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ergriffen, zerriss ihr Gewand (die Jungfrauen trugen nach alter Sitte mit langen Ärmeln versehene und bis auf die Knöchel reichende Gewänder, die alle Blösse bedeckten), streute Asche auf ihr Haupt, ging mitten durch die Stadt und schrie und jammerte über die ihr zugefügte Unbill. 172 Da begegnete ihr zufällig ihr Bruder Abesalom und fragte sie, was ihr Übles widerfahren sei, dass sie sich so aufführe. Und als sie ihm das ihr angethane Unrecht erzählte, tröstete er sie, ermahnte sie, ruhig zu sein, ihren Schmerz zu mässigen und es nicht für eine Schmach zu halten, dass sie von ihrem Bruder geschändet worden sei. Sie liess sich auch beruhigen, hörte auf zu jammern und ihre Schande im Volke weiter zu verbreiten, und blieb dann ziemlich lange zurückgezogen bei ihrem Bruder Abesalom.

(2.) 173 Als ihr Vater David diese Sache erfuhr, ward er sehr zornig. Weil er indes den Amnon als seinen ältesten Sohn sehr liebte, wollte er ihm nicht wehe thun. Abesalom aber hasste ihn gewaltig und erspähte im geheimen eine Gelegenheit, um ihn für seine Schandthat zur Verantwortung zu ziehen. 174 Als nun schon zwei Jahre seit dem Vorfall verflossen waren, und Abesalom im Begriff war, nach der Stadt Belsephon im Stamme Ephraïm sich zur Schafschur zu begeben, lud er den Vater und die Brüder bei sich zu Gast. 175 Der Vater aber entschuldigte sich damit, er wolle ihm keine Mühe verursachen, worauf Abesalom ihn bat, er möge dann doch wenigstens seine Brüder zu ihm schicken. Als diese nun kamen, befahl er seinen Dienern, sie sollten, sobald sie sähen, dass Amnon vor Trunkenheit in Schlaf gefallen sei, sich nicht scheuen, ihn auf seine Verantwortung hin zu töten.

(3.) 176 Sowie dieser Befehl vollzogen war, bemächtigte sich der anderen Brüder gewaltiger Schrecken, und um sich selbst besorgt, stiegen sie rasch zu Pferde und ritten zu ihrem Vater. Es war ihnen aber jemand vorausgeeilt und hatte dem David gemeldet, alle seine Söhne seien von Abesalom umgebracht worden. 177 Als David vernahm,

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Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 423. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt1GermanClementz.pdf/422&oldid=- (Version vom 23.9.2020)