König gab seine Einwilligung, worauf sie Säcke anlegten, dünne Stricke um ihr Haupt wanden (das ist ein alter Gebrauch bei den Syrern, wenn sie Bitten vorbringen wollen) und sich zu Achab begaben. Hier baten sie um Schonung des Lebens ihres Königs, wofür sie Achab ewig dankbar zu sein versprachen. 386 Dieser wünschte ihnen Glück dazu, dass dem Adad in der Schlacht nichts widerfahren sei, und versprach ihm alle Ehre und Freundlichkeit angedeihen lassen zu wollen, gerade wie wenn er sein Bruder sei. Als sie darauf noch die eidliche Zusage erhalten hatten, es werde ihrem Könige kein Haar gekrümmt werden, holten sie denselben aus seinem Versteck hervor und geleiteten ihn auf einem Wagen zu Achab. Adad warf sich ihm zu Füssen; 387 Achab aber reichte ihm die Hand, liess ihn seinen Wagen wieder besteigen, küsste ihn und hiess ihn wohlgemut und ohne Furcht sein. Adad dankte ihm und versprach, zeitlebens seiner Güte eingedenk bleiben zu wollen. Die israëlitischen Städte, die seine Vorgänger erobert hätten, wolle er zurückgeben, und Damaskus werde Achab stets ebenso offenstehen, wie Samaria seinen Vätern. 388 Darauf besiegelten sie ihre Freundschaft mit einem Eidschwur, und Achab entliess den Adad mit reichen Geschenken. Das war der Ausgang des Krieges, den Adad, der König der Syrer, gegen Achab und die Israëliten führte.

(5.) 389 Es kam aber ein Seher mit Namen Michaeas zu einem Israëliten und befahl ihm, er solle ihm das Haupt zerfleischen, weil das Gottes Wille sei. Als dieser aber sich dessen weigerte, verkündete ihm der Seher, er werde von einem Löwen zerrissen werden, weil er Gott nicht gehorcht habe. Das traf auch wirklich ein, und der Seher begab sich sodann zu einem anderen mit demselben Begehren. 390 Als dieser ihn nun verwundet hatte, verband sich Michaeas den Kopf, ging zum Könige und [537] sagte ihm, er habe unter ihm gestritten und von einem Obersten einen Gefangenen zur Bewachung erhalten. Da dieser ihm aber entsprungen sei, fürchte er, von dem Obersten mit dem Tode bestraft zu werden, was ihm für den Fall, dass der Gefangene entweiche, angedroht worden sei. 391 Achab entgegnete, damit geschehe ihm nur recht; der Seher aber nahm die Binde vom Kopf und gab sich zu erkennen. Er hatte diese List angewendet, um den König mit seinen eigenen Worten zu fangen. 392 Demgemäss sprach er: „Weil du Adad, der Gott gelästert, ungestraft hast entkommen lassen, so wird Gott dich strafen und dich durch Adads Hand, dein Volk aber durch sein Heer umkommen lassen.“ Da übermannte den Achab der Zorn, und er befahl, den Seher ins Gefängnis zu werfen. Gleichwohl aber ward er durch Michaeas’ Worte tief erschüttert und begab sich in seinen Palast.

Fünfzehntes Kapitel.
Von Josaphat, dem Könige zu Jerusalem. Wie Achab im Kampfe gegen die Syrer fiel.

(1.) 393 Ich wende mich nunmehr wieder zu Josaphat, dem Könige in Jerusalem. Dieser dehnte seine Macht aus und legte Besatzungen nicht nur in die Städte der von ihm unterjochten Völker, sondern auch in diejenigen Städte des Stammes Ephraïm, welche sein Grossvater Abias weggenommen hatte, als Jeroboam über die zehn Stämme herrschte. 394 Der Herr erzeigte sich ihm gnädig und hilfreich, weil er ein gerechter und frommer Mann war und täglich nur darauf sann, wie er Gottes Wohlgefallen erlangen könne. Alle ringsum wohnenden Könige bezeugten ihm durch Geschenke ihre Verehrung, sodass er sich grossen Reichtum und glänzenden Ruhm erwarb.

(2.) 395 Im dritten Jahre seiner Regierung liess er die Vorsteher des Landes nebst den Priestern zusammenrufen [538] und befahl ihnen, im Lande umherzuziehen und alle seine Unterthanen im Gesetze des Moyses zu unterrichten, damit sie dasselbe befolgen lernten und Gott eifrig verehrten. Darüber freute sich das ganze Volk so sehr, dass sie auf nichts mehr bedacht waren und nichts so sehr liebgewannen als die Beobachtung der Gesetze. 396 Josaphats Nachbarn fuhren fort, ihn zu achten, und hielten Frieden mit ihm. Die Palaestiner entrichteten ihm einen bestimmten Tribut, und die Araber lieferten ihm jährlich dreihundertsechzig Lämmer und ebenso viele Böcke. Er legte auch grosse und wohlbefestigte Städte an und hielt sein Heer und seine Kriegsrüstung stets in Ordnung. 397 Seine Truppen bestanden in dreihunderttausend Schwerbewaffneten aus dem Stamme Judas unter Führung des Ednaeus und weiteren zweihunderttausend unter Joannes, der auch noch zweihunderttausend Bogenschützen aus dem Stamme Benjamin befehligte. Ein dritter Anführer mit Namen Ochobatus hatte hundertachtzigtausend Schwerbewaffnete unter sich, und dazu kamen noch die Besatzungen der festen Plätze.

(3.) 398 Seinem Sohne Joram vermählte er die Gotholia, die Tochter Achabs, des Königs der zehn Stämme. Als er kurz darauf sich nach Samaria begab, nahm ihn Achab freundlich auf, bewirtete seine Begleitmannschaft glänzend mit Brot, Wein und Fleisch und bat den Josaphat zuletzt, er möge sich mit ihm gegen den Syrerkönig verbünden, um die Stadt Aramatha im Galadenerlande zurückzuerobern, 399 die der Vater des Syrers seinem eigenen Vater weggenommen hatte. Josaphat sagte ihm die Hilfe mit einem gleich grossen Heere, wie das seinige sei, zu und liess seine Truppen von Jerusalem nach Samaria entbieten. Darauf zogen die beiden Könige aus der Stadt und nahmen jeder auf einem Throne Platz, um ihren Kriegern den Sold auszahlen zu lassen. 400 Unterdessen befahl Josaphat, die Propheten zu rufen und sie zu befragen, ob der Feldzug gegen den Syrer um diese Zeit ratsam sei. Denn Achab hatte schon drei Jahre mit dem Syrer in Frieden und [539] Freundschaft gelebt, seitdem er ihn aus der Gefangenschaft entlassen hatte.

(4.) 401 Achab berief darauf seine Seher, etwa vierhundert an der Zahl, und hiess sie Gott befragen, ob er ihm, wenn er gegen Adad zu Felde ziehe‚ den Sieg verleihen und die Stadt, um deretwillen er den Krieg unternehme, ihm überliefern wolle. 402 Als diese ihm nun rieten, den Kriegszug zu unternehmen, da er den Syrer wie früher besiegen und gefangen nehmen werde, argwöhnte Josaphat, es möchten falsche Seher sein und fragte den Achab, ob nicht ein anderer Prophet Gottes da sei, von dem sie etwas Sicheres über die Zukunft erfahren könnten. 403 Achab entgegnete, es sei wohl noch einer da, der aber sei ihm verhasst, weil er ihm prophezeit habe, er werde vom Könige der Syrer überwunden und getötet werden. Deshalb habe er ihn ins Gefängnis werfen lassen. Er heisse Michaeas und sei des Jemblaeus Sohn. Als nun Josaphat darauf bestand, dass er vorgeführt werde, schickte Achab einen Verschnittenen, um den Michaeas zu holen. 404 Dieser teilte unterwegs dem Propheten mit, dass alle anderen Seher dem Könige den Sieg vorhergesagt hätten. Michaeas aber gab zur Antwort, er dürfe Gott keine Lügen andichten und werde dem König nur das verkünden, was Gott ihm eingebe. Als er nun zu Achab kam, und dieser ihn bei Gott beschwor, ihm die Wahrheit zu sagen, liess er sich also vernehmen: „Gott hat mir die Israëliten auf der Flucht gezeigt, verfolgt von den Syrern und im Gebirge zerstreut wie Herden, die ihren Hirten verloren haben.“ 405 Dann fügte er hinzu, Gott habe ihm verkündigt, Achab werde in der Schlacht fallen, die anderen aber würden unversehrt entkommen. Nach diesen Worten des Michaeas sprach Achab zu Josaphat: „Habe ich dir nicht gesagt, wie übel dieser Mensch gegen mich gesinnt ist, und wie er mir immer Widerwärtiges prophezeit?“ 406 Michaeas aber entgegnete: „Auf Gottes Worte muss man immer hören. Die falschen Seher treiben dich in den Krieg mit der Hoffnung auf Sieg, während du doch [540] umkommen wirst.“ Der König geriet hierüber in Angst und Unruhe; Sedekias aber, einer von den falschen Propheten, trat heran und ermahnte ihn, auf Michaeas nicht zu achten, denn dieser sage die Unwahrheit. 407 Zum Beweise führte er den Propheten Elias an, der jedenfalls besser die Zukunft habe vorhersagen können als Michaeas. „Dieser,“ sagte er, „hat dir geweissagt, die Hunde würden in Nabuths Weinberg bei der Stadt Izara dein Blut lecken, wie sie auch Nabuths Blut geleckt hätten, weil auf deine Veranlassung das Volk den Nabuth zu Tode gesteinigt habe. 408 Es ist also klar, dass Michaeas lügt, da er entgegen dem besseren Propheten sich nicht scheut, zu behaupten, du werdest in drei Tagen sterben. Nun aber soll es offenkundig werden, ob er ein wirklicher Seher ist und Gottes Geist in sich hat. Ist dies der Fall, so mag er, wenn ich ihn jetzt mit meiner Hand schlage, diese Hand erstarren lassen, wie Jadon die rechte Hand des Königs Jeroboam erstarren liess, als dieser ihn ergreifen lassen wollte. Davon hast du doch wohl schon gehört.“ 409 Als er nun den Michaeas schlug und ihm nichts darauf widerfuhr, liess Achab seine Furcht fahren und beschloss, sogleich gegen den Syrer zu ziehen. Er unterlag, wie ich glaube, seinem Verhängnis, das dem falschen Seher mehr Glaubwürdigkeit als dem wahren verlieh, damit sein Geschick sich unverzüglich erfülle. Sedekias aber verfertigte sich eiserne Hörner und erklärte dem Achab, Gott habe ihm verkündigt, er werde damit Syrien vernichten. 410 Michaeas prophezeite darauf, Sedekias werde nach einigen Tagen von Gemach zu Gemach fliehen und ein Versteck suchen, um der Strafe für seine falsche Weissagung zu entgehen. Der König aber gebot, ihn zu Achamon, dem Befehlshaber der Stadt, zu führen, der ihn ins Gefängnis werfen und ihm nur Brot und Wasser verabfolgen lassen solle.

(5.) 411 Achab und Josaphat brachen also mit ihren Heeren auf und zogen nach Aramatha im Galaditerlande. Sobald der König der Syrer hiervon Kunde [541] erhielt, marschierte er ihnen entgegen und schlug unweit Aramatha sein Lager auf. 412 Achab und Josaphat aber kamen überein, ersterer solle sein königliches Gewand ablegen, Josaphat aber mit Achabs Gewand in die Schlacht ziehen, um so die Prophezeiung des Michaeas zu nichte zu machen. Aber das Verhängnis traf den Achab auch ohne seine Königsabzeichen. 413 Adad liess nämlich den Kriegern durch ihre Obersten befehlen, sie sollten keinen anderen töten, als den König der Israëliten. Als die Schlacht nun begonnen hatte und die Syrer den Josaphat vor der Schlachtreihe stehen sahen, hielten sie ihn für Achab, drangen auf ihn ein und umzingelten ihn. Doch merkten sie bald ihren Irrtum und wandten sich anderswohin. 414 Obwohl nun das Treffen vom Morgen bis zum Abend währte und die Syrer im Vorteil waren, töteten sie doch nach dem Befehle ihres Königs niemand und suchten nur den Achab, konnten ihn aber nicht finden. Endlich schleuderte ein Trabant des Königs Adad mit Namen Aman aufs geratewohl seinen Speer gegen die Feinde und traf den König durch den Panzer hindurch in die Lunge. 415 Achab suchte das Unglück, das ihn betroffen, dem Heere zu verheimlichen, um es nicht zur Flucht zu veranlassen. Er befahl daher seinem Wagenlenker, den Wagen zu wenden und ihn aus dem Schlachtgetümmel zu führen, weil er schwer verwundet sei. Und obgleich er heftig litt, blieb er doch bis Sonnenuntergang auf dem Wagen. Dann aber verlor er die Besinnung und starb.

(6.) 416 Mit Anbruch der Nacht zog das syrische Heer sich ins Lager zurück. Als aber ein Herold verkündigt hatte, Achab sei tot, wurde der Rückzug nach Hause angetreten. Achabs Leichnam brachte man nach Samaria und bestattete ihn hier. 417 Als nun sein Wagen, der mit dem Blute des Königs bespritzt war, in einer Quelle bei Izara gereinigt wurde, ging des Elias Prophezeiung in Erfüllung: denn die Hunde kamen herzu und leckten das Blut auf. Für die Folgezeit blieb es Sitte, dass in dieser Quelle die Dirnen badeten. Der [542] Ort, wo Achab aus dem Leben schied, hiess Ramathon, wie Michaeas dies vorhergesagt hatte. 418 Da sich also an Achab die Weissagungen zweier Propheten erfüllt haben, so müssen wir daran die Grösse Gottes erkennen und ihn stets verehren und anbeten. Auch können wir daraus lernen, dass wir nie Gunst und Eigenwillen der Wahrheit vorziehen dürfen, und dass die Prophezeiung und die Kenntnis der Zukunft die nützlichste Einrichtung ist, weil wir dadurch den Willen Gottes erfahren und vor dem gewarnt werden, was uns Schaden bringen kann. 419 Aus dem Geschicke des Königs aber können wir auf die Macht des Verhängnisses schliessen, dem man, auch wenn man es im voraus kennt, nicht zu entgehen vermag, das vielmehr die Gemüter der Menschen nur deshalb mit trügerischer Hoffnung umschmeichelt, um sie dahin zu locken, wo es sie treffen kann.[12] 420 So scheint auch Achab von seinem Verhängnis getäuscht worden zu sein und dadurch sein Leben eingebüsst zu haben, da er der Verkündigung seines Unterganges nicht traute, vielmehr denen Glauben schenkte, die ihm seinem Wunsche gemäss weissagten. In der Regierung folgte ihm sein Sohn Ochozias.


  1. Auf der Grenze von Galilaea und Samaria (vergl. Jüd. Krieg III, 3, 1).
  2. 1 Kor = 10 Bad, 1 Bad = 6 Hin, 1 Hin = 12 Log, 1 Log = dem Inhalte von 6 Eierschalen.
  3. Ein Sextarius = 1/2 Liter.
  4. Eine jüdische Elle = 0,525 Meter.
  5. Elektrum ist nach Plinius 33,80 ein dem Bernstein an Farbe ähnliches Metall, bestehend aus vier Teilen Gold und einem Teil Silber.
  6. Vergl. Herodot II, 100.
  7. Bei Herodot (II, 100) heisst die Königin Nitokris.
  8. Basalt aus der Arnongegend.
  9. Als Zeichen der Feigheit (vergl. Herodot II, 102 und 106).
  10. Vergl. Herodot II, 104.
  11. Omri.
  12. Lehre der Pharisäer.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Paragraph 377 fehlt in der griechischen Ausgabe von Niese, Internet Archive.
« Buch VII Flavius Josephus
Jüdische Altertümer
Buch IX »
fertig
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