« Buch VI Flavius Josephus
Jüdische Altertümer
Buch VIII »
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[390]
Siebentes Buch.

Dieses Buch umfasst einen Zeitraum von 40 Jahren.

Inhalt.

1. Wie David in der Stadt Chebron über einen Stamm, Sauls Sohn aber über die anderen Stämme herrschte.

2. Wie nach dessen Ermordung David die Alleinherrschaft zufiel.

3. Wie David Jerusalem belagerte und einnahm, die Chananäer daraus vertrieb und es den Juden zum Bewohnen einräumte.

4. Wie David von den Palaestinern mit Krieg überzogen wurde, dieselben aber bei Jerusalem besiegte.

5. Freundschaftsbündnis zwischen Hiram, dem Könige von Tyrus, und David.

6. Wie David Kriegszüge gegen die benachbarten Völkerschaften unternahm, sie unterwarf und tributpflichtig machte.

7. David kämpft mit den Damascenern und schlägt sie.

8. David bekriegt die Mesopotamier und besiegt sie.

9. Wie Davids Hausgenossen einen Aufstand erregten, und wie er, von seinem Sohne vertrieben, in das Land jenseits des Jordan floh.

10. Wie Abesalom seinen Vater David bekriegte, aber mit seinem Heere umkam.

11. Wie David sein Königreich wiedererhielt und glücklich lebte.

12. Wie er noch bei Lebzeiten seinen Sohn Solomon zum König ernannte.

13. David stirbt und hinterlässt seinem Sohne ein Menge Silber, Gold und Edelsteine zum Bau des Tempels.


Erstes Kapitel.
Wie David in der Stadt Chebron über einen Stamm, Sauls Sohn aber über die anderen Stämme herrschte. Abeners Tod.

(1.) 1 Es traf sich nun, dass die erwähnte Schlacht gerade an demselben Tage geschlagen wurde, da David als Sieger über die Amalekiter nach Sekela zurückkehrte. Am dritten Tage nachher fand sich bei ihm der Mann [391] ein, der den Saul getötet hatte und aus der Schlacht entflohen war. Dieser zerriss seine Kleider, streute Asche auf sein Haupt und fiel vor David nieder. 2 Und als David ihn fragte, woher er komme, sagte er, aus der Schlacht, die die Israëliten gegen die Palaestiner geschlagen und die einen so traurigen Ausgang genommen habe, da viele tausend Hebräer gefallen und auch der König Saul sowie dessen Söhne umgekommen seien. 3 Er versicherte ferner, er habe, als die Hebräer in die Flucht geschlagen worden seien, den zu Tod verwundeten König getroffen und ihm, da er in Gefahr gewesen sei, von den Feinden gefangen zu werden, auf seine Bitte den Todesstoss gegeben. Denn obgleich Saul sich in sein Schwert gestürzt habe, sei er doch infolge seiner vielen Wunden zu schwach gewesen, um sich selbst zu töten. 4 Darauf zeigte er als Wahrzeichen vom Tode Sauls dessen goldene Armspangen und Krone, die er ihm nach dem Tode abgenommen habe, um sie David zu überbringen. Als nun David diese offenbaren Anzeichen sah und nicht mehr an Sauls Tod zweifeln konnte, zerriss er seine Kleider und brachte den ganzen Tag in Gesellschaft seiner Freunde mit Wehklagen und Weinen hin. 5 Besonders heftig erschütterte ihn der Tod des Jonathas, der sein treuester Freund und sein Lebensretter gewesen war. Jetzt zeigte sich auch so recht der Edelmut Davids und seine gute Gesinnung gegen Saul, da er nicht nur tief ergriffen war von seinem Tode, obgleich er durch ihn so oft in Lebensgefahr geschwebt hatte, sondern auch noch denjenigen mit dem Tode bestrafte, der ihn umgebracht hätte. 6 „Denn “ sagte er zu diesem, „du hast dich selbst verraten, den König getötet zu haben.“ Und da er hörte, jener sei von Geburt Amalekiter, liess er ihn hinrichten. Alsdann dichtete er Totenklagen und Trauergesänge zu Ehren Sauls und Jonathas’, die sich noch bis heute erhalten haben.

(2.) 7 Nachdem er nun dem Könige die gebührende Leichenfeier gehalten, und die Trauerzeit beendet war, fragte er Gott durch einen Propheten um Rat, in welcher [392] von den Städten des Stammes Judas er wohnen solle. Und da ihm die Antwort erteilt wurde, Gott weise ihm Chebron an, verliess er Sekela und begab sich dorthin mit seinen beiden Weibern und seiner Kriegerschar. 8 Hierauf zog der ganze Stamm Judas zu ihm hin und erwählte ihn zum Könige. Als er dann vernommen hatte, die Jabisener im Lande der Galaditer hätten den Saul und seine Söhne bestattet, schickte er Boten zu ihnen, liess ihre herrliche That loben und gutheissen und ihnen versprechen, er werde ihnen für diese ihre Pietät gegen die Verstorbenen Dank wissen; zugleich liess er ihnen kundthun, dass der Stamm Judas ihn zum Könige erwählt habe.

(3.) 9 Als nun Sauls Heerführer Abener, der Sohn des Nerus, ein regsamer und wohlgesinnter Mann, hörte, dass das Saul samt Jonathas und noch zwei anderen Söhnen gefallen sei, kehrte er schnell ins Lager zurück, bemächtigte sich des noch am Leben gebliebenen Sohnes des Königs, Jebost‚ und entführte ihn über den Jordan, wo er ihn zum Könige über alle Israëliten, mit Ausnahme des Stamme Judas, ausrief. 10 Als Königssitz bestimmte er ihm den Ort, der in der Landessprache Manalis, in griechischer Sprache aber Parembolai, das heisst „Lager,“ genannt wird. Von hier brach dann Abener mit einem auserlesenen Heere auf, um den Stamm Judas anzugreifen aus Zorn darüber, dass dieser den David zum Könige gewählt hatte. 11 Joab, der Sohn Sarvias, der Schwester Sauls, und des Suri, zog ihm mit seinen Brüdern Abessa und Asaël und dem gesamten Heere Davids entgegen, traf ihn bei einer Quelle nahe der Stadt Gabaon und rüstete sich zur Schlacht. 12 Da jedoch Abener geäussert hatte, er sei begierig zu erfahren, welche von beiden Parteien die besten Kämpfer besitze, so kam man überein, dass zwölf Mann von jeder Seite zum Kampfe antreten sollten. Diese begaben sich also in den Raum zwischen den beiden Heeren, schleuderten ihre Speere widereinander, zückten die Schwerter, ergriffen sich gegenseitig beim Kopfe und stiessen sich einander [393] die Klingen in Seiten und Eingeweide, bis sie alle gleichwie auf Verabredung tot hinsanken. 13 Als sie nun gefallen waren, trafen auch die Heere selbst zusammen und bekämpften sich mit Aufbietung aller Kräfte, bis endlich die Krieger Abeners unterlagen und ihr Heil in der Flucht suchten. Joab setzte ihnen nach und ermahnte die Seinigen, den Feinden auf dem Fusse zu folgen und nicht nachzulassen, bis sie alle niedergemacht seien. 14 Auch seine Brüder kämpften ausdauernd, und besonders that sich der jüngste von ihnen, Asaël, hervor, der durch seine Schnelligkeit berühmt war, denn er übertraf nicht nur die Menschen in ausdauerndem Laufe, sondern soll sogar Pferde im Rennen überholt haben. Dieser jagte dem Abener mit äusserster Anstrengung und geradeswegs nach, ohne nach rechts oder links auszuweichen. 15 Abener aber wandte sich um und trachtete seinen Angriff abzulenken, indem er ihn ersuchte, er möge doch von der Verfolgung abstehen und sich begnügen, einem der Krieger die Rüstung abzunehmen. Als aber Asaël hierauf nicht eingehen wollte, bat er ihn, er möge an sich halten und ihm nicht weiter nachsetzen, damit er nicht gezwungen sei, ihn zu töten, was sein Bruder ihm nie verzeihen würde. Da Asaël indes sich durch diese Worte nicht von der Verfolgung abhalten liess, hielt Abener seinen Speer hinter sich und durchbohrte ihn derart, dass er sogleich tot hinstürzte. 16 Als nun diejenigen, die mit ihm den Abener verfolgt hatten, zu der Stelle kamen, wo Asaël lag, machten sie bei seiner Leiche halt und liessen von der weiteren Verfolgung ab. Joab aber und sein Bruder Abessa, die gegen Abener wegen der Tötung Asaëls heftig erbittert waren, ritten an der Leiche vorbei und verfolgten den Abener mit unermüdlichem Eifer, bis sie gegen Sonnenuntergang an einen Ort Ammata kamen. 17 Hier erstiegen sie eine Anhöhe, wo Joab mit dem Stamme Benjamin stehen blieb und Abener nebst den Seinigen erblickte. Dann erhob er seine Stimme und rief: Es zieme sich doch nicht für Angehörige desselben Volkes, einander in den [394] Haaren zu liegen. Sein Bruder Asaël sei an seinem Tode selbst schuld, da er sich nicht habe überreden lassen, die Verfolgung aufzugeben, weshalb er von Abener durchbohrt worden sei. Abessa pflichtete diesen Worten bei, liess die Seinigen durch Trompetensignale zurückrufen und so die weitere Verfolgung einstellen. 18 Joab selbst hielt sich die ganze Nacht hindurch in seinem Lager; Abener aber setzte seinen Marsch fort, überschritt den Jordan und gelangte wieder zum Lager Jebosts, des Sohnes Sauls. Am folgenden Tage liess Joab die Körper der Gefallenen aufsuchen und bestatten. 19 Es waren gefallen vom Heere Abeners dreihundertsechzig Mann, von Davids Leuten dagegen nur neunzehn ohne Asaël, dessen Leiche Joab und Abessa nach Bethleëm brachten und im Grabe seiner Väter beisetzten, worauf sie nach Chebron zu David zurückkehrten. 20 Seit dieser Zeit breitete sich innere Zwietracht unter den Hebräern aus und dauerte noch lange fort. Davids Macht aber wuchs immer mehr und trotzte allen Gefahren, während die Macht der Söhne Sauls und ihres Anhanges von Tag zu Tag abnahm.

(4.) 21 Um diese Zeit wurden dem David sechs Söhne von ebenso vielen Weibern geboren, von denen der älteste, Amnon, von der Achima stammte, der zweite, Daniel, von der Abigaea, der dritte, Abesalom, von der Machma, der Tochter des Gessirerkönigs Tholomaeus, der vierte, Adonias, von der Aggitha, der fünfte, Saphatias, von der Abitaal, der sechste endlich, Gethraamas, von der Aegla. 22 Darauf entstand ein Bürgerkrieg, indem die Heere der beiden Könige häufig zusammenstiessen. Nun aber brachte Abener, der Befehlshaber des Heeres der Söhne Sauls, der ein verständiger Mann war und grossen Einfluss beim Volke besass, es dahin, dass eine Zeitlang alles auf Jebosts Seite trat und ihm Treue gelobte. 23 Als jedoch Abener später des verbotenen Umganges mit dem Kebsweibe Sauls, Raespha, der Tochter Sibaths, beschuldigt und deshalb von Jebost mit Vorwürfen überhäuft wurde, geriet er in Zorn und Erbitterung darüber, dass er so [395] wenig Dank von dem einernte, dessen Interesse er mit allen Kräften gewahrt habe, und er drohte ihm, er werde die Königsherrschaft dem David zuwenden und es offenkundig machen, dass Jebost nicht durch seine eigene Klugheit und Tapferkeit über das Gebiet jenseits des Jordan die Herrschaft erlangt habe, sondern durch seine (Abeners) Kriegstüchtigkeit und Treue. 24 Und wirklich schickte er auch nach Chebron zu David Boten und liess ihn bitten, er möge ihm das eidliche Versprechen geben, ihn als Freund und Genossen zu behandeln, da er das Volk veranlassen werde, von Sauls Sohn abzufallen und ihn als den König aller Israëliten anzuerkennen. 25 Darauf schloss David mit ihm ein Bündnis – denn Abeners Antrag war ihm sehr angenehm –‚ verlangte aber als Zeichen seiner Treue, dass er ihm wieder zu seiner Gattin Michal verhelfe, die er sich mit Lebensgefahr erkauft und für die er ihrem Vater Saul sechshundert Palaestinerköpfe gebracht habe. 26 Abener schickte ihm darauf auch die Michal zu, nachdem er sie dem Pheltias, der sie damals besass, abgenommen hatte, wobei ihm Jebost behilflich war. Denn diesem hatte David geschrieben, er wolle sein Weib wieder haben, da er ein gutes Recht auf sie habe. Abener berief nun die Ältesten des Volkes, die Hauptleute und die Obersten zusammen und sprach zu ihnen: 27 „Ihr habt zwar schon früher die Absicht gehabt, von Jebost abzufallen und zu David überzugehen, doch habe ich euch bisher daran gehindert. Jetzt aber gebe ich euch anheim, zu gehen, wohin ihr wollt; denn ich habe erfahren, dass Gott, als er durch den Propheten Samuel den David zum König aller Hebräer erwählte, vorausgesagt hat, er werde die Palaestiner bestrafen und sie unterjochen.“ 28 Als die Ältesten und die Heerführer vernahmen, dass Abener jetzt derselben Gesinnung sei, die sie früher gehabt, gingen sie sogleich zu David über. 29 Danach versammelte Abener den Stamm Benjamin, aus dem Jebosts Anhänger sich zusammensetzten, und redete zu ihm in derselben Weise; und da er merkte, dass sie ebenfalls [396] seiner Meinung beitraten, begab er sich mit zwanzig seiner Genossen zu David, um persönlich von ihm den Eidschwur entgegenzunehmen (denn was man selbst thut, ist sicherer, als was man durch andere thun lässt), dann aber auch, um ihm die Rede mitzuteilen, die er den Heerführern und dem ganzen Stamme Benjamin gehalten habe. 30 Und als David ihn freundlich aufgenommen und einige Tage reichlich und glänzend bewirtet hatte, bat Abener ihn, er möge ihn entlassen, damit er das Heer ihm zuführe und ihm den Oberbefehl über dasselbe vor seinen Augen übergebe.

(5.) 31 Als Abener von David entlassen worden war und sich nach Chebron begeben hatte, kam Joab, Davids Heerführer. Und da er vernahm, dass Abener bei David gewesen sei, alles wegen des Oberbefehls geordnet und sich kurz vorher entfernt habe, besorgte er, dieser möchte künftig bei David die erste Stelle einnehmen, da er ihm die Herrschaft versorgt habe und übrigens mit scharfem Verstand begabt sei, und er selbst möchte dagegen in den Schatten treten und den Oberbefehl über das Heer verlieren. Er fasste deshalb einen schändlichen und hinterlistigen Plan. 32 Zuerst nämlich verleumdete er ihn beim Könige und riet diesem, er möge sich vor Abener hüten und seinen Versprechungen keinen Glauben beimessen: denn er strebe nur dahin, dem Sohne Sauls die Herrschaft zuzuwenden. Mit betrügerischen und hinterlistigen Gedanken sei er zum Könige gekommen und hoffnungsvoll von ihm weggegangen, nachdem er seine Ränke schlau ins Werk gesetzt habe. 33 Als aber diese Worte auf David nicht den geringsten Eindruck machten, beschloss er, energischer vorzugehen und den Abener umzubringen. Zu dem Zwecke sandte er Boten ab, denen er auftrug, sie sollten den Abener, wenn sie ihn träfen, im Namen Davids zurückrufen, als ob dieser noch etwas mit ihm zu verhandeln habe, was ihm bei seiner Anwesenheit entfallen sei. 34 Als Abener diesen Befehl von den Boten, die ihn in dem Orte Besira, zwanzig Stadien von Chebron entfernt, angetroffen hatten, vernahm, [397] kehrte er sofort zurück, ohne etwas Böses zu ahnen. Joab begegnete ihm am Thore, empfing ihn freundlich, stellte sich an, als ob er sein bester Freund wäre (wie es denn öfter zu geschehen pflegt, dass die, die etwas Schlechtes im Sinne haben, ein freundliches Wesen heucheln, damit kein Verdacht sich rege, als beabsichtigten sie etwas anderes), 35 lockte ihn von den Seinigen weg, wie wenn er allein mit ihm zu reden hätte, an einen einsamen Ort, wo ausser ihnen nur sein Bruder Abessa anwesend war, und durchbohrte ihn mit gezücktem Schwert. 36 So wurde Abener hinterlistigerweise von Joab umgebracht, der angeblich seinen Bruder Asaël rächen wollte, welchen Abener in der Schlacht bei Chebron getötet hatte, als er ihm nachsetzte, in Wahrheit aber nur befürchtete, er selbst möchte den Oberbefehl über das Heer und des Königs Gunst verlieren, Abener dagegen die erste Stelle bei David einnehmen. 37 Hieraus kann man erkennen, welcher verwegenen Handlungen Menschen fähig sind, die um jeden Preis in die Höhe kommen und niemand weichen wollen. Denn um ihre Absichten zu erreichen, häufen sie unzählige Übelthaten, und in der Angst, etwas verlieren zu müssen, schrecken sie auch vor Verbrechen nicht zurück. 38 Sie halten es nämlich für weniger schlimm, überhaupt keine Macht zu erlangen, als derselben wieder entsagen zu müssen, wenn sie daran gewöhnt sind. Deshalb wagen sie selbst das Entsetzlichste, wenn sie nur in ihrer Stellung sich behaupten können. Dieses Wenige mag hierüber genügen.

(6.) 39 Als David vernahm, Abener sei umgebracht, wurde er von Schmerz ergriffen, erhob seine Rechte zu Gott und bezeugte öffentlich mit lauter Stimme, er habe um Abeners Ermordung nichts gewusst, und die That sei nicht mit seinem Willen geschehen. Den Mörder aber verfluchte er und schwur, seine ganze Familie dem Tode zu weihen. 40 Denn er war in Sorge, es möchte scheinen, als habe er den Abener wider sein demselben gegebenes eidliches Versprechen umbringen [398] lassen. Dem Volke befahl er, den Abener zu beweinen und zu betrauern, die Kleider zu zerreissen, sich mit Säcken zu bekleiden, der Bahre voranzuschreiten und ein feierliches Leichenbegängnis abzuhalten. 41 Der König selbst folgte mit den Ältesten und Vornehmsten und bezeugte durch Weinen und Wehklagen, wie lieb er den Abener im Leben gehabt und wie sehr er ihn jetzt betrauere, und dass er ohne seinen Willen getötet worden sei. 42 Und als er ihn zu Chebron glänzend bestattet und Totenklagen verfasst hatte, trat er selbst zuerst an das Grab und wehklagte, und das ganze Volk stimmte mit ihm ein. Ja, Abeners Tod drückte ihn dermassen nieder, dass er, obgleich seine Freunde in ihn drangen, keine Nahrung zu sich nahm und schwur, er werde bis Sonnenuntergang nichts geniessen. 43 Dieses Benehmen gewann ihm aller Herzen; denn diejenigen, die den Abener zärtlich liebten, billigten die dem Verstorbenen erwiesenen Ehrenbezeugungen, und dass David ihn wie einen Freund und Verwandten eines glänzenden Leichenbegängnisses wert gehalten habe. Auch das ganze Volk freute sich über seine gütige und liebevolle Gesinnung, und jeder einzelne glaubte, der König werde auch ihm mit gleicher Herzensgüte entgegenkommen, wie er sie jetzt gegen den verstorbenen Abener beweise. 44 So machte sich also David sehr beliebt und verwandte die grösste Mühe darauf, den Verdacht nicht aufkommen zu lassen, als habe er um Abeners Ermordung vorher gewusst. Auch hielt er an das Volk eine Ansprache folgenden Inhalts: „Gewaltiger Schmerz hat mich ergriffen um den Tod dieses vortrefflichen Mannes, und auch ihr, Hebräer, werdet grossen Nachteil durch den Verlust desjenigen erleiden, der euch mit klugem Rat und tapferer Hand beim Ausbruch eines Krieges hätte schützen und retten können. 45 Gott aber, der Allgewaltige, wird ihn nicht ungerächt lassen. Dass ich zu schwach bin, um gegen Joab und Abessa, die Söhne der Sarvia, vorzugehen, werdet ihr wohl wissen; Gott aber [399] wird über ihre Frevelthat die gebührende Strafe verhängen.“ Also schied Abener aus dem Leben.

Zweites Kapitel.
Jebosts hinterlistige Ermordung. David wird König aller Israëliten.

(1.) 46 Als Jebost von Abeners Tod Kunde erhielt, betrübte er sich sehr über den Untergang eines so nahen Verwandten, der ihm zur Königswürde verholfen hatte. Übrigens blieb er auch selbst nicht mehr lange am Leben, sondern wurde hinterlistigerweise von Hieremmons Söhnen Banaothas und Thannus ermordet. 47 Denn da diese Benjamiter und von vornehmem Stande waren, dachten sie, David werde sie reich beschenken und ihnen Feldherrnstellen oder andere hohe Ämter übertragen, wenn sie den Jebost umbrächten. 48 Als sie nun eines Tages den Jebost zur Mittagszeit in seinem Schlafgemach ruhend allein antrafen, da seine Leibwache gerade nicht zur Stelle und die Pförtnerin vor Ermüdung und Hitze in Schlaf gefallen war, traten sie in das Gemach, wo Sauls Sohn schlief, und töteten ihn. 49 Darauf schlugen sie ihm das Haupt ab und reisten den ganzen Tag und die Nacht hindurch in grosser Eile, um ihren Verfolgern zu entkommen, bis nach Chebron, wo sie Davids Dank und einen sicheren Aufenthalt zu erlangen gedachten. Als sie nun dem David das Haupt zeigten und sich seinem Wohlwollen empfahlen, weil sie seinen Feind und Nebenbuhler aus dem Wege geräumt hätten, 50 zeigte sich David durchaus nicht erfreut, wie sie gehofft hatten, sondern sprach zu ihnen: „Ihr verbrecherischen Menschen, mit dem Tode sollt ihr mir büssen! Ihr wisst doch wohl, wie ich den belohnt habe, der Saul getötet und mir seine goldene Krone gebracht hat, obgleich er doch sogar durch die Tötung dem Saul einen besonderen Gefallen erwiesen zu haben glaubte, da er ihn so vor der Gefangenschaft bewahrte. 51 Oder habt ihr [400] vielleicht gedacht, ich hätte mich verändert und sei nicht mehr derselbe, dass ich an solchen Übelthätern Gefallen haben und ihnen noch dafür danken sollte, dass sie ihren Herrn, der ihnen nie ein Unrecht zugefügt, vielmehr nur Liebe und Güte erwiesen hat, auf seinem Lager umbrachten? 52 Darum sollt ihr die Todesstrafe erleiden, nicht nur wegen eurer Frevelthat, sondern auch, weil ihr so thöricht wart, zu glauben, ich würde über seinen Untergang Freude empfinden. Denn nicht tiefer hättet ihr in meiner Achtung sinken können, als dadurch, dass ihr so von mir dachtet.“ Hierauf befahl er, sie mit allen erdenklichen Martern zu Tode zu peinigen; Jebosts Haupt aber liess er mit allen Ehren in Abeners Grab beisetzen.

(2.) 53 Nachdem das geschehen war, kamen die Vornehmsten der Hebräer samt den Kriegsobersten und Heerführern bei David in Chebron zusammen und ergaben sich ihm, indem sie ihn an die gute Gesinnung erinnerten, die sie schon bei Sauls Lebzeiten ihm entgegengebracht, und an die Ehrenbezeugung, die sie ihm als Kriegsobersten erwiesen hatten. Auch wiesen sie darauf hin, dass er von Gott durch den Propheten Samuel zum König erwählt und diese Würde auch seinen Nachkommen zugesagt worden sei, sowie dass Gott ihn allein dazu ausersehen habe, die Palaestiner zu unterwerfen und das Land der Hebräer von deren Joch zu befreien. 54 David lobte ihren Eifer, ermahnte sie, auch fernerhin dabei zu verbleiben, was sie nicht gereuen würde, und entliess sie, nachdem er sie glänzend bewirtet hatte, damit sie ihm auch das ganze übrige Volk zuführten. 55 Es kamen darauf zusammen aus dem Stamme Judas gegen sechstausendachthundert Streiter, die alle mit Schild und Speer bewaffnet waren und früher dem Sohne Sauls angehangen hatten, weil der Stamm Judas gegen ihren Willen den David zum Könige gewählt hatte. 56 Weiterhin aus dem Stamme Simeon siebentausendeinhundert Mann, aus dem Stamme Levis viertausendsiebenhundert samt ihrem Führer Jodam, an die sich der [401] Hohepriester Sadok mit zweiundzwanzig ihm verwandten Anführern anschloss. Ferner aus dem Stamme Benjamin viertausend Mann; denn dieser Stamm war bisher noch unschlüssig geblieben in der Erwartung, es werde einer von Sauls Geschlecht zur Herrschaft gelangen. 57 Sodann aus dem Stamme Ephraïm zwanzigtausendachthundert der mächtigsten und hervorragendsten Männer, aus dem halben Stamme Manasses achtzehntausend der Besten, aus dem Stamme Isachar zweihundert Wahrsager und zwanzigtausend Bewaffnete, 58 aus dem Stamme Zabulon fünfzigtausend auserlesene Kämpfer (dieser Stamm ging allein ganz zu David über und trug dieselbe Rüstung wie der Stamm Gad), aus dem Stamme Nephthali tausend ausgezeichnete Männer und Anführer, mit Schild und Lanze bewaffnet, denen eine ungezählte Volksmenge aus ihrem Stamme folgte; 59 aus dem Stamme Dan siebenundzwanzigtausendsechshundert Auserlesene, aus dem Stamme Aser vierzigtausend, endlich aus den beiden jenseits des Jordan wohnenden Stämmen und der anderen Hälfte des Stammes Manasses hundertzwanzigtausend, die mit Schild, Speer, Helm und Schwert bewaffnet waren. Auch die übrigen Stämme führten Schwerter. 60 Diese ganze Menge also strömte nach Chebron zu David mit einem grossen Vorrat an Getreide, Wein und sonstigen Lebensmitteln, und alle wählten einstimmig David zum König. Nachdem nun das Volk drei Tage lang in Chebron Festmahle gehalten, brach David mit der gesamten Kriegsmacht auf und zog nach Jerusalem.

Drittes Kapitel.
Wie David Jerusalem belagerte und einnahm, die Chananäer daraus vertrieb und die Stadt den Juden einräumte.

(1.) 61 Die Jebusäer aber, welche die Stadt bewohnten und von den Chananäern abstammten, verschlossen dem David die Thore und setzten dem Könige zum Spott die [402] Blinden, Lahmen und sonstigen Krüppel auf die Mauer, indem sie ausriefen, diese Krüppel seien genügend, ihn am Eindringen zu hindern. So verächtlich benahmen sie sich, weil sie auf die Stärke ihrer Befestigungen pochten. David geriet hierüber in Zorn und begann Jerusalem mit Aufbietung aller Kräfte zu belagern, 62 um durch eine schnelle Eroberung seine Macht zu beweisen und anderen Furcht einzujagen, die gerade so wie die Jebusäer gegen ihn gesinnt seien. Es gelang ihm auch, die untere Stadt einzunehmen. 63 Weil aber die Burg noch Widerstand leistete, beschloss der König, seine Krieger noch mehr durch in Aussicht gestellte Belohnungen zur Tapferkeit anzuspornen, und versprach, denjenigen zum Oberbefehlshaber über das ganze Heer zu machen, der zuerst über die steilen Abhänge hinweg in die Burg eindringen werde. 64 Da ergriff alle ein reger Wetteifer, und sie scheuten aus Begierde nach der versprochenen Befehlshaberstelle keine Mühe. Allen zuvor aber kam Joab, der Sohn der Sarvia, der die Burg zuerst erstieg und dem Könige zurief, er solle ihm nun auch den verheissenen Oberbefehl geben.

(2.) 65 David warf darauf die Jebusäer aus der Burg, setzte Jerusalem, das er jetzt Davidsstadt nannte, wieder in Stand und residierte hier während seiner ganzen Regierungszeit. Die Zeit aber, während welcher er zu Chebron über den Stamm Judas geherrscht hatte, betrug sieben Jahre und sechs Monate. Nachdem er nun seinen Königssitz in Jerusalem errichtet hatte, wurde seine Lage von Tag zu Tag glänzender, da Gott dafür sorgte, dass seine Macht sich vermehrte und wuchs. 66 Auch schickte Hiram, der König der Tyrier, Gesandte zu ihm und schloss Bundesgenossenschaft und Freundschaft mit ihm. Zugleich sandte er ihm Geschenke, besonders Cedernholz, zu, und Baumeister, Bildhauer und andere Künstler stellte er ihm zur Verfügung, damit sie ihm in Jerusalem einen Königspalast errichteten. 67 David umgab dann die untere Stadt und die Burg zusammen mit einer Mauer, bildete so aus beiden Teilen ein Ganzes [403] und setzte den Joab als Stadtkommandant ein. David hat also zuerst die Jebusäer aus Jerusalem vertrieben und die Stadt nach seinem Namen genannt; denn zur Zeit unseres Stammvaters hiess sie Solyma. Nach vereinzelter Meinung hat auch Homer diese Stadt Solyma genannt, denn er nannte den Tempel nach hebraeischer Weise Solyma, was so viel wie „Sicherheit“ bedeutet. 68 Seit der Zeit aber, da der Feldherr Jesus ein Heer gegen die Chananäer führte und nach deren Niederwerfung das Land unter die Hebräer verteilte, bis dahin, wo David, was bisher niemand fertig gebracht hatte, die Chananäer aus Jerusalem verjagte und die Stadt eroberte, sind im ganzen fünfhundertfünfzehn Jahre verflossen.

(3.) 69 Ich muss hier noch von einem gewissen Oronnas sprechen, einem reichen Jebusäer, den David bei der Einnahme von Jerusalem nicht töten liess, und zwar wegen seiner guten Gesinnung gegen die Hebräer und besonders wegen seines freundlichen Benehmens gegen den König selbst, wovon ich später an geeigneter Stelle noch weiter berichten will. – 70 David nahm nun ausser den Weibern, die er schon hatte, noch andere Gattinnen und Kebsweiber und zeugte mit ihnen noch elf Söhne, deren Namen hiessen: Amnus, Emnus, Eban, Nathan, Solomon, Jebar, Elien, Phalna, Ennaphen, Jenaë, Eliphale, und eine Tochter Thamar. Von den Söhnen stammten neun von rechtmässigen Gattinnen, die beiden letztgenannten aber von Kebsweibern. Thamar hatte dieselbe Mutter wie Abesalom.

Viertes Kapitel.
David besiegt die Palaestiner, lässt die Lade Gottes nach Jerusalem bringen und plant den Tempelbau.

(1.) 71 Als die Palaestiner vernahmen, dass David von den Hebräern zum König gewählt worden war, führten sie ein Heer gegen ihn nach Jerusalem, besetzten das sogenannte „Thal der Riesen,“ welches nicht weit von [404] der Stadt entfernt liegt, und schlugen daselbst ihr Lager auf. 72 Der König der Juden aber, der nichts ohne Gottes Befehl und Verkündigung zu unternehmen sich getraute, befahl dem Hohepriester, Gottes Willen und seine Verkündigung über den Ausgang des Treffens einzuholen. 73 Und da ihm Sieg verheissen wurde, rückte er gegen die Palaestiner aus und griff dieselben unversehens von hinten an, tötete einen Teil von ihnen und schlug die anderen in die Flucht. 74 Es möge aber niemand glauben, das Heer der Palaestiner sei klein gewesen, noch den Schluss ziehen, sie hätten sich feige und furchtsam benommen, weil sie so schnell erlagen und nichts Erwähnenswertes leisteten. Vielmehr möge man sich vergegenwärtigen, dass ganz Syrien und Phoenicien ausser vielen anderen kriegerischen Völkerschaften ihnen Hilfe geleistet und am Kriege teilgenommen hatte. 75 Das allein war auch der Grund, weshalb sie nach so vielen Niederlagen und dem Verluste vieler tausend Streiter den Krieg gegen die Hebräer mit noch grösseren Kräften erneuern konnten. Obgleich sie daher bei dem erwähnten Kampfe so grosses Unglück hatte, brachten sie ein noch dreimal grösseres Heer gegen David zusammen und schlugen ihr Lager wieder an derselben Stelle auf. 76 Da liess der König der Israëliten abermals Gott befragen, welchen Ausgang der Kampf haben würde. Der Hohepriester aber ermahnte ihn, er solle in dem sogenannten Wald der Trauer unweit des Lagers der Feinde sein Heer beisammen halten und es nicht eher in Marsch setzen und den Kampf beginnen, bis der Wald in Bewegung gerate, ohne dass der Wind wehe. 77 Sobald nun der Wald anfing zu rauschen, und die von Gott bestimmte Zeit da war, rückte David zu dem schon vorbereiteten und nicht mehr zweifelhaften Siege aus. Die feindlichen Schlachtreihen hielten seinem Andrang nicht stand, sondern ergriffen beim ersten Zusammenstoss die Flucht. Es kam zu einem furchtbaren Gemetzel, und die Verfolgung dehnte sich bis zur Stadt Gazara, der äussersten Grenze des Landes, aus. Darauf plünderte David das feindliche [405] Lager, wo er reiche Schätze vorfand, und vernichtete die Götzenbilder.

(2.) 78 Nachdem dieser Krieg so glücklich verlaufen, beschloss David nach Einholung des Rates der Heerführer und Kriegsobersten, aus dem ganzen Lande die Blüte der Jugend nebst den Priestern und Leviten zusammenzurufen, mit ihnen nach der Stadt Kariathiarim zu ziehen und die Lade Gottes von da nach Jerusalem überzuführen, wo sie aufgestellt und durch Opfer und andere Gott wohlgefällige Handlungen verehrt werden sollte. 79 Denn hätte man das unter Sauls Regierung gethan, so würde man von Unglück verschont geblieben sein. Als sich daher alles Volk, wie befohlen, versammelt hatte, begab sich der König mit ihm zur Lade. Die Priester trugen sie aus dem Hause des Aminadab heraus, stellten sie auf einen neuen Wagen, spannten die Ochsen vor und liessen diese von den Brüdern und Söhnen Aminadabs führen. 80 Der König nebst dem ganzen Volke ging voraus, Gott preisend und allerlei Lobgesänge anstimmend, und so geleiteten sie unter dem Klange von mancherlei Instrumenten, Saitenspiel, Tanz und Gesang, sowie unter dem Schalle von Hörnern und Cymbeln die Lade nach Jerusalem. 81 Als sie nun bis zur sogenannten „Tenne des Chidon“ gekommen waren, bestrafte Gott in seinem Zorne den Ozas mit dem Tode. Denn da die Ochsen zufällig etwas abwichen und die Lade infolgedessen sich zur Seite neigte, griff Ozas mit der Hand nach ihr, um sie festzuhalten. Weil er nun die Lade berührt hatte, ohne Priester zu sein, liess ihn Gott sogleich sterben, worüber der König und das Volk in grosse Betrübnis gerieten. 82 Der Ort aber, wo Ozas starb, heisst noch heute „Schlag des Ozas.“ Da nun David befürchtete, es möchte ihm dasselbe wie dem Ozas widerfahren, wenn er die Lade in die Stadt und in sein Haus aufnähme, da doch Ozas nur die Hand nach ihr ausgestreckt und deshalb schon habe sterben müssen, 83 wollte er sie nicht in die Stadt bringen, sondern wandte sich einem Acker zu, der einem [406] gerechten Leviten Namens Obedam gehörte, und setzte bei ihm die Lade nieder. Hier blieb sie drei volle Monate und bescherte dem Hause des Obedam Reichtum und Segen. 84 Als David aber vernahm, dass Obedam so wohlhabend geworden sei, dass er, obwohl früher arm, jetzt im Überfluss lebe, und dass alle ihn glücklich priesen, die sein reiches Haus sahen oder davon hörten, fasste er Mut und nahm die Lade zu sich in der Meinung, dass sie auch ihm reichen Segen bringen werde. 85 Priester trugen dieselbe, und sieben vom König dazu bestellte Chöre schritten ihr voran. David selbst aber schlug die Harfe und klatschte in die Hände, sodass sein Weib Michal, die Tochter Sauls, als sie ihn sich so aufführen sah, ihren Spott an ihm ausliess. 86 Als man nun die Lade in die Stadt gebracht und in der Hütte aufgestellt hatte, die David ihr errichtet, brachte er unter grossem Aufwand Friedopfer dar und bewirtete das ganze Volk, indem er unter die Männer wie unter die Weiber und Kinder Brote, geröstete Ölkuchen und Stücke vom Opferfleisch verteilte. Darauf liess er das Volk wieder nach Hause ziehen, und auch er selbst begab sich in seinen Palast.

(3.) 87 Dort trat ihm sein Weib Michal, Sauls Tochter, entgegen, wünschte ihm Glück und bat, dass Gott ihm alles gewähren möge, was er in seiner Huld zu spenden vermöge. Doch tadelte sie ihn, dass er, der grosse König, so unziemlich getanzt und sich beim Tanzen vor den Augen seiner Knechte und Mägde entblösst habe. 88 Er aber sagte, er brauche sich dessen nicht zu schämen, was Gott wohlgefällig sei, der ihn ihrem Vater und allen anderen vorgezogen habe, und er werde auch künftig noch öfter spielen und tanzen, ohne sich darum zu kümmern, ob das ihr oder ihren Mägden unanständig erscheine. 89 Diese Michal war von David nie schwanger geworden; später aber, als ihr Vater Saul sie einem anderen Menue vermählt hatte, dem David sie bekanntlich wieder entriess, gebar sie fünf Kinder, von denen später noch die Rede sein wird.

[407] (4.) 90 Als nun der König sah, dass unter Gottes Fürsorge seine Lage von Tag zu Tag glücklicher wurde, hielt er es für sündhaft, dass er selbst in einem grossen, künstlerisch geschmückten Palaste aus Cedernholz wohnen, die Lade Gottes aber in einer Hütte stehen lassen sollte. 91 Er beschloss daher nach dem Gebote des Moyses, Gott einen Tempel zu bauen. Und da er dieserhalb den Rat des Propheten Nathan einholte, und dieser ihn in seinem Vorhaben bestärkte, weil Gott ihm stets hilfreich sich erzeigen werde, wurde sein Verlangen, den Tempel zu bauen, noch mächtiger. 92 In der Nacht aber erschien Gott dem Nathan und hiess ihn dem David verkündigen, sein guter Wille und sein Eifer gefalle ihm zwar, zumal da niemand vor ihm an die Erbauung eines Tempels gedacht habe; doch könne er ihm den Tempelbau nicht gestatten, da er viele Kriege geführt und seine Hände mit Feindesblut befleckt habe. 93 Nachdem er aber in hohem Alter zu seinen Vätern gegangen sein werde, solle der Tempel von dem seiner Söhne, der nach ihm regieren werde und Solomon heisse, erbaut werden. Für Solomon werde er wie für seinen Sohn sorgen und die Herrschaft seinen Nachkommen erhalten. Sollte er aber in irgend einer Sache sündigen, so werde er das nur durch Krankheiten und Unfruchtbarkeit des Bodens ahnden. 94 Als David dies von dem Propheten vernahm, freute er sich sehr, weil er jetzt wusste, dass die Herrschaft seinen Nachkommen verbleiben und sein Geschlecht herrlich und berühmt werden würde. 95 Und er begab sich zur Lade, fiel auf sein Angesicht und betete, um Gott zu danken für alle Wohlthaten, die er ihm schon erwiesen dadurch, dass er ihn aus dem niedrigen Stande eines Hirten zu solchem Ruhm und solcher Macht erhoben, dann auch für das Gute, das er seinen Nachkommen verheissen habe, endlich dafür, dass er um die Hebräer und ihre Freiheit stets so besorgt gewesen sei. Nachdem er also gebetet und Gott ein Loblied gesungen hatte, entfernte er sich aus der Hütte.

[408]
Fünftes Kapitel.
David unterwirft die Palaestiner und Moabiter, die Könige von Sophene, Damaskus und Syrien und die Idumäer, schliesst ein Bündnis mit dem Könige von Amathe und findet Gelegenheit, der Freundschaft des Jonathas dankbar sich zu erinnern.

(1.) 96 Kurze Zeit darauf erwog David bei sich, dass er die Palaestiner notwendig bekämpfen müsse und nicht in Ruhe und Unthätigkeit feiern dürfe, damit er nach Gottes Befehl seinen Nachkommen das Reich in Frieden hinterlassen könne. 97 Deshalb rief er wiederum sein Heer zusammen und verkündete ihm, es solle sich zum Kriege rüsten; und als alles in Ordnung war, verliess er Jerusalem und marschierte gegen die Palaestiner. 98 Diese schlug er, nahm ihn einen grossen Teil ihres Landes, den er dem Gebiete der Hebräer einverleibte, und wandte sich dann gegen die Moabiter. Deren Heer rieb er zu zwei Teilen gänzlich auf, den Rest aber brachte er unter seine Botmässigkeit und legte ihm einen jährlichen Tribut auf. 99 Alsdann führte er sein Heer gegen Adrazar, den Sohn des Araus und König von Sophene, traf mit ihm am Flusse Euphrat zusammen und tötete von dessen Truppen zwanzigtausend Mann Fussvolk und siebentausend Reiter. Auch nahm er ihm tausend Wagen ab, von denen er hundert für sich auf bewahrte, während er den Rest verbrennen liess.

(2.) 100 Als Adad, der König von Damaskus und Syrien, gehört hatte, dass David den Adrazar bekriege, eilte er diesem als Freund mit einer starken Mannschaft zu Hilfe. Am Euphrat traf auch er mit David zusammen, doch verlor er wider Erwarten einen grossen Teil seines Heeres; denn es fielen von seinen Leuten zwanzigtausend Mann unter den Schwertern der Hebräer, alle übrigen aber flohen. 101 Diesen König erwähnt auch Nikolaus im vierten Buche seiner Geschichten mit folgenden Worten: „Lange Zeit nachher herrschte über Damaskus und [409] Syrien mit Ausnahme von Phoenicien ein mächtiger eingeborener Fürst mit Namen Adad. Dieser liess sich in einen Krieg mit David, dem Könige der Juden, ein, kämpfte mit ihm in vielen Schlachten und unterlag zuletzt am Euphrat, er, der stärkste und tapferste aller Könige.“ 102 Dann berichtet er auch von seinen Nachkommen, dass nach seinem Tode immer einer vom anderen mit der Herrschaft auch den Namen erhalten habe, in folgenden Worten: „Als er gestorben war, herrschten seine Nachkommen bis ins zehnte Geschlecht, indem jeder von seinem Vater mit der Herrschaft zugleich auch den Namen erhielt, wie es bei den Ptolemäern in Aegypten der Fall war. 103 Der dritte von ihnen, der an Macht sehr eingebüsst hatte, wollte den Besitz seines Grossvaters mit Gewalt wiederherstellen und verwüstete das Land, das jetzt Samaritis genannt wird.“ Hierin weicht er auch nicht von der Wahrheit ab; denn das ist derselbe Adad, der zur Zeit, als Achab König der Israëliten war, in Samaria einfiel, wovon an geeigneter Stelle die Rede sein wird.

(3.) 104 Als nun David Damaskus und das übrige Syrien ganz in seine Gewalt gebracht, Besatzungen in das Land gelegt und den Bewohnern eine Abgabe auferlegt hatte, kehrte er nach Hause zurück und weihte zu Jerusalem Gott die goldenen Köcher und Rüstungen, mit denen Adads Trabanten versehen gewesen waren. 105 Diese hat später Susak, der König der Aegyptier, nachdem er Davids Enkel Roboam überwunden hatte, nebst vielen anderen Schätzen aus Jerusalem weggebracht, wovon an passender Stelle Näheres berichtet werden wird. – Da nun Gott alle Unternehmungen des Hebräerkönigs begünstigte und allen seinen Kriegen ein glückliches Ende verlieh, führte David sein Heer auch noch gegen die schönsten Städte Adrazars, Bettaea und Machon‚ und eroberte und plünderte dieselben. 106 In ihnen fand er eine Menge Gold und Silber, ausserdem auch eine Art Erz, die man für kostbarer als Gold hielt. Daraus liess Solomon später das grosse Becken, welches Meer genannt wird, [410] und andere herrliche Geräte anfertigen, mit denen er den Tempel Gottes zierte.

(4.) 107 Als der König von Amathe von der Niederlage Adrazars hörte, fürchtete er für sich selbst und beschloss daher, mit David, ehe dieser ihn angreifen würde, ein Freundschaftsbündnis einzugehen. Zu dem Zwecke schickte er seinen Sohn Adoram zu ihm, welcher ihm in seinem Namen zur Niederwerfung Adrazars, der auch sein Feind gewesen sei, Glück wünschen und das Bündnis mit ihm schliessen sollte. 108 Auch übersandte er als Geschenke goldene, silberne und eherne Gefässe von alter Arbeit. David ging das Bündnis mit Thaenus (so hiess der König von Amathe) ein, nahm seine Geschenke an und entliess seinen Sohn, wie es ihrer beiderseitigen Würde entsprach, mit allen Ehren. Die Geschenke aber sowie das übrige Gold und Silber, das von den unterjochten Städten und Völkerschaften stammte, weihte er Gott. 109 Dieser nun verlieh nicht nur dem David selbst in allen Kämpfen den Sieg, sondern auch dem Abessa, dem Bruder Joabs, den David mit einem Heere nach Idumaea schickte: denn es blieben von den Idumäern achtzehntausend Mann in der Schlacht. Hierauf versah der König das ganze Land Idumaea mit Besatzungen und legte den Idumäern Grund- und Kopfsteuer auf. – 110 David war aber von Natur gerecht und fällte seine Urteilssprüche unparteiisch. Sein oberster Heerführer war Joab, zum Geheimkämmerer ernannte er den Josaphat, den Sohn des Achilus, und den Sadok machte er mit Abiathar, der ihm befreundet war, zu Hohepriestern. Sadok stammte aus dem Hause des Phineës. Zu seinem Schreiber erwählte er den Sisas, und dem Banajas, dem Sohne des Joadas, übertrug er den Oberbefehl über seine Trabanten. Des letzteren älteste Söhne ernannte er zu seinen Leibwächtern und vertraute ihnen seinen direkten Schutz an.

(5.) 111 David erinnerte sich auch des Bündnisses, das er mit Sauls Sohn Jonathas geschlossen, sowie des eidlich beschworenen Treuegelöbnisses und der Freundschaft, [411] die er ihm erzeigt hatte. Denn zu seinen übrigen Tugenden kam auch die noch hinzu, dass er sich stets deren erinnerte, die ihm Gutes gethan. 112 Er befahl daher, man solle sorgfältig nachforschen, ob noch jemand von Jonathas’ Verwandten am Leben sei, dem er den Dank für die ehemals genossene Freundschaft abtragen könne. Und da ihm einer von Sauls Freigelassenen zugeführt wurde, der wissen konnte, ob noch jemand von Jonathas’ Geschlecht am Leben war, fragte er ihn diesbezüglich aus. 113 Darauf entgegnete der Mann, es sei noch ein Sohn von ihm mit Namen Memphibost am Leben, der an den Füssen gelähmt sei. Denn als seine Amme die Nachricht erhalten habe, des Knaben Vater und Grossvater seien in der Schlacht gefallen, sei sie mit ihm eilig geflohen. Auf der Flucht sei er ihr dann von der Schulter gefallen und habe sich die Füsse verletzt. Als nun David erfahren hatte, wo derselbe sich befinde und bei wem er erzogen werde, schickte er in die Stadt Labatha zu einem gewissen Machir und liess ihn zu sich rufen. 114 Memphibost kam darauf zum Könige, fiel vor ihm nieder und erwies ihm die üblichen Ehrenbezeugungen. David aber hiess ihn wohlgemut sein und das Beste von ihm erwarten. Dann schenkte er ihm sein väterliches Haus und alles, was seinem Grossvater Saul früher gehört hatte. Auch hiess er ihn täglich an seinem Tische erscheinen und nur ja keinen Tag wegbleiben. 115 Und da der Knabe dem Könige für die freundlichen Worte und die Geschenke gedankt hatte, liess dieser den Sibas rufen und sagte ihm, er habe dem Knaben sein väterliches Haus und allen Besitz Sauls geschenkt. Dann befahl er ihm, dessen Landbesitz zu verwalten und den ganzen Ertrag davon nach Jerusalem zu bringen. Und jeden Tag zog er den Memphibost zu Tische und gab ihm den Sibas und dessen Söhne, fünfzehn an der Zahl, sowie dessen Knechte, im ganzen zwanzig, bei. 116 Nachdem der König das alles angeordnet hatte, entfernte sich Sibas nach Erweisung der Ehrenbezeugungen und mit der Versicherung, alles getreulich ausführen zu wollen. [412] Der Sohn des Jonathas aber wohnte von da ab zu Jerusalem, speiste an der königlichen Tafel und wurde mit aller Aufmerksamkeit behandelt, als ob er des Königs eigener Sohn sei. Er zeugte später auch selbst einen Sohn mit Namen Michas.

Sechstes Kapitel.
Der Krieg gegen die Ammaniter und sein glücklicher Ausgang.

(1.) 117 So ehrte David die Hinterbliebenen Sauls und Jonathas’. Da um diese Zeit Naases, der König der Ammaniter, der dem David befreundet war, starb und sein Sohn ihm in der Regierung folgte, schickte David Gesandte zu diesem, liess ihm sein Beileid aussprechen und ihn ermahnen, er möge über den Tod seines Vaters nicht zu sehr trauern und sich der Fortdauer der Freundschaft, die zwischen ihm und seinem Vater gewaltet, versichert halten. 118 Die Vornehmen der Ammaniter aber nahmen diese Ankündigung nicht im Sinne Davids, vielmehr mit boshaftem Gemüte auf und sagten dem Könige, David wolle unter dem Scheine der Freundschaft Spione schicken, die das Land und seine Streitkräfte auskundschaften sollten. Zugleich gaben sie ihm den Rat, er möge sich vorsehen und nicht leichtgläubig den Versicherungen Davids trauen, damit er vor folgenschwerem Unglück bewahrt bleibe. 119 Naases legte auf diese Worte der Vornehmen mehr Gewicht, als recht war, und misshandelte die Gesandten Davids. Er liess ihnen nämlich den halben Bart scheren und die Kleider zur Hälfte aufschneiden und schickte sie mit dieser aus Thaten statt aus Worten bestehenden Antwort zurück. 120 Hierüber erzürnte der König der Israëliten gewaltig und erklärte, er werde dieses schmachvolle Unrecht nicht so ohne weiteres hinnehmen, sondern die Ammaniter mit Krieg überziehen und ihren König für den an seinen Gesandten verübten Frevel züchtigen. 121 Da nun des [413] Königs Freunde und Heerführer einsahen, dass sie das Bündnis gebrochen und Strafe zu gewärtigen hatten, rüsteten sie sich eilig zum Kriege, schickten zu Syrus, dem Könige der Mesopotamiter und boten ihm eintausend Talente[1] an, wenn er ihnen Hilfe leisten wolle. Auch mit Subas schlossen sie ein Bündnis. Diese Könige hatten zwanzigtausend Mann Fussvolk. Dazu mieteten sie sich noch den König der Amalekiter und einen vierten Namens Istob, die noch zwölftausend Bewaffnete zuführten.

(2.) 122 Den David aber erschreckte diese Waffenbrüderschaft und die grosse Streitmacht der Ammaniter nicht. Vielmehr vertraute er auf Gott, weil er einen gerechten Krieg zur Bestrafung ihm zugefügter Unbilden zu unternehmen im Begriffe stand, und schickte seinen Feldherrn Joab sogleich mit dem ganzen Heere gegen den Feind. 123 Joab schlug bei Rabatha, der Hauptstadt der Ammaniter, sein Lager auf. Die Feinde rückten darauf aus der Stadt heraus, stellten jedoch nicht gemeinschaftlich, sondern jeder für sich ihre Schlachtlinie auf; denn die Hilfstruppen standen im offenen Felde, die Streitmacht der Ammaniter dagegen dicht vor den Thoren gegenüber den Hebräern. 124 Joab, der dies überschaute, machte sich seinen Plan zurecht, wählte die Tapfersten aus und stellte sie dem Syrus und den übrigen verbündeten Königen entgegen. Den Rest des Heeres übergab er seinem Bruder Abessa und hiess ihn seine Truppen gegen die Ammaniter führen, indem er ihm den Rat gab, er solle, wenn er sähe, dass die Syrer zu mächtig seien, ihm zu Hilfe kommen; dasselbe wolle auch er thun, wenn er sähe, dass Abessa zu hart von den Ammanitern bedrängt werde. 125 Dann beschwor er seinen Bruder, er möge alles tapfer und mit der Behendigkeit zur Ausführung bringen, die das Zeichen ehrliebender Streiter sei; er selbst griff dann die Syrer an. 126 Als diese [414] eine Zeitlang hartnäckigen Widerstand geleistet hatten, machte Joab einen grossen Teil von ihnen nieder, die übrigen aber trieb er in die Flucht. Sobald die Ammaniter das sahen, liessen sie sich aus Furcht vor Abessa und seinem Heere gar nicht auf den Kampf ein, sondern folgten dem Beispiele ihrer Bundesgenossen und flohen in die Stadt. Nachdem Joab so die Feinde geschlagen und in die Flucht gejagt hatte, kehrte er in glänzendem Aufzuge nach Jerusalem zum Könige zurück.

(3.) 127 Trotz dieser Niederlage wollten aber die Ammaniter noch keine Ruhe halten, sondern schickten Gesandte an Chalamas, den König der jenseits des Euphrat wohnenden Syrer, und erkauften sich um Geld dessen Bundesgenossenschaft. Dieser hatte achtzigtausend Mann Fussvolk und zehntausend Reiter unter Anführung des Feldherrn Sabek. 128 Da nun der König der Hebräer erfuhr, die Ammaniter hätten aufs neue eine so gewaltige Streitmacht gegen ihn gesammelt, beschloss er, nicht mehr seine Feldherrn gegen sie zu schicken, sondern zog selbst mit seinem ganzen Heere über den Jordan ihnen entgegen, lieferte ihnen eine Schlacht und besiegte sie gänzlich. Es fielen von den Feinden gegen vierzigtausend Mann Fussvolk und siebentausend Reiter, und Sabek, der Heerführer des Königs Chalamas, wurde tödlich verwundet. 129 Infolge dieses glücklichen Ausganges der Schlacht ergaben sich die Mesopotamiter dem David und sandten ihm Geschenke. Da aber der Winter im Anzuge war, kehrte David nach Jerusalem zurück. Mit Frühjahrsanfang schickte er dann seinen Heerführer Joab noch einmal gegen die Ammaniter. Dieser fiel in das Gebiet der Ammaniter ein, verwüstete ihre Äcker und trieb sie selbst in ihre Hauptstadt Rabatha zusammen, die er dann belagerte.

[415]
Siebentes Kapitel.
David entbrennt in Liebe zu Beersabe, bereitet ihrem Gatten Urias den Tod und wird von Nathan zur Reue gebracht.

(1.) 130 Um diese Zeit fiel David, der von Natur ein gerechter und frommer Mann war und die väterlichen Gesetze streng beobachtete, in eine schwere Sünde. Als er nämlich eines Tages vom Dache seines Königspalastes, auf dem er gegen Abend zu wandeln pflegte, sich umschaute, bemerkte er ein sehr schönes Weib mit Namen Beersabe, die sich in ihrem Hause in frischem Wasser badete. Von ihrer Schönheit wurde er derart gefesselt, dass er seine Begierde nicht zu bezähmen vermochte, sondern sie zu sich kommen liess und mit ihr sündigte. 131 Da nun das Weib schwanger wurde, schickte sie zum Könige und liess ihn bitten, er möge doch dafür sorgen, dass das Vergehen verborgen bleibe; denn da sie einen Ehebruch begangen, war sie nach dem väterlichen Gesetze dem Tode verfallen. David liess daher den Gatten des Weibes, der Joabs Waffenträger war, von der Belagerung Rabathas herbeirufen; der Mann hiess Urias. Als er nun kam, fragte David ihn, wie es mit dem Heere und der Belagerung stehe. 132 Er antwortete, es gehe alles nach Wunsch. Hierauf liess David ihm von seinem Mahle ein Gericht auftragen und hiess ihn dann sich zu seiner Gattin begeben und bei ihr ruhen. Urias that das aber nicht, sondern schlief bei den Waffenträgern des Königs. 133 Als der König das vernahm, fragte er ihn, weshalb er sich nicht nach Hause begeben habe, zumal er so lange von seinem Weibe weggewesen sei, wie denn doch in der Regel sich die Menschen nach Hause sehnten, wenn sie lange in der Fremde gewesen. Urias entgegnete, er halte es nicht für schicklich, bei seinem Weibe sich zu ergötzen, während seine Kampfgenossen und sein Feldherr in Feindesland im Lager schlafen müssten. 134 Darauf befahl ihm der König, noch diesen Tag bei ihm zu [416] bleiben, am anderen Tage werde er ihn dann wieder zu seinem Feldherrn schicken. Urias ward alsdann von David zum Mahle geladen und berauschte sich dabei, weil der König ihm absichtlich häufig zutrank. Nichtsdestoweniger schlief er aber auch diese Nacht wieder vor des Königs Thür und trug nach seinem Weibe kein Verlangen. 135 Hierüber ward der König unwillig und beauftragte den Joab brieflich, er solle den Urias bestrafen, denn er habe gefehlt, gab ihm auch die Art und Weise an, wie er ihn bestrafen solle, damit es nicht offenkundig würde, dass der König selbst die Bestrafung befohlen habe. 136 Er solle ihn nämlich da gegen den Feind stellen, wo dieser am gefährlichsten andränge, und ihn von den übrigen Kämpfern trennen; denn sobald die Schlacht begonnen habe, sollten die Kampfgenossen sich von ihm fortbegeben. Dieses Schreiben schloss der König mit seinem eigenen Siegel und übergab es dem Urias, damit er es dem Joab bringe. 137 Als Joab den Brief erhielt und den Willen des Königs daraus ersah, stellte er den Urias an den Ort, wo, wie er wusste, der Feind am heftigsten angreifen würde. Auch gab er ihm einige tapfere Krieger bei und sagte ihnen, er werde, wenn sie irgendwo die Mauer untergraben hätten, sodass man in die Stadt eindringen könne, ihnen mit dem ganzen Heer zu Hilfe kommen. 138 Den Urias aber bat er, er möge, da er ein wackerer Streiter sei und deshalb beim Könige und seinen Kampfgenossen in hoher Achtung stehe, sich die grossen Beschwerden nicht verdriessen lassen und sich willig darein fügen. Und da Urias eifrig Hand anlegte, gab Joab seinen Mitkämpfern heimlich ein Zeichen und sagte ihnen, sie sollten, sobald sie den Feind hervorbrechen sähen, sich zurückziehen und den Urias im Stich lassen. 139 Sowie nun die Hebräer sich der Stadt näherten, besorgten die Ammaniter, die Feinde möchten an der Stelle, wo Urias stand, rasch die Mauer ersteigen; sie liessen deshalb ihre tapfersten Kämpfer dort anrücken, öffneten das Thor und machten mit grossem Ungestüm einen Ausfall. 140 Als dies die Kampfgenossen [417] des Urias sahen, zogen sie sich dem Befehle Joabs gemäss zurück. Urias dagegen schämte sich, zu fliehen und seinen Posten zu verlassen, hielt deshalb den Feinden wacker stand und tötete ihrer viele; endlich jedoch wurde er umzingelt und niedergemacht, und mit ihm fielen auch einige seiner Genossen.

(2.) 141 Hierauf schickte Joab Boten an den König, um ihm mitzuteilen, er habe sich Mühe gegeben, die Stadt schnell einzunehmen; als er aber die Mauer habe ersteigen wollen, sei er mit Verlust ziemlich beträchtlicher Mannschaft zum Rückzug gezwungen worden. Den Boten trug er dann noch auf, sie sollten, wenn sie den König bei dieser Nachricht in Zorn geraten sähen, ihm den Tod des Urias melden. 142 Als nun der König die Nachricht erhielt, ward er sehr unwillig und bemerkte, sie hätten sehr unklug gehandelt, da sie versucht hätten, die Mauern zu erstürmen; vielmehr hätten sie dieselben unterminieren und versuchen sollen, die Stadt mit List zu nehmen. Ein Beispiel hätten sie sich da an Abimelech, dem Sohne des Gedeon, nehmen können, der, als er den Turm von Theben mit Gewalt habe erstürmen wollen, von einem alten Weib mit einem Steine getötet worden sei und, obgleich er ein so tapferer Held gewesen, bei dem schwierigen Beginnen schmachvoll sein Leben verloren habe. 143 Daran hätten sie denken und nicht so nahe an die Stadtmauern herangehen sollen. Denn es sei vorteilhaft, sich frühere Kriegsthaten ins Gedächtnis zurückzurufen, seien dieselben nun glücklich oder unglücklich verlaufen, um daraus entnehmen zu können, was man thun oder lassen müsse. 144 Als der Bote nun aber dem ergrimmten Könige den Tod des Urias meldete, liess dieser sogleich von seinem Zorn ab und befahl dem Boten, er solle zurückkehren und dem Joab melden, es sei etwas Menschliches, was dem Urias zugestossen sei, und die Natur des Krieges bringe es nun einmal mit sich, dass das Glück bald der einen, bald der anderen Partei günstig sei. 145 Künftig möge er aber bei der Belagerung sorgfältiger verfahren und nichts [418] ausser acht lassen, sondern Wälle aufwerfen, die Stadt mit Belagerungsmaschinen berennen und in seine Gewalt bringen, sodann aber dieselbe von Grund aus zerstören und ihre Bewohner ohne Ausnahme umbringen. Mit diesem Befehl des Königs begab sich der Bote eilig zu Joab zurück. 146 Beersabe aber, des Urias Weib, trauerte und weinte einige Tage um ihren Mann, als sie seinen Tod vernommen hatte. Nach Ablauf der Trauerzeit nahm sie der König zum Weibe und erhielt von ihr einen Sohn.

(3.) 147 Diese Ehe fand aber nicht den Beifall Gottes, sondern er zürnte dem David, erschien dem Propheten Nathan im Traume und klagte den König schwer an. Nathan jedoch, der ein höflicher und verständiger Mann war, überlegte bei sich, dass die Könige, wenn sie zürnen, mehr ihrer Leidenschaft als der Gerechtigkeit zu folgen pflegen, und beschloss daher, die Drohungen Gottes mit Stillschweigen zu übergeben und dafür andere nützliche Ermahnungen an David zu richten, 148 wodurch dieser sich vielleicht veranlasst fühlen würde, seine wahre Gesinnung zu offenbaren. „Zwei Männer,“ sagte er, „wohnten in einer und derselben Stadt; der eine von ihnen war reich und besass viele Schaf- und Rinderherden, der andere aber war arm und nannte nur ein einziges Schäfchen sein eigen. 149 Dieses zog er mit seinen Kindern auf, genoss mit ihm dieselbe Speise und liebte es wie eine Tochter. Als nun zu dem Reichen ein Gastfreund kam, wollte er zum Mahle keines von seinen eigenen Schafen schlachten, sondern liess dem Armen sein Schäfchen wegnehmen, bereitete es zu und setzte es seinem Gaste vor.“ 150 Diese Rede betrübte den König sehr; er nannte den Mann, der solches thun könne, einen Verbrecher und sagte, es sei gerecht, dass er das Schäfchen vierfach bezahle und dann noch mit dem Tode bestraft werde. Nathan aber entgegnete ihm, er selbst sei der, der diese Strafe verdient habe, und er habe sich selbst das Urteil gesprochen, weil er eine so ungeheure Schandthat zu begehen gewagt habe. 151 Dann stellte er ihm den [419] Zorn Gottes vor Augen, des Gottes, der ihn zum König aller Hebräer und zum Beherrscher so vieler und mächtiger Völkerschaften gemacht, ihn einst aus den Händen Sauls befreit und ihm rechtmässige Ehefrauen gegeben habe. Nichtsdestoweniger habe er ihn jetzt verachtet und beleidigt, da er ein fremdes Weib zur Ehe genommen und ihren Gatten hinterlistiger Weise von Feindeshand habe töten lassen. 152 Dafür werde er von Gott schwer bestraft werden: seine eigenen Weiber würden von einem seiner Söhne geschändet und ihm selbst von diesem Sohne nach dem Leben getrachtet werden, und so werde er für den heimlich begangenen Frevel öffentliche Strafe erleiden. Auch werde der Knabe, den das Weib ihm geboren, in kurzer Zeit sterben. 153 David geriet hierüber in Schrecken und Bestürzung und bekannte unter Thränen und Wehklagen seine Sünde gegen Gott, denn er war an sich ein frommer, unbescholtener und reiner Mann, der ausser dem Vergehen mit des Urias Weib sich nichts hatte zu schulden kommen lassen. Deshalb erbarmte sich Gott seiner, nahm ihn in Gnaden wieder auf und versprach, ihm Königreich und Leben erhalten zu wollen; denn wegen seiner Reue wolle er ihm nicht weiter zürnen. Als Nathan so dem König sein künftiges Geschick verkündigt hatte, kehrte er nach Hause zurück.

(4.) 154 Den Knaben aber, den das Weib des Urias dem David geboren hatte, suchte Gott mit schwerer Krankheit heim. Hierüber betrübte sich David so sehr, dass er trotz der dringenden Bitten seiner Hausgenossen sieben Tage lang keine Nahrung zu sich nahm, vielmehr ein schwarzes Gewand anlegte, in einem Sacke sich zur Erde warf und Gott inständig um des Knaben Heilung anflehte; denn er hatte dessen Mutter sehr lieb. 155 Als aber der Knabe am siebenten Tage gestorben war, scheuten sich die Diener des Königs, ihm dies mitzuteilen; denn sie besorgten, er möchte, wenn er es erführe, noch weniger auf Nahrung und Körperpflege achten, zumal er schon über die Krankheit sich so sehr gegrämt habe. [420] 156 Da nun der König merkte, dass seine Hausgenossen sehr verstört waren und sich anstellten, als ob sie ihm etwas verheimlichen wollten, schloss er daraus, dass der Knabe gestorben sei. Darauf liess er einen seiner Diener zu sich kommen, und als er von ihm die Wahrheit erfahren hatte, erhob er sich sogleich, badete, legte ein weisses Kleid an und begab sich zur Hütte Gottes. 157 Dann befahl er, ihm ein Mahl aufzutragen. Dieses veränderte und unerwartete Benehmen setzte seine Verwandten und Diener in Erstaunen; denn da er während der Krankheit des Knaben nichts dergleichen gethan hatte, fing er auf einmal nach seinem Tode damit an. Sie fragten ihn deshalb nach der Ursache dieses seines Benehmens, nachdem sie vorher hierzu von ihm die Erlaubnis erwirkt hatten. 158 Er antwortete ihnen, sie schienen ihm sehr unverständig zu sein; denn so lange der Knabe noch gelebt und er noch Hoffnung auf seine Heilung gehabt habe, habe er alles Erforderliche gethan in dem Glauben, Gott dadurch versöhnen zu können. Da er nun aber gestorben sei, sei nutzlose Trauer nicht mehr vonnöten. Als der König so gesprochen, lobten alle seine Weisheit und Klugheit. Beersabe ward hierauf wieder von ihm schwanger und nannte den Sohn, den sie gebar, auf Anraten des Propheten Nathan Solomon.

(5.) 159 Unterdessen setzte Joab den Ammanitern mit der Belagerung sehr zu und schnitt ihnen das Wasser und die übrigen Lebensmittel ab, sodass sie unter Hunger wie Durst gewaltig litten. Ihre Hoffnung beruhte schliesslich noch auf einem einzigen kleinen Brunnen, mit dessen Wasser sie nach Lage der Sache sehr sparsam umgingen. 160 Joab benachrichtigte hiervon brieflich den König und bat ihn, zur Einnahme der Stadt herüberzukommen, damit ihm selbst die Ehre des Sieges zu teil würde. Der König lobte seine treue und selbstlose Gesinnung, machte sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Truppen auf, nahm die Stadt Rabatha im Sturm und gab sie dem Kriegsvolk [421] zur Plünderung preis. 161 Für sich selbst nahm er die Krone des Ammaniterkönigs, welche ein Talent Gold wog und in der Mitte einen kostbaren Sardonyxstein hatte. Diese Krone trug David von da an mit Vorliebe. Ausserdem fand er noch viele andere kostbare und glänzende Beutestücke in der Stadt vor. Die Männer liess er alsdann unter vielen Qualen umbringen. Ebenso streng verfuhr er gegen die anderen Ammaniterstädte, welche er eroberte.

Achtes Kapitel.
Abesalom tötet den Amnon, weil dieser seine leibliche Schwester geschändet; er wird deshalb flüchtig, später aber von David zurückgerufen.

(1.) 162 Als der König nach Jerusalem zurückgekehrt war, stiess seinem Hause folgendes Unglück zu. Er hatte eine jungfräuliche Tochter mit Namen Thamar, die die leibliche Schwester Abesaloms war und an Schönheit selbst die wohlgestaltetsten Weiber übertraf. 163 Zu dieser entbrannte in Liebe Amnon, der älteste von Davids Söhnen, und da er sich, weil sie noch Jungfrau war und sorgfältig bewacht wurde, ihrer nicht bemächtigen konnte, wurde er tieftraurig, magerte vor Gram ab und verlor seine blühende Farbe. 164 Als sein Verwandter und Freund Jonathas, der ein kluger und geistreicher Mann war, ihn so leiden sah und täglich wahrnahm, dass er an körperlichem Wohlbefinden einbüsste, fragte er ihn eines Tages nach der Ursache davon und fügte hinzu, er glaube, es sei leidenschaftliche Liebe daran schuld. 165 Als Amnon das bejahte und ihm mitteilte, er liebe seine Schwester, gab Jonathas ihm Mittel und Wege an, wie er zur Erfüllung seines Wunsches gelangen könne. Er riet ihm nämlich, er solle sich krank stellen, und wenn sein Vater ihn dann besuchen komme, solle er ihn bitten, ihm die Schwester zur Pflege zu schicken, da er hoffe, dadurch besser zu werden und schneller zu genesen. [422] 166 Amnon legte sich also zu Bett und schützte Krankheit vor, wie Jonathas ihm geraten hatte. Und als sein Vater ihn besuchte und sich nach seinem Befinden erkundigte, bat er ihn, er möge ihm seine Schwester schicken, was dieser sogleich gewährte. Die Schwester kam nun, und Amnon ersuchte sie, ihm Kuchen zu backen, weil er diese lieber esse, wenn sie von ihr zubereitet seien. 167 Sie mengte darauf vor seinen Augen den Teig, formte Kuchen daraus, buk sie und bot sie ihm an. Doch wollte er sie noch nicht essen, sondern befahl zunächst seinen Dienern, sie sollten sich alle aus dem Schlafgemach entfernen, denn er wolle ruhen und von Getöse und Lärm verschont sein. 168 Als diese dem Befehl nachgekommen waren, bat er seine Schwester, sie möge ihm die Speise in sein Gemach bringen. Da nun das Mädchen ihm die Bitte erfüllte, ergriff er sie und suchte sie zu überreden, dass sie sich ihm hingebe. Das Mädchen aber schrie laut auf und sprach: „Thue mir doch, o Bruder, keine Gewalt an und begehe keine solche Schandthat, wodurch du die Gesetze übertreten würdest und deren du dich schämen müsstest. Stehe ab von der Befriedigung deiner Begierde, woraus unserer Familie nur Schimpf und Schande erwachsen würde.“ 169 Sie gab ihm dann noch den Rat, er solle über die Angelegenheit mit dem Vater reden, der ihm seinen Wunsch wohl erfüllen würde. Das sagte sie aber, um für den Augenblick seine begehrliche Leidenschaft zu dämpfen. Amnon jedoch hörte nicht auf sie, sondern that ihr, von Lust und Liebe entbrannt, Gewalt an. 170 Nach begangener That aber fuhr er seine Schwester sogleich hart an und hiess sie unter Schimpfworten sich erheben und sich fortmachen. Als sie sich nun beklagte, er beleidige sie noch mehr, weil er sie, nachdem er sie geschändet, nicht einmal bis zur Nacht bei sich behalten wolle, sondern sie am hellen Tage fortgehen heisse, damit ihre Schande offenkundig werde, liess er sie durch einen Diener vor die Thür werfen. 171 Über dieses Unrecht und die an ihr verübte Gewaltthat wurde Thamar von Schmerz [423] ergriffen, zerriss ihr Gewand (die Jungfrauen trugen nach alter Sitte mit langen Ärmeln versehene und bis auf die Knöchel reichende Gewänder, die alle Blösse bedeckten), streute Asche auf ihr Haupt, ging mitten durch die Stadt und schrie und jammerte über die ihr zugefügte Unbill. 172 Da begegnete ihr zufällig ihr Bruder Abesalom und fragte sie, was ihr Übles widerfahren sei, dass sie sich so aufführe. Und als sie ihm das ihr angethane Unrecht erzählte, tröstete er sie, ermahnte sie, ruhig zu sein, ihren Schmerz zu mässigen und es nicht für eine Schmach zu halten, dass sie von ihrem Bruder geschändet worden sei. Sie liess sich auch beruhigen, hörte auf zu jammern und ihre Schande im Volke weiter zu verbreiten, und blieb dann ziemlich lange zurückgezogen bei ihrem Bruder Abesalom.

(2.) 173 Als ihr Vater David diese Sache erfuhr, ward er sehr zornig. Weil er indes den Amnon als seinen ältesten Sohn sehr liebte, wollte er ihm nicht wehe thun. Abesalom aber hasste ihn gewaltig und erspähte im geheimen eine Gelegenheit, um ihn für seine Schandthat zur Verantwortung zu ziehen. 174 Als nun schon zwei Jahre seit dem Vorfall verflossen waren, und Abesalom im Begriff war, nach der Stadt Belsephon im Stamme Ephraïm sich zur Schafschur zu begeben, lud er den Vater und die Brüder bei sich zu Gast. 175 Der Vater aber entschuldigte sich damit, er wolle ihm keine Mühe verursachen, worauf Abesalom ihn bat, er möge dann doch wenigstens seine Brüder zu ihm schicken. Als diese nun kamen, befahl er seinen Dienern, sie sollten, sobald sie sähen, dass Amnon vor Trunkenheit in Schlaf gefallen sei, sich nicht scheuen, ihn auf seine Verantwortung hin zu töten.

(3.) 176 Sowie dieser Befehl vollzogen war, bemächtigte sich der anderen Brüder gewaltiger Schrecken, und um sich selbst besorgt, stiegen sie rasch zu Pferde und ritten zu ihrem Vater. Es war ihnen aber jemand vorausgeeilt und hatte dem David gemeldet, alle seine Söhne seien von Abesalom umgebracht worden. 177 Als David vernahm, [424] er habe auf einmal alle Söhne verloren und das noch durch ein Verbrechen ihres Bruders, ergriff ihn heftiger Schmerz, welcher sich noch steigerte im Gedanken an den, der ihm als Urheber des Mordes war gemeldet worden. Und ohne die Sache näher zu untersuchen oder genauere Nachrichten abzuwarten, wie dies doch bei einer so schrecklichen und fast unglaublichen Frevelthat am Platz gewesen wäre, zerriss er sein Gewand, warf sich zur Erde und betrauerte alle seine Söhne, die Gemordeten sowohl wie den Mörder. 178 Jonathas aber, der Sohn seines Bruders Samas, bat ihn, er möge sich doch in seiner Trauer mässigen und nicht glauben, alle seine Söhne seien umgebracht, da kein Grund vorhanden sei, das zu befürchten. In betreff des Amnon aber möge er eine Nachforschung anstellen lassen, denn es sei wahrscheinlich, dass Abesalom wegen der Schändung der Thamar es unternommen habe, ihn zu töten. 179 Unterdes vernahmen sie auf einmal Pferdegetrappel und sahen einen Schwarm Reiter ankommen; es waren des Königs Söhne, die vom Gastmahl aufgestanden und entflohen waren. Da sie nun weinten, ging ihnen der Vater traurig entgegen, obgleich er wider Erwarten diejenigen lebend erblickte, die man ihm schon tot gemeldet hatte, 180 und alle brachen in Jammern und Schluchzen aus‚ die Brüder um ihren Bruder, der König um seinen ermordeten Sohn. Abesalom floh darauf nach Gethsura zum Beherrscher dieses Landes, der sein Grossvater mütterlicherseits war, und hielt sich bei ihm drei volle Jahre auf.

(4.) 181 Eines Tages aber kam es David in den Sinn, zu seinem Sohne Abesalom zu schicken und ihn zu sich kommen zu lassen, nicht um ihn zu bestrafen, sondern um ihn wieder bei sich zu haben; denn mit der Zeit hatte Davids Zorn sich gelegt. Sein Feldherr Joab bestärkte ihn in diesem Vorhaben noch mehr. 182 Denn auf seine Veranlassung ging eine alte Frau im Trauergewande zum König und teilte diesem mit, ihre beiden Söhne seien auf dem Felde in Streit geraten, und da niemand zugegen gewesen, der ihn geschlichtet hätte, sei [425] er schliesslich in Thätlichkeiten ausgeartet, und der eine vom anderen getötet worden. 183 Hierauf bat sie ihn, er möge doch, da die Verwandten dem Mörder nach dem Leben trachteten, ihr die Stütze des Alters erhalten und zu seiner Rettung beitragen, indem er diejenigen einschüchtere, die ihm nachstellten. Denn diese würden sich durch nichts anderes als durch die Furcht vor ihm von ihrem Vorhaben abbringen lassen. 184 Als nun der König ihrer Bitte Gewährung zugesagt hatte, bedankte sie sich und fuhr dann fort: „Ich freue mich über deine Güte, mit der du dich meines Alters und meiner Verlassenheit erbarmt hast. Doch damit ich deinen leutseligen Versprechungen um so sicherer trauen kann, so nimm zunächst deinen eigenen Sohn wieder in Gnaden auf und lass ab von deinem Zorn gegen ihn. 185 Denn wie könnte ich wohl davon überzeugt sein, dass du mir wirklich gnädig sein willst, wenn dir dein eigener Sohn wegen der gleichen Übelthat noch verhasst ist? Es wäre ja auch unvernünftig gehandelt, wenn ein Sohn wider unseren Willen umgekommen ist, nun auch noch zu wünschen, dass der andere denselben Weg gehe.“ 186 Der König vermutete sogleich, dass Joab in seiner Liebe zu Abesalom das Weib angestiftet habe, und als er auf Befragen von dem Mütterchen vernahm, dass die Sache sich so verhielt, liess er den Joab zu sich rufen und sagte ihm, er habe seine Absicht erreicht und solle ihm den Abesalom wieder zuführen; denn er zürne ihm nicht mehr, sondern habe allen Unwillen gegen ihn fahren lassen. 187 Joab dankte darauf dem Könige, dessen Worte ihn mit Freude erfüllt hatten, eilte sogleich nach Gethsura und führte den Abesalom nach Jerusalem zurück.

(5.) 188 Als der König vernahm, sein Sohn sei im Anzuge, sandte er ihm einen Boten entgegen und liess ihm sein Haus einräumen; doch sei der König noch nicht so gegen ihn gesinnt, dass er seinen Anblick schon ertragen könne. Abesalom kam ihm daher seinem Befehl gemäss nicht vor die Augen, hielt sich vielmehr zu Hause [426] und begnügte sich mit den Liebesbezeugungen, die ihm die Seinigen erwiesen. 189 Doch that weder der Gram, noch der Mangel an Pflege, die dem Sohne eines Königs gebührt, seiner Schönheit Abbruch, vielmehr übertraf er an Anmut und schlankem Wuchse alle anderen und sogar diejenigen, die in Freuden ihr Leben zubrachten. Sein Haupthaar war so dicht, dass man es in acht Tagen kaum scheren konnte, und wog zweihundert Sekel, die gleich fünf Minen sind. 190 Zwei Jahre lang wohnte er zu Jerusalem und wurde Vater dreier Söhne und einer Tochter, welch letztere von hervorragender Schönheit war und später Roboam, den Sohn Solomons, heiratete, dem sie einen Sohn namens Abias gebar. 191 Eines Tages nun schickte Abesalom zu Joab und liess ihn bitten, er möge doch seinen Vater vollends versöhnen und ihm die Erlaubnis verschaffen, dass er ihn wieder sehen und mit ihm sprechen dürfe. Da aber Joab dies nicht that, schickte er einige von seinen Leuten und liess dessen Acker, der an den seinigen anstiess, in Brand setzen. Als Joab von dieser Frevelthat Kunde erhielt, ging er zu Abesalom, beklagte sich bei ihm darüber und fragte ihn, weshalb er das gethan habe. 192 Abesalom entgegnete: „Ich habe diese List ersonnen, um dich zu mir zu bringen, weil du den Auftrag, den ich dir in betreff der Aussöhnung mit meinem Vater gab, nicht beachtet hast. Da du nun persönlich anwesend bist, bitte und beschwöre ich dich, meinen Vater versöhnlich zu stimmen. Denn wenn mein Vater in seinem Zorn beharrt, bin ich wahrlich noch übler dran als in der Verbannung.“ 193 Joab liess sich hierdurch bereden, erbarmte sich seiner Not und verwandte sich für ihn beim Könige. Diesem redete er so eindringlich zu, dass er bewegt wurde und seinen Sohn zu sich beschied. Abesalom warf sich vor ihm nieder und bat ihn um Verzeihung für seine Vergehen; der König aber richtete ihn auf und versprach ihm, der Vergangenheit nicht mehr zu gedenken.

[427]
Neuntes Kapitel.
Abesalom empört sich gegen seinen Vater. David flieht vor ihm.

(1.) 194 Als nun Abesalom seine Absicht beim Könige erreicht hatte, schaffte er sich in kurzer Zeit viele Pferde und Wagen sowie fünfzig bewaffnete Trabanten an. 195 Jeden Morgen ging er zum Königspalaste, knüpfte mit Leuten, die in Rechtshändeln unterlegen waren, freundliche Gespräche an, sagte ihnen, das komme daher, weil sein Vater nur unerfahrene Ratgeber habe, die ihm vielleicht bei der Fällung des Urteils eine falsche Meinung beigebracht hätten, und versicherte ihnen, er würde, falls er nur die Macht dazu hätte, ihnen schon zu ihrem Rechte verhelfen. Hierdurch erwarb er sich allgemeine Gunst und gewann sich das gesamte Volk. 196 Als er nun glaubte, auf das Volk rechnen zu können, ging er vier Jahre nach der Aussöhnung mit seinem Vater zu diesem und bat ihn, er möge ihm gestatten, nach Chebron zu gehen, um dort Gott das Opfer darzubringen, das er ihm in der Verbannung gelobt habe. David gewährte ihm die Bitte, und Abesalom schickte nun überallhin Boten und brachte eine ungeheure Volksmenge zusammen; dann brach er von da auf.

(2.) 197 Unter dieser Volksmenge befanden sich auch ein Ratgeber Davids, der Gelmonäer Achitophel, und zweihundert Männer aus Jerusalem, die jedoch von dem ganzen Plane nichts wussten, sondern nur unter dem Vorwande der Darbringung eines Opfers zugezogen worden waren. Durch allerlei Listen und Kunstgriffe brachte es nun Abesalom dahin, dass er von allen zum König ausgerufen wurde. 198 Als David hiervon Kenntnis erhielt, ergriff ihn Furcht ob der Verwegenheit und Bosheit seines Sohnes, und zugleich verwunderte er sich, dass jener so schnell die Verzeihung, die er ihm für seine früheren Frevelthaten gewährt, vergessen hatte, ja dass er sogar noch Schlimmeres plante, nämlich ihm die [428] von Gott verliehene Herrschaft zu entreissen und ihm nach dem Leben zu trachten. Er beschloss daher, über den Jordan zu fliehen, 199 rief seine vertrautesten Freunde zusammen, gab alles dem Ratschlusse Gottes anheim und ging, indem er seine zehn Kebsweiber zur Bewachung des Palastes zurückliess, von Jerusalem weg nebst einer beträchtlichen Menge Volkes, die ihm bereitwillig folgte, sowie mit der Leibwache von sechshundert Mann, die auch auf der früheren Flucht zu Lebzeiten Sauls seine Begleiter gewesen waren. 200 Den Hohepriestern Abiathar und Sadok dagegen, die ihn mit allen Leviten und der Lade begleiten wollten, riet er, zu Hause zu bleiben, da Gott ihn, auch wenn er die heilige Lade nicht bei sich führe, doch aus allen Gefahren befreien werde. Doch trug er ihnen auf, sie sollten ihn von allen Vorfällen heimlich in Kenntnis setzen. 201 Als besonders getreue Diener erwiesen sich ihm die Söhne der Hohepriester, Achimas, der Sohn Sadoks, und Jonathas, der Sohn Abiathars. Auch der Gittäer Ethi zog gegen Davids Willen mit ihm, und er konnte ihn nicht bereden, zu bleiben, woraus David dessen besondere Anhänglichkeit ersah. 202 Als er nun mit blossen Füssen den Ölberg erstieg, und alle seine Begleiter in heftiges Weinen ausbrachen, wurde ihm gemeldet, dass auch Achitophel bei Abesalom sich befinde und zu ihm halte. Dadurch wurde sein Gram noch vermehrt, und er bat zu Gott, dieser möge Abesaloms Gemüt dem Achitophel entfremden; denn er fürchtete, letzterer, der ein kluger und scharfblickender Mann war, möchte durch seine Ratschläge besonderen Einfluss auf Abesalom gewinnen. 203 Als man nun den Gipfel des Berges erreicht hatte, schaute David nach der Stadt zurück und flehte, wie wenn er sein Königreich schon verloren hätte, unter heissen Thränen zu Gott. Darauf begegnete ihm ein treuer Freund mit Namen Chusi, 204 und als David sah, dass er seine Kleider zerrissen, Asche auf sein Haupt gestreut hatte und über die Wendung von Davids Geschick jammerte, tröstete er ihn und bat ihn, [429] von seiner Trauer abzulassen. Dann ersuchte er ihn, er möge sich zu Abesalom begeben, sich stellen, als ob er dessen Partei ergriffen hätte, und seine geheimen Pläne ausforschen, zugleich auch den bösen Ratschlägen Achitophels entgegenwirken. Denn wenn Chusi bei ihm bleibe, könne er ihm nicht so nützlich sein, als wenn er sich in der Nähe Abesaloms befinde. Dieser gab denn auch dem Könige nach, verliess ihn und begab sich nach Jerusalem, wohin bald darauf auch Abesalom kam.

(3.) 205 Als David etwas weiter gewandert war, begegnete ihm Sibas, der Verwalter des Memphibost, den dieser geschickt hatte, um nach dem Landgut zu sehen, welches er als Sohn des Jonathas von David zum Geschenk erhalten hatte. Er führte zwei Esel bei sich, die mit Lebensmitteln beladen waren, und bat den David, sich davon zu nehmen, was er nötig habe. 206 Als dieser ihn fragte, wo er denn den Memphibost zurückgelassen habe, und zur Antwort erhielt, in Jerusalem, wo er bei der allgemeinen Verwirrung vom Volke in Erinnerung an die Verdienste Sauls zum König gewählt zu werden hoffe, geriet er in Zorn und schenkte alles, was er früher dem Memphibost vermacht hatte, dem Sibas. Denn er hielt ihn für viel würdiger, diese Geschenke zu besitzen, als den Memphibost. Sibas empfand darüber herzliche Freude.

(4.) 207 Als nun David an einen Ort kam, der Bauris hiess, begegnete ihm ein Verwandter Sauls mit Namen Semeï, ein Sohn des Geras, der ihn mit Steinen warf und Schimpfworte gegen ihn ausstiess. Und obgleich den König seine Freunde umringten und ihn beschützten, liess Semeï von seinen Schmähungen nicht ab, nannte ihn einen blutdürstigen Menschen und den Urheber alles Übels 208 und hiess ihn, da er unrein und fluchwürdig sei, das Land verlassen. Er danke Gott dafür, dass dieser dem David die Herrschaft abgenommen habe und ihn durch seinen eigenen Sohn für die Sünden bestrafen lasse, welche er gegen den Herrn begangen habe. Als nun hierüber alle in Erbitterung gerieten und Abessa den [430] Semeï umbringen wollte, hielt David ihn zurück 209 und sprach: „Fern sei es von uns, dass wir dem gegenwärtigen Unglück noch ein neues hinzufügen. Denn keine Scheu noch Sorge habe ich darüber, dass dieser Mensch wie ein wütender Hund gegen mich geifert, sondern ich gebe es Gott anheim, der seine Wut gegen mich zuliess. Ich wundere mich auch gar nicht darüber, dass ich solches von ihm leiden muss, da ich sogar von meinem eigenen gottlosen Sohne verfolgt werde. Aber Gott wird uns vielleicht Barmherzigkeit erzeigen und unsere Feinde uns unterthan machen.“ 210 Darauf setzte er seinen Weg fort, ohne sich weiter um Semeï zu kümmern, der auf die andere Seite des Berges lief und wacker schimpfte. Als David aber bis zum Jordan gekommen war, liess er die Seinen, die vom Marsche ermüdet waren, sich erquicken.

(5.) 211 Sobald Abesalom sich mit seinem Ratgeber Achitophel und in Begleitung des gesamten Volkes in Jerusalem eingefunden hatte, kam auch Davids Freund zu ihnen. Er fiel vor Abesalom nieder und wünschte ihm eine lange Regierung. Dieser sprach also zu ihm: „Warum hast du doch, da du früher zu den besten Freunden meines Vaters gehörtest und sein Vertrauter warst, ihn jetzt auf einmal verlassen und bist zu mir übergegangen?“ Chusi antwortete ihm hierauf klug und verständig 212 und sagte: „Ich folge stets Gott und dem gesamten Volke. Da ich nun sehe, o Herr, dass diese beiden auf deiner Seite sind, muss auch ich wohl zu dir halten: denn von Gott hast du die Königsherrschaft erhalten. Und wenn du mich in die Zahl deiner Freunde aufnimmst, will ich dir dieselbe Treue beweisen, die ich, wie du weisst, auch deinem Vater bewiesen habe. Doch geziemt es sich ja nicht, über den gegenwärtigen Zustand der Dinge unwillig zu sein. Denn die Königswürde ist auf keine andere Familie übergegangen, vielmehr in derselben Familie geblieben und nur vom Vater auf den Sohn übertragen.“ 213 Mit diesen Worten fand er Glauben, und Abesalom legte den Verdacht, den er [431] gefasst hatte, ab. Er berief darauf den Achitophel zu sich und überlegte mit ihm, was jetzt weiter zu thun sei. Dieser riet ihm, er solle mit den Kebsweibern seines Vaters vertrauten Umgang pflegen. Daraus werde das Volk entnehmen, dass er niemals mit seinem Vater sich wieder aussöhnen wolle, und es werde dann mit grösserer Bereitwilligkeit ihm gegen denselben Kriegsdienste leisten. Bisher nämlich habe man sich immer noch gescheut, offen gegen David Partei zu ergreifen, da man eine Aussöhnung zwischen ihm und Abesalom erwartet habe. 214 Diesen Rat befolgte Abesalom und liess durch seinen Diener vor den Augen des Volkes über dem Königspalaste ein Zelt errichten, in welchem er mit den Kebsweibern seines Vaters Unzucht trieb. Also ward die Weissagung Nathans erfüllt, dass den David sein eigener Sohn verunglimpfen werde.

(6.) 215 Als Abesalom so den Rat Achitophels befolgt hatte, ersuchte er diesen um weitere Vorschläge in betreff der Kriegführung gegen seinen Vater. Achitophel verlangte darauf zehntausend auserlesene Kämpfer: mit diesen wolle er den David umbringen und seine Anhänger, die den Kampf überlebten, gefangen nehmen. Denn erst dann werde Abesaloms Regierung fest und sicher stehen, wenn David aus dem Wege geräumt sei. 216 Dieser Vorschlag gefiel dem Abesalom; doch liess er auch noch Chusi, den Freund Davids (so nannte er ihn immer noch) kommen, teilte ihm den Vorschlag des Achitophel mit und fragte ihn, was er davon halte. Dieser sah wohl ein, dass, wenn Achitophels Plan ausgeführt würde, David in Gefahr geraten müsse, gefangen und getötet zu werden, und er gab sich deshalb Mühe, Abesalom von der entgegengesetzten Meinung zu überzeugen. 217 „Du kennst wohl,“ sagte er, „o König, die Tapferkeit deines Vaters und seiner jetzigen Begleiter; du weisst, dass er viele Kriege geführt hat und stets Sieger geblieben ist. Geübt in Erfindung von Kriegslisten und im stande, den Ränken der Feinde zuvorzukommen, hält er sich jetzt wahrscheinlich in seinem Lager auf. 218 Bei Nacht aber [432] wird er die Seinigen verlassen und sich in einem Thal verstecken oder auf einem Felsen sich in einen Hinterhalt legen. Und wenn die Unseren angreifen, werden die Seinigen zunächst sich ein wenig zurückziehen, bald aber im Hinblick auf die Nähe ihres Königs kühner werden und sich zum Widerstand rüsten. Sobald dann der Kampf im Gange ist, wird dein Vater unvermutet hervorbrechen und den Seinigen Mut, den Unseren aber Furcht und Entsetzen einflössen. 219 Erwäge daher auch meinen Rat, und wenn du ihn für gut hältst, so lass den Rat Achitophels fahren. Schicke Boten im ganzen Lande der Hebräer umher und rufe sie zum Kriegszug gegen deinen Vater auf. Hast du nun alle Truppen beisammen, so soll der Krieg unter deinem eigenen Oberbefehl, nicht unter dem eines anderen geführt werden. 220 Es ist dann mit Sicherheit zu erwarten, dass du deinen Vater leicht überwinden wirst, da du ihn im offenen Felde triffst und er nur eine kleine Schar um sich hat, dir dagegen viele tausend Kämpfer zu Gebote stehen, die sehnlichst verlangen, ihren Eifer und ihre Bereitwilligkeit für dich zu beweisen. Würde sich aber dein Vater in feste Mauern einschliessen und einer Belagerung standzuhalten versuchen, so würden wir die Stadt mit Belagerungsmaschinen und durch Untergrabung leicht einnehmen.“ 221 Dieser Vorschlag gefiel dem Abesalom mehr als der des Achitophel. Dass aber Chusis Rat als der bessere angenommen wurde, war eine besondere Fügung Gottes.

(7.) 222 Chusi ging darauf eilig zu den Hohepriestern Sadok und Abiathar, setzte ihnen Achitophels Rat und seinen eigenen auseinander und teilte ihnen mit, dass letzterer die Billigung Abesaloms gefunden habe. Dann befahl er ihnen, den David davon in Kenntnis zu setzen und ihn zu ermahnen, dass er ohne Verzug den Jordan überschreite, damit nicht sein Sohn inzwischen wieder anderen Sinnes werde und ihn verfolge und ergreife, bevor er sich in Sicherheit gebracht habe. 223 Die Hohepriester hatten aber schon vorher Sorge dafür getragen, [433] ihre Söhne ausserhalb der Stadt zu verbergen, damit sie dem David über das, was sich ereignete, Bericht erstatten könnten. Zu diesen schickten sie also jetzt eine treue Magd, welche ihnen den Entschluss Abesaloms mitteilen sollte, und liessen ihnen befehlen, davon eiligst David zu benachrichtigen. 224 Jene zögerten auch nicht im mindesten, sondern bewährten sich als treue und ergebene Diener und begaben sich sogleich auf den Weg, da sie einsahen, dass die grösstmögliche Schnelligkeit hier geboten sei. 225 Als sie nun zwei Stadien von der Stadt entfernt waren, wurden sie zufällig von einigen Reitern gesehen, die dem Abesalom Anzeige erstatteten. Dieser gab sofort Befehl, sie gefangen zu nehmen. Als die Söhne der Hohepriester das gewahr wurden, bogen sie vom Wege ab, begaben sich in ein nahe bei Jerusalem gelegenes Dorf, das Bachures hiess, und baten ein dort wohnendes Weib, ihnen ein sicheres Versteck zu gewähren. 226 Das Weib liess sie darauf an einem Seile in einen Brunnen hinab und deckte dessen Öffnung mit Wolle zu. Als nun die Verfolger ankamen und sie fragten, ob sie die beiden nicht gesehen habe, bejahte sie dies. Sie hätten bei ihr ein wenig ausgeruht und seien dann weitergeeilt; wenn sie ihnen sogleich nachsetzten, würden sie sie vielleicht noch einholen. Die Reiter verfolgten sie auch sogleich, kehrten aber, als sie die beiden nicht fanden, wieder um. 227 Als das Weib sah, dass sie den Rückweg angetreten hatten, und somit für die Jünglinge keine Gefahr mehr zu besorgen war, zog sie dieselben wieder aus dem Brunnen herauf und hiess sie weiterziehen. Sie eilten dann sogleich zu David und meldeten ihm alles genau, was Abesalom beschlossen hatte. David aber gab sofort den Seinigen Befehl, ohne Säumen noch in der Nacht über den Jordan zu setzen.

(8.) 228 Als nun Achitophel sah, dass sein Rat verworfen sei, bestieg er ein Maultier, ritt in seine Vaterstadt Gelmon, rief dort alle seine Verwandten zusammen und setzte ihnen auseinander, was er dem Abesalom geraten [434] hatte, und dass dieser seinen Rat nicht befolgt habe, weshalb er seinem sicheren Verderben entgegengehe. Denn David werde ihn besiegen und in seine Königsherrschaft wieder eingesetzt werden. 229 Es sei daher besser, meinte er, mutig und freiwillig aus dem Leben zu scheiden, als dem David, gegen welchen er Abesalom unterstützt habe, sich zu ergeben und die Todesstrafe zu erleiden. Nach diesen Worten begab er sich in das Innere seines Hauses und erhängte sich. Seine Verwandten aber nahmen den Leichnam aus der Schlinge und begruben ihn. – 230 David setzte nun, wie gesagt, über den Jordan und kam nach Parembolai, einer schönen und wohlbefestigten Stadt. Alle Vornehmen dieser Gegend nahmen ihn freundlich auf, teils aus Mitleid mit dem Flüchtling, teils aus Achtung vor seinem früheren Glück. Es waren dies der Galaditer Berzelaeus, Siphar, der Beherrscher von Ammanitis, und Machir, der Fürst von Galaditis. 231 Diese versahen den David und die Seinigen mit allen notwendigen Lebensmitteln aufs reichlichste, besorgten ihnen Betten, Brot und Wein, schenkten ihnen eine grosse Menge Vieh und gewährten ihnen alles, was den Erschöpften zur Erquickung dienlich war.

Zehntes Kapitel.
Abesaloms Tod.

(1.) 232 Unterdessen brachte Abesalom gegen seinen Vater David ein grosses Heer von Hebräern zusammen, überschritt den Jordan und stellte sich bei Parembolai im Galaditerlande auf. An Stelle des Joab, seines Verwandten, ernannte er den Amessas zum Oberbefehlshaber. Der Vater des Amessas nämlich war Jetharsas, und seine Mutter Abigaea; die letztere aber und Sarvia, die Mutter des Joab, waren Davids Schwestern. 233 David, der bei der Zählung seiner Truppen viertausend Mann vorfand, beschloss, den Angriff Abesaloms nicht abzuwarten, sondern setzte Oberste und Hauptleute über [435] das Heer und teilte es in drei Abteilungen, eine unter Joab, die zweite unter dessen Bruder Abessa, und die dritte unter seinem vertrauten Freund, dem Gittäer Ethi. 234 Als er nun auch selbst mit in den Kampf ziehen wollte, rieten ihm seine Freunde in vernünftiger Erwägung davon ab. Denn wenn sie mit ihm besiegt würden, sei alle Hoffnung für sie verloren; werde aber nur ein Teil des Heeres geschlagen, so könnten sie sich mit dem Rest zu ihm zurückziehen und neue Kräfte sammeln. Ja, die Feinde würden dann auch vermuten, er verfüge noch über ein anderes Heer. 235 Dieser Rat schien dem David einzuleuchten, und er beschloss deshalb, bei Parembolai zu bleiben. Als er aber seine Freunde und Heerführer in den Kampf entsandte, ermahnte er sie, sich wacker und treu zu halten und der Wohlthaten zu gedenken, die er ihnen schon erwiesen habe. Auch bat er sie, sie möchten, wenn ihnen der Sieg zu teil würde, doch den Abesalom verschonen, denn dessen Tod würde ihn zur Verzweiflung und zum Selbstmorde treiben. Dann wünschte er ihnen einen glänzenden Sieg und entliess das Heer.

(2.) 236 Als nun Joab sein Heer in einer grossen, hinten von Wald begrenzten Ebene aufgestellt hatte, führte Abesalom seine Truppen ihm entgegen, und es erfolgte der Zusammenstoss. Auf beiden Seiten wurde tapfer und mit grosser Erbitterung gestritten. Denn Davids Krieger scheuten weder Gefahren noch Hindernisse, um ihm wieder zur Herrschaft zu verhelfen; die Gegner aber setzten alles daran, um den Abesalom zu halten, damit er nicht in seines Vaters Hände falle und von ihm zur Verantwortung gezogen werde. 237 Auch mochte man auf dieser Seite, da man an Zahl überlegen war, sich nicht von dem Häuflein der Krieger Joabs und seiner Heerführer überwinden lassen; denn das schien ihnen höchst schmachvoll zu sein. Davids Kriegsleute dagegen glaubten eine Ehre darein setzen zu müssen, so viele Tausende zu besiegen. Und so wurde beiderseits mit Anspannung aller Kräfte gekämpft. Zuletzt errangen Davids Streiter den Sieg, da sie körperlich kräftig und [436] in der Kriegskunst sehr erfahren waren. 238 Sie setzten darauf den fliehenden Feinden durch Schluchten und über Abhänge nach und nahmen einige gefangen, die meisten dagegen töteten sie, sodass auf der Flucht eine grössere Zahl als im Kampfe das Leben liess. An diesem Tage fielen gegen zwanzigtausend Mann. Alle Krieger Davids aber drangen mit grossem Ungestüm auf Abesalom ein, der wegen seines schönen und stolzen Wuchses leicht kenntlich war. 239 Dieser hatte grosse Angst, lebend in die Hände seiner Feinde zu geraten; er bestieg deshalb ein königliches Maultier und jagte davon. Und als er nun in rascher Flucht dahinsprengte (er war sehr behend und geschickt im Reiten), verwickelte sich sein Haupthaar in einem knorrigen, grossästigen Baum, sodass er, da das Maultier weiter rannte, als ob sein Herr noch auf ihm sitze, in den Zweigen hängen blieb und von seinen Feinden umzingelt wurde. 240 Einer der Krieger, der ihn hier hängen sah, meldete dies dem Joab. Da nun der Feldherr sagte, er würde ihm fünfzig Sekel gegeben haben, wenn er den Abesalom durchbohrt hätte, entgegnete der Krieger: „Und hättest du mir tausend Sekel geboten, nie hätte ich das dem Sohne meines Herrn gethan, zumal da dieser uns alle gebeten hat, des Jünglings zu schonen.“ 241 Joab aber befahl ihm, er solle ihm die Stelle zeigen, wo Abesalom hänge; dann ging er hin, durchstach ihm das Herz mit einem Speer und tötete ihn so. Joabs Waffenträger, die im Kreise herumstanden, rissen darauf die Leiche vom Baum herunter, 242 warfen sie in einen tiefen und finstern Abgrund und wälzten Steine hinein, bis er gänzlich angefüllt war und die Gestalt und Grösse eines Grabbügels bekam. Alsdann liess Joab zum Rückzuge blasen und hinderte die Krieger aus Mitgefühl für seine ihm verwandten Gegner an weiterem Blutvergiessen.

(3.) 243 Abesalom aber hatte sich im sogenannten Königsthal, zwei Stadien von Jerusalem entfernt, eine marmorene Säule errichten lassen, die er seine Handschrift [437] nannte. Denn, sagte er, wenn auch seine Kinder alle zu Grunde gingen, werde doch auf dieser Säule sein Name stehen bleiben. Er hatte nämlich drei Kinder, zwei Söhne und eine Tochter Namens Thamar, die ich schon oben erwähnt habe. 244 Diese heiratete später Davids Enkel Roboam und gebar einen Sohn Abias, der nachmals auch zur Herrschaft gelangte, wovon im folgenden mehr. Nach Abesaloms Tode zerstreuten sich seine Anhänger und kehrten wieder in ihre Heimat zurück.

(4.) 245 Achimas, der Sohn des Hohepriesters Sadok, begab sich darauf zu Joab und bat ihn, er möge ihm gestatten, dem David den errungenen Sieg zu melden und ihm mitzuteilen, dass mit Gottes Hilfe alles glücklich abgelaufen sei. 246 Joab verweigerte aber die Erlaubnis und sagte, er habe doch immer dem König nur fröhliche Nachrichten überbracht, und jetzt wolle er ihm melden, dass sein Sohn umgekommen sei? Er bat ihn also zu bleiben und gab statt seiner dem Chusi den Auftrag dem König alles zu berichten, wie er es mit eigenen Augen geschaut habe. 247 Da aber Achimas aufs neue in ihn drang, ihn mit der Botschaft zu betreuen (er wolle ihm nur den Sieg verkünden, den Tod seines Sohnes dagegen verschweigen), erlaubte er ihm endlich, sich zu David zu begeben. Weil nun Achimas abgekürzte Wege machte, die ihm allein bekannt waren, kam er dem Chusi zuvor. 248 David sass unter dem Thore und wartete auf einen Boten, der aus der Schlacht käme und ihm Nachricht über deren Ausgang brächte. Da sah einer der Wächter den Achimas daherrennen, konnte ihn aber noch nicht erkennen und meldete deshalb dem David, er sehe jemand kommen. 249 Der König entgegnete ihm, er wünsche sehr, eine gute Nachricht zu vernehmen. Gleich darauf sah der Wächter einen zweiten Boten kommen und that dies ebenfalls dem Könige zu wissen. Und da der König den soeben ausgesprochenen Wunsch wiederholte, meldete ihm der Wächter, der inzwischen den ersten Boten erkannt hatte, es sei Achimas, der Sohn des Hohepriesters. David war hierüber erfreut und [438] äusserte, dieser bringe gewiss gute Nachrichten, die seinen Erwartungen in betreff der Schlacht entsprächen.

(5.) 250 Kaum hatte der König dies gesagt, als auch Achimas schon eintraf, vor dem Könige niederfiel und ihm auf seine Frage Sieg und Herrschaft verkündigte. Als der König nun auch nach seinem Sohne sich erkundigte, entgegnete Achimas, er habe sich gleich, nachdem die Feinde sich zur Flucht gewandt, eiligst auf den Weg begeben, doch habe er gehört, wie die Krieger den Abesalom mit grossem Geschrei verfolgt hätten. Ausserdem habe er nichts erfahren können, weil Joab ihn zur Eile angetrieben habe, damit David die Nachricht von dem Siege möglichst bald erhalte. 251 Unterdessen kam auch Chusi an, fiel vor dem Könige nieder und meldete ihm den Sieg. Als David auch ihn darauf nach Abesalom fragte, erwiderte er: „Möge es allen deinen Feinden so ergehen wie dem Abesalom.“ 252 Bei dieser Nachricht hörte die Freude des Königs und seiner Umgebung über den errungenen Sieg sogleich auf, und der König stieg auf den höchstgelegenen Punkt der Stadt, beweinte seinen Sohn, zerschlug sich die Brust, zerraufte sein Haar und schrie in höchster Betrübnis: „O mein Sohn, hätte ich doch den Tod mit dir gefunden!“ Denn wie David überhaupt die Seinigen sehr liebte, so empfand er besonders ein inniges Mitgefühl für Abesalom. 253 Als nun Joab und die Krieger vernahmen, der König trauere so sehr um seinen Sohn, schämten sie sich, im Triumphe in die Stadt einzuziehen, sondern rückten tiefbetrübt und unter Thränen ein, gleich als ob sie eine Niederlage erlitten hätten. 254 Und da Joab den König mit verhülltem Antlitz und um seinen Sohn heftig jammern sah, trat er zu ihm, tröstete ihn und sprach: „O Herr, durch ein, solches Benehmen beschimpfest du dich Selbst, denn diejenigen, die dich lieben und für dich allen Gefahren trotzen, ja dich selbst und deine Familie scheinst du zu hassen, deine Feinde aber willst du lieben und nach denen Verlangen tragen, die den wohlverdienten [439] Tod erlitten haben. 255 Hätte Abesalom gesiegt und die Herrschaft erlangt, so hätte er wohl von uns keinen am Leben gelassen, sondern uns alle, von dir und deiner Familie angefangen, auf die erbärmlichste Weise umgebracht. Dann aber hätten unsere Feinde uns nicht beweint, sondern sich gefreut und diejenigen noch bestraft, denen unser Unglück zu Herzen ging. Du dagegen schämst dich nicht, dich so aufzuführen wegen eines Menschen, der dein Feind war und, obgleich dein Sohn, doch so gottlos gegen dich gehandelt hat. 256 Darum lass deine Trauer fahren und zeige dich deinen Kriegern, um ihnen für ihre Tapferkeit und den errungenen Sieg zu danken. Denn wenn du so fortfährst, werde ich noch heute das Volk bereden, von dir abzufallen und die Königswürde einem anderen zu übertragen‚ und dann wird deine Trauer erst recht bitter sein.“ 257 Durch diese Worte lenkte Joab den König von seiner Betrübnis ab und brachte ihn dahin, dass er über seine Lage nachdachte. David änderte hierauf seine äussere Erscheinung, sodass er sich dem Volke zeigen konnte. Dann begab er sich zum Thore, und das Volk kam auf die Kunde davon herbeigeeilt, um ihn zu begrüssen.

Elftes Kapitel.
David wird von allen Stämmen wieder als König anerkannt. Empörung des Sabaeus.

(1.) 258 Als nun die Hebräer, die dem Abesalom angehangen hatten und aus der Schlacht entkommen waren, in ihre Heimat zurückkehrten, schickten sie Boten in allen Städten herum und erinnerten deren Bewohner daran, wie David sie mit so vielen Wohlthaten überhäuft und ihnen durch viele und schwere Kriege zur Freiheit verholfen habe, 259 bedauerten es sehr, ihn aus seinem Königreich vertrieben und einem anderen die Herrschaft übertragen zu haben, und forderten sie auf, [440] sie sollten, nachdem Abesalom umgekommen sei, den David flehentlich bitten, dass er seinem Zorn entsage, ihnen sein Wohlwollen wieder zuwende und die Regierung mit derselben Sorgfalt wie früher wieder führe. 260 Mit diesen Bitten kamen nun zahlreiche Boten zu David, der auch seinerseits durch die Hohepriester Sadok und Abiathar den Vorstehern des Stammes Judas vorstellen liess, wie schimpflich es für sie sein würde, wenn andere Stämme eher als sie den David wieder zum Könige wählten, da er ihr Stammesgenosse und Blutsverwandter sei. 261 Auch liess er dem Feldherrn Amessas sagen, weshalb er, da er doch sein Schwestersohn sei, das Volk nicht dazu berede, ihn wieder als König anzuerkennen? Er dürfe von ihm nicht nur erwarten, dass er ihm verzeihe, was ja schon geschehen sei, sondern auch, dass er ihn zum Oberbefehlshaber des Heeres machen werde, wie er es unter Abesalom gewesen sei. 262 Die Hohepriester redeten alsdann mit den Vorstehern des Stammes Judas und brachten auch den Amessas dahin, sich dem Könige zu unterwerfen. Dieser bewog darauf seinen Stamm, sogleich an David Gesandte zu schicken und ihn zu bitten, er möge doch die Regierung wieder übernehmen. Dasselbe thaten auf Anraten Amessas’ dann auch alle übrigen Israëliten.

(2.) 263 Als die Gesandten bei David gewesen waren, begab er sich nach Jerusalem. Der Stamm Judas aber zog vor allen anderen dem Könige bis zum Jordan entgegen, zugleich auch Semeï, der Sohn des Geras, mit tausend Mann aus dem Stamme Benjamin, und Sibas, der Freigelassene Sauls, mit seinen fünfzehn Söhnen und zwanzig Knechten. 264 Diese schlugen mit dem Stamme Judas eine Brücke über den Jordan, damit David und die Seinen ohne Mühe übersetzen könnten. Als nun David zum Jordan gekommen war, begrüsste ihn zuerst der Stamm Judas; dann stieg Semeï auf die Brücke, fiel dem Könige zu Füssen und bat, ihm die Fehler, die er gegen ihn begangen, zu verzeihen, nicht streng gegen ihn einzuschreiten und die wiedergewonnene [441] Herrschaft nicht gleich mit Bestrafungen zu beginnen. Vielmehr möge David bedenken, dass er seine Verirrungen bereue und ihm zuerst entgegengeeilt sei. 265 Als er nun so flehte und des Königs Mitleid zu erwecken suchte, warf Abessa, Joabs Bruder, ein: „Wie solltest du den Tod nicht erleiden, da du den geschmäht hast, den Gott zur Herrschaft berief?“ David aber wandte sich zu ihm und sprach: „Wollt ihr denn, Söhne der Sarvia, euch nicht ruhig verhalten? Erregt uns doch nicht wieder neuen Aufruhr, nachdem der alte kaum unterdrückt, ist. 266 Ihr wisst doch wohl, dass ich heute meine Regierung wieder antrete; deshalb schwöre ich, dass ich allen, die gegen mich gefrevelt haben, ihre Strafe erlassen und ihrer Vergehungen nicht mehr gedenken will. Du, Semeï, sei also getrost und fürchte nicht, dass du die Todesstrafe erleiden müsstest.“ Semeï fiel darauf dem Könige zu Füssen und dankte ihm; dann begab er sich weiter.

(3.) 267 Darauf begegnete dem David auch Sauls Enkel Memphibost in schmutzigem Gewand und mit langem, vernachlässigtem Haupthaar. Denn er hatte seit der Flucht des Königs aus Trauer weder sein Haar scheren lassen noch sein Kleid gereinigt, da er des Königs Missgeschick so schwer beklagte, als ob es sein eigenes gewesen wäre. Ausserdem hatte ihn auch sein Verwalter Sibas beim Könige falsch angeklagt. 268 Sobald er den König begrüsst und ihm die schuldige Ehrenbezeugung erwiesen hatte, fragte ihn David, weshalb er nicht mit ihm ausgezogen sei und an seiner Flucht Anteil genommen habe. Memphibost entgegnete, daran sei Sibas schuld. „Denn dieser,“ sagte er, „hat trotz meines Befehls, alles zur Reise zu rüsten, dies nicht gethan und meine Worte in den Wind geschlagen, als ob ich sein Sklave wäre. 269 Hätte ich nun gesunde Füsse gehabt, so wäre ich dir gewiss gefolgt. Aber er war noch nicht einmal damit zufrieden, die Bezeugung meiner Treue gegen dich zu vereiteln, sondern er hat mich auch noch obendrein geschmäht und verleumdet. Ich weiss jedoch, [442] dass deine Gerechtigkeit und Wahrheitsliebe, die den Beifall Gottes hat, solche Verleumdungen nicht dulden wird. 270 Denn du hast von seiten meines Grossvaters noch weit Schlimmeres erfahren und wärest berechtigt gewesen, unsere ganze Familie dem Untergang zu weihen; und doch hast du dich freundlich und gütig bewiesen und all des Unrechtes nicht mehr gedacht gerade dann, als es in deiner Macht stand, dich dafür zu rächen. Ja, du hast mich unter deine Freunde aufgenommen und mich an deinem Tische gespeist, sodass ich an Ehre hinter keinem deiner nahen Verwandten zurückstand.“ 271 Als er so gesprochen, wollte der König weder den Memphibost noch den Sibas zur Verantwortung ziehen, sondern entgegnete, er habe, da ersterer ihm mit Sibas nicht entgegengekommen sei, diesem alle seine Güter geschenkt; doch wolle er ihm die Hälfte davon wieder zustellen und ihm Verzeihung gewähren. Memphibost aber erklärte: „Sibas mag alles für sich behalten; mir genügt es, dass du deine Königsherrschaft wiedererlangt hast.“

(4.) 272 Den Galaditer Berzelaeus, einen vornehmen und freundlichen Mann, der ihm während seines Aufenthaltes bei Parembolai viel Gutes erwiesen und ihm bis zum Jordan das Geleit gegeben hatte, bat David, mit ihm nach Jerusalem zu ziehen, wo er ihm in seinem Alter eine ehrenvolle Behandlung zu teil werden lassen und für ihn wie für einen Vater sorgen wolle. 273 Berzelaeus aber lehnte das Anerbieten ab, da er sich nach seinem alten Wohnsitz und nach den Seinigen sehne; auch sei er nicht mehr in dem Alter, in dem man an Vergnügungen Gefallen habe, da er schon das achtzigste Jahr erreicht habe. Vielmehr denke er nur noch an Tod und Grab, weshalb er den König bitte, er möge ihn, wenn er ihm etwas Gutes erweisen wolle, nach Hause ziehen lassen. 274 Denn er habe als alter Mann keinen Sinn mehr für die Freuden der Tafel; auch sei er so schwerhörig, dass er Flöten- und andere Instrumentalmusik, an der die Umgebung eines Königs sich ergötze‚ nicht mehr zu würdigen verstehe. Da er nun so inständig bat, sagte der [443] König: „So will ich dich denn ziehen lassen, doch überlasse mir dafür deinen Sohn Achiman, damit ich ihm deine Güte vergelten kann.“ 275 Darauf überliess Berzelaeus seinen Sohn dem Könige, verbeugte sich vor ihm, wünschte ihm alles Gute und kehrte nach Hause zurück. David aber kam alsdann nach Galgala, und schon hatte er die Hälfte des gesamten Volkes und den Stamm Judas bei sich.

(5.) 276 Zu Galgala kamen die Vornehmen des Landes mit einer grossen Menge Volkes zu ihm und beklagten sich über den Stamm Judas, dass dieser heimlich sich zum Könige begeben habe, obgleich sie doch alle einmütig ihm hätten entgegenziehen sollen. Die Vorsteher des Stammes Judas baten sie indes, ihnen das nicht übel zu nehmen. Denn da sie des Königs Stammesgenossen seien, seien sie aus liebevoller Anhänglichkeit den anderen vorausgeeilt, nicht aber in der Hoffnung, Geschenke zu erhalten, sodass alle übrigen deswegen keinen Grund zur Beschwerde hätten. 277 Durch diese Worte liessen sich jedoch die Vorsteher der anderen Stämme nicht beschwichtigen, sondern entgegneten: „Wir finden es wunderlich‚ ihr Brüder, dass ihr den König euren alleinigen Verwandten nennt. Denn da Gott ihm die Herrschaft über uns alle verliehen hat, sind wir ihm doch auch wohl alle verwandt. Weil nun das ganze übrige Volk elf Teile, ihr aber nur einen Teil ausmacht, und wir zudem auch älter sind als ihr, so habt ihr unrecht daran gethan, heimlich und ohne unser Vorwissen den König zu empfangen.“

(6.) 278 Als nun die Führer der Stämme in dieser Weise miteinander im Wortstreit lagen, stürzte sich ein gottloser und aufrührerischer Mensch mit Namen Sabaeus, der Sohn des Bochorias aus dem Stamme Benjamin, mitten unter das Volk und schrie mit lauter Stimme: „Niemand von uns hat teil an David, dem Sohne des Jesse!“ 279 Nach diesen Worten blies er in ein Horn und verkündete dem König den Krieg. Da fielen alle von David ab und folgten dem Sabaeus, und nur der Stamm [444] Judas blieb dem ersteren treu und führte ihn nach Jerusalem in den Königspalast. David aber liess die Kebsweiber, mit denen sein Sohn Abesalom Unzucht getrieben hatte, in ein anderes Haus schaffen und gab Befehl, sie mit allem Notwendigen zu versehen; er selbst jedoch ging nicht mehr zu ihnen. 280 Alsdann ernannte er den Amessas zum Oberbefehlshaber, gab ihm den Posten, den Joab innegehabt hatte, und befahl ihm, so viele Truppen als möglich aus dem Stamme Judas zusammenzubringen und nach drei Tagen sich wieder bei ihm einzufinden, damit er ihm den Oberbefehl über das ganze Heer übergeben und ihn gegen den Sohn des Bochorias ins Feld schicken könne. 281 Als nun Amessas das Sammeln der Truppen in die Länge zog, und der König erfuhr, er sei nicht zur rechten Zeit eingetroffen, sprach er am dritten Tage zu Joab: „Es ist nicht geraten, dem Sabaeus so lange Frist zu geben, denn er könnte sonst leicht seine Truppen vermehren und uns dann noch mehr zu schaffen machen als Abesalom. 282 Säume daher nicht, sondern nimm die jetzt zu Gebote stehenden Krieger und die Schar der Sechshundert samt deinem Bruder Abessa und suche den Feind auf. Sobald du dann auf ihn stössest, lieferst du ihm eine Schlacht. Beeile dich aber, ihm zuvorzukommen, damit er nicht die befestigten Städte in seine Gewalt bringt und uns harte Kämpfe verursacht.“

(7.) 283 Joab nahm sich vor, nicht zu zögern, sondern hiess seinen Bruder, die Sechshundert und was in Jerusalem an brauchbarer Mannschaft war, ihm folgen und zog dem Sabaeus nach. Und als er nach Gabaon, einem vierzig Stadien von Jerusalem entfernten Dorfe, gekommen war, traf er den Amessas an der Spitze eines grossen Heeres. 284 Joab, der mit Schwert und Panzer bewaffnet war, liess, als Amessas sich ihm zur Begrüssung näherte, sein Schwert absichtlich aus der Scheide fallen, bückte sich dann, um es aufzuheben und ergriff den nichts ahnenden Amessas, als wollte er ihn küssen, beim Barte; dann aber stiess er ihm plötzlich das Schwert in [445] den Leib und tötete ihn. Diese schändliche und hinterlistige That beging Joab, weil er den guten, braven und ihm noch dazu verwandten Jüngling um die Feldherrnstelle‚ die ihm des Königs Gunst verliehen hatte, beneidete. 285 Aus demselben Grunde hatte er früher auch den Abener getötet, wofür er wenigstens die scheinbare Entschuldigung hatte vorschützen können, er habe damit seinen Bruder Asaël rächen wollen. Für den Mord des Amessas aber konnte er einen derartigen Vorwand nicht beibringen. 286 Darauf setzte er dem Sabaeus nach und liess einen Mann bei der Leiche des Amessas zurück, dem er befahl, vor dem ganzen Heere auszurufen, Amessas habe den Tod, den er erlitten, verdient; diejenigen aber, die dem Könige treu geblieben, sollten dem Joab, dem der Oberbefehl übertragen sei, und seinem Bruder Abessa folgen. 287 Weil aber der Körper gerade am Wege lag, und die ganze Volksmenge sich zu ihm hindrängte und sich nach Art des Pöbels verwunderte, nahm ihn der Wächter von da fort, trug ihn auf einen abseits gelegenen Acker und deckte ihn mit einem Mantel zu. Hierauf folgten alle dem Joab nach. 288 Dieser suchte nun den Sabaeus im ganzen israëlitischen Lande auf, bis er endlich erfuhr, er habe sich in die befestigte Stadt Abelmachea zurückgezogen. Deshalb zog er dorthin, belagerte die Stadt, umgab sie mit einem Walle und befahl seinen Kriegern, die Mauern zu untergraben und zu zerstören. Gegen die Bürger dieser Stadt hegte er übrigens noch einen besonderen Groll, weil sie ihn früher nicht aufgenommen hatten.

(8.) 289 Es war aber in der Stadt eine rechtschaffene und kluge Frau, die, als sie ihre Vaterstadt in der höchsten Gefahr schweben sah, auf die Mauer stieg und den Joab durch seine Krieger um eine Unterredung bitten liess. Als nun Joab zu ihr hingetreten war, begann sie folgendermassen zu sprechen: „Gott hat die Könige und Heerführer eingesetzt, um die Feinde der Israëliten abzuwehren und den Frieden im Volke zu erhalten. Du aber unterstehst dich, eine der besten Städte der Israëliten, [446] die nichts verbrochen hat, zu erobern und zu verwüsten.“ 290 Joab entgegnete ihr, davor wolle ihn Gott gnädig behüten, denn er beabsichtige nicht, auch nur einen vom Volke umzubringen, geschweige denn eine so grosse Stadt zu zerstören. Sobald ihm vielmehr Sabaeus, des Bochorias Sohn, der sich gegen den König empört habe, zur Bestrafung ausgeliefert sei, werde er von der Belagerung Abstand nehmen und sein Heer zurückziehen. 291 Hierauf bat die Frau den Joab, er möge ein wenig verziehen, denn sogleich werde das Haupt des Aufrührers über die Mauer geworfen werden. Dann stieg sie zu den Bürgern hinab und sprach zu ihnen: „Wollt ihr schlechten Menschen denn samt euren Weibern und Kindern wegen dieses gottlosen und unbekannten Aufrührers eines elenden Todes sterben und ihn statt Davids, der euch so viele Wohlthaten erwiesen hat, zum Könige ausrufen? Und glaubt ihr etwa eine einzige Stadt könne einem so gewaltigen und mächtigen Heere Widerstand leisten?“ 292 Auf diese Vorstellungen hin hieben die Bürger dem Sabaeus den Kopf ab und warfen ihn den Kriegern Joabs zu. Alsdann liess der Feldherr zum Rückzug blasen, hob die Belagerung auf, kehrte nach Jerusalem zurück und wurde aufs neue zum Oberbefehlshaber des ganzen Heeres ernannt. 293 Den Banajas aber machte der König zum Befehlshaber der Leibwache und der Sechshundert, den Adoram zum Steuerdirektor, Sabathes und Achilaus zu Geheimkämmerern, den Susas zum Schreiber, Sadok und Abiathar wieder zu Hohepriestern.

Zwölftes Kapitel.
Die Hebräer werden von einer Hungersnot heimgesucht. Davids Kriege gegen die Palaestiner. Seine Helden.

(1.) 294 Als in der Folge eine Hungersnot das Land heimsuchte, flehte David zu Gott, er möge sich des Volkes erbarmen und ihnen die Ursache des Elendes [447] und die Mittel zu seiner Abwehr kundthun. Die Propheten antworteten, Gott verlange, dass die Gabaoniter gerächt würden, die der König Saul hinterlistigerweise wider Recht und Gerechtigkeit umgebracht habe unter Verletzung des Eides, den einst der Feldherr Jesus und die Ältesten geschworen hätten. 295 Wenn nun der König den Gabaonitern erlaube, nach Gutdünken ihre ermordeten Mitbürger zu rächen, so wollte Gott sich mit dem Volke wieder aussöhnen und es von der Hungersnot befreien. 296 Als David so durch die Propheten den Willen Gottes kennen gelernt hatte, beschied er die Gabaoniter zu sich und fragte sie, was sie wünschten. Und da sie sieben Personen vom Geschlechte Sauls zur Bestrafung verlangten, übergab ihnen der König dieselben mit der Bedingung, dass sie den Memphibost, den Sohn des Jonathas, verschonten. 297 Die Gabaoniter bestraften hierauf die Ausgelieferten nach ihrem Gutdünken. Alsdann liess Gott sogleich regnen, befreite das Land von der Dürre und machte es fruchtbar, sodass das Gebiet der Hebräer wieder Überfluss an Lebensmitteln hatte. – 298 Kurze Zeit darauf griff David die Palaestiner an und schlug sie in die Flucht. Als nun der König bei der Verfolgung ermüdete und allein zurückblieb, sah ihn einer der Feinde Namens Akmon, der Sohn des Araphas, der aus einem Riesengeschlecht stammte. 299 Er führte eine Lanze, deren Griff dreihundert Sekel wog, und trug einen Kettenpanzer und ein Schwert. Dieser wandte sich auf der Flucht um, drang auf David ein und gedachte ihn sicher zu töten, da der König vor Müdigkeit ganz erschöpft war. Abessa aber, Joabs Bruder, erschien plötzlich, beschirmte den zu Boden liegenden König und durchbohrte den Feind. 300 Das Volk aber ward unwillig, als es hörte, in welcher Lebensgefahr David geschwebt habe, und die Vorsteher beschworen den König, er möge doch künftig nicht mehr mit in die Schlacht ziehen, damit nicht, wenn ihm bei seiner Tapferkeit und Kampfbegier etwas zustosse‚ das Volk der Wohlthaten verlustig gehe, [448] die er ihm erwiesen habe und in Zukunft noch erweisen würde.

(2.) 301 Als der König nun gewahrte, dass die Palaestiner bei der Stadt Gazara versammelt seien, schickte er ein Heer gegen sie. In diesem Kampfe zeichnete sich ganz besonders aus Sobakches der Chettäer, einer der tapfersten von Davids Kriegern; denn er tötete viele Feinde, die sich ihrer Abstammung von den Riesen rühmten und auf ihre Tapferkeit sich nicht wenig zu gute thaten, und verschaffte dadurch den Hebräern den Sieg. 302 Nach dieser Niederlage aber begannen die Palaestiner den Krieg aufs neue, und David sandte wiederum ein Heer gegen sie aus. In diesem Feldzuge that sich besonders hervor Nephanus, ein Verwandter des Königs. Er bestand nämlich einen Zweikampf mit dem tapfersten Streiter der Palaestiner, tötete diesen und trieb die anderen in die Flucht, wobei viele umkamen. 303 Kurz darauf schlugen die Palaestiner ihr Lager bei Gitta auf, einer nicht weit von der Grenze des Hebräerlandes gelegenen Stadt. Sie hatten damals einen Kämpfer, der sechs Ellen gross war und mehr Finger und Zehen hatte als gewöhnliche Menschen. 304 Mit diesem stritt Jonathas, der Sohn des Samas, tötete ihn, trug dadurch viel zum Siege der Hebräer bei und erwarb sich auf diese Weise grossen Ruhm. Denn auch dieser Palaestiner brüstete sich, von Riesen abzustammen. Von da an liessen die Palaestiner die Israëliten in Frieden.

(3.) 305 Als nun David nach allen diesen Kriegen und Gefahren sich des tiefsten Friedens erfreute, verfasste er zu Ehren Gottes Lieder und Gesänge von verschiedener Versart, sowohl dreigliederige als fünfgliederige. Auch liess er eine Reihe von Musikinstrumenten anfertigen und lehrte die Leviten, wie sie darauf zum Lobe Gottes an Sabbaten und anderen Festtagen spielen und dazu singen sollten. 306 Diese Instrumente waren folgendermassen eingerichtet. Die Kinyra war mit zehn Saiten bespannt und wurde mit einem Stäbchen geschlagen [449] (also eine Art Zither); die Nabla hatte zwölf Stimmen und wurde mit den Fingern gespielt (etwa eine Harfe); die Cymbeln endlich waren von Erz und gross und breit (Schlagbecken). So viel möge über diese Sachen genügen, damit man sich wenigstens in etwa eine Vorstellung davon machen kann.

(4.) 307 Alle Männer in der nächsten Umgebung des Königs waren von erprobter Tapferkeit. Unter ihnen aber waren wegen ihrer Heldenthaten wieder ganz besonders berühmt achtunddreissig, von denen ich hier nur fünf erwähnen will, da man von ihnen auf die Tapferkeit der übrigen einen Rückschluss machen kann. Sie besassen eine solche Stärke, dass sie ganze Länder und Völkerschaften bekämpfen konnten. 308 Da war zunächst Jessaemus‚ der Sohn des Achemaeus, der sich oft mitten in die feindlichen Schlachtreihen stürzte und nicht eher nachliess, als bis er neunhundert getötet hatte. Ferner Eleazar, der Sohn des Dodias, der mit dem Könige in Arasa war. 309 Dieser hielt, als einst die Israëliten vor der Überzahl der Feinde wichen, allein stand und erlegte so viele Feinde, dass ihm vor lauter Blut das Schwert an der rechten Hand kleben blieb. Die Israëliten stiegen darauf, als sie die Palaestiner fliehen sahen, von den Bergen herab, verfolgten sie und errangen einen glänzenden und wunderbaren Sieg, indem Eleazar unaufhörlich Feinde niedermachte, das Kriegsvolk aber ihm nachfolgte und die Erschlagenen plünderte. 310 Der dritte war Kesabaeus, der Sohn des Ilus. Dieser hielt in dem Treffen mit den Palaestinern, welches bei dem „Kinnlade“ genannten Orte stattfand, als die Hebräer aus Furcht vor der Übermacht flohen, allein aus und machte einen Teil der Feinde nieder, den anderen Teil aber verfolgte er, da sein ungestümer Andrang jeden Widerstand unmöglich machte. 311 Das sind die Heldenthaten dieser drei Männer, denen sich noch folgende anschliesst. Als einst der König zu Jerusalem weilte und unerwartet ein Heer der Palaestiner ins Land einfiel‚ stieg David, wie oben erwähnt, auf die Burg, um Gott wegen des Krieges zu [450] befragen. Das Lager der Feinde aber stand in dem Thale, welches sich bis zur Stadt Bethleëm erstreckt, die zwanzig Stadien von Jerusalem entfernt liegt. Da sprach der König zu seiner Umgebung: „Wir haben doch so gutes Wasser in meinem Lande, besonders in dem Brunnen vor dem Thore von Bethleëm. Wenn jemand mir daraus Wasser brächte, würde er mir einen grösseren Gefallen thun, als wenn er mir grosse Schätze gäbe.“ 313 Als jene drei Männer das vernahmen, brachen sie sogleich auf, drangen mitten durch das feindliche Lager, kamen nach Bethleëm, schöpften Wasser aus dem Brunnen und kehrten damit durch das Lager wieder zurück. Die Palaestiner, erstaunt über solche Kühnheit, liessen sie gewähren und wagten nichts gegen sie zu unternehmen, obgleich die Wackeren in so kleiner Zahl waren. 314 Als sie nun das Wasser gebracht hatten, wollte der König nicht davon trinken, weil es mit so grosser Lebensgefahr geholt werden sei. Jedoch goss er es Gott zu Ehren aus und dankte ihm für die Errettung jener Männer aus der Lebensgefahr. Zu erwähnen ist dann viertens noch Abessa, der Bruder Joabs, 315 der an einem Tage sechshundert Feinde erschlug, und als fünfter Banajas, aus priesterlichem Geschlecht, der von zwei berühmten Moabitern herausgefordert wurde, sie aber beide durch seine Tapferkeit überwand. Ein andermal forderte ihn ein Aegyptier von ungeheurer Grösse heraus, und obwohl Banajas unbewaffnet war, entwand er dem Aegyptier seinen Speer und tötete ihn damit. 316 An diese Heldenthaten lässt sich noch eine anreihen, die, wenn man die Kühnheit beachtet, mit der sie ausgeführt wurde, den anderen mindestens gleichzustellen ist. Als nämlich Gott der Erde Schnee gesandt hatte, stürzte zufällig ein Löwe in einen Brunnen, und da die Öffnung des Brunnens eng und mit Schnee bedeckt war, geriet der Löwe in Gefahr, umzukommen, und fing fürchterlich zu brüllen an. 317 Banajas, der zufällig des Weges kam und das Tier schreien hörte, ging zu der Stelle, woher das Gebrüll kam, stieg in den Brunnen und [451] tötete den Löwen mit einem Stocke, den er in der Hand trug. Ebensolche Helden waren auch die anderen dreiunddreissig.

Dreizehntes Kapitel.
Gott schickt als Strafe für eine von David veranstaltete Volkszählung eine Krankheit, die der König durch Opfer wieder abwendet.

(1.) 318 Der König David wollte nun wissen, wie zahlreich sein Volk sei, und uneingedenk der Vorschrift des Moyses, dass, wenn das Volk gezählt würde, für jeden Kopf ein halber Sekel dargebracht werden sollte, befahl er seinem Heerführer Joab, das Land zu bereisen und das gesamte Volk zu zählen. 319 Dieser meinte zwar, eine solche Zählung sei unnötig, doch konnte er den König hiervon nicht überzeugen und erhielt den Befehl, ungesäumt abzureisen. Joab nahm daher die Vorsteher der Stämme sowie eine Anzahl Schreiber zu sich, durchzog das Land der Israëliten, zählte das Volk und kehrte nach Ablauf von neun Monaten und zwanzig Tagen nach Jerusalem zum Könige zurück, dem er die Zahl des ganzen Volkes angab, jedoch mit Ausnahme der Stämme Benjamin und Levis, 320 die er noch nicht gezählt hatte. Den König aber reute jetzt die Zählung, weil er sich damit gegen Gott versündigt hatte. Es zählten aber die Israëliten neunhunderttausend kriegsdienstfähige Männer, von denen der Stamm Judas allein vierhunderttausend stellte.

(2.) 321 Als nun die Seher dem David verkündeten, Gott zürne ihm gewaltig, bat er den Herrn kniefällig, er möge ihm gnädig sein und ihm seine Schuld verzeihen. Da sandte Gott den Seher Gad zu ihm und liess ihn wählen, ob er in seinem Lande sieben Jahre lang Hungersnot haben wolle, oder ob er einen dreimonatlichen Krieg wünsche, oder endlich, ob er eine dreitägige Pest vorziehe, die im Volke wüten und es gleichsam mit Gott [452] streiten lassen würde. 322 David geriet in qualvolle Verlegenheit und Bestürzung, dass er unter so schweren Übeln eine Wahl treffen sollte. Als aber der Seher erklärte, es sei notwendig, dass er dies thue, und ihm befahl, sogleich Antwort zu geben, da er dieselbe Gott melden müsse, überlegte der König, dass, wenn er Hungersnot wähle, es scheinen könnte, als ob er das zum Nachteil seiner Untergebenen gethan hätte, da er selbst einen grossen Getreidevorrat besass und also nicht in Verlegenheit kommen konnte, während das Volk schwer getroffen worden wäre. 323 Würde er aber die dreimonatliche Kriegszeit wählen, so sei wohl der Vorwurf zu erwarten, er habe den Krieg gewählt, weil er selbst von tapferen Männern beschützt werde, feste Plätze zur Verfügung habe und somit nichts zu befürchten brauche. Er zog deshalb das Übel vor, das den König wie seine Unterthanen in gleicher Weise heimsuchen würde, und vor dem alle die gleiche Angst haben müssten, und meinte, es sei besser, in Gottes Hände als in die der Feinde zu fallen.

(3.) 324 Der Seher brachte diese Antwort des Königs zu Gott hin, der dann Pest und Tod über die Hebräer kommen liess. Doch starben nicht alle in gleicher Weise, sodass es schwer war, die Krankheit zu erkennen. Das Übel war wohl dasselbe, aber es trat in verschiedenartigen Symptomen auf, sodass niemand dagegen Rat schaffen konnte. 325 Einer erlag nach dem anderen‚ und die sich unbemerkt einschleichende Krankheit führte schnell zum Tode. Die einen gaben plötzlich unter heftigen, quälenden Schmerzen den Geist auf, andere magerten so entsetzlich ab, dass sie von der Krankheit fast ganz verzehrt wurden und sozusagen nichts von ihnen übrig blieb, was man hätte begraben können. 326 Wieder anderen wurde es plötzlich finster vor den Augen, und unter heftigem Aufschreien erstickten sie. Einige auch, die ihre toten Hausgenossen bestatten wollten, starben dahin, noch ehe die Beerdigung zu Ende war. Als die Pest so von der Morgenfrühe bis zur Mittagszeit gewütet [453] hatte, waren schon siebzigtausend Menschen dahingerafft. 327 Hierauf streckte der Engel seine Hand über Jerusalem aus, damit auch da das Übel seinen Einzug halte. Nun zog der König einen Sack an, warf sich zur Erde und bat und beschwor Gott, er möge doch der Pest Einhalt thun und sich an den schon Dahingerafften genügen lassen. Und da er seine Augen erhob und einen Engel erblickte, der mit gezücktem Schwerte über Jerusalem schwebte, 328 rief er zu Gott, er als der Hirt habe diese Strafe verdient, die Herden aber verdienten gerettet zu werden, da sie nichts verbrochen hätten. Dann bat er flehentlich, der Zorn Gottes möge ihn und sein Haus treffen, das Volk dagegen verschonen.

(4.) 329 Da erhörte Gott sein Gebet und that der Seuche Einhalt, schickte aber zugleich den Seher Gad zu ihm und liess ihm befehlen, er solle alsbald zur Tenne des Jebusäers Oronnas emporsteigen, dort einen Altar erbauen und Gott opfern. Sobald David den Befehl erhalten, eilte er sogleich an den bezeichneten Ort. 330 Oronnas, der gerade mit Dreschen beschäftigt war, ging, als er den König mit allen seinen Söhnen auf sich zukommen sah, ihm entgegen. Er war seiner Abstammung nach Jebusäer und Davids guter Freund, weshalb dieser ihm auch nach der Zerstörung der Stadt kein Leid anthat, wie ich oben erzählt habe. 331 Als nun Oronnas fragte, weshalb der Herr zu seinem Knechte komme, antwortete David, er wolle ihm die Tenne abkaufen, um darauf einen Altar zu errichten und Gott Opfer darzubringen. Oronnas aber sagte, er wolle ihm Tenne, Pflug und Ochsen zum Brandopfer überlassen, wenn es Gott nur gefalle, das Opfer anzunehmen. 332 Der König entgegnete ihm, er liebe ihn wegen seiner hochherzigen und frommen Gesinnung und sage ihm Dank für sein Anerbieten; doch bat er ihn, ihm das alles für einen bestimmten Preis zu verkaufen, denn es gezieme sich nicht, Opfer ohne besondere Auslagen darzubringen. Als Oronnas dann bemerkte, er sei mit allem zufrieden, kaufte ihm der König die Tenne für fünfzig Sekel ab, [454] 333 erbaute einen Altar darauf und brachte Brand- und Friedopfer dar, wodurch Gott versöhnt wurde und seine Huld ihm wieder zuwandte. Es traf sich aber, dass das gerade dieselbe Stelle war, an die einst Abram seinen Sohn Isak geführt hatte, um ihn Gott zu opfern, und wo ihm, als er sich zur Tötung des Knaben anschickte, plötzlich der Widder erschien, den er dann statt seines Sohnes opferte, wie ich früher ausführlich berichtet habe. 334 Da nun David sah, dass Gott sein Gebet erhört und sein Opfer wohlgefällig angenommen hatte, beschloss er, diesen Ort „Altar des ganzen Volkes“ zu nennen und Gott daselbst einen Tempel zu erbauen. Diesen Namen legte er aber dem Orte mit Rücksicht auf dessen zukünftige Bestimmung bei. Denn Gott verkündigte ihm durch einen Seher, sein Sohn, der ihm in der Regierung folgen solle, werde an dieser Stelle einen Tempel erbauen.

Vierzehntes Kapitel.
David trifft Vorbereitungen zum Tempelbau. Fruchtloser Versuch des Adonias, sich zum König aufzuwerfen. Solomon wird als König anerkannt.

(1.) 335 Nachdem dem Könige die Prophezeiung verkündigt worden war, liess er die Anwohner abzählen‚ deren sich hundertachtzigtausend vorfanden. Von diesen bestimmte er achtzigtausend Mann zu Steinmetzen, den Rest aber zum Zusammentragen von Steinen, und dreitausendfünfhundert Aufseher setzte er über die Arbeiter. Auch sammelte er zu dem Werke eine grosse Menge Eisen und Erz sowie einen grossen Vorrat erstaunlich hochgewachsener Cedern, welche die Tyrier und Sidonier ihm geschickt hatten. Denn er hatte sie brieflich gebeten, ihm das Holz zu liefern. 336 Seinen Freunden teilte er mit, er treffe diese Vorbereitungen, um seinem Sohn und Nachfolger das Material zum Tempelbau bereits angesammelt hinterlassen zu können. Dann brauche [455] dieser, da er noch jung sei und wenig Erfahrung in betreff dieser Angelegenheit habe, dasselbe nicht erst zu sammeln und könne das Werk rascher vollenden.

(2.) 337 Hierauf liess David seinen Sohn Solomon rufen und trug ihm auf, Gott einen Tempel zu bauen, sobald er zur Regierung gelangt sei. Er selbst, sagte er, habe das schon vorgehabt, doch habe Gott ihn daran verhindert, weil er von dem im Kriege vergossenen Blut verunreinigt sei. Aber er habe ihm verkündigt, sein jüngster Sohn Solomon werde ihm den Tempel erbauen; für ihn werde er wie ein Vater sorgen und unter seiner Regierung dem Lande der Hebräer Glück und Wohlstand und, was das Wichtigste von allem sei, Frieden und Ruhe vor inneren wie äusseren Feinden gewähren. 338 „Du aber,“ sprach er weiter, „den Gott schon vor der Geburt zum König bestimmt hat, gieb dir alle Mühe, dass du dich seiner Fürsorge würdig zeigest, Frömmigkeit, Gerechtigkeit und Seelengrösse beweisest und seine Gebote wie auch die von Moyses gegebenen Gesetze sowohl selbst treu beobachtest, als auch andere sie nicht übertreten lässt. 339 Sorge auch auf jede erdenkliche Weise dafür, dass der Tempel, den Gott unter deiner Regierung errichtet wissen will, vollendet werde, und lass dich weder durch die Grösse, noch durch die Schwierigkeit der Ausführung des Werkes abschrecken. Denn ich werde dir vor meinem Tode noch alles dazu Notwendige beschaffen. 340 Wisse, dass ich schon zehntausend Talente Gold und hunderttausend Talente Silber gesammelt habe. Auch eine Masse Eisen und Erz, Steine und Holz habe ich zusammengebracht. Ferner stehen dir tausende von Steinmetzen zur Verfügung, und wenn dir noch etwas fehlen sollte, kannst du es leicht ergänzen. Vollendest du das Werk, so wirst du Gott wohlgefällig sein und dich seines Schutzes erfreuen.“ 341 Hierauf ermahnte David auch die Vorsteher des Volkes, seinen Sohn beim Bau zu unterstützen und, frei von jeder Drangsal, dem Gottesdienst eifrig obzuliegen. Dafür würden sie langen Friedens und einer [456] glücklichen Regierung sich erfreuen, wie Gott sie frommen und gerechten Menschen zu verleihen pflege. 342 Wenn aber der Tempel vollendet sei, sollten sie die Lade und die heiligen Geräte darin aufstellen, für die schon lange ein Tempel hätte da sein müssen. Das wäre auch sicher geschehen, wenn unsere Vorfahren nicht die Gebote Gottes missachtet hätten, der befohlen habe, ihm einen Tempel zu errichten, sobald sie das Land in Besitz genommen hätten. Solche Ermahnungen richtete David an die Vorsteher und an seinen Sohn.

(3.) 343 Da nun David schon hochbetagt und sein Körper so kalt war, dass man ihn selbst mit vielen Kleidern nicht erwärmen konnte, schlugen die Ärzte nach gepflogener Beratung vor, man solle eine besonders schöne Jungfrau im Lande suchen und sie beim Könige schlafen lassen; das sei das beste Mittel gegen die Kälte, weil das Mädchen ihn wärmen werde. 344 Man fand dann in der Stadt ein hervorragend schönes Weib mit Namen Abisake, welche nun beim Könige ruhte und ihn erwärmte; jedoch vollzog er mit ihr nicht den Beischlaf, da er hierzu seines Alters wegen zu schwach war. Von dieser Jungfrau wird noch weiter unten die Rede sein.

(4.) 345 Adonias aber, der vierte Sohn des David, der von der Aegitha geboren war, ein schöner und stolzer Jüngling und an Gesinnung dem Abesalom gleich, trug sich mit der Hoffnung, König zu werden, und sagte seinen Freunden, er müsse die Herrschaft innehaben. Er verschaffte sich dann eine grosse Anzahl Wagen und Pferde, sowie fünfzig Vorläufer. 346 Obgleich nun sein Vater dies bemerkte, tadelte er ihn weder deshalb, noch fragte er ihn überhaupt nach dem Zwecke seines Beginnens. Auf seiten des Adonias standen der Feldherr Joab und der Hohepriester Abiathar, wider ihn waren der Hohepriester Sadok‚ der Seher Nathan, Banajas, der Befehlshaber der Leibwache, Semeïs, Davids Freund, sowie die Schar der Tapferen. 347 Adonias liess nun ausserhalb der Stadt bei einer im königlichen Garten befindlichen Quelle ein Gastmahl herrichten und lud dazu alle seine Brüder mit [457] Ausnahme des Solomon, sowie den Feldherrn Joab, den Abiathar und die Vorsteher des Stammes Judas ein, die denn auch alle erschienen. Den Hohepriester Sadok dagegen, den Seher Nathan, den Befehlshaber Banajas, sowie alle, die zu der anderen Partei hielten, hatte er nicht eingeladen. 348 Darauf teilte Nathan der Beersabe, der Mutter Solomons, mit, dass Adonias sich aufführe, als sei er schon König, ohne dass David darum wisse. Dann riet er ihr, sie solle sich zu ihrem und ihres Sohnes Solomon Besten allein zu David begeben und ihn davon in Kenntnis setzen, dass, obwohl er eidlich versichert habe, Solomon werde sein Nachfolger, dennoch Adonias bereits zur Herrschaft gelangt sei. 349 Während sie dies mit dem Könige bespreche, werde er auch selbst sich dort einfinden und ihre Worte bestätigen. Beersabe folgte dem Rate Nathans und begab sich zum Könige; und als sie sich verneigt und die Erlaubnis zu sprechen erhalten hatte, 350 erzählte sie alles so, wie der Seher es ihr angeraten hatte, wie nämlich Adonias ein Gastmahl gegeben und dazu den Feldherrn Joab, den Hohepriester Abiathar und die Söhne und Freunde des Königs mit Ausnahme Solomons eingeladen habe. Dann wies sie darauf hin, wie das ganze Volk gespannt sei, wen er zum Könige bestimmt habe, und bat ihn flehentlich, doch erwägen zu wollen, dass Adonias, wenn er nach seinem Tode zur Regierung gekommen sei, sie selbst und ihren Sohn Solomon umbringen lassen werde.

(5.) 351 Während das Weib diese Unterredung mit dem Könige hatte, meldeten die königlichen Kämmerer dem David, dass Nathan ihn sprechen wolle. Und da der König ihn vorzulassen befahl, trat Nathan ein und fragte ihn, ob er heute den Adonias zum Könige ernannt und ihm die Regierung übertragen habe. 352 Denn dieser habe ein glänzendes Mahl gegeben und alle Söhne des Königs mit Ausnahme Solomons und den Feldherrn Joab dazu eingeladen, die augenblicklich unter fröhlichem Jauchzen und Scherzen beim Mahle sässen und ihm eine lange Regierung wünschten. Doch habe er [458] ihn, den Hohepriester Sadok und den Befehlshaber der Leibwache, Banajas, nicht eingeladen. Es gezieme sich aber, dass allgemein bekannt werde, ob das alles mit Davids Einwilligung vor sich gehe. 353 Nachdem Nathan also gesprochen, liess der König die Beersabe, die bei der Ankunft des Sehers den Saal verlassen hatte, wieder rufen und sprach zu ihr, als sie vor ihm stand: „Ich schwöre bei Gott dem Allerhöchsten, dass dein Sohn Solomon bestimmt zur Regierung kommen wird, wie ich dies auch schon geschworen habe, und dass er noch heute auf meinem Throne sitzen soll.“ 354 Das Weib verbeugte sich darauf vor dem Könige und wünschte ihm ein langes Leben; David aber liess den Hohepriester Sadok und den Befehlshaber der Leibwache, Banajas, rufen und befahl ihnen, sie sollten unter Geleit des Sehers Nathan und aller Krieger, die sich augenblicklich bei Hofe befinden, 355 seinen Sohn Solomon auf ein königliches Maultier setzen, ihn vor die Stadt zur Quelle Geon führen, ihn dort mit heiligem Oel salben und ihn zum Könige ausrufen. Die letztere Verrichtung trug er dem Hohepriester Sadok und dem Seher Nathan auf; 356 die übrigen dagegen sollten den Solomon mitten durch die Stadt geleiten und unter Hörnerschall ausrufen: „Lang lebe der König Solomon!“ Dann werde es dem Volke kund werden, dass sein Vater ihn zum Könige ernannt habe. Dem Solomon aber gab er Weisungen in betreff seiner Regierung und legte ihm ans Herz, dem Volke der Hebräer und dem Stamme Judas ein milder und gerechter Herrscher zu werden. 357 Banajas sprach darauf den Glückwunsch aus und rief Gottes Segen über Solomon herab. Alsdann setzte man ihn auf ein Maultier, geleitete ihn aus der Stadt zu der Quelle, salbte ihn mit Oel, führte ihn unter Glückwunschbezeugungen wieder zur Stadt 358 und in den königlichen Palast zurück und setzte ihn auf den Thron seines Vaters. Dann beging das Volk den Tag festlich mit Freudenmahlen und ergötzte sich an Musik und Tanz, sodass vom Schalle der Instrumente Erde und Himmel ringsum erdröhnten.

[459] (6.) 359 Da aber Adonias und seine Gäste das Jauchzen vernahmen, gerieten sie in Bestürzung, und der Feldherr Joab erklärte gleich, dieses fröhliche Musizieren gefalle ihm nicht. Sobald nun das Mahl angerichtet war und niemand davon kosten wollte, vielmehr alle in tiefem Sinnen dasassen, kam auf einmal Jonathas, der Sohn des Hohepriesters Abiathar, daher. 360 Adonias sah den Jüngling gern und nannte ihn den Bringer froher Botschaft. Als dieser aber erzählte, was sich mit Solomon nach Davids Willen zugetragen hatte, standen Adonias und seine Gäste eiligst vom Mahle auf und flohen nach Hause. 361 Adonias, der wegen seines Vergehens in grosser Angst war, wandte sich flehentlich zu Gott, indem er die vorstehenden Hörner des Altars ergriff. Als Solomon vernahm, dass Adonias zu Gott gefleht habe und ihn bitten lasse, er möge das Vorgefallene vergessen und ihm kein Leid zufügen, 362 gewährte er ihm in seiner Milde und Güte Verzeihung und Straflosigkeit, ermahnte ihn aber auch, dass er, wofern er künftig wieder über solchen Anschlägen ertappt würde, zur gebührenden Strafe werde gezogen werden. Darauf liess er ihn aus seiner gebeugten Stellung aufrichten und hiess ihn, nachdem Adonias ihm die schuldige Ehrenbezeugung erwiesen, ohne Furcht nach Hause gehen, nachdem er ihm noch besonders eingeschärft hatte, in Zukunft sich gut zu führen, was ihm nur von Vorteil sein könne.

(7.) 363 Weil nun David die Absicht hatte, seinen Sohn zum Könige des gesamten Volkes ausrufen zu lassen, berief er nach Jerusalem alle Vorsteher nebst den Priestern und Leviten, bei deren Zählung sich achtunddreissigtausend Mann ergaben, die im Alter von dreissig bis fünfzig Jahren standen. 364 Von diesen bestimmte der König dreiundzwanzigtausend zu Aufsehern beim Tempelbau, sechstausend zu Richtern und Schreibern, viertausend zu Pförtnern am Hause Gottes und ebensoviele zu Chorsängern und zum Spielen der Musikinstrumente beim Gottesdienst. 365 Alsdann teilte er sie in Familien ein, sonderte die Priester von den übrigen Stämmen ab und [460] fand von ihnen vierundzwanzig Familien vor, sechzehn aus dem Hause Eleazars und acht aus dem Hause Ithamars. Nach seiner Anordnung sollte eine Familie jedesmal acht Tage lang, von Sabbat zu Sabbat, den Gottesdienst versehen. 366 Alle Familien warfen dann in Gegenwart Davids, der Hohepriester Sadok und Abiathar und aller Vorsteher das Los, und die Familie, deren Los zuerst heraussprang, wurde auch zuerst notiert, hierauf so weiter bis zur vierundzwanzigsten Familie. Diese Einteilung hat sich bis heute erhalten. 367 Ebenso teilte er den Stamm Levis in vierundzwanzig Klassen ein und übertrug ihnen durch das Los, wie den Priestern, ihren achttägigen Dienst. Eine besondere Ehrung liess er den Nachkommen des Moyses zu teil werden. Er machte sie nämlich zu Wächtern über den Schatz Gottes und die Weihgeschenke, die von Königen dargebracht waren. Dann ordnete er noch an, dass alle Leviten und Priester Tag und Nacht beständig Gottesdienst halten sollten, wie Moyses ihnen dies schon vorgeschrieben hatte.

(8.) 368 Hierauf teilte er auch das Heer in zwölf Abteilungen und setzte über die einzelnen Abteilungen Anführer, Hauptleute und Oberste. Jede Abteilung zählte vierundzwanzigtausend Mann, die mit ihren Hauptleuten und Obersten je dreissig Tage lang, vom ersten bis zum letzten Tage des Monats, beim Könige Solomon Dienst thun sollten. 369 Ferner setzte er noch über jede Abteilung besonders gute und gerechte Männer und ernannte auch Zahlmeister, Dorf- und Landverwalter, sowie Beamte für das Viehzuchtwesen, die einzeln aufzuführen ich nicht für notwendig halte.

(9.) 370 Nachdem er so alles bis ins kleinste angeordnet hatte, versammelte er die Behörden der Hebräer, die Stammeshäupter, Heerführer und alle, die königliche oder sonstige Ämter innehatten, betrat eine erhöhte Rednerbühne und sprach also zum Volke: 371 „Brüder und Volksgenossen, ich will euch nicht in Unkenntnis darüber lassen, dass ich vorhatte, Gott einen Tempel zu erbauen und dass ich dazu bereits eine Menge Gold und hunderttausend [461] Talente Silber gesammelt habe. Gott aber hat mir durch den Seher Nathan den Bau untersagt, da ich viele Kriege für euch geführt und meine Hände mit Feindesblut befleckt habe. Der Herr wollte vielmehr, dass mein Sohn und Nachfolger den Tempel errichten sollte. 372 Da ihr nun wisst, dass Judas allein von den zwölf Söhnen unseres Vorfahren Jakob zum Könige bestimmt war, und dass ich meinen sechs übrigen Brüdern vorgezogen worden bin und von Gott die Königswürde erhalten habe, ohne dass einer von ihnen darüber unzufrieden war, so bitte und beschwöre ich auch meine Söhne, keinen Aufstand deshalb zu erregen, weil Solomon die Herrschaft erhielt, vielmehr anzuerkennen, dass Gott ihn erwählt hat, und ihn demgemäss bereitwillig als ihren Herrn zu betrachten. 373 Denn es ist nicht schwer, wenn Gott es so will, selbst einem fremden Herrn zu dienen; um wie viel mehr muss man sich Glück wünschen, wenn der eigene Bruder eine so hohe Stellung erlangt, da man dann ja an seinem Glücke teilnimmt. Ich für meine Person wünsche, dass Gottes Verheissungen sich erfüllen, und dass das Glück, welches Gott unter der Regierung Solomons dem Lande verleihen will, sich überall ausdehnen und ewig dauern möge. 374 Alles aber wird sich so gestalten und einen glücklichen Ausgang nehmen, wenn du, mein Sohn, dich fromm und gerecht erweisest und die heimischen Gesetze schützest und verteidigst. Handelst du ihnen aber entgegen, so hast du nur Unheil zu erwarten.“

(10.) 375 Mit diesen Worten schloss der König seine Rede. Dann übergab er vor aller Augen dem Solomon den Plan zum Tempelbau, der das Fundament, die Zahl, Höhe und Breite der oberen und unteren Gemächer, weiterhin auch das Gewicht der goldenen und silbernen Geräte enthielt. 376 Ferner ermahnte er ihn, auf das Werk die grösste Sorgfalt zu verwenden; die Vorsteher aber und den Stamm Levis bat er, sie möchten seinem Sohne, da er noch jung sei, hilfreich zur Hand gehen, zumal Gott selbst ihn zum Tempelbau und zur Regierung ausersehen [462] habe. 377 Dann zeigte er ihnen, dass der Bau nicht allzu schwierig und mühsam sein werde, da er schon viele Talente Gold und Silber, ferner Bauholz, sowie eine Menge Smaragde und sonstige kostbare Steine aller Art zusammengebracht und ausserdem auch schon für eine hinreichende Anzahl von Steinmetzen gesorgt habe. 378 Dazu werde er aus seinen königlichen Einkünften zweihundert und ausserdem noch dreitausend Talente reinen Goldes zum Heiligtum, sowie zum Wagen Gottes die Cherubim‚ die auf der heiligen Lade angebracht würden und diese bedeckten, spenden. Als nun David seine Rede beendet hatte, steuerten die Stammesoberhäupter, Priester und Leviten mit grosser Bereitwilligkeit und reichlich zum Tempelbau bei und versprachen noch viele und kostbare Gaben für später. 379 Sie verpflichteten sich nämlich noch zu liefern: fünftausend Talente und zehntausend Stater[2] Gold, zehntausend Talente Silber und viele tausend Talente Eisen. Und wenn jemand einen kostbaren Stein besass, so brachte er ihn und legte ihn zum Schatze, dessen Hut dem Ialus, einem Nachkommen des Moyses, anvertraut war.

(11.) 380 Hierüber freute sich das ganze Volk, und da David sah, wie die Vorsteher, die Priester und alle anderen in regem Wetteifer zum Werke beitrugen, fing er an mit lauter Stimme Gott zu loben und nannte ihn den Vater und Schöpfer der ganzen Welt und den Vollbringer aller göttlichen und menschlichen Werke, der ihm die Regierung über die Hebräer und die Fürsorge für dieselben und das ihm anvertraute Königreich übertragen habe. 381 Dann wünschte er dem gesamten Volke alles Gute und seinem Sohne Solomon einen redlichen, unbefleckten und mit allen Tugenden ausgestatteten Sinn. Darauf hiess er das Volk in seine Lobgesänge einstimmen. Und alles fiel zur Erde nieder, betete Gott an und dankte dem David für die Wohlthaten, die er während seiner Regierung dem Volke erwiesen hatte. [463] 382 Am folgenden Tage opferte man Gott tausend Kälber, eben so viele Widder und Lämmer als Brandopfer und tausende von Tieren als Friedopfer‚ und der König wie das Volk vergnügten sich bei festlichen Schmausereien. Solomon aber wurde aufs neue mit Öl gesalbt und zum Könige erwählt, und Sadok zum Priester für das ganze Volk bestimmt. Dann führte das Volk den Solomon zum Königspalaste, setzte ihn auf den Thron seines Vaters und gehorchte ihm seit diesem Tage willig.

Fünfzehntes Kapitel.
Letzte Worte Davids an Solomon und sein Tod.

(1.) 383 Als nicht lange danach David aus Altersschwäche in eine Krankheit fiel und seinen Tod herannahen fühlte, beschied er den Solomon zu sich und sprach also zu ihm: „Ich stehe jetzt im Begriff, mein Sohn, von der Welt zu scheiden und zu meinen Vätern zu gehen, und betrete jenen Weg, den alle betreten müssen, die jetzt leben und die nach mir sein werden, und auf dem niemand zurückkehren kann, um sich nach den Vorfällen dieses Lebens zu erkundigen. 384 Da ich nun noch am Leben bin, mein Tod aber nahe bevorsteht, erinnere ich dich noch einmal an das, was ich dir schon früher gesagt habe, dass du nämlich gerecht seiest gegen deine Unterthanen und treu gegen Gott, der dir die Herrschaft verliehen hat, und dass du seine Gebote und Gesetze, die er uns durch Moyses gegeben, nicht übertretest, möge dich dazu nun Menschenfurcht, Schmeichelei oder irgend eine andere Begierde oder Leidenschaft verlocken. 385 Denn wenn du Gottes Gebote nicht hältst, entfremdest du dir auch seine Güte und Fürsorge. Wenn du dich aber so beträgst, wie es sich geziemt und ich von dir verlange, so wird die Königswürde bei unserer Familie verbleiben, und kein anderes Haus wie das unsere für alle Zeit über die Hebräer herrschen. 386 Gedenke auch der Bosheit des Feldherrn Joab, der aus schnödem Neid zwei gute und gerechte Heerführer, Abener, den Sohn des Nerus, [464] und Amessas, den Sohn des Jethranas, umgebracht hat. Räche deren Tod nach deinem Gutdünken, denn da Joab mir zu mächtig war, habe ich ihn nicht zur Verantwortung ziehen können. 387 Ich empfehle dir besonders die Kinder des Galaditers Berzelaeus, denen du um meinetwillen alle Ehre und Fürsorge erzeigen sollst. Denn so vergelten wir ihnen die Wohlthaten, die ihr Vater mir erwiesen hat, als ich flüchtig war. 388 Den Benjamiter Semeï aber, den Sohn des Geras, der mich auf der Flucht nach Parembolai schmähte und nachher mir bis zum Jordan entgegenzog, wo ich ihm das Leben schenkte, bestrafe, sobald sich ein gerechter Grund dafür findet.

(2.) 389 Als David seinem Sohne dies alles in betreff der Regierung sowie hinsichtlich seiner Freunde und Feinde auseinandergesetzt hatte, schied er aus dem Leben im Alter von siebzig Jahren, nachdem er zu Chebron über den Stamm Judas sieben Jahre und sechs Monate, und zu Jerusalem über das ganze Land dreiunddreissig Jahre lang geherrscht hatte. 390 Er war ein vortrefflicher Mann und mit allen Tugenden ausgestattet, die ein König besitzen muss, dem das Wohl eines so grossen Volkes anvertraut ist. Denn er übertraf alle anderen an Tapferkeit, und wenn er Kriege für sein Volk führte, setzte er sich stets zuerst den Gefahren aus und feuerte seine Krieger durch Ausdauer in Beschwerden und durch heldenmütiges Kämpfen zur Vollbringung glänzender Kriegsthaten an, nicht aber durch Befehlen, wie es die Art der Herren ist. 391 Zugleich durchdrang er mit scharfem Blick die gegenwärtigen wie die zukünftigen Verhältnisse, und war bescheiden, mild und gütig gegen Unglückliche, gerecht und menschenfreundlich gegen alle. So besass er alle Eigenschaften, die einen König zieren, und missbrauchte nie seine Gewalt, mit alleiniger Ausnahme des Vergehens mit dem Weibe des Urias. Ausserdem hinterliess er einen so gewaltigen Reichtum, wie ihn nie ein anderer König der Hebräer sowohl wie der übrigen Völkerschaften hinterlassen hat.

[465] (3.) 392 Sein Sohn Solomon bestattete ihn zu Jerusalem mit grossem Gepränge und legte ausserdem, dass er die anderen Gebräuche beobachtete, welche bei der Bestattung von Königen üblich sind, auch noch ungeheure Schätze in das Grab, deren Grösse man aus folgenden Thatsachen leicht ermessen kann. 393 Als dreizehnhundert Jahre später der Hohepriester Hyrkanus von Antiochus, der den Beinamen Eusebes hatte und ein Sohn des Demetrius war, belagert wurde und ihn durch Zahlung einer Geldsumme veranlassen wollte, von der Belagerung abzustehen und sein Heer zurückzuziehen, öffnete er, da ihm sonst keine Mittel zur Verfügung standen, eine Kammer von Davids Grabdenkmal, nahm dreitausend Talente heraus und gab einen Teil davon dem Antiochus, wodurch er sich von der Belagerung loskaufte, wie ich an anderer Stelle berichtet habe. 394 Nach ihm öffnete viele Jahre später der König Herodes eine andere Kammer des Grabes und entnahm ihr grosse Schätze. Zu den Behältern aber, welche die Überreste der Könige enthielten, gelangte keiner von beiden; denn diese waren so geschickt in der Erde verborgen‚ dass man, wenn man in das Grabmal eintrat, nichts davon gewahr wurde. Soviel möge hierüber für jetzt genügen.


  1. Ein Talent = 4710 Mark, auch Gewicht = 26,2 Kilogramm.
  2. 1 Stater = 15,7 bis 16,8 Mark.
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