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166 Amnon legte sich also zu Bett und schützte Krankheit vor, wie Jonathas ihm geraten hatte. Und als sein Vater ihn besuchte und sich nach seinem Befinden erkundigte, bat er ihn, er möge ihm seine Schwester schicken, was dieser sogleich gewährte. Die Schwester kam nun, und Amnon ersuchte sie, ihm Kuchen zu backen, weil er diese lieber esse, wenn sie von ihr zubereitet seien. 167 Sie mengte darauf vor seinen Augen den Teig, formte Kuchen daraus, buk sie und bot sie ihm an. Doch wollte er sie noch nicht essen, sondern befahl zunächst seinen Dienern, sie sollten sich alle aus dem Schlafgemach entfernen, denn er wolle ruhen und von Getöse und Lärm verschont sein. 168 Als diese dem Befehl nachgekommen waren, bat er seine Schwester, sie möge ihm die Speise in sein Gemach bringen. Da nun das Mädchen ihm die Bitte erfüllte, ergriff er sie und suchte sie zu überreden, dass sie sich ihm hingebe. Das Mädchen aber schrie laut auf und sprach: „Thue mir doch, o Bruder, keine Gewalt an und begehe keine solche Schandthat, wodurch du die Gesetze übertreten würdest und deren du dich schämen müsstest. Stehe ab von der Befriedigung deiner Begierde, woraus unserer Familie nur Schimpf und Schande erwachsen würde.“ 169 Sie gab ihm dann noch den Rat, er solle über die Angelegenheit mit dem Vater reden, der ihm seinen Wunsch wohl erfüllen würde. Das sagte sie aber, um für den Augenblick seine begehrliche Leidenschaft zu dämpfen. Amnon jedoch hörte nicht auf sie, sondern that ihr, von Lust und Liebe entbrannt, Gewalt an. 170 Nach begangener That aber fuhr er seine Schwester sogleich hart an und hiess sie unter Schimpfworten sich erheben und sich fortmachen. Als sie sich nun beklagte, er beleidige sie noch mehr, weil er sie, nachdem er sie geschändet, nicht einmal bis zur Nacht bei sich behalten wolle, sondern sie am hellen Tage fortgehen heisse, damit ihre Schande offenkundig werde, liess er sie durch einen Diener vor die Thür werfen. 171 Über dieses Unrecht und die an ihr verübte Gewaltthat wurde Thamar von Schmerz

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Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 422. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt1GermanClementz.pdf/421&oldid=- (Version vom 23.9.2020)