Versuch einer Geschichte der Hochmeister in Preußen

Textdaten
Autor: J. N. Becker
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Versuch einer Geschichte der Hochmeister in Preußen
Untertitel: Seit Winrichs von Kniprode bis auf die Gründung des Erbherzogtums
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1798
Verlag: C. G. Schöne
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google = Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[IX]
Versuch
einer
Geschichte
der
Hochmeister in Preußen.

Seit
Winrichs von Kniprode
bis auf
die Gründung des Erbherzogtums.

Von
J. N. Becker,
Doctor der Rechte.

Berlin, 1798
bey C. G. Schöne.
[XI]
Vorrede.

Der nachstehende Versuch ist durch einen Zufall entstanden. Als ich im Aprill vorigen Jahrs mit sechszehntausend Fremdlingen aus Wien vertrieben ward, hielt ich mich einige Wochen in dem Städtchen Freudenthal in Schlesien, im Gebiete des Hochmeisters, auf, wo mir von einem dasigen [XII] Ordens-Beamten aus dem Archiv zwey Chroniken im Manuscript mitgetheilt wurden, die eine umständliche Geschichte der Hochmeister Winrich und Albrecht enthalten. Jene hat Kniprodens Hofkaplan, Vinzenz von Mainz, zum Verfasser, und fängt sich nach Chronikenart, mit Erschaffung der Welt an, um auf das vierzehnte Jahrhundert christlicher Zeitrechnung zu kommen. Ich fand darin so viele bisher unbekannte Dinge aus der Geschichte des merkwürdigen Winrichs, daß ich mich bald entschloß, Gebrauch davon zu machen. Man wird gleich bey dem Ansehen dieser Blätter finden, daß sie einen weit größern Reichthum an historischen Daten enthalten, als alle Bücher, die von der mittlern preußischen Geschichte handeln. Baczko’s Buch handelt [XIII] nur auf wenigen Seiten Kniprodens Geschichte ab, denn es fehlte ihm, wie allen vor mir, an umständlichen Materialien. Vinzenz wohnte von 1349 bis 1386 zu Marienburg. So sagt der Abschreiber beider Chroniken in der Vorrede. Er hat selbst mit dem Hochmeister Kniprode zwey Züge nach Litthauen gemacht, und war also von vielen merkwürdigen Dingen Augenzeuge. Sein Buch führt den Titel:

Vincentii Moguntini Chronicon Prussiae, ab orbe condito, sive historia Winrici a Kniprode et pars historiae successoris.

Ich weiß nicht, ob ich bey der Zusammenstellung der historischen Facten glücklich gewesen bin, und nenne diese Blätter nur einen Versuch, bis glücklichere Umstände [XIV] und die Zeit ein vollständiges Werk zur Reife bringen, wozu mir von Mergentheim stattliche Materialien versprochen sind. So viel glaube ich aber gestehen zu dürfen, daß Liebhaber der preußischen Geschichte diese Blätter nicht ohne Nutzen aus den Händen legen werden, denn auch aus kleinen, oft unbedeutend scheinenden Umständen, deren es hier viele giebt, und die ich nicht ohne Vorbedacht aufgenommen habe, lassen sich wichtige historische Schlüsse ziehen. Wo der Bericht meines klassischen Autors von andern Nachrichten abweicht, bin ich ihm nur mit großer Vorsicht gefolgt, und habe die Abweichung jederzeit in einer Note pflichtmäßig angezeigt.

Für die folgende Geschichte fließen die Quellen freilich nicht mehr so reichhaltig, [XV] und ich habe dafür keinen Vinzenz mehr, aber mir däucht, es lasse sich aus den bereits gedruckten Sammlungen mehr ziehen, als bisher geschehen ist.

Der zweite Chronikenschreiber, Michael von Marburg, hat die Geschichte des für Preußen so merkwürdigen Albrechts, noch weitläuftiger erzählt, als Vinzenz die Geschichte Winrichs. Eine unendliche Menge von kleinen unbekannten, aber bedeutenden Umständen findet sich in diesem Manuscripte, von dem ich mir eine diplomatisch genaue Abschrift gemacht habe. Aber sein Buch kann nur mit äußerster historischer Vorsicht gebraucht werden, denn der Mann war erzkatholischer Priester, abgesagter Feind der Reformation, und seit des Jahrs 1525 elender Libellant. Vielleicht (denn die Fortsetzung [XVI] dieser Blätter hängt allein von dem Willen des Publikums ab) vielleicht im vierten Versuche werde ich seinen historischen Charakter zu würdigen suchen, und Albrecht’s Geschichte neu entwickeln.

     Im Aprill 1798.

     Der Verfasser.


[1]
I.
Neue Wahl nach Arfberg’s Entsagung.

Dusener von Arfberg, von Alter und Krankheit entkräftet, hatte der Regierung entsagt. Die Ritter kamen zu einer neuen Wahl zusammen, aber in den ersten Kapiteln schien sie der h. Geist, den sie jedes Mahl zur Inspirirung anruften, nicht zu überschatten. Drei stürmige Versammlungen waren fruchtlos vorüber gegangen. Partheigeist und Haß hatten die Brüder entzweit, und selbst Arfberg’s Einfluß und Beredsamkeit schien dieß Mahl verlohren zu seyn. Zwei Kandidaten hatten sich zu der Hochmeisterwürde gemeldet: Winrich von Kniprode, der Großkomtur des Ordens, und Lüder, Graf [2] von Kirchberg, der Statthalter. Jener, wacker als Soldat, ein weiser Minister, hatte weit den besten Theil der Brüder durch Arfberg’s Empfehlung auf seiner Seite, aber Graf Lüder, von dem mächtigen Herzog von Sachsen unterstützt, schien ihm an der Stimmenzahl überlegen zu werden. Zweimal hatte Arfberg mit Nachdruck und Würde in der Versammlung gesprochen, aber seinem Freunde nicht mehr als zwei neue Stimmen erworben, da wurde die Wahl durch ein Wunder entschieden. Ueber dem Begräbnißgewölbe in der Kirche zu Marienburg ließ sich eine Stimme hören: Winrich, Winrich, Ordensnoth![1] Was konnte dieß sonst heißen, als: ohne Kniprodens Hilfe wird der Orden in Noth kommen. Zum Glücke ließ sich die Kapitelsversammlung diese Auslegung gefallen, und Winrich wurde durch eine entscheidende Stimmenmehrheit mit der Hochmeisterwürde bekleidet. Aus Verdruß entsagte Lüder [3] der Statthalterschaft und dem Orden, ging mit dem Könige von Böhmen gegen die Schweizer zu Felde, und fand den Tod unweit Zürich.

Die Feierlichkeiten bei der Installation des neuen Großmeisters waren für die damahligen Zeiten ausgesucht und prächtig. Den Bürgern zu Marienburg wurde ein freies Pankett auf dem Schlosse gegeben, zu welchem die Stadt Danzig sechs Fässer inländischen Weines geschenkt hatte. Am andern Tage war nach Winrichs neuer Erfindung Vogelschießen, und die Bürger hatten die Freude, ihren neuen Herrn zum Vogelskönig zu krönen, denn er hatte mit der Armbrust den Vogel von der Stange gelegt, und auf dem weißen Steine vier Mahl in’s Schwarze geschossen.[2] Abends tanzte er mit der schönen Maria von Alfleben den Ehrentanz, zu dem drey Pfeiffer aus Frankfurt am Mayn aufspielten, die nach der Küste gekommen waren, um Börnstein zu kaufen. Ein Meistersänger aus [4] Nürnberg, den der Schloßhauptmann von Vogelsang nach Preußen gebracht hatte, sang die Geschichte des alten heidnischen Götzen Bachus, und ward von dem Hochmeister mit einem güldenen Becher beschenkt. Das Glück reizte den preußischen Dichter Rixel. Von Nationalstolz entbrannt, bat er um Erlaubniß, gegen das Verbot in preußischer Sprache ein Gedicht singen zu dürfen. Er erhielt sie, und sang die Thaten des tapfern Waldewuts, und verglich dabei den neuen Hochmeister mit dem Sterne, der den drei äthiopischen Königen an der Krippe zu Bethlehem geleuchtet hat. Er erhielt eine verdeckte Schüssel zum Lohn, in der ein großer Schatz verborgen seyn sollte. Entzückt eilte Rixel nach Hause, deckte die Schüssel auf, und fand sie voll tauber Nüsse und folgenden Vers:

Niemahns hat verstanden deh arme Prusse,
Deß thu ich ihm schenken hundert falsche Nüsse.

Die Geschenke der Städte waren 3 Tage lang unter der Weide zu Marienburg zur Schau gestellt. Es befanden sich darunter 6 goldene Schüsseln der Danziger, ein künstlich gearbeitetes Hifthorn der Elbinger, ein Stück [5] von der Arche Noah’s in einem silbernen Kasten von der Stadt Culm geschenkt, eine Stahlrüstung mit goldenen Buchstaben von den Bürgern und ein von den Mädchen zu Marienburg prächtig gestickter Wamms. Sechs Ritter hielten mit blankem Schwerte dabei Wache.

Bei dem Ehrenmahl mußte jeder Gast ein silbernes Becken mit acht Weinflaschen, die sich selbst ergossen, auf Einen Zug leeren. Der wackere Trinker, Veit von Bassenheim leerte es drei Mahl. Er ward Schloßhauptmann. Ein böhmischer Hofnarr unterhielt die Gesellschaft mit lustigen Schwänken, und wurde von Winrichen und allen Gästen beschenkt, und dem Könige von Böhmen stattlich empfohlen. Nach acht in Saus und Braus durchbrachten Tagen reis’ten die Ritter ab, 54 Fremde nach Deutschland, zwölf nach Pohlen, und die 3 Gesandten von Danzig nach ihrer Vaterstadt.

[6]
II.
Geschichte des Kriegs gegen die Litthauer.

In der ganzen Regentenreihe steht Winrich, als Staatsmann und als Held oben an. Unter ihm war von allen Seiten goldenes Zeitalter des Ordens. Nur der hartnäckige Kampf gegen die Litthauer, in frühern Zeiten angefangen, und erst unter den folgenden Regierungen geendigt war ein fürchterliches Zwischenspiel in den weisen Regentenjahren Winrichs. Zahlreiche Schaaren streitbarer Männer aus allen Gegenden Deutschlands und aus Frankreich, und die junge Heldenzucht des Ordens gingen in diesem mit abwechselndem Glücke geführten Kriege unter. Man weiß in der That nicht, ob man die Heldenthaten der Ritter, oder den ausdauernden, [7] immer wieder auflebenden Muth der Litthauer mehr bewundern soll.[3] Dieser Krieg ist ein redendes Beispiel in der Geschichte des Mittelalters, wie schwer ein Volk zu bezwingen ist, das für seine Freiheit, seine Existenz ficht. Etwas mehr zusammenhängendes Interesse der Bewohner des Landes, und Vereinigung der einzelnen Stämme unter Einem Anführer, und die Deutschherrn wären nie Meister von Preußen geworden, hätten nie siegreiche Waffen bis in das Herz von Litthauen getragen. Aber dem Orden kam eine Menge Vortheile zu statten, die sein Kriegsglück beförderten. Ein stehendes Heer von 6000 Rittern[4] war schon zum Kampfe bereit, ehe der Feind seine Häufchen versammeln konnte. Der Zufluß von Kreuzfahrern und Rittern aus Deutschland, jene von Religionseifer und Aberglauben, diese von eigenem Vortheile beseelt, war eine nie versiegende Quelle. Der deutsche Adel fand hier ein stattliches Unterkommen [8] für seine Söhne, der Ehrgeiz und die Hoffnung, vielleicht einst an der Spitze des Ordens über ein ganzes Volk regieren zu können, belebte den jungen Helden. Vielleicht gab es damahls nicht Eine adelige Familie in Deutschland, die nicht einen Anverwandten unter den Deutschherrn gehabt hätte. So wurde die Größe des Ordens von allen Seiten recht planmäßig begünstigt. Der ungeheure Aufwand, den er, besonders seit der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts, von seinen politischen Kräften machte, galt der eigenen Größe, und der Befestigung der Ordensmacht auf ewige Zeiten. Die Besiegung der Littauer sollte dem großen Werke die Krone der Vollendung aufsetzen, und dem schönen Rivalitätskampfe mit den Königen von Europa neue Kräfte geben. Winrichs großes Genie hatte dieß recht gut berechnet. Er selbst ist der erste Held in diesem blutigen Kampfe.

Als Großkomtur des Ordens in der Schule der Staatsklugheit erzogen, und unter den vorigen Regierungen in Schlachten versucht, konnte er selbst handeln, wo es galt. Als Abenteuerer hatte er für die Sache des edlen Ludwigs von Baiern gegen den König von Böhmen gefochten, [9] und mit den edelsten deutschen Jünglingen für den rechtmäßigen Kaiser geblutet. Ein stattlicher junger Mann, voll blühender Schönheit und männlicher Stärke, war er nach Marienburg gekommen, wo er im sechs und zwanzigsten Jahr seines Alters zum Mitgliede des Ordens aufgenommen wurde. Die Energie seines vortrefflichen Geistes, womit er das schnell vollführte, was er anfing, und besonders die sanften Menschheitsgefühle, wodurch er sich alle Herzen verband, schafften ihm Ansehen und Freunde. Aber der Neider war keine kleinere Zahl; und Ulrich von Ochtendung sein hitzigster Rival. Beide wurden von dem Hochmeister Arfberg nach Mainz geschickt, um den Beistand des Erzbischoffs in einer Schuldfoderungssache gegen die Bürger von Frankfurt zu suchen. Ulrich reis’te mit dem Vorsatze von Marienburg ab, seinem Begleiter auf diesem Zuge eine Grube zu graben. Friedlich waren sie bis Erfurt gekommen, als Ulrich vor dem Thore sein Pferd wandte, und mit dem Abschiede davon ritt: lebt wohl, Herr Bruder Komtur, anders sehn wir uns wieder. Unbesorgt setzte Winrich am andern Morgen seine Reise mit [10] 3 Reisigen fort, aber zwei Tagreisen von der Stadt wurde er in einem Walde von einem Haufen bewaffneter Bürger überfallen, und gefangen nach Frankfurt gebracht, wo ihn Ulrich mit schelmischem Händedruck empfing. Sechs Wochen lag der Löwe in schmähligen Ketten. Ein Liebeshandel seines Wächters machte ihm Luft. Er sprang mit Lebensgefahr von der hohen Terasse des Rathhauses, und entkam glücklich nach Mainz, wo er seinen Auftrag bestellte, und darauf zurück nach Preußen kam. Ulrich hatte unterdessen in Marienburg einen Roman ersonnen, und die Nachricht von des Komturs Tode verbreitet. Aber dieser ging zu ihm, drückte ihn brüderlich an’s Herz, und verzieh ihm nicht allein sein Bubenstück, sondern verschwieg auch dem Hochmeister den ganzen Vorgang. Vinzenz kennt Beide in der Folge als die wärmsten Freunde. Der Räuberzug der Litthauer nach Ressel kostete Ulrichen das Leben. Sein Freund ließ den Leichnam auf dem Mordfelde suchen, und ihn auf den Ochtendungschen Familiengütern im Trierschen begraben.[5] [11] Winrichs persönlicher Muth in der Schlacht war nach dem Zeugnisse aller gleichzeitigen Schriftsteller außerordentlich. Keine Gefahr war ihm zu groß, wenn sie zur Erreichung seines Zweckes führte. In dem hitzigsten Gedränge focht er an der Spitze seiner Krieger, beim Sturme stand er zuerst auf der Leiter. Er war die Seele von sechstausend muthigen Rittern, die von Einem Interesse belebt wurden, und für eigene Größe stritten. Er theilte Brot und Beschwerlichkeiten mit dem gemeinen Soldaten, und lag gewöhnlich unter freiem Himmel, oder war noch unter seinen vertrauten Generalen mit dem Entwurfe eines neuen Operationsplanes beschäftigt, wenn seine brave Armee im Lager schlief. Drei Tage nacheinander fand ihn die aufgehende Sonne noch an dem nämlichen Arbeitstische sitzen, wo ihn die untergehende verlassen hatte. Vorzüglich groß [12] zeigte er sich in der Bildung wackerer Soldaten, und noch unter seiner Regierung hatte die Ordensarmee die vorzüglichsten Offiziers von allen europäischen Heeren. Streng war er, wo es galt, und unerbittlich streng, wo es darauf ankam, ein Beispiel zu geben, aber nachgebend und liebevoll bei den Fehlern der Jugend, die Unbesonnenheit und Unerfahrenheit zum Grunde hatten. Die Knospe des Ruhms der preußischen Edlen, die erst im vorigen Menschenalter zu der schönsten Blüte gedieh, war unter ihm schon im Aufspringen, denn er war es unter den Ordensregenten hauptsächlich, der den preußischen Adel in die Zahl seiner Ritter aufnahm, wenn sie sich im Kriege brav hielten und Talente zeigten. Er hat dadurch vorzüglich bewiesen, wie schlecht berechnet der Plan seiner Vorgänger und einiger seiner Nachfolger war, der dahin ging, die alten Bewohner des Landes ganz auszurotten oder zu unterjochen, weil sie Aufstand und Verrätherei anlegten.[6]

[13] Außer der Landarmee hatte Kniprode die Macht zu Wasser bis auf 8 trefflich bemannte Schiffe vermehrt, denen der Admiral Bonström kommandirte. Dieser Mann war in seinen jüngern Jahren mit Danziger Kaufleuten auf Reisen gewesen, und hatte in den Niederlanden die Schiffsbaukunst gelernt.

Der zweite Held in diesem Kriege ist der Komtur von Labiau, Adolf Heinrich Schindekopf, Winrich des Großkomturs Waffenbruder und vertrautester Freund, jetzt des Hochmeisters erster General. Ein Mann war Schindekopf, brav wie seine Klinge, aber hart und unbiegsam, so recht wie die alten Rauschebärte seiner Zeit, ohne die sanften Menschheitsgefühle, die der ersten Stiftung des Ordens gemäß ein Hauptzug in den Charakter der Brüder seyn sollten. Unter den Waffen grau geworden, hatte er unter zwei Regenten für die Größe des Ordens mit erhabenem Muthe, hoher Einsicht und seltener Enthaltsamkeit gefochten. [14] Klein von Statur, eine hoch gewölbte Stirn, ein ungeheures Nasengebirge, Feuer im Auge, Anmuth um den Mund und Stärke in der Faust, dieß waren Schindekopfs körperliche Eigenschaften.[7] In der Schlacht ritt er gewöhnlich einen mit seiner Statur seltsam genug kontrastirenden großen Goldfuchs, noch seltsamer der Reißaus genannt. Wenn er auf dem Rücken dieses Pferdes und an der Spitze seiner versuchten Krieger den Litthauern über das Land fuhr, pflegten die Worte: wacker wie ein Ordensbruder, und schnell wie mein Roß und Gottes Wind, sein Waidspruch zu seyn. Ein Feind der Pracht und des Wohllebens nach ächt militärischer Sitte versagte er sich alle Bequemlichkeit im Felde. Er schlief meist nur 3 Stunden auf harter Erde über seinem Ordensmantel, und erlaubte keinem seiner Offiziers, was er sich selbst versagte. Im Uebertretungsfalle war er unerbittlich strenge und selbst oft [15] grausam. Der Hauptmann Hans von Wailach, und Albrecht, Vogt von Schippenbeil mußten es empfinden. Von einem vertrauten Offizier begleitet ritt Schindekopf einst in der Nacht die Runde im Lager, und fand Beide über einem Bund Stroh eingeschlafen. Erzürnt weckt er die Schläfer auf, und durchbohrt Wailachen, der sich ihm zuerst entgegen regt, auf der Stelle mit der Partisane. Albrecht rettet sich auf der Flucht, wird aber niedergeworfen, und Tags darauf mit den Füssen an den Schweif einer Stute gebunden, durch das Lager geschleppt.

Der Komtur, Heinrich von Kranichfeld, der dritte Held, war Schindekopfs ächter Widerpart. Sanft und nachgebend zeigte er sich gegen seine Leute, und erreichte das gewöhnlich mit linden Worten, was dieser befahl oder ertrotzte. Fromm war er, ohne doch aber gläubig zu seyn. Er ging nie in die Schlacht, wenn er sich nicht vorher Gottes Beistand erfleht, und wenn er geschlagen hatte, so warf er sich gewöhnlich auf dem Schlachtfelde nieder, und dankte dem Himmel für den Sieg in glühenden Gebeten. Winrich schätzte ihn vorzüglich [16] wegen seiner guten Eigenschaften, aber er machte ihm auch nicht selten Vorwürfe über den sinnlichen Genuß, der ihm den Gelübden des Ordens zu Folge ganz verboten war. Sein Tod unweit Ressel entpreßte dem Hochmeister Thränen, und die Worte: wahrlich, Kranichfeld war ein tapferer Soldat, hätte er nur keine Weiber gekannt.

Unter den litthauischen Feldherrn kennen wir die Namen zweier Brüder, Keistut und Olgard. Aber die Chronikenschreiber sind höchst unzuverlässig über Beide, und wir lernen sie aus ihren Berichten nur als berüchtigte Räuber kennen. Aber ihre Thaten sprechen desto lauter für sie. Hohen Muth und nie ersterbenden Geist kann ihnen Niemand absprechen, wiewohl es ihnen nicht selten an der kalten ruhigen Ueberlegung gefehlt zu haben scheint, die dem großen Feldherrn nie fehlen darf.

Im Anfange des Jahrs 1352 kam die Nachricht, daß die Litthauer sich zu einem Einfalle in Preußen rüsteten, und in kleinen Haufen schon an der Grenze streiften. Der Hochmeister kam ihnen aber dieß Mahl zuvor. Im Februar setzte er sich an der Spitze von 4000 wehrhaften [17] Männern von Marienburg in Marsch, in Begleitung des Burggrafen von Nürnberg, und des Grafen von Oettingen[8], gewann dem Feinde den Vorsprung ab, und drang bis in die Gegend von Gesow und Pastow vor. Zwei Mahl schlug er, zwei Mahl war Sieg sein Lohn. Fünf hundert, drei und sechzig Gefangene, unter denen sich dreißig der edelsten Litthauer befanden, mußten sich mit dem ganzen Gepäcke dem Sieger in die Arme werfen. Aber der schleunige Eintritt des Thauwetters gegen Ende des März nöthigte die siegreiche Armee zu einem schnellen Rückzuge, wenn sie es nicht wagen wollte, im feindlichen Lande durch das Austreten der Flüsse und Bäche abgeschnitten und aufgerieben zu werden. Winrich passirte die Memel, aber hier empfing ihn das feindliche Heer mit einem wütenden Anfalle. Von beiden Seiten kostete es viel Blut; die Ordens-Armee ließ über 300 Mann auf dem Platze, und fast hundert fanden in den überströmenden Gewässern den Tod. Winrich, um den Rückmarsch zu erleichtern, ließ die Gefangenen zurück, vertheilte [18] seine Beute unter die Armee, und setzte sich erst wieder in dem Ordensgebiete, wo er den Feind erwartete. Aber dieser wollte erst neue Kräfte sammeln, und der Hochmeister führte bald darauf seine Krieger heim.

Zwei Monate hernach überzogen die Litthauer von neuem das Ordensgebiet in vier Kolonnen. Siegreich waren sie bis tief über die Grenze gestreift. Wo sie hin kamen, war ihr Weg mit Blut bezeichnet. Kinder und Greise und Weiber wurden auf die unmenschlichste Art niedergemacht, die Mädchen geschändet, die Männer verstümmelt, lebendig geschunden und an Bäume genagelt. Der Komtur Rüdiger, der sich mit seinem Häufchen dem Feinde entgegen warf, ward gefangen, in Ketten geschlagen und vor den Hordenführer Olgard gebracht. „Ha willkommen, edler Ritter, zum Feste für meine Rache, schnaubte ihn der Barbar an, und ließ ihm ein glühendes Eisen durch den Hintern stoßen! Rüdiger knirrschte mit den Zähnen, aber er schrie nicht, wie es Olgard wollte. Ich will dir den Trotz schon ausjucken, entgegnete dieser. Da wurden vier Fohlen [19] gebracht, um den braven Krieger zu zerreissen. Er wurde zerrissen, aber er schrie nicht.

Ob der Hochmeister selbst diesen Auszug mitgemacht habe, davon erwähnen die Chronikenschreiber nichts. Aber Schindekopf erntete hier Lorbeern des Helden. Er ließ den Komtur Kranichfeld den Feind angreifen, und in der Hitze des Kampfes eine verstellte Flucht machen. Kranichfeld zog aus, und traf unweit Labiau auf die vierte Rotte des Feindes. Muthig griff er an, und brachte sie zum weichen. Jetzt war der entscheidende Augenblick da, das Stratagem geltend zu machen. Er zog sich unter dem Siege zurück. Die Litthauer waren kaum von dem Erstaunen über diese Flucht zurück gekommen, da warfen sie sich dem abziehenden Sieger in den Rücken und verfolgten ihn bis Labiau, wo Schindekopf mit dem Hinterhalte hielt. Der litthauische Feldherr zerstreuete seinen Haufen mit den Worten: Beute, Brüder! Wütend warfen sich seine Leute in die umliegende Gegend und plünderten Alles. Die Dörfer gingen hinter ihnen in Flammen auf. Jetzt brach Schindekopf wie der Löwe aus dem Hinterhalte hervor; er selbst mit dem Schwerte in der [20] Faust an der Spitze seiner Rache schnaubenden Krieger, und überfielen die nichts besorgenden Plünderer. Die Scene war schrecklich, als noch die Landbewohner mit ungewohnten Mordgewehren sich zu den Rittern gesellten. Alles, was Litthauer hieß, wurde niedergehauen. Viele brachen mit dem Eise auf der Deima ein und ersoffen. Nur 45 wurden gefangen.[9] Kein Mann von der ganzen Kolonne entging, der Olgarden die Nachricht von dem Unglücke hätte bringen können. Der kopfgeharnischte litthauische Anführer Rulgord fiel unter Schindekopfs mächtigen Hieben. Seine Begleiter erhuben ein verzweifelndes Geschrei, als sie ihn todt dem Rosse entstürzen sahen, und senkten sich die Schwerter in die Brust. Vinzenz gibt die Anzahl der erschlagenen Krieger in diesem Kampfe auf dritthalbtausend an. Mit ihm war der Feldzug für dieses Jahr geendigt. Schindekopf zog siegreich in Marienburg ein; die Glocken hallten dem Sieger entgegen, die Mädchen bestreuten seinen Pfad mit friedlichen Blumen, und der [21] Hochmeister in Begleitung der Kapitels-Brüder empfing ihn mit brüderlichen Umarmungen.

Jahrs darauf erschienen Keistut und Olgard wieder in Preußen mit zwanzig tausend Kriegsgesellen und drüber. Wie wilde Thiere fuhren sie über das Land bis in die Gegend von Ressel, und verbrannten Dörfer und Kornfelder und fruchtbare Weinberge und Wiesen mit barbarischem Wohlgefallen. Fünfzehnhundert Gefangene, theils von der Kolonne des Komturs Roderich von Gehlen, theils Bauern führten die Sieger weg. Alles übrige floh in Verzweiflung. Da warfen sich der Vogt von Ermeland, Friedrich Obart, und der Komtur Kranichfeld mit ihren kühnen Kriegern dem Feinde entgegen. Aber zu stolz auf ihre Heeresmacht blickten sie verächtlich auf die Kraft ihrer Gegner. Erst nach einem sechs stündigen hitzigen Kampfe ging Olgard auf die Flucht und machte das Land neuerdings zur Wüste, raubte, brannte, würgte. Die Ordensritter funkelten von edler Wuth, und vergaßen, daß hitziges Nachsetzen oft gefährlicher sey, als die hitzigste Schlacht. Viele der wackersten und edelsten Kämpfer fanden den Tod. Da fiel Obart und [22] fiel Kranichfeld, und brachten durch ihr ruhmwürdiges Unglück einen panischen Schrecken über die Ordensarmee. Zwar Hans von Winneburg sprengte an die Spitze des erschrockenen Volkes und sprach aus der Fülle seines tapfern freien Herzens den Kleinmüthigen Muth ein. Aber es ließ die Waffen fallen und der Feind zog mit seiner Beute davon und würgte alle Gefangene nieder, weil sie ihn auf der Flucht aufhielten.

Anderthalb Jahre vergingen nun ohne fernere Unternehmungen. Aber die Grausamkeit der Litthauer gegen unbewaffnete Krieger, hatte den Hochmeister zur Rache entglüht. Er schwur, als ihm die Nachricht der kühnen That ward, nicht eher zu ruhen, als nach einem glorreichen Sturze der ganzen litthauischen Macht. Er schrieb sogleich ein Kapitel für alle Ordensbrüder aus. Am sechsten Tage im März des folgenden Jahres war große Versammlung zu Marienburg. Kniprode trat in die Mitte und sprach auf folgende Weise: „Vortrefliche, tapfere, süße, in Gott geliebte Brüder. Die Grausamkeit der Barbaren hat unsern edlen Waffenbrüdern einen unedlen Tod bereitet, einen Tod, der den Himmel [23] für unsere Sache gegen die Wütriche noch feuriger reizen muß. Blickt hin auf die Särge der für den Orden und für die ganze Christenheit verbluteten Obart und Kranichfeld, auf dem Mordplatz bei Ressel. Laßt uns da den Todesbund der Rache enger und fester knüpfen und ausziehen zum Streite gegen das barbarische Volk, das die Menschheit vergessen hat bei dem Morde unserer Brüder. Blickt hin auf die verödeten Fluren, auf die verwais’ten Kinder und Frauen, auf die verbrannten Dörfer des Landes, und das Herz wird euch höher wallen, als dem braven Krieger in der Stunde der Schlacht. Rache, Rache sey unsere Losung und Menschlichkeit unser Panier, der Ordensruhm der Sporn im Kampfe, die Religion unser Zweck.“ Er wollte weiter sprechen, da schlugen die Brüder an ihre Panzer und mahnten in die Waffen und rüsteten sich zum Kampfe. Herolde eilten nach Teutschland und Frankreich und posaunten den Kreuzzug in die vier Winde, aber da hatte der Partheigeist mächtig mit eigenen Gefahren zu kämpfen. Es wurde zwar Hoffnung auf Hilfsvölker gemacht, aber ihre Ankunft verzögerte sich von einem Monate zum andern und [24] verzögerte sich bis in’s dritte Jahr. Der Hochmeister unterließ dagegen nichts in seinem Lande zur Rüstung und zum Auszuge des Heeres. Zwei tausend Pferde wurden in Polen und Böhmen gekauft, und eine schöne muthige Reuterei ausgerüstet, unter dem Befehlen des Komturs, Siegfried von Tannenfeld. Was Waffen tragen konnte in Preußen, wurde aufgeboten, und ihr Muth durch die Religion angefeuert. Auf einem offenen Platze zu Marienburg ward ein prächtiger Altar errichtet, und täglich von den geistlichen Ordensbrüdern ein feierliches Hochamt gesungen. Neun und zwanzig edle Litthauer, von Schindekopf gefangen, nahmen die Taufe. Ein Jude, der aus Polen verkleidet im Lande war, (Siegfried von Feuchtwangen hatte sie alle vertrieben) mußte das blutige Opfer fanatischer Wut werden. Er wurde erkannt. Da schleppten ihn vier Knechte durch die Straßen der Stadt und übergaben ihn der Wut des Pöbels, denn so wollte es Schindekopfs Härte gegen die widerstrebenden Menschheitsgefühle des Hochmeisters. Vinzenz reizte das Volk durch donnernde Kreuzpredigten.[10]

[25] Und im Sommer des Jahrs 1354 sollte das Heer ausziehen. Aber der Zufall wollte es anders, und selbst die Natur schien sich der Mordlust der erzürnten Ritter zu widersetzen. Mächtige Sturmwinde, die über das Land fuhren und tausendjährige Wälder entwurzelten, ungewöhnliche Kälte und anhaltende Regengüsse hielten den Ausmarsch des Heeres zurück, das aus sechzigtausend streitbaren Männern bestanden haben soll.

Die Zeit erkaltete den Muth in den Herzen der Krieger und selbst Kniprode schien die Idee eines Landsturmes aufgegeben zu haben. Nur zehntausend Mann machten einen Streifzug in des Feindes Land. Siegfried von Tannenfeld führte an. Fünf Tag Reisen weit streifte dieß Korps über die Grenze von Litthauen mit hohem Waffenglücke. Denn Keistut hatte sich mit Olgarden entzweit und drohte fürchterlich. Tannenfeld versprach ihm Schutz und Beistand, wenn er die Taufe nehmen und sich mit ihm gegen Olgarden vereinigen wollte. Aber [26] der edle Litthauer wollte seinen Groll gegen einen Einzelnen nicht in dem Unglücke seines Vaterlandes befriedigen. Erzürnt über den ehrenschänderischen Antrag des christlichen Generals ließ er den Gesandten Nasen und Ohren abschneiden, und Tannenfelden die Antwort bringen: er möchte Gesandten, die ihm einen ähnlichen Antrag machten, kreuzigen lassen.[11] Tannenfeld rächte die Schmach seiner Gesandten mit der Plünderung des Landes, und kehrte mit Beute beladen heim. Eben dieß that er im folgenden Sommer. Aber den Rückgang des dritten Auszuges mußte der unglückliche Brand des Schlosses zu Ragnit beschönigen. Wahrscheinlich wurden aber die Ritter durch die kriegerische Rüstung der Litthauer zurück geschreckt, denn nun waren die Brüder wieder versöhnt und aller Groll vergessen. Keistut erschien selbst an der Spitze einer Rotte von zehntausend Mann in der Gegend von Allenstein und schlug ein kleines Korps ihm entgegen kommender Ritter mit [27] ihren Kampfgesellen. Da brannte und mordete er, wie gewöhnlich, und trieb Landleute und Weiber in die Gefangenschaft und christliche Priester.

Endlich langten die aus Teutschland und Frankreich längst erwarteten Kreuzfahrer an, zusammen gelaufenes Gesindel, wie es meist nach dem gelobten Lande zog. Beutelust, eiserne Schulden, Leibeigenschaft, Sünden und fanatischer Eifer trieben sie in ferne Lande. Doch kam auch mancher wackerer Ritter mit, der aus Ruhmbegier kämpfte. Die Chronik nennt hier Helden aus den edelsten teutschen Familien, einen Walter von Stadion, der kurz vorher einen Zug gegen Glarisland gemacht hatte,[12] Hans von Bassenheim, Ludolf Kämmerer von Worms, Erich von Sickingen, Veit von Leyen, Hinkmar von Braunshorn, den Graf von Burgund[13] u. a. Auch an fanatischen Mönchen fehlte es dieß Mahl nicht, die wie weiland Peter der Schwärmer den Haufen voranzogen, und die Herzen durch Gebete entflammten. Erst im Julius kam [28] das Heer vor Marienburg, wo ihm die Ordenspriester vor das Thor in festlichen Amtskleidern entgegen gingen. Tags darauf empfingen sie das Abendmahl, und zogen dann gen Litthauen, nachdem sie sich vorher mit den Franzosen vereinigt hatten, die zur See nach Königsberg gekommen waren. Schindekopf[14] selbst setzte sich an die Spitze. Mehrere Ordensritter folgten nach. Unweit Galva machte das Heer auf einer Ebene Halt, und bot dem feindlichen Partheihaupte Gastud eine Schlacht an. Die Sonne stand noch hoch, da begann der Kampf; spät Abends war er geendigt. Zweitausend Litthauer lagen auf dem Wahlplatze, unter ihnen die Edlen von Leyen und Braunshorn. Der Verlust des Feindes auf der Flucht war, wie gewöhnlich, noch größer. Schindekopf verfolgte hitzig und ließ das Gepäcke zurück, das während der Flucht des Hauptheeres von einem Hinterhalte erbeutet wurde. Zweihundert Kreuzfahrer, die Bedeckung, wurden niedergemacht.[15]

Schindekopf trieb sich drei Jahre mit [29] dem Kreuzheere abwechselnd in Feindes Land und an der Grenze herum, und machte manchen kostbaren Verlust. Die Ordensschriftsteller suchen ihn, wie immer, durch Verrätherei und Unglück zu entschuldigen. Die Litthauer mußten hier, wie die Sarazenen im Orient den Christen Gift unter das Mehl mischen. Vinzenz erzählt davon vier kühne Fabeln.[16]

Gegen Ende des Jahrs 1359 zogen dreitausend Kreuzfahrer nach Hause, viele mit litthauischen Mädchen, die zur Taufe gezwungen und am Rhein Mütter von littauisch-teutschen Kindern wurden. Walter Stadion führte Keistuts neunzehnjährige Tochter heim, aber er nahm sie nicht zum Weibe. Hinter mitleidslosen Mauern mußte das arme Mädchen in dem Agnesenkloster zu Mainz ihr Leben verkümmern, und entfernt von dem Genusse der Liebe die Annahme der Taufe büßen, da sich die edelsten Litthauer um ihre Hand bewarben und blühendes Hofglück und Reichthum ihrer im Vaterlande warteten.

Kniprode war seinem Schwure einen Feldzug schuldig. Er rüstete und vereinigte sich mit [30] Schindekopfs Heer und den Kreuzfahrern. Sein Hofkaplan begleitete ihn auf diesem Zuge und hat uns eine stattliche Panegyris darüber hinterlassen. Dreißigtausend Mann war das christliche Heer stark; fünfunddreißig Komture führten die verschiedenen Haufen an. Der Hochmeister hatte das Hauptkommando.[17] Keistut hatte ein Heer von fünfzigtausend Mann nordischer Völker aus allen Gegenden zusammen gezogen; blutdürstige Krieger, mit denen er dieses Mahl Marienburg selbst zu bedrohen gedachte. Sein ältester Sohn Patrik führte einen Haufen von fünftausend Speerreutern. Am zweiten April[18] erschien die litthauische Armee auf der Ebene vor Kauen. Kniprode stellte sein Heer in Schlachtordnung und führte es muthig gegen den Feind. Die Litthauer fochten brav und brachten den Hochmeister zum weichen, da Schindekopf mit seiner Reiterei auf der andern Ecke schon geschlagen hatte. Kniprode zog sich in Unordnung zurück, aber die Sieger lüsteten nach [31] Beute und verfolgten nicht. Mit aufgeheiterter Miene und ungewöhnlicher Stärke, der Alles weicht, nahm Kniprode das Panier zur Hand, versammelte seine Leute wieder, sprach ihnen Muth ein, drang vor und suchte die Gefahr unter dem feindlichen Haufen. Ein wütender hartnäckiger Kampf. Haufen auf Haufen fielen die Ritter um den Hochmeister. Aber Glück und Ruhm sind der Lohn der Beharrlichkeit. Der Kern von Keistuts Truppen wurde von Kniproden in die Flucht geschlagen. Schindekopf hatte drei Wunden und focht noch an der Spitze seiner Reiterei gegen einzelne Haufen, die auf der Flucht Halt machten, und sich ihm entgegen warfen. Der Sieg war theuer erkauft. Achtzehnhundert von der Ordensarmee lagen todt auf dem Schlachtfelde. Ueber siebenhundert waren verwundet. Erich von Sickingen wurde von Pferden zerquetscht. Die Litthauer hatten an diesem blutigen Tage an dritthalbtausend Kämpfer auf dem Platze gelassen. Viele, die auf der Flucht die Waffen niederwarfen, wurden mörderisch von dem nacheilenden Sieger niedergehauen. Dieser Tag schien das Schicksal des ganzen Krieges zu entscheiden, denn der erste [32] Held der litthauischen Armee, Keistut, mußte sich mit einem Häufchen Reiterei an den Ritter Hekerbeg[19] ergeben, und wurde gefangen nach Marienburg gebracht. Kniprode behandelte ihn großmüthig. Er sah ihn seit der Gefangennehmung nicht wieder, um ihm alle Demüthigung zu ersparen. Keistut wurde auf dem Schlosse in standesmäßigem Gefängnisse gehalten, und von Edlen bedient. Selbst das Ehrenzeichen des Kriegers, sein Schwert wurde ihm auf des Hochmeisters Befehl gelassen. Er betrug sich stolz, und entfernte sich, wenn ihn die Ritter besuchten, um ihn zu trösten. Sein fester männlicher Sinn schien seinem Unglücke Trotz zu bieten. Er aß kärglich und gönnte seinem ermatteten Körper nur wenigen Schlaf. Sechs Wochen saß er hier. Da traf sich’s, daß ein junger Litthauer, Namens Alf,[20] der in Preußen die Taufe genommen hatte, ihn bediente. Keistut suchte ihn durch das Versprechen einer ehrenvollen Zukunft zu gewinnen, wenn er ihm [33] zur Flucht behilflich seyn wollte, Tag und Stunde und Losung wurden verabredet. Keistut brach sich mit seinem Schwerte hinter den Tapeten und Schildereien ein Loch durch die Wand, und ließ sich an einem Seile bey finsterer Nacht herab. Unten wartete Alf mit zwey Pferden, Ordensmantel und Kreuz, und zog den Fürsten über die Graben-Mauer. Der Thorwächter war verschworen, und beide entkamen glücklich in ihrer Maske als Ordensritter aus der Stadt. Eine Wache hatte das Getümmel vernommen und meldete es dem Schloßhauptmann. Ahndungsvoll eilte dieser in das Gefängniß. Da lag der Wachhabende Ritter ermordet. Reisige saßen auf, um den Flüchtling zu verfolgen. Aber der Vorsprung und das heilige Kleid schützten den Helden. Alf, der die Wege kannte, vorauf, Keistut hinten drein. Sie ritten und ritten ohne auszuruhen, bis in das Gebiet des Herzogs Janus von Masuren, der Keistuts Schwiegersohn (nach Andern sein Schwager) war, die Flüchtlinge freundlich aufnahm und ihnen sicheres Geleit nach Litthauen gab. „Trau Einer einen Heiden, sagte der Hochmeister als er die Flucht erfuhr, hätte ich den Vogel [34] wieder, ich wollte ihn in ein eisernes Bauer sperren.

Kaum war Keistut in Litthauen angekommen, da machte er schon wieder neue Anschläge auf das Ordensgebiet. Dieses Mahl sollte die Stadt Danzig die Schmach seiner Gefangenschaft entgelten. Der Hochmeister hatte den Russen auf ihr Ansuchen sicheres Geleit für ihre Personen und Waaren zur Besuchung des Dominikmarktes in Danzig gestattet. Keistuten schien dieß eine herrliche Gelegenheit die Stadt zu überfallen. Er schickte vertraute Kundschafter nach Rußland, und ließ die dasigen Kaufleute für sein Interesse gewinnen. Kriegerische Mannschaft wurde aus Litthauen heimlich nach Masuren gebracht und bis zu dem entscheidenden Augenblicke im Lande vertheilt. Die Russen sollten nach Keistuts Plan in Danzig Händel suchen, die Waffen ergreifen und die Einwohner niederhauen. Er selbst wollte dann mit seinen Litthauern die Stadt überfallen. Die Sache war planmäßig angelegt, aber sie gelang nicht. Achthundert Russen kamen mit einer ungewöhnlichen Menge Waaren zum Markte, und mit Gewehren, womit sie doch sonst nicht zu handeln pflegten. [35] Dieß erregte bey der vorsichtigen Obrigkeit gleich Verdacht und auf jeden Fall wurden ernstliche Maaßregeln genommen. Da traf sichs, daß zwey Russen in einer Bierschenke wegen Streites eingezogen wurden, die man dann auch über jenes befragte. Sie entdeckten ohne viel Weigern Keistuts schrecklichen Anschlag vor Gericht und in der Freiheit. Der Bürgermeister gleich in den Harnisch, der Sekretär an die Sturmglocke. Die Thore wurden gesperrt, die Bürger in die Waffen gemahnt, und der Rath zerstreuete sich unter die Haufen, die Gemüther zu bereiten. Da entbrannte Alt und Jung vor Rache, und schlugen die Russen todt. Nur Wenige fanden ihr Heil auf der Flucht, die Keistuten Nachricht von der Entdeckung brachten, der sogleich mit seiner Mannschaft nach Massuren schiffte.[21]

Spät im November erschien er wieder vor, der Festung Johannsburg und versprach seiner Mannschaft alle Beute, wenn sie den Ort erobern würde. Vinzenz erzählt, daß die [36] Mannschaft von Keistuts Armee in Bärenhäute gehüllt gewesen sey, und ihren Pferden um die Hufen verfaultes Stroh gebunden hätte, daß sie auf dem Eise nicht ausgleiten sollten. Bey dem Sturme der Festung, die sich am siebenten Tage an den Belagerer ergeben mußte, hätten die Stürmer mit Fußhaken die Mauern erklettert und die Besatzung von oben herab in Spieße geworfen. Auch kommt so etwas wie von Schlittschuhen vor[22] und von Hunden, mit denen sie in kleinen Wagen über den Schnee fuhren. Der Ritter Rixleben, der die Besatzung anführte, wurde gefangen und dem Hochmeister für seine Freiheit eine ungeheure Summe neuen Geldes abgefordert, widrigenfalls er umgebracht werden sollte. Kniprode trat deswegen mit Keistuten in Unterhandlung, aber Friedrich war seit der Zeit aus dem Kerker entwischt, und auf der Flucht von vier litthauischen Bauern erschlagen.

Im folgenden Jahre wurde der Feldzug früher als gewöhnlich eröffnet. Kniprode [37] schickte den Großkomtur Wolfram von Baldenheim mit dem Heere voran; er selbst folgte mit Schindekopf nach. Baldenheim zog vor die Festung Kauen, und machte in drei Tagen das Land zur Wüste. Indessen hatte sich Keistut mit fünfzigtausend Mann von seinem Lager erhoben, um die Festung zu entsetzen. Da kam ihm Schindekopf[23] mit dem Ordensheere entgegen und lieferte ihm eine Schlacht. Es war in der nämlichen Ebene, die durch das Blut des zweiten Aprils im vorigen Jahre bezeichnet war. Zwei Tage fochten beide Heere in kleinen Scharmützeln mit gewohnter Tapferkeit, da erschienen am dritten Kniprode und Baldenheim mit der Belagerungs-Armee, und das Glück lenkte sich auf Schindekopfs Seite. Keistut wurde gänzlich aufs Haupt geschlagen und floh bis tief in Litthauen, wo er wieder frische Truppen sammelte und zum Entsatze der Festung zurückkam. Baldenheim machte nun alle Anstalten zu einer förmlichen Belagerung; Schindekopf durchstreifte das Land und trieb die Bauern zur Arbeit an den Verschanzungen [38] zusammen. Jener soll dem Hochmeister einen neuen Plan zur Belagerung vorgelegt haben, der mit vielem Lobe aufgenommen wurde. Er bestand darin, daß Verschanzungen gegen einen allenfallsigen Entsatz angelegt wurden. Jene bestanden in einer Art Laufgraben und Thürmen von Holz mit Erde und Reisig ausgefüllt, die vor dem Ausfalle schützten, und in großen Sandbergen, hinter denen die Armee ihre Quartiere hatte. Sie wurden vom Fußvolke und die Außenwerke von der Reiterei vertheidigt. Baldenheim soll diese Belagerungsart in Baiern gelernt haben, wo ihn der Hochmeister hingeschickt hatte, um bei dem Herzoge Hilfstruppen auszuwirken.

In den Tagen der Belagerung war Keistut wieder aus Litthauen da, aber dieß Mahl getraute er sich nicht, die Belagerer anzugreifen, weil er zu schwach war.[24] Und dennoch suchte er allerlei Mittel hervor, die Festung zu retten, an der ihm Alles gelegen seyn mußte, als an dem haltbarsten Orte seines Landes, in dem noch [39] über das sein Sohn Waidat eingeschlossen war, um den ihm nicht ohne Ursache bangte. Er ließ dem Hochmeister durch einen Herold um eine Unterredung ersuchen, und als ihm diese gestattet und Friede dazu ausgerufen war, kam er mit einem seiner vertrautesten Officiers an die Verschanzungen, wo ihn Kniprode unter einem prächtigen Zelte empfing und freundschaftlich bewirtete. Keistut hielt um einen Waffenstillstand an, den schlug ihm der Hochmeister ab, und sie kamen auf die Verschanzungen zu sprechen. Keistut meinte, sie wären blos darum angelegt, um die Festung desto sicherer zu erobern und ihn selbst darin zu fangen. Seht aber, Herr, ich bin frei und werde frei bleiben oder sterben, und wenn ich in der Festung wäre, so würde euch all das Werk nichts nutzen. Es gilt, entgegnete Kniprode, nehmt eure Leute zusammen, zieht hinein und ich bewirthe euch zum dritten Mahle in Marienburg.[25] So weit Vinzenz. Wigand [40] von Marburg, bei Schütz setzt hinzu, Keistut habe geglaubt, Kniprode trotzte auf seine Verschanzungen, und dieser habe sich erboten, sie niederzureissen und die Festung dennoch zu erobern. Dieß ist aber nicht wahrscheinlich, sondern scheint bloß eine Erfindung des stolzen Ordenspriester gewesen zu seyn, denn warum sollte Keistut das Anerbieten nicht haben annehmen wollen, da es einigen Schein mehr gab, die Festung zu retten. Kaum war Keistut fort, da ließ Kniprode die Festung mit fürchterlichen Drohungen auffodern. Waidat, der immer noch auf Entsatz hoffte, schlug die Uebergabe ab. Da ließ Kniprode am dritten Tage zum Sturme blasen. Kauen ward erobert und geschleift, all’ die Besatzung, an dreitausend Mann, niedergemacht,[26] und Waidat und 36 edle Litthauer gefangen. Diese Belagerung dauerte fünf Wochen. Am Palmsonntage war vergebens gestürmt worden. Oster-Montags fiel die Festung. Ueber achthundert Belagerer kostete sie. Vierhundert [41] waren durch eigene Unvorsichtigkeit bei dem Sturze zweier Thürme an der Memel-Seite umgekommen. Burkard Mansfeld fiel am Thore unter dem Brande eines Hauses. Er hatte mit seinem Haufen von der Nera-Seite gestürmt.

Diese Belagerung gehört nach dem Zeugnisse aller Chronikenschreiber unter die Großthathen der Ritter. Wir finden dabei die Kriegskunst schon sehr verfeinert, verfeinerter, als sie in damahliger Zeit in Europa zu seyn pflegte, wo sie überhaupt noch in unbehilflicher Kindheit lag. Kniprode hielt dabey ordentlichen Kriegsrath, und studierte mit seinen Generalen den Plan der Belagerung, die nicht allein auf Stärke des Heeres und Muth der Soldaten berechnet war, sondern auch auf Kunst und wahrscheinliches Wirken neuer Anlagen. Kniprode soll selbst dazu neue Sturmböcke angegeben haben, denen man hauptsächlich die sichere Eroberung verdankte, ein Beweis, wie er mehr durch Kunst, als blinde Herzhaftigkeit siegte.

Als Keistut seine festeste Burg in Asche verwandelt sah, wollte er am künftigen Glücke verzweifeln, aber sein Bruder Olgard rächte [42] den Fall der Festung noch auf dem siegreichen Heimzuge des Hochmeisters durch unvermutetes Nachsetzen, und erschlug fünfhundert Mann, in einem litthauischen Dorfe, wo sie sich vom Hauptzuge getrennt hatten. Der Anführer von Schinken warf sich in dem Gewirre auf sein Roß und entkam glücklich dem Tode mit zwei Officiers von der Kreuzarmee.

Aus Teutschland kam Nachricht, daß zwei Fürsten aus Baiern, Ruprecht und Wolfgang mit auserlesener Mannschaft im Anzuge wären, dem Orden beizustehen. Kniprode schickte ihnen seinen Marschall sechs Tagreisen entgegen und ließ sie bewillkommen. Herzog Ruprecht galt für einen der wackersten Helden seiner Zeit. Die Chronikenschreiber haben ihn den Makabäer genannt. Der Hochmeister vereinigte sein Heer mit ihnen und ging im Junius nach Litthauen in die Landschaften Witow, Eroglen, Parnrey, Labuno und Zeyme. Doch dieß Mahl kam ihnen kein feindliches Heer entgegen, und sie verwüsteten das Land nach Kreuzfahrer-Art. Da stieß der Komtur von Osterode, dessen Volk von Beutelust tief ins Land getrieben wurde, auf ein befestigtes litthauisches [43] Lager und zog sich in Unordnung mit einigem Verluste zurück, um sich mit dem Hauptheere zu vereinigen. Kniprode, da er hinlängliche Erkundigungen eingezogen hatte, marschirte unter Begünstigung der Nacht mit seiner ganzen Macht dahin und war mit Anbruch des Tages vor dem Lager. Die Litthauer wurden von den Baiern angefallen; das Ordensheer machte das zweite Treffen. Das Lager ward zur Beute und das Land zur Einöde. Keistut bekam eine Wunde am Fuß, lag an der Erde, und kämpfte gegen den eindringenden Komtur von Königsberg, Ritter Frohburg. Da kamen ihm Speerreiter zu Hilfe, legten ihn auf ein Roß und eilten davon. Nach solchen Siegen zogen die Christen heim, denn das Land versagte ihnen Unterhalt und Wohnung zur Dauer über den Winter. Die Baiern blieben zuletzt und streiften mit beiderseitiger Erschöpfung und Abmattung. Sonst weiß man nichts von ihnen. Die baierschen Annalisten thun dieses Zuges keine Erwähnung und die Ordensschriftsteller sind zu eifersüchtig, als fremden Thaten Gerechtigkeit angedeihen zu lassen.

Heim rüstete der Hochmeister leichte Reiterei [44] zum neuen Feldzuge, mit der er dem fremden Fußvolke zu Hilfe kommen wollte. Er scheint diese Truppen erst von den Litthauern kennen gelernt zu haben, die damit Wunder der Tapferkeit thaten. Darum wurden auch meist nur getaufte Litthauer dazu geworben, die man mit großen Versprechungen künftigen Glückes gegen ihr verwandtes Volk bewaffnete. Die Pferde für diese leichte Reiterei[27] kamen aus Polen. Der Reiter saß nicht im Sattel, sondern auf einer leichten Strohdecke ohne Bügel und Harnisch, mit Klinge und Speer. Teutsche Ritter entschlossen sich nicht leicht zu diesem Dienste, wahrscheinlich aus alter Anhänglichkeit und Vorliebe zu ihrer eisernen Rüstung, mit der sie für die kleinen Pferde zu schwer waren.

Das folgende Jahr war wie gewöhnlich mit [45] Blute bezeichnet. Kniprode streifte in das Gebiet von Werlow, Stetten, Kalanten, Pastow, Gesow und Surnim, und baute die Festung Wartburg wieder auf, aber an einem andern Orte, als wo sie vorhin gestanden hatte. Keistut legte dagegen eine neue Festung an, und nannte sie Neuen-Kauen. Aber der Vortrab der Ordensarmee erschien während der Arbeit in der Gegend, und Keistut mußte sich durch Verschanzungen decken, die aber zerstört wurden. Kniprode wandt sich gegen Pisten und machte die Stadt zum Steinhaufen. Schindekopf eroberte Wielun, nahm den Kommandant Gastud gefangen und schickte ihn zum Hochmeister. Die Bedeckung, warum weiß man nicht, erschlug Gastuden und seine Kriegsgesellen gegen Schindekopfs Willen. Der Marschall gerieth darüber in schrecklichen Zorn und verlangte vom Hochmeister die Bestrafung der Thäter. Aber dieser unterließ sie, weil er bei dem Heere einen Aufstand zu erregen befürchtete, wie Baczko vermuthet. Schindekopf soll gedroht haben, sein Kommando niederzulegen, wenn diese That, zum Nachtheile der Militärdisziplin, auf die er Alles hielt, unbestraft gelassen [46] würde. Kniprode suchte ihn durch linde Vorstellungen zu besänftigen und schickte zwei Priester des Ordens in sein Lager. Von ihren Lippen floß Kniprodens Geist, denn er hatte sie selbst unterrichtet, und wenn Alles wahr ist, was ihnen Vinzenz in den Mund legt, so erscheint hier der Hochmeister mitten auf dem blutigen Schlachtfelde als der edelste Menschenfreund, der ein Menschenleben zu retten suchte, wo es ohne Noth geschehen konnte; der den Tod auf dem Bette der Ehre für höchsterhabene Tugend, den Tod der Strafe aber für das größte Uebel hielt. „Glaubt es mir, sagte er ein Paar Tage darauf selbst zu Schindekopf, glaubt es mir Marschall, ich habe diesen Krieg nicht aus eitler Ruhmsucht unternommen, oder aus Begierde das Gebiet des Ordens mit dem Lande des tapfern Volkes zu mehren. Die Verwüstungen des barbarischen Volkes in dem Lande meiner Unterthanen, das Bestreben des heidnischen Fürsten die Säule des Christenthums durch seine Ueberfälle beben zu machen, die Vertheidigung und Verbreitung des christlichen Glaubens müssen uns die Waffen in die Hand geben. Wer dabey nicht bedenkt, daß auch selbst der Heide [47] Mensch sey und wie ein wildes Thier gegen sein eigenes Geschlecht aus Blutgier wüten kann, o den ehrt das heilige Kreuz nicht, dem muß es wie ein glühend Eisen tief, tief in die Seele brennen. Unser ehrwürdiger Stifter hat uns nicht allein die Pflege der Christen, sondern auch die liebevolle Aufnahme bedauernswürdiger Heiden zur Pflicht gemacht. Wer dagegen handelt, der findet schon im Leben Strafe genug in seinem eigenen Gewissen, was bedarf es da noch des Richtschwertes, um seiner zeitlichen Strafe ein Ende zu machen? Ihr Marschall, und ihr Alle, bei denen in diesen Tagen die Ehre des Ordens und der Christenheit gestanden hat und noch in der Zukunft stehen wird, setzt dieß nie aus den Augen, damit ich nicht einst für euch strengere Rechenschaft geben muß.“[28]

Der Feldzug ward dieses Mahl mit der Wiedereroberung der Festung Johannsburg beschlossen. Schindekopf nahm sie am dritten Tage der Belagerung ein. Die Besatzung ergab sich auf Kapitulation, und ward im Lande vertheilt, der Anführer aber gefangen nach Marienburg [48] gebracht. Die Außenwerke, die seit Keistuts Eroberung im letzten Winter noch zum Theil im Schutte lagen, ließ der Komtur von Königsberg wieder aufbauen, und zwei Thürme an der Nordseite errichten mit einem tiefen von unten auf ausgemauerten Graben.

Keistut kam darauf mit dreizehntausend Mann nach Angerburg und zerstörte es, und verwüstete die Gegend. Vorzüglich empfand dieses Mahl Schalawonien die Macht seines siegenden Schwertes. Alles was ihm entgegen kam, wurde niedergemacht. Achthundert Einwohner verließen wieder den christlichen Glauben und ersoffen im Heidenthume. Keistut lohnte ihnen dafür und verschonte ihre Wohnungen mit Raub und Brand. Aber der dritte Mann mußte zu seinem Heere schwören und sich gegen den Orden bewaffnen. Er versprach ihnen, sie blos als Föderirte zu behandeln und ihnen einen eigenen Fürsten zu geben, wenn das Glück seine Waffen segnen würde und er sich in dem Ordensgebiete befestigen könnte. Aber dieser Triumf ward ihm durch die Untreue seiner 2 Söhne verbittert, die nach Preussen entwichen und sich dem Hochmeister in die Arme warfen. Unter [49] prächtigen Feierlichkeiten nahmen sie zu Marienburg die Taufe. Ein Bischof verrichtete sie, und Kniprode stand dazu als Pathe. Darauf wurden sie in einer Prozession durch die Stadt geführt und dem Volke gezeigt, das ihnen freudig entgegen jauchzte, und den Herrn lobpreis’te für die Verbreitung des allein selig machenden Glaubens. Wahrscheinlich war eine Entzweiung der Söhne und des Vaters die Ursache dieser Entweichung, und nicht die Ueberzeugung von der Vortreflichkeit des christlichen Glaubens. Kniprode schien dieß auch selbst zu fühlen, denn er schlug ihnen den Ritterorden ab, in den sie aufgenommen seyn wollten, und vertraute ihnen keine Stelle unter seinem Heere. Vorher wollte er die Reinheit ihrer Absichten und ihre Treue prüfen. Da sie aber davon keine Beweise gaben, so blieben sie zu Marienburg unter der Aufsicht eines Ordenspriesters, der sie im christlichen Glauben unterrichtete. Nachher gingen sie mit einem Komtur nach Baiern. Wenn man ihre Bekehrung genauer betrachtet, so wird es nicht unwahrscheinlich, daß sie sich an ihrem Vater zu rächen suchten, und durch die Verbindung mit dem Orden sich dereinst Anhang in Litthauen, [50] wohl gar den Thron verschaffen wollten. Wenn man dem Hofkaplan Vinzenz glauben darf, so hat Keistut ihre Auslieferung von dem Hochmeister verlangt, und durch eine eigene Gesandschaft zu Marienburg Vorstellungen thun lassen. Aber die Gesandten mußten, ohne ihren Zweck zu erreichen, wieder abreisen, und ihrem Herrn die kühne Antwort bringen, daß er kommen sollte, seine Söhne selbst zu fordern, er würde sie an der Spitze des Ordensheeres finden, mit den Waffen in der Hand. Keistut erschien auch wirklich darauf in der Gegend von Angerburg und trieb viele Gefangene weg. Seine Soldaten verwüsteten die Kirchen und tranken aus den heiligen Gefäßen preußischen Wein und schleiften das Bild des Gekreuzigten an den Schweifen ihre Pferde nach. Die Ordenspriester prophezeiten ihnen dafür Unglück und Niederlagen. Aber dieses Mahl blieben ihre Worte eitle Prophezeihungen, denn Keistut eroberte bald darauf die Festung Johannsburg, die von dem Komtur Otto mit dem hölzernen Beine vertheidigt wurde. Keistut erschien Nachts ganz unvermuthet mit dem Kern seiner Mannschaft vor den Thoren, hob die Wachen auf, und kam ohne [51] Schwerthieb auf den Platz mit Fackeln, und war nach einem kleinen Gefechte Meister der Burg. Der Komtur lag noch im tiefsten Schlafe, da wurde er von dem Waffengetöse in finsterer Nacht aufgeschreckt. Eilig band er sich sein Bein unter, und hinkte auf den Burgplatz. Da standen ihm seine Kampfgesellen gebunden entgegen, und die Heiden berathschlagten, ob sie niedergehauen oder gefangen weggeführt werden sollten. Da bot Otto den Blutdürstigen sein Leben für die Brüder an, riß den Panzer auf und zeigte Keistuten seine behaarte Brust. Dieser Edelmuth rührte das Felsenherz des Fürsten. Er gab dem Ritter mit noch vier Gefährten sicheres Geleit bis zu den Seinigen, und führte die Uebrigen als Gefangene davon.

Kniprode suchte in dem nächsten Feldzuge die Festung dem Feinde wieder wegzunehmen. Das Heer wurde in zwei Kolonnen getheilt. Er selbst ging mit der einen tief in Litthauen, in Gegenden, die noch keinen Feind gesehen hatten. Er wollte dadurch Keistuts Hauptmacht von Johannsburg abziehen, und amusiren, während der Marschall mit der zweiten Kolonne das Schloß überfallen und wegnehmen sollte. [52] Aber Keistut ließ den Hochmeister plündern und Beute machen, denn er hatte durch seine Kundschafter die Anrückung des Marschalls gegen die Festung vernommen. Mit seiner besten Mannschaft erwartete er ihn auf der Anhöhe eines Berges und lieferte ihm ein blutiges Treffen. Schindekopfs ganze Kolonne wurde theils niedergehauen, theils zerstreut. Er selbst floh mit weniger Mannschaft in Verzweiflung, da er das Treffen verloren sah. Keistut setzte ihm nach, mähte Feinde wie Gras, und trennte den Marschall von seinem Häufchen, der in einem Walde verirrte und erst am sechsten Tage in Räubertracht bei dem Hochmeister anlangte. Drei und zwanzig Mann unter dem Komtur von Ragnit, der Rest der ganzen Kolonne, kamen noch nach. Fünfzig Reuter an der Zahl stießen sie auf den litthauischen Feldherrn Büsko mit 400 Mann, und wurden zur Uebergabe aufgefordert. Da sprach der Komtur seinem Häufchen Muth ein und stürzte auf den Feind, um Sieg zu finden, oder ewig ruhmvollen Tod. Und die Herzhaftigkeit ward herrlich gekrönt. Da lag das Feld bedeckt mit 250 Litthauern, die übrigen flohen davon in vollem Laufe. Sieben [53] und zwanzig Ritter starben den Heldentod, alle hatten ruhmwürdige Wunden. Nach dieser kühnen That streifte das Hauptheer noch kurze Zeit in Feindes Land, zerstörte einige Burgen und kehrte dann mit Beute und Ruhm beladen nach Hause.

Schon im März des folgenden Jahrs stand Schindekopf mit seiner Kolonne vor Neu-Kauen, eroberte und zerstörte es. Darauf ging er vor Streba und that eben so. Auch der Hochmeister war mit einer Kolonne ausgezogen und hatte einige glückliche Scharmützel. Aber die Geschichte dieses Feldzuges, so wie des folgenden liegt in tiefem Dunkel. Wechselseitiges Glück und Unglück hatten beide Theile, wie gewöhnlich in diesem Kriege, durch den bis jetzt noch nichts entschieden war, als der Tod viel tausend Streiter von beiden Seiten.

Jenseits der Memel liegt von einem Thale und einer kleinen Ebene begränzt, ein mächtiger Fels, den Rittern und den Litthauern zur Gewinnung des Passes auf der Memel sehr bequem. Da wollten sich beide einen festen Platz zum Magazine des Proviantes für ihre Armee bauen. Keistut hatte schon im Sommer Anstalten dazu [54] gemacht, und die Materialien zum Baue dahin bringen lassen. Aber im folgenden Frühlinge landete der Hochmeister mit seinen Rittern, bemächtigte sich der Materialien, und der Leute, die schon mit dem Baue angefangen hatten, und ließ ihn für den Orden fortführen. Schindekopf deckte die Arbeit mit siebentausend Mann, und nannte die Burg auf Befehl des Hochmeisters Gotteswerder. Im September war der Bau vollendet, und Schindekopf machte sich zu einer Streiferei tief in Litthauen auf und warf eine kleine Besatzung in die Burg. Da kam Keistut mit all’ seiner Macht und setzte sich darin fest. Als der Marschall zum Entsatze herbei eilte, war Keistut schon verschanzt. Aber nach fünf Tagen mußte er wieder abziehen und dem Ueberwinder die Gefangenen überlassen. Von da ging Schindekopf vor die litthauische Festung Bälerey und foderte sie zur Uebergabe auf. Aber die Besatzung ließ ihm eine trotzige Antwort geben, und war entschlossen, sich bis auf den letzten Mann zu vertheidigen, und unter dem Schutte der Burg begraben zu lassen. Keistut hatte unterdessen frische Truppen an sich gezogen, und ließ dem Marschall wissen, daß er [55] ihn nächstens mit seinem Belagerungskorps vor der Festung aufheben würde. Da ließ Schindekopf zum Sturme blasen. Aber die Belagerten schlugen ihn zwei Mahl ab, und wurden beim dritten Mahle bezwungen. Alles, was Waffen tragen konnte, ließ der erzürnte Sieger niedersäbeln, die Weiber wurden zu Gefangenen gemacht. Darauf ward eine Zusammenkunft zur Auswechselung der Gefangenen zu Königsberg veranstaltet. Keistut kam persönlich dahin, und ward von dem Marschall fürstlich bewirthet, und nebst seinem Gefolge mit Feierlichkeiten nach damaliger Art unterhalten. Vierzehn Komture und sechs und neunzig Ritter nebst einer großen Anzahl Gemeiner wurden gegen diejenigen ausgewechselt, die noch nicht die Taufe genommen hatten und wieder zurückkehren wollten. Keistut unterhandelte auch wegen seiner Söhne, aber ihre Auslieferung schlug ihm Schindekopf ab und entschuldigte sich damit, daß sie nicht mehr im Lande wären. Schütz erzählt, daß Keistut bei dieser Gelegenheit erklärt habe, dem Hochmeister im folgenden Jahre einen Besuch in Preußen zu machen, worauf der Marschall antwortete, daß man gehörig für seinen Empfang [56] Sorge tragen würde. Als Keistut heim zog, begleitete ihn der Marschall mit tausend Kriegern bis an die Gränze. Aber nach dem Tage des Abschiedes fing Schindekopf schon wieder zu verwüsten an, und trieb den litthauischen Bauern Pferde und Rinder weg. Keistut ging darauf nach Rußland und warb neue Truppen für sein Heer, 24000 wüster Mannschaft an der Zahl, aus allen Gegenden der nordischen Reiche. Sein Bruder Olgard war unterdessen in Polen, um den König auch zu einem Zuge gegen den Orden zu bereden. Seine Bemühungen blieben aber fruchtlos, so viele Ursachen der König auch gehabt hätte, sich mit dem Litthauern gegen die Macht des Ordens zu vereinigen. Doch brachte Keistut eine fürchterliche Armee zusammen, die Anfangs in zwei Abtheilungen, unter seinen und seines Bruders Befehlen nach Preußen rückte.

Im May kam Keistut mit seiner Kolonne vor Ortelsburg. Die Burg mußte sich nach einer siebentägigen Belagerung ergeben. Die Besatzung wurde nach Litthauen geschickt und an die Russen verkauft. Darauf vereinigte sich Keistut mit Olgards Kolonne bei Königsberg [57] am Flusse Rudau. Eine Macht von siebenzig tausend Mann, das stärkste Heer, das bis jetzt noch von den Litthauern zusammen getrieben war. Kniprode versammelte seine ganze Macht in den Gefilden vor Pillau. Darauf berief er alle Ritter um sich und hielt eine Rede, wobei ihm die Thränen in den Augen standen, denn das Glück des ganzen Ordens schien an der Entscheidung dieses Tages zu schweben. Die Ritter entglühten von hohem Muth und schwuren sich einander den Bund des Todes, und brandmarkten den mit ewiger Schande, der fliehen würde. Darauf beteten die Priester und segneten das Heer. Alles lag auf den Knieen mit entblös’tem Haupte und betete zum Himmel in glühenden Reden. Dann gingen sie den Feinde neu gestärkt entgegen. Das Ordensheer war vierzigtausend Mann stark, darunter achtzehnhundert Ritter, theils Ordenspriester, theils aus Teutschland und Frankreich, lauter Krieger in Schlachten geübt und durch Siege kühn gemacht. Der Hochmeister that selbst den Angriff, und ward an dem rechten Arme verwundet und aus der Schlacht gebracht.[29] Da stutzte das Heer, aber [58] Schindekopf setzte sich an die Spitze und führte an. Er hatte bereits zwei Haufen dem Tode in den Rachen geführt, da schien sich der Sieg auf die Seite der Litthauer zu lenken. Entzürnt warf sich Schindekopf den Fliehenden entgegen und wütete gegen seine eigenen Leute. Die Ritter versammelten wieder jeder seinen Haufen und führten sie gegen den Feind. So ward das Schicksal des Tages beim dritten Angriffe entschieden. Die Litthauer kamen in Unordnung und flohen davon. Schindekopf mit einem Haufen hinten her und verfolgte acht Stunden den Feind. Aber er empfing eine tödtliche Wunde,[30] und starb am andern Tage zu Königsberg. Die vornehmsten Ritter waren um den Sterbenden versammelt und Kniprode drückte ihm die Augen zu. Er starb, wie Helden zu sterben pflegen, ohne Furcht vor dem herannahenden Tode, und sprach selbst den Traurigen [59] Muth ein, die um sein Lager weinten. Der Orden verlor an ihm den größten Helden, den er bis dahin gehabt hatte. Aber auch in der Folge blieb Schindekopf unerreicht. Ein neuerer Schriftsteller hat ihn dem Herzog Wallenstein verglichen, mit dem er aber in Rücksicht seines Characters gewiß nicht gleich gestellt werden kann.

Nach der Schlacht wurde Stillstand ausgerufen, um die Todten zu beerdigen. Da fanden sich auf dem Schlachtfelde unter den Erschlagenen allein zweihundert Ritter und sechs und zwanzig Komture, darunter der Großkomtur Kuno von Hattenstein. Die Litthauer hatten eilftausend Mann auf dem Platze gelassen, noch mehrere kamen wie gewöhnlich, auf der Flucht um. Dieß war der blutigste Tag im ganzen Kriege, aber die Litthauer waren nach ihm nichts weniger als bezwungen, Keistut schien dem Kopfe der Hyder zu gleichen, die immer eine größere Anzahl Köpfe ansetzte, je mehrere ihr abgeschlagen wurden. Er versammelte tiefer im Lande den traurigen Rest seiner geschlagenen Armee wieder und fiel noch im nämlichen Sommer in das Land Gogelanken und zerstörte [60] das Schloß gleichen Namens. Der Komtur von Ragnit fiel dagegen mit einem neuen Heere, das aus Teutschland, größtentheils vom Rhein und aus Schwaben, dem Orden zu Hilfe gekommen war, in Samogizien. Der Einfall war fürchterlich. Die Kreuzfahrer schonten keines Menschen, denn die Feinde waren Heiden, deren Marter nach den Begriffen damaliger Zeit dem Himmel gefiel.

Keistut ließ noch in dem nämlichen Jahre dem Hochmeister einen Waffenstillstand anbieten. Man muß es seiner schonenden Menschlichkeit zuschreiben, daß er ihn dieß Mahl annahm. Sein Heer hatte freilich manchen ungeheuern Verlust erlitten, der schwer wieder zu ersetzen war, schwerer als er es bey dem Feinde je seyn konnte. Aber dagegen waren jetzt neue Hilfsvölker da, die ohne Foderungen und Belohnungen für den Orden stritten und nach der letzten Hauptschlacht war wohl für jetzt wenigstens von dem Feinde nichts Großes zu befürchten. Aber Kniprode wünschte den Frieden gegen den Willen der Brüder, die Litthauen erobern und ihrem Gebiete einverleiben wollten. Darum wurde für jetzt ein Waffenstillstand auf vier Jahre vermittelt, [61] während dessen wechselweise Alles dasjenige in Besitz gehalten werden sollte, was beide Theile erobert oder verloren hatten. Zur Sicherheit wurden Geissel gegeben, von dem Orden zwölf Ritter, und von den Litthauern zwölf ihrer vornehmsten Landsleute. Zum Danke für den Stillstand ließ Kniprode in allen Kirchen des Landes ein vierzigstündiges Gebet ausschreiben, das Tag und Nacht dauerte, und ein feierliches te Deum singen. Er selbst erschien mit den Rittern in der Kirche zu Marienburg und betete eine ganze Nacht.

Die Zeit des Stillstandes verging unter abwechselnden Zurüstungen und Friedensbemühungen des Hochmeisters. Aber von diesen wollten die unruhigen Ritter nichts hören, die zu Hause bei keinem Weibe Beschäftigung fanden und ihr Leben dem Kriege zur Ehre Gottes und seiner Kirche geweiht hatten, denn damahls büßte man den Gebrauch des Verstandes in Flammen. Die Ritter trieben nichts anders, als Krieg und waren im Frieden meist unruhige Bürger, die sich nicht mehr mit der Krankenpflege nach einer Hauptregel der Ordensgesetze abgaben. Sie wurden von ihren Vätern in ruhigen Augenblicken [62] des Heldenlaufes gezeugt, und saßen schon zu Pferde, ehe sie reden konnten. Bei ihrer Aufnahme in den Orden schwuren sie die Ausrottung der Heiden und waren nur glücklich in dieser Beschäftigung.

Nach vier Jahren fing also der Kampf von neuem an. Der Komtur von Ragnit, Gericke, eröffnete den Feldzug mit einem Einfalle in Samogizien, schlug eine feindliche Kolonne und machte große Beute an Gepäcke, Pferden und Rindvieh. Als er heim zog, stieß er auf einen feindlichen Verhack an einem Sumpfe, der ihm den Rückweg versperren sollte. Die Litthauer fielen heraus und griffen an, wurden aber in den Verhack zurück getrieben und wehrten sich verzweifelt. Wegen des Sumpfes war das Lager der Reiterei unzugänglich. Gericke ließ darum die Ritter absitzen und Faschienen mit Steinen beladen in den Sumpf werfen, über die er mit seinen Leuten bis vor den Verhack drang und ihn nach einem hartnäckigen Kampfe eroberte. Er büßte aber dabei selbst mit zwölf Rittern das Leben ein. Zwei und funfzig Mann fielen unter dem Schwerte der Litthauer [63] und gingen im Morast unter. Die übrigen kamen mit der Beute glücklich nach Preussen.

Nicht minder glücklich streifte der Marschall, Gottfried von Lindau, ein tapferer Schwabe, bis in die Gegenden von Wildau und Troke. Er wurde aber auf seinem Rückzuge von einer feindlichen Kolonne abgeschnitten, und mußte sich fechtend mit den Seinigen den Weg öffnen, aber ohne sonderlichen Verlust, denn der Feind hatte keine feste Stelle und focht im freien Felde, und dann war er den Rittern selten gewachsen.

Glücklich für die Litthauer war das folgende Jahr. Die Chronikenschreiber suchen zwar, wie gewöhnlich, ihre Thaten zu verkleinern, aber nach dem zu schliessen, was Vinzenz berichtet, müssen sie Wunder der Tapferkeit gethan haben, denn die Kolonne des Komturs von Labiau wurde ganz von ihm aufgerieben und gefangen. Der Komtur selbst ward nach seiner Gefangenschaft von Alexandern, einem feindlichen Feldherrn, auf seinem Zuge mitgeführt und klagte sein Unglück dem Hochmeister in einem Schreiben, das Alexander selbst durch einen Herold bestellen ließ. „Wir sind geschlagen, heißt es darin, und ich klage euch das Unglück aus dem [64] feindlichen Lager, in dem ich gefangen sitze. Alle unsere tapfern Waffenbrüder liegen theils erschlagen auf dem Kampfplatze, theils theilen sie ein Schicksal mit mir. Ich beweine ihren Tod nicht so sehr, als das Unglück, jenen schrecklichen Tag überlebt zu haben.“[31]

Alexander belagerte nach dieser Schlacht Soldau, und ein anderer Feldherr Neidenburg, aber sie mußten beide die Belagerung aufheben, weil Kniprode zum Entsatze erschien, und darauf bis vor Kauen rückte, das aber von Keistuten entsetzt ward. Dieser belagerte darauf Insterburg und eroberte es. Ein auffallendes Beyspiel damahliger Art Krieg zu führen, gab dieß Mahl Elwers, der Komtur von Balga, der während der Zeit, daß Keistut in dem Ordensgebiete stand, in Litthauen einfiel [65] und sogar kühn genug war, bis Klein Kamieniecz vorzurücken, und das Land zu verwüsten. Die Einwohner dieser Stadt kauften ihm den Brand ihrer Häuser mit zweitausend ungerschen Gulden ab.

Die folgenden Jahre bis zum Tode des Hochmeisters vergingen unter ewigen Streifereien nach gewöhnlicher Art mit beiderseitiger Ermattung, ohne daß viel ausgerichtet wurde. Doch scheint der Orden in diesem unruhigen Treiben meist die Oberhand über die Litthauer, aber ohne sonderlichen Vortheil gehabt zu haben. Wenn auch einige Komture kühne Streifereien thaten, so büs’ten sie doch meist mit starkem Verluste ihr Wagestück, und erhielten starke Wunden, die einige Mahl noch glücklich durch teutsche Hilfe geheilt wurden. Wilda, Memel und Osterode wurden erobert und wieder verloren. Seit der Marschall Schindekopf gefallen war, schien das Glück des Ordens, wenn nicht zu sinken, doch stille zu stehen. Der Hochmeister führte den Krieg ungern und zuletzt wider seinen Willen, und unter den Komturen zeichnete sich jetzt keiner besonders durch Großthaten aus. Die [66] herrlichsten Siege waren dem Orden nur von geringem Nutzen, so lange er sich nicht im feindlichen Lande durch Festungen behaupten konnte, und vorzüglich so lange Keistut seinem braven Volke siegen lehrte. Er war zu groß für sein Volk, und ging wie andere seines gleichen ohne Nachfolger unter. Kein Chronikenschreiber hat eine vollständige Kenntniß seiner Thaten auf die Nachwelt gebracht, und so haben wir nur einen kleinen Genuß seines Beispiels. Einige bei Vinzenz befindlichen Verse, die bei seiner Gefangenschaft zu Marienburg gemacht wurden, stellen uns den Mann im körperlichen Bilde dar. Er war sehr groß und schmächtig, hatte ein blasses langes Gesicht mit tief im Kopfe liegenden kleinen feurigen Augen. Den Kopf trug er gewöhnlich außer dem Felde unbedeckt. Weniges Haar saß darauf, aber sein grauer Bart floß in krausen Wellen auf die Brust herab und machte sein Ansehen mehr fürchterlich als ehrwürdig. Er sprach nur wenig, aber wenn er sprach, so wußte er seinen Worten Nachdruck und Kraft zu geben, besonders wenn er drohte. Dann schwollen die Adern der Stirne mächtig an, und die [67] Naslöcher öffneten sich, wie wenn der Löwe schnaubt im Kampfe.[32]

Seit 85 Jahren waren in diesem Kriege 177 Ordensritter, 15000 Edelleute und Bürger, 23000 Dienstleute und freiwillige Fremde, und 168000 Bauern, zusammen 206177 Mann theils um’s Leben gekommen, theils in die Gefangenschaft geführt. Diese Berechnung ließ Kniprode noch vor seinem Tode machen.

[68]
III.
Zustand des Landes unter Kniprodens Regierung.

Der teutsche Orden hatte sich ein unabänderliches politisches System vorgezeichnet, nach welchem er das Land regierte. Es war mit so wahrscheinlichen Hoffnungen eines guten Erfolges berechnet, daß es nur gewaltsame Revolutionen, oder wie es wirklich geschah, Entgegenarbeitung seiner eigenen Mitglieder scheitern machen konnte. Wenn Hildebrands hierarchisches System planmäßig berechnet war, so war es das System des Ordens noch mehr. Er betrachtete das Land so recht wie sein Eigenthum, als eine unumschränkte Monarchie, vielleicht noch als etwas mehr, denn es war eine Conquete. So schlichen sich gewisse Grundsätze und Maximen ein, nach denen [69] der Orden regierte. Dahin gehören vorzüglich die Anlegung teutscher Kolonien, die Unterdrückung der Nation und ihres alten Heldengeistes durch teutsche Pflanzer und Beamten, die Ausrottung der Religion und der Sprache des Landes, und der Wunsch, hier ein neues Reich für den Adel zu gründen.

Schon in dem Freiheitskampfe hatte eine große Menge der wackersten Streiter ihren Untergang gefunden, Preußen, Franzosen und Teutsche. Nach diesem hartnäckigen Kriege schlugen die Ritter das brave Volk in Ketten, daß nicht planmäßig genug um die Erhaltung seiner Freiheit kämpfte, um unüberwunden zu bleiben. Ein kleines Häuflein Ritter war freilich Anfangs Waffen, auf denen Waldewuts fabelhafter Segen ruhte, nicht gewachsen, aber der Orden wand alle seine Kräfte auf, da mit Konraden von Massovien der Vertrag gezeichnet war. Was der Kriegsgott nicht konnte, thaten Pabst und Indulgenzen und vorzüglich Kreuzfahrer, die sich vor den heidnischen Festungen so häufig sammelten, wie vor den Mauern Jerusalems. Von Vogelsang, Nassau, Thoren und Culm [70] fuhren die Ritter mit ihren Schaaren über das Land. Nach 53 blutigen Jahren war der Räuberzug geendigt, und das unglückliche Volk theils unterjocht, theils ausgerottet. Aber erst 1309 fing eine recht planmäßige Regierung des Landes an. Siegfried von Feuchtwangen verlegte die Centralregierung des Ordens von Venedig nach Marienburg und residirte selbst im Lande. Er gab 1310 das Gesetz, daß die Herrschaften ihr Gesinde anhalten sollten, nicht mehr preußisch zu reden und schloß alle Inländer von allen, auch kleinen und unterobrigkeitlichen Bedienungen aus. Kein Gottesdienst sollte in der Landessprache gehalten werden. Der Landmann besaß seine Felder freilich als Eigenthum, war aber in allen Dingen dem Ausspruche der Ritter unterworfen, die in den verschiedenen Städten mit ihren Beamten als Komture standen.

Als Kniprode die Hochmeisterwürde erhielt, fand er das Land in sehr mittelmäßigen Umständen. Die alten Wunden waren noch nicht geheilt und täglich wurden neue durch die Kreuzzüge geschlagen. Aber er hinterließ seinem unwürdigen Nachfolger ein schönes blühendes Land, und Kornspeier, die durch den litthauischen [71] Krieg nichts weniger als erschöpft waren, und zufriedene glückliche Unterthanen.

Es wird der Rede werth seyn, hier einen Auszug aus den sehr weitläufigen Nachrichten[33] zu machen, die uns Vinzenz mit recht ängstlicher Genauigkeit über den Weinbau in Preußen unter Kniproden hinterlassen hat. Die andern Chronikenschreiber erwähnen ihn mit keiner Silbe. Nur Dusburg bei Hartknoch hat die trockene Nachricht, daß i. J. 1379 eine reichliche und frühzeitige Weinlese gewesen sey. Vinzenz fängt seine Nachrichten mit einer Beschreibung der Art an, auf welche der Wein damals in Preußen gewonnen wurde.

Die Weinberge befanden sich hauptsächlich [72] in der Gegend von Rastenburg, Luneburg, Rhein, Polska, Hohenrada, Tapiau und bei Thoren an der Weichsel. Sie gehörten meist dem Orden, und wurden als Regal von ihm gebaut und benutzt. Kniprode sorgte hauptsächlich für ihre Aufnahme. Er ließ mit schweren Kosten verständige Weinbauer aus Teutschland und Italien kommen, die die Berge, jeder nach seiner Art, behandeln mußten. Die meisten Berge waren mit kurzen Stöcken bepflanzt, deren Ranken über die Erde krochen, und nicht an langen Pfählen mit Reisig aufgebunden wurden. Doch machte auch bisweilen die Lage des Weinlandes in einer Fläche dies Verfahren nöthig. Dann gedieh aber die Frucht nicht sonderlich, und sie kam nicht eher, als mitten im November, nachdem sie ein Paar Mahl von einem tüchtigen Froste gelitten hatte, zur Reife. Aber in den Steinbergen, wo man keine Pfähle brauchte, war die Ernte viel früher, aber der Wein hatte einen Erdgeschmack, den er nicht leicht in den ersten Jahren verlor. Im Frühjahre wurden die geilen Ranken fleißig beschnitten, und der Boden von aller Unreinigkeit gesäubert. Vinzenz erzählt, daß ein Mahl einige Landesbewohner, [73] die man zu dieser Arbeit gedungen hatte, ihren Messern einen so freien Spielraum gelassen hätten, daß es im Herbste gar keine Ernte gegeben. Darauf habe der Hochmeister befohlen, daß Niemand mehr, als die teutschen und italienischen Bauern diese Arbeit verrichten sollten. Wenn die Zeit des Herbstes herannahte, so fing die Lese erst dann an, wenn die Kunstverständigen die Berge besichtigt und ihre Meinung darüber gesagt hatten. Es ist auffallend, daß man in diesen Gegenden die Weinlese früher in den Bergen angefangen hat, als es in andern wärmern und bessern Weinländern zu geschehen pflegt. Anfangs Octobers war gewöhnlich das Geschäft beendigt. Dusburg sagt sogar, daß i. J. 1379 die Trauben schon um Jakobi (25 Julius) gelesen worden seyen, gewiß ein Beispiel einzig in seiner Art, und für Preußen, besonders in damaligen Zeiten, ganz außerordentlich. Doch ist zu vermuthen, daß man vor der Zeit gelesen habe, aber aus schwer zu begreifenden Ursachen. Vor dem Frost hat man sich wahrscheinlich nicht gescheut, da man ihm, wie oben bemerkt worden, die Trauben in den flachen Gegenden mit Vorbedacht überließ. Die Lese wurde von Mädchen, [74] wahrscheinlich in der Frohne verrichtet, die für die ganze Arbeit, so lange die Ernte dauerte, jede einen halben Skoter erhielt und um Martini ein freies Pankett. Die Trauben wurden mit krummen Messern abgeschnitten, die der Hochmeister eigens zu dieser Arbeit in Thoren verfertigen ließ. Die Winzerinnen mußten diese Messer Abends nach vollendeter Arbeit gewissenhaft an den Oberaufseher abliefern und erhielten sie Morgens zurück. Wenn die Trauben abgeschnitten waren, so wurden sie in hölzernen Gefäßen, woran die Fugen mit Kühmist und Asche verkleistert waren, damit der Saft nicht ausrinnen möge, von den Ordenspferden nach Hause getragen und ganz dünn über eine Art Kelter geschüttet, wo sie einige Tage, gewöhnlich 9–10, liegen blieben, und bisweilen umgerührt wurden. Darauf wurden sie mit langen Messern zerschnitten und mit eisernen Platten, die man unter die Füße band, zertreten; manchmahl auch vorher abgepflückt, und der erste Most in Fässer zum Festtranke für die Ritter gefüllt. Ob man schon Pressen gekannt habe, erhellt nicht. Vielmehr scheint das Gegentheil wahrscheinlich zu werden, wenn man lies’t, daß man die Trauben [75] zwischen Brettern, die mit schweren Steinen belegt waren, zerquetschen ließ. In dieser Lage blieben sie so lange, bis kein Saft mehr floß und die Hülsen vertrocknet waren. Mit diesen Hülsen wurden im folgenden Frühjahre die Kammer-Weinberge des Hochmeisters gedüngt, zum Theil auch die Esel damit gefüttert. Die neuen Fässer wurden ausgekocht und inwendig mit Bernstein und Kieseln ausgescheuert, bis aller Holzgeruch heraus war. Darauf beschüttete man die Fugen mit glühendem Pech und bestrich sie mit Oel. In den ersten Monaten bekam der Wein davon einen Pechgeschmack, den er aber bald wieder verlor. Wenn das erste und letzte Faß gefüllt wurde, so kam eine frohe Gesellschaft von Rittern zusammen und feierte ein Fest, das man Füllungsfest (festum impletionis) nannte. Die Gesellschaft versammelte sich an dem Orte, wo das Faß stand und erwartete unter beständigem Trinken das Vollwerden. Wenn nun der Kellermeister diese frohe Nachricht kund machte, so erhuben alle zumahl ein fröhliches Evoe und tranken auf das Wohlseyn des Hochmeisters. Dann ging’s zum Tanze, wobei gewöhnlich Bockspfeiffer aufspielten, und Abends nach vollendeter [76] Arbeit auch die schönen Winzerinnen erschienen, und um eine Traube tanzten. Eben dieß geschah, wenn das letzte Faß gefüllt wurde. Am Martinstage aber war allgemeines Fest für Winzer und Winzerinnen, das gewöhnlich zwei Tage dauerte. Dann pflegte der Hochmeister zwei Tonnen Wein, und acht Tonnen Bier frei zu geben. Er selbst kam dann mit den Komturen und Rittern zusammen und feierte den Herbst, und wenn er im Kriege war, so war an diesem feierlichen Tage Waffenstillstand.

Der Ertrag aller Weinberge des Hochmeisters war beträchtlich genug. 1379 wurden 608 Tonnen gefüllt. Dieß war freilich auch nach Dusburgs Zeugniß ein sehr fruchtbares Jahr. Mit dem Weine ward kein Handel getrieben, sondern der Hochmeister verschenkte ihn gewöhnlich an die Komture des Landes, und an andere Leute, die sich um ihn und das Land verdient gemacht hatten. Er gab 1374 den Gesandten, die er für die Hansee nach England schickte, zwölf Tonnen für den König zum Geschenke mit; der Kellermeister zu Marienburg mußte aus dem Kammerkeller das beste und reinste Gewächs dazu wählen. 1376, als der Hochmeister [77] in Danzig den Vogel abschoß, schenkte er dem Burgermeister und Rath sechs Tonnen rastenburgischen Gewächses. Der Großkomtur und der Marschall hatten die Erlaubnlß für ihren Gebrauch so viel aus dem Hofkeller zu nehmen, als sie wollten. Die Pfarrer und Schullehrer bekamen jährlich einen Pfingst- und einen Martinstrunk. Als i. J. 1363 der Herzog Rudolf, der Makabäer, in Marienburg festlich bewirtet ward, mußte der Mundschenk beim Beschlusse der Tafel einen großen goldenen Becher mit Wein aus den Thorner Bergen füllen, den zuerst die Herzoge, dann der Hochmeister und die übrigen Ritter auf gut Kriegsglück leerten. Da sagte Rudolf: langt mir noch ein Mahl den Becher her, der Trank ist ächtes Oel, davon einem die Schnauze anklebt. Der Mundschenk füllte den Becher und der Herzog leerte ihn auf das Andenken Ludwigs von Baiern, wobei alle Ritter ein hohes Freudengeschrei erhoben, und ebenfalls die Becher zu Ludwigs Ehre klingten.

Wenn der Most acht Tage in den Fässern gelegen hatte, so fing er sich erst recht zu reinigen an, und dieß dauerte gewöhnlich drei Wochen. [78] Dann war ein solcher Dunst in den Kellern, daß man betäubt darin wurde. Dieser Dunst stieg 1379 sogar bis in die Gemächer des Hochmeisters in dem Schlosse zu Marienburg, so daß er befehlen mußte, die Oeffnungen an den Kellern mit Strohwischen zu verstopfen.

Die Verbindung der Gedanken führt hier auf den Durst der Ritter und der Einwohner in Preußen. Ich habe dazu viele verschiedene Daten aus dem preußischen Chronikenschreiben gesammelt und theile einige hier mit. Man wird daraus sehen, daß man in diesem Lande den Brüdern in Teutschland nichts nachgab, und sie sogar bisweilen noch im Trinken übertraf.

Es ist schon oben bemerkt worden, daß bei des Hochmeisters Installation ein silbernes Becken an der Tafel herumging, in das sich 8 Weinflaschen selbst ergossen und das auf Einen Zug geleert werden mußte. Veit von Bassenheim, aus dem alten Rittergeschlechte von Waldbot leerte es vier Mahl und hier zeigte Kniprode, daß er bei all seinen Vortrefflichkeiten doch etwas auf wackere Trinker hielt; er beförderte ihn zum Schloßhauptmann. Vor dem Auszuge in den Krieg und selbst mitten unter den Waffen wurden [79] große Saufgelage gehalten. Bei der Belagerung der Festung Kauen lös’ten sich die Ritter wechselweise von der Nachtwache ab, und hielten sich durch den Wein munter und warm, der zu diesem Zwecke besonders von Thoren beigeführt wurde. Daß bei solchen Gelegenheiten auch wacker gesungen worden sey, beweis’t ein altes Lied, das sich in einer geschriebenen Hochmeister-Chronik[34] befindet, die auf der kaiserlichen Bibliothek zu Wien aufbewahrt wird. Angeblich wurde es in der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts verfertigt; es ist aber wahrscheinlich durch neuere Zusätze ausgebessert worden.

Als im Jahr 1374 das Fest des Waffenstillstandes mit den Litthauern zu Marienburg gefeiert wurde, gab der Hochmeister den fremden Rittern und den Ordensbrüdern auch einen festlichen Schmaus, der zwei Tage und zwei Nächte dauerte, und wobei sich die Ritter wacker berauschten. Als gegen Morgen der Wein ausging, und der Kellermeister sich entfernt hatte, [80] um von der vielen Arbeit des Tages auszuruhen, nahm der Komtur von Königsberg ein altes Schwert, und brach die Kellerthür ein. Die Ritter folgten ihm mit ihren zinnernen Humpen in der Hand, und fingen an, bei den Fässern zu zechen, wovon sie aber so berauscht wurden, daß die meisten auf dem Hofe schliefen und es vor lauter Hitze in den Gemächern nicht aushalten konnten.

Es ist ein angenehmes Gefühl, wenn man bedenkt, auf welche für die damaligen Zeiten wirklich musterhafte Art Kniprode das Glück seiner Unterthanen gründete. Die Bildung des gemeinen Volks lag ihm vorzüglich am Herzen, denn hier sah es nach dem wenigen, was seine Vorgänger gethan hatten, sehr wüste aus. Bis unter ihm hat man in Preußen keine öffentlichen Landschulen gekannt. Aber schon im zweiten Jahre seiner Regierung fing er dieses Geschäft mit Ernst an. Es wurden tüchtige Lehrer aus Teutschland für den Unterricht der Jugend berufen, und unter die Aufsicht eigens dazu bestimmter Ordenspriester gestellt, die nach und nach selbst Lehrer bilden mußten. Jedes Dorf, das aus 60 Familien bestand, bekam eine eigene [81] Schule. Die Lehrer erhielten von den Bauern jährlich bestimmte Victualien und aus der Ordenskasse sechs ungersche Gulden. Dafür mußten sie den Kindern teutsch lehren, und lesen und sie im Christenthume unterrichten. Aber nur im Winter wurde Schule gehalten, denn im Sommer mußten die Kinder ihren Eltern in der Feldarbeit helfen. In einem menschenarmen Lande sind auch Kinderhände dem Landmanne für das Heuschlagen Gewinn. Die Kinder aus den kleinern Dörfern mußten in das ihnen nächst gelegene Dorf zur Schule gehen. Kniprode sorgte auch für die höhere Bildung der Jugend und für den Unterricht derer, die sich dem geistlichen Stande widmen wollten. In Marienburg und Königsberg wurden lateinische Schulen unter der Aufsicht Peters von Augsburg, eines gelehrten Ordenspriesters, angelegt. Die Schüler bekamen hier den Unterricht umsonst, und die fleißigen wurden von dem Hochmeister beschenkt und für ihr Unterkommen gesorgt. Wenn sie aus adeligen Familien waren, so konnten sie Ritter werden, und die Bürgerlichen und Armen hatten Ansprüche auf den geistlichen Stand und kamen als geistliche Brüder in [82] den Orden, doch nur äußerst selten, und nur dann, wenn der Hochmeister sicher seyn konnte, daß sie in Zukunft nicht, aus Vorliebe zu ihrem Vaterlande, gegen den Orden arbeiten würden.

In Marienburg und Königsberg ließ der Hochmeister auch zwey Krankenhäuser zur Verpflegung der Armen anlegen. Jeder, der im Lande krank wurde, konnte sich dahin bringen lassen, und ward auf Kosten des Ordens verpflegt. Diese Häuser standen unter der Aufsicht des obersten Spittlers, der ein angesehenes Amt bekleidete, und selbst Ritter war. Seiner Verrichtungen waren seit der Zeit, da sich der Orden nicht mehr sonderlich mit der Krankenpflege abgab, nur wenige. Kniprode gab ihnen die alten Beschäftigungen wieder. Vinzenz nennt einen Armenier, Bormienes, der hier auf eine wunderbare Art Kranke geheilt haben soll. Seine Familie war in frühern Zeiten mit einigen Ordensrittern aus Palästina gekommen, und hatte Anfangs in Venedig und dann in Marienburg ihre Kunst geübt. Dieser Mann zeigte sich besonders thätig im Herbst des Jahres 1361, da in Marienburg eine Epidemie wütete, die eine Menge Menschen dahin raffte. [83] Dreitausend sollen daran allein in Marienburg niedergelegen haben, und nur fünfhundert wieder erstanden seyn. Auf dem platten Lande sah es besonders schlimm aus, denn da gab es keine Aerzte, und die Priester versagten den Sterbenden die letzte Hilfe, weil sie angesteckt zu werden befürchteten.

Die Pflege der Justitz kam unter Kniproden in den schönsten Flor. Er berief die berühmtesten Rechtsgelehrten seiner Zeit aus Italien und Teutschland nach Marienburg, und stellte sie in bedeutenden Aemtern an. Die meiste Zeit, wenn er sich von dringenden Staatsgeschäften und von Feldzügen abmüßigen konnte, brachte er in dem Kreise dieser Männer zu, und ließ sich von ihnen Rath in den verwickelsten Dingen ertheilen. Er betrachtete sie als nothwendige Mitglieder in einem wohlgeordneten Staate, und schätzte und ehrte sie als solche. Seinen Rittern pflegte er sie gewöhnlich als unentbehrliche Mitarbeiter an dem Glücke eines Volkes, darzustellen, und jedem Komtur einen von ihnen als Rathgeber und Richter beizugeben. Er hegte eine solche Ehrfurcht für sie, daß er in Rechtssachen, wo Unterthanen seine Hilfe [84] suchten und seine Entscheidung verlangten, nie einen Machtspruch gegen ihr Gutachten that, und überhaupt nie Kabinetsjustitz ausübte. In solchen Fällen mußten die Gelehrten zusammen kommen, ein besonderes mit Entscheidungsgründen ausgestattetes Gutachten ausarbeiten und ihm vorlegen. Dieses Kollegium gewann bald ein solches Ansehen, daß sich ausländische Fürsten Gutachten von ihm ausbaten, sowohl in Staats- als in bürgerlichen Sachen. Der Bischof von Würzburg unterwarf einen Rechtsstreit mit einem Fränkischen Ritter ihrem Gutachten, erhielt ein obsiegliches Urtheil, und dankte dem Hochmeister in einem stattlichen Briefe für das Glück, das er ihm durch seine Rechtsgelehrte verschafft hätte. Dies Kollegium war die letzte Instanz in Preußen in bürgerlichen Sachen. Von ihm ging der Weg in das Kabinet des Hochmeisters, aber nur in Gnadensachen. Wenn ich eine Stelle bei Vinzenz recht verstehe, so hat Kniprode ihnen auch die Abfassung eines eigenen Gesetzbuches aufgetragen, eine Art von Preussen-Spiegel, der aber nie zu Stande kam, und den sich die Städte, die fast alle auf eigenes Recht gesetzt waren, gewiß nicht würden haben [85] gefallen lassen. Doch da die übrigen Chronikenschreiber nichts davon erwähnen, und auch in den alten preußischen Rechten keine Spur davon anzutreffen ist, so läßt sich die Sache nicht weiter mit Gewißheit untersuchen. Der Hochmeister war aber nichts weniger als nachsichtig gegen sein neues Kollegium, mit was für gelehrten, durch Geist und Herz mit Ruhm bezeichneten Männern es auch besetzt seyn mochte. Sie mußten ihm zu gewissen Zeiten genaue Rechenschaft ablegen, und dadurch wurde ein Hauptfehler der Verfassung gebessert, der unter den Kosmen und Ephoren in Kreta und Lacedämon gewaltige Verwüstungen angerichtet hat.[35] Kniprode zeigte sich bei solchen Untersuchungen als weiser Regent. Pistorius von Frankfurt, den er auf einer Ungerechtigkeit aus Vorsatz ertappte, wurde nicht öffentlich gestraft, um dem Volke kein Mißtrauen gegen die andern Männer einzuflößen, sondern heimlich aus dem Lande verwiesen, und unter das Publikum gestreut, [86] er wäre aus Vorliebe gegen sein Vaterland nach Hause gegangen.

Gegen die Ritter und Ordenspriester war Kniprode nicht minder streng. Er strafte kleine Fehler scharf an ihnen, damit größere nicht begangen würden. Besonders streng hielt er auf die Befolgung der Ordensregel. Zehn Mahl schrieb er während seiner Regierung General-Kapitel aus, wobei alle Brüder, zum wenigsten die Komture des Ordens aus den in- und ausländischen Provinzen, zusammen kommen mußten. Die weit entlegenen erhielten ein angemessenes Reisegeld, und wenn sie durch fremde Länder ziehen mußten, sicheres Geleit. In diesen Kapiteln wurde über das Beste des Ordens gerathschlaget und für die Zukunft Maßregeln genommen. Sie wurden aber nie ohne eine besondere wichtige Veranlassung ausgeschrieben. Provinzial-Kapitel hielt der Hochmeister jährlich zwei, vor Eröffnung und nach dem Ende eines jeden Feldzuges. Dann mußten die Komture über den letzten Feldzug Rechenschaft ablegen und rathen, auf welche Art der neue am besten anzufangen wäre. Bei solchen Verhandlungen war der Marschall Schindekopf die Seele, [87] aber der Hochmeister folgte seinem Rathschlage nie blindlings, ohne selbst den Zustand des Landes zu erwägen, und jeden Komtur über seine Provinz zu vernehmen. Dann ward mit der größten Genauigkeit untersucht, wieviel jede Komturei besonders gelitten und wieviel Leute sie verloren? Was sie noch ferner ohne großen Schaden für den Landmann thun könnte? Wie viele und auf welche Art die Krieger am leichtesten zu stellen wären? Ueber diesen Punkt dachte Kniprode wie ein zärtlicher Vater für sein Land. Wenn er teutsche Fürsten auf irgend eine Art vermögen konnte, Hilfstruppen gegen den Feind zu schicken, dann durfte im Lande nur sparsam geworben werden, und selbst diejenigen, die mit den Rittern zu Felde zu gehen verpflichtet waren, wurden dann oft frei gegeben, um Ackerbau zu treiben, erhielten aber dennoch ihren Antheil an der Beute, die in dem Feldzuge gemacht wurde. Nach der Hauptschlacht im J. 1361 wurden 2000 Stücke erbeuteten Rindviehes unter das Landvolk vertheilt. Die Ritter behielten nichts für sich.

Aber auch selbst den Krieg suchte der Hochmeister auf einige Art für das Land zu nützen, [88] oder ihm wenigstens die schrecklichen Wunden weniger fühlbar zu machen. Wenn Gefangene gemacht wurden, so ließ er diese verhältnißmäßig in den Komtureien vertheilen und das Feld bauen. Die Priester mußten für ihre Bekehrung sorgen, und wenn sie ein Mahl die Taufe genommen hatten, so wurden sie gewöhnlich an preußische Mädchen verheirathet, oder mußten ihre Weiber und Kinder, wenn es möglich war, aus Litthauen kommen lassen. Bey der Auswechselung der Gefangenen im J. 1369, die Schindekopf mit Keistuten zu Königsberg veranstaltete, fand es sich, daß die Ritter den Litthauern nicht ein Mahl so viele Gefangene zurückgeben konnten, als sie von den Litthauern empfingen. Der Ueberschuß mußte mit Gelde gelös’t werden. Hierdurch wurde die Volksmenge mitten im Kriege vermehrt, und man kann mit vieler Wahrscheinlichkeit behaupten, daß Preußen nach dem Tode des Hochmeisters, nach einem einunddreißigjährigen verheerenden Kriege, kaum etwas Merkliches an seiner Bevölkerung verloren hat. Der Hochmeister verstand es für seine Zeit recht gut, was die Menschen in einem Lande werth sind, und daß auf ihnen nur die eigentliche Stärke [89] des Staates beruht. Kurz vor seinem Tode ließ er sich eine Berechnung über die Anzahl derjenigen vorlegen, die im litthauischen Kriege gefallen waren und verglich sie mit der Zahl der neuen Kolonisten. Jene hat uns die Geschichte aufbehalten.

Beträchtlicher aber, als Bevölkerung, hat der Handel unter seiner Regierung gewonnen. Er schützte ihn aus Grundsatz, denn er wußte, daß mit dem Wachsthume des Handels auch die Größe des Ordens und die Einnahme wachsen mußte. Drei Städte gediehen unter ihm zu kleinen Republiken. Vorzüglich schön blühte der Handel von Danzig, das ohne Vergleich damals des Hochmeisters beste Stadt war. Sie war auch sein Liebling. Er schützte sie wo er konnte, und begünstigte sie auf alle Art. Wenn er nach Danzig kam, so war er gewöhnlich in der Gesellschaft der Kaufleute und besprach sich mit ihnen über ihre Geschäfte, und ließ sich von ihnen berathen über die Aufnahme des Handels. Danzig gehörte in den ersten Jahren von Kniprodens Regierung nach aller Wahrscheinlichkeit schon in den Hansebund. Dadurch kam diese Stadt in dem In- und Auslande in einen [90] vorzüglichen Ruf, und Winrich suchte diesen Ruf nach Kräften zu vermehren. Er gestattete ihr die Erneuerung ihrer alten Handfeste von Ludolf König auf Bitte des Magistrats und der Bürgerschaft, und erklärte dabei, daß ihn rechtmäßige Ursachen dazu bewogen hätten. Er setzte die Stadt dabei auf Culmsches Recht und Culmsche Gerichtshaltung, und bestimmte ihre Rechte und Freiheiten und ihre Verhältnisse gegen den Orden. Einige Schriftsteller wollen ihn beschuldigen, daß er den Rechten Danzigs durch die Anlegung der Jungen Stadt habe Schaden zufügen wollen. Dieses ist aber, nach seinen andern Begünstigungen der Stadt, nicht wahrscheinlich. Ihre Rechte wurden vielmehr ganz genau bestimmt. Sie bekam das Dorf Zichanke und andere Grundstücke zum Eigenthume, und Plätze zur Erbauung eines Rathhauses, Marktes und einiger Kirchen. Die unversöhnliche Feindschaft der Danziger gegen diese Stadt ist aus ganz andern, aber bis jetzt noch unentwickelten Ursachen entstanden, wahrscheinlich aus Neid und Mißgunst der verschiedenen Städtebewohner gegeneinander und aus Privatabsichten [91] der nachherigen Ordensgebietiger.[36] Kniprode ertheilte auch der Stadt Danzig zum Andenken an den angelegten Ueberfall Keistuts, das Freiheitsrecht während des Dominikmarktes, daß den Fremden mit Fremden nur 3 Tage lang zu handeln, nachher aber nicht anders, als mit Bürgern der Stadt Commerz zu treiben frei stehen sollte. Er beschränkte dadurch selbst die Macht der Hochmeister, die sonst immer den Fremden auf eine bestimmte Zeit die Jahrmarktsfreiheit ertheilen konnten.

Der Handel, welcher damals aus dem Ordensgebiete durch Danziger Spediteur getrieben wurde, bestand hauptsächlich in der Kornausfuhr, die aber unter dem Hochmeister von Wallenrode, dem zweiten Nachfolger unseres Helden, erst recht beträchtlich wurde. Kniprode hatte zu viele Ursachen, als daß er in dem schweren Litthauischen Kriege die Ausfuhr des Getreides nach Frankreich, England und den Niederlanden befördern sollte. Wenn seine Speicher und Magazine nicht hinlänglich beschüttet waren, so verkaufte er kein Ordensgetreide in fremde Länder. [92] Man kann schon einen Schluß auf Danzigs beträchtlichen Handel unter dieser Regierung machen, wenn man in den Chroniken liest, daß durch einen Sturmwind im Hafen auf ein Mahl sechzig Kauffarteischiffe zu Grunde gegangen sind. Nach einer andern Angabe starben an einer ansteckenden Krankheit, die in Preußen wütete, allein 13000 Menschen innerhalb der Stadtmauer, ohne daß man eine beträchtliche Abnahme der Bevölkerung spürte.

Kniprodens Ansehen bey den Kaufleuten ging so weit, daß ihn die Städte zum Haupt wählen wollten des hansischen Bundes. Er schlug aber dieses ehrenvolle Anerbieten aus, woran die Beschäftigungen im Litthauischen Kriege wohl hauptsächlich Schuld gewesen seyn mögen. Seine Verbindungen würden dadurch vertausendfacht worden seyn. Er unterließ aber dagegen nichts, was dem Bunde von Nutzen seyn konnte. 1374 ersuchte ihn der Bund[37], sich durch Gesandte für ihn bei dem Könige von England, wegen Abschaffung des Zolles, zu verwenden, der den hansischen Verbündeten in England [93] abgedrungen wurde. Kniprode that alles Mögliche für den Bund, erhielt aber kein Gehör, denn der Zoll, als ein Regal der Krone, war dem Könige viel zu werth, als daß er ihn dem Vortheil des Handels in seinem Lande hätte hingeben sollen. Kniprode hatte aber ein Mahl die Unterhandlung angeknüpft, die unter den folgenden Regierungen eifrig fortgesetzt, aber erst 1437 unter dem Hochmeister Paul Bellizer von Rußdorf glücklich beendigt wurde. Glücklicher war er für seine Städte und für den Handel in den nordischen Gewässern, in der Befehdung der Seekönige, die besonders auf Gothland den Kauffarteischiffen sehr beschwerlich waren. Kniprode ließ seinen Admiral Bonström gegen sie kreuzen; der Hansebund mußte ihm 3 Schiffe zu Hilfe schicken. Diese brachten auch wirklich zwei Räuberschiffe in den Danziger Hafen auf. Die Anführer wurden gehenkt und dann auf der Rhede aufs Rad geflochten. Die Matrosen nahm der Hochmeister unter seine Seesoldaten auf. Bei dem Löschen ihrer Schiffe fanden sich neunzigtausend Mark an baarem Geldvorrathe, der größtentheils von gekapertem Getreide in England gelös’t worden war. Kniprode bestimmte [94] diese Summe für die Bemannung der Schiffe, die beständig als Kreuzer gegen die Räuber unterhalten werden sollten. Diese Räuber wurden gewöhnlich Vitalianer genannt, und fanden während der nordischen Unruhen reichliche Beute auf der Nord- und Ostsee. Hamburg, Lübeck, die preußischen, pommerschen und liefländischen Städte, litten hauptsächlich durch sie. Erst in der Folge wurden sie durch die sogenannten Friedensschiffe gestürzt.

Der Handel in Preußen ward von Kniproden auch noch besonders dadurch befördert, daß er neues Geld in Umlauf zu setzen suchte. Dieses Werkzeug der Handelschaft war bisher nur in den Händen der Städte gewesen. Der Landmann handelte meist nur durch Tausch. Juden gab es nicht im Lande und keine Lombarden. In den langen Kriegen gab der Landmann als Kriegssteuer kein baares Geld, denn das hatte er nicht, sondern nur zu Zeiten einige Naturalien. Kniprode ließ zuerst die Skoter prägen, eine Münze, die den vier und zwanzigsten Theil einer damaligen preußischen Mark hielt. Sie sind bei Hartknoch p. 280 in Kupfer gestochen. Grunovius sagt in seinem Buche Folgendes [95] davon: „Man fand Bergwerke im Hokerlande, wiewohl mit mächtiger Unkost. Es ward gebaut, und man kaufte eine Mark Silbers um 11 Vierdung preußischer Münz vom Hochmeister geschlagen. Die Mark hat 16 Loth oder 20 Skot. Gewicht. Ein Zentner Kupfer 7 Vierdung. Ein Zentner Eisen 11/2 Mark. Seine Münze war 5 Mark Münze von einer Mark löthig, das Drittheil war Kupfer.“ Das Gepräge dieser Münze besteht auf der einen Seite in einem einfachen Kreuze auf einem Schilde, mit der Umschrift: moneta duorum Pruci, und auf der andern in dem Ordenskreuze mit einem einfachen Adler, mit der Umschrift: Magst. Wunrics. Prims. Eine solche Münze hatte den Werth von 6 heutigen preußischen gemeinen Groschen. Einige preußische Städte schlugen unter ihm auch dergleichen Münze. Sonst sagt noch Grunovius von Kniprodens Münzen Folgendes: „Er schlug Skoter, 24 für eine Mark, das Stück für 15 Pfennige. Er schlug auch Schillinge, 60 für eine Mark, das Stück für 60 Pfennige, und diese war sehr gut, wie man sie noch heut im Lande findet. Da gingen auch pommersche Vierchen, dieser waren zwey für einen [96] preußischen Pfennig.“ Damals gab es in Preußen noch keine goldenen Münzen. Erst unter Kniprodens Nachfolger, Konrad Zöllner, wurden die ersten geprägt.

Für die Aufnahme des Kriegswesens sorgte Kniprode dadurch, daß er in den Städten das sogenannte Vogelschießen, und auf dem Lande das Zielwerfen einführte. Diese Uebungen waren schon lange vorher in Teutschland üblich gewesen, und wurden wahrscheinlich von da nach Preußen verpflanzt. Ein Vogel von Holz wurde, gewöhnlich am Pfingstfeste, auf einer Stange errichtet, und die Bürger versammelten sich, um ihn mit Armbrusten herab zu schießen. Der beste Schütze dabei ward König genannt, und genoß als solcher gewisse Freiheiten und Rechte vor den andern. Das Scheibenschießen hielt man meist an jeden Sonntagen. Dann wurde ein großer weisser Stein mit einem schwarz gemalten Herze in der Mitte aufgestellt. Der König bei dieser Uebung bekam gewöhnlich eine Tonne Biers zur Belohnung, und die übrigen, so ihm am nächsten waren, gewannen verhältnißmäßig. Kniprode pflegte bei dergleichen Feierlichkeiten immer persönlich gegenwärtig zu seyn und die [97] Bürger aufzumuntern und selbst mit zu schießen. So gewann er gleich nach seiner Wahl den Preis zu Marienburg. So mußten sich die Stadtbürger noch an besonders dazu bestimmten Tagen des Jahrs in den Waffen üben, und unter der Anführung ihrer eigenen Hauptleute, auch wohl der Komturen, Ritterspiele anstellen und unter sich kämpfen. Diese Uebungen hatten einen großen Vorzug vor den damals üblichen Turnieren, zu denen nur Ritter aus altem Stamme zugelassen wurden und sich übten. Hier mußte jeder erscheinen, der verpflichtet war, in den Krieg zu ziehen, sowohl Edler als Bürgerlicher.

Kniprode machte auch die Verordnung, daß 12 Ritter und 6 Ordenspriester einen Convent bilden sollten unter einem Komtur. Waissel nennt 30 solche Convente, aber nach Grunovius gab es unter ihm 321/2.

So wie durch die neuen Ankömmlinge im Lande andere Verhältnisse entstanden, so suchte der Hochmeister durch die Anlegung neuer Städte den Landmann mehr mit dem Handel zu verbinden und ihn gesitteter zu machen. Er legte den Grund zu Allenstein, Mühlhausen, Insterburg, Barten und Rein. Um sie [98] zu bevölkern wurden die wohlhabendsten Bauern von dem Lande herein gerufen, und jeder Stadt besondere Privilegien ertheilt, die sie nur allein ausüben durften. Diese Privilegien waren aber nur auf eine bestimmte Zeit beschränkt, nach deren Verlauf sie wieder aufhören sollten. So hatte Mühlhansen gleich anfangs das Recht, alles Vieh, das durch ihr Gebiet in andere Städte zum Verkauf getrieben wurde, vorzukaufen. Ja die Verkäufer mußten es erst in der Stadt feil bieten, ehe es an Ausbürger verkauft werden durfte. Alle waren fünf Jahre nacheinander von allen Abgaben frey, und wurden erst darauf mit sehr gelinden Steuern belegt. Wenn die Bürger Geld brauchten, so schoß es ihnen der Hochmeister aus der Ordenskasse vor, und nahm dafür kleine Interessen, was auch alberne Religionsgebräuche und Pfaffen dazu sagen mochten, denn bey ihm war Sieg der Vernunft. Alle diese Städte waren dagegen verpflichtet, in ihren Mauern einen Speicher zu unterhalten, der auf alle Fälle mit Getreide für die Armen gefüllt seyn mußte, und wofür ihnen der Hochmeister eine geringe Taxe bezahlte. Diese Speisen wurden jährlich mehrmal von den Unterbedienten [99] visitirt, und wenn sie nicht nach der Vorschrift gefüllt waren, so folgten große Strafen.

Es mußte dem Hochmeister nahe gehen, diese Städte gleich in ihrer ersten Entstehung von dem Feinde heimgesucht zu sehen. Er suchte ihnen nach einem solchen unglücklichen Vorfalle immer wieder aufzuhelfen, wo er konnte. Aber die immerwährenden feindlichen Unruhen waren Ursache, daß kein Landbewohner gern in diese Städte zog, wo er oft manche Woche eingeschlossen, und seine Arbeiten zu vernachlässigen gezwungen war. Dadurch wurde der Hochmeister veranlaßt, noch besondere Belohnungen für diejenigen auszusetzen, die in den neuen Städten Häuser bauen würden. Bisweilen geschah es auch, daß dadurch Fremde, besonders Kreuzfahrer aus Teutschland, angelockt wurden, sich hier anzubauen. Sie stunden hier viel besser, als in ihrem Vaterlande, wo sie von grausamen Lehnsherren auf alle nur mögliche Art gequält wurden. Die Bauern hatten zwar auch Hofdienste zu verrichten, aber die Ritter waren hier viel menschlicher, als an der Elbe und am Rhein, und die Städtebewohner waren ganz frey davon. Was der Komtur sich im Kriege leisten ließ, waren [100] außerordentliche Fälle, und daraus durfte keine Regel gemacht werden.

Die neuen Städte wurden gleich Anfangs mit Mauern, Gräben und hohen Thürmen gegen feindliche Anfälle gesichert. Jeder Bürger hatte bey einem Ueberfalle oder bey einer Belagerung seine besonders angewiesene Stelle, wo er mit den Waffen in der Hand, hauptsächlich mit der Armbrust, an der Schießscharte stehen, und den Feind empfangen oder ihm auflauern mußte. Jeder benannte eine solche mit seinem Namen; daher das Heinrichs-Loch, die Michelsscharte, der Hans-Platz u. s. w. Der jedesmalige Vogelskönig führte dann an, wenn kein Komtur oder kein Ritter zu diesem Geschäfte da war. Nach teutscher Art wurden die Bürger von dem Militärdienste außer der Stadt frei gegeben, und ihnen noch andere Begünstigungen ertheilt, die ihnen aber zum Theil von den nachherigen Ordensgebietigern wieder genommen wurden.

Doch zeigte es sich auch schon unter Kniprodens Regierung, daß die Brüder des Ordens selbst bürgerliche Nahrung zu treiben anfingen, und dadurch den Städten großen Abbruch thaten. [101] Diese recurirten aber an den Hochmeister, der dagegen strenge Befehle erließ, die aber unter seinen Nachfolgern theils aufgehoben, theils nicht befolgt wurden.

Die Einnahme des Ordens in dem Lande betrug jährlich ungefähr anderthalb Million ungerscher Gulden, ohne dasjenige, was Bernstein, Fischerei und Bußen abwarfen. Der Bernstein wurde als Regal für die Ordenskammer benutzt, und auch bisweilen, doch nur auf sehr kurze Zeit, verpachtet. Doch weiß man nicht bestimmt, wieviel er eingetragen hat.

Ein Beweis, daß der Luxus unter dieser Regierung in Preußen sehr überhand zu nehmen anfing, ist die Kleiderordnung, die der Hochmeister publiciren ließ, und bei schwerer Strafe zu halten gebot. Es war darinn besonders verordnet, daß die Städtebewohner in ehrbarer Kleidung bey ihren Versammlungen und in der Kirche erscheinen sollten, und keine teuflische Heuken tragen sollten. Das Frauenzimmer wurde ermahnt, den Kopf nicht mit überflüssigem Golde zu putzen, welches eine Anlockung des Teufels ist und sinnlicher Gelüste.

Wenn man gleich annehmen kann, daß der [102] Hochmeister mit königlicher Macht in seinem Lande bekleidet war, so war er doch keineswegs unumschränkter Monarch. Der teutsche Kaiser, der in damaligen Zeiten als Herr der Welt betrachtet wurde, übte hier seine Macht so gut aus, als in manchen andern Ländern Europas. Bey Goldast[38] kommt eine Urkunde vor, wo der große Kayser, Friedrich II, all das Land ein Stück seiner Staaten nennt, das Konrad von Massovien den Rittern geschenkt hatte, und auch dasjenige, was sie in der Folge erobern würden. Der Hochmeister Hermann von Salza, suchte eine eigene Bestätigung bey dem Kaiser für die Eroberungen des Ordens, die ihm auch in eben dieser Urkunde ertheilt wird. Bey Schütz finden sich noch mehrere Beyspiele von der Ausübung der kaiserlichen Macht gegen Preußen und den Orden. Im Jahr 1335[39] entstand [103] unter dem Hochmeister, Dieterich von Altenburg, ein Streit über die Grenzen des Landes. Kaiser Ludwig befahl dem Hochmeister bey schwerer Strafe, auch nicht das geringste von dem Lande, das er von dem römischen Reiche zu Lehen trüge, zu veräussern, und ohne Vorwissen des Kaysers keinen Richter in dieser Sache zu erkennen. Wenn es darauf ankam, eine Sache gegen den Willen des Volkes durchzusetzen, so nahm sich der Orden gewöhnlich das kaiserliche Ansehen zur Aegide, bekümmerte sich aber in andern Dingen wenig um den Kayser, der zu weit entfernt war, als daß er ihm in damaliger Zeit großen Schaden hätte zufügen können. Doch zeigten sich die Kayser aus Privatabsichten willfährig gegen den Orden. 1213 gab Kayser Otto IV. dem Orden ein Schutzprivilegium. 1214 erklärte Friedrich II. in einer Urkunde, daß der Hochmeister als ein Glied seines Hofes betrachtet werden, und wenn er bey dem Hoflager erschien, mit 6 Rittern stattlich bewirthet werden sollte. In eben diesem Jahre gab er dem Orden die Vollmacht, seine Besitzungen auch durch Reichslehen zu vermehren. 1221 nahm eben dieser Kayser den Orden [104] in seine besondere Protection und gab ihn von allen Exactionen frey. 1222 erklärte er, daß kein Ordensritter wegen Schulden, die er vor dem Eintritte in den Orden gemacht hatte, belangt werden könnte. 1223 bestätigte er von neuem das Recht des Ordens, Reichslehen zu acquiriren. In eben diesem Jahre schenkte er dem Orden alle Einkünfte der erledigten Kirchenämter, die der Kaiser zu vergeben hatte, auf ein ganzes Jahr. Sein Sohn Heinrich gab dem Orden 1227 das Recht, vermöge dessen ihm alle Privilegien oder sonstige Sachen von der kaiserlichen Kammer-Kanzelley umsonst ausgefertigt werden sollten. Kaiser Rudolf nahm 1273 den Orden auch in seinen besondern Schutz.

Selbst von den kaiserlichen Freigerichten oder der sogenannten westfälischen Fehme, finden wir in vorigen Zeiten, besonders aber unter dieser Regierung, Beyspiele. Vinzenz vermuthet nicht ohne Grund, daß mehrere Komture Mitglieder dieses fürchterlichen Tribunals gewesen seyen, und Einige haben sogar selbst den Hochmeister in Verdacht. Dieß ist so unwahrscheinlich nicht, wenn man bedenkt, daß damals die größten Fürsten in dieser Verbindung standen, und selbst die [105] guten und vortrefflichen sich dadurch gegen allerley Verfolgungen zu decken suchten. Vinzenz erzählt ein paar schaudernde Beyspiele von dem Unwesen, den die Mitglieder dieses Ordens in Preußen trieben. Zwey Ordensritter, Meinhard von Aberhand und Hans von Harf wurden eines Morgens an einer Eiche vor Marienburg aufgehenkt gefunden mit den Zeichen der Fehme, und kein Mensch getraute sich zu behaupten, daß die Ritter unschuldig gewesen wären, obgleich sie jedermann vorher als rechtschaffene unbescholtene Männer gekannt hatte. Man klagte es dem Hochmeister, und bat ihn, bewaffnete Mannschaft gegen die Mörder auszuschicken. Dieser lehnte es aber ab, und als er um die Ursache befragt wurde, und einige Ritter vorlaut wurden, erklärte er mit fürchterlichem Ernste, daß man über Dinge sein Urtheil zurück halten sollte, die man nicht verstünde. Ob die Fehme in Preußen auch besondere Stühle gehabt habe, erhellt aus den dunkeln Nachrichten nicht, die wir darüber bey den Chronikenschreibern haben, denn keiner spricht davon, als Vinzenz und Dusburg, wozu Hartknoch eine unbedeutende Note gemacht hat. Vielleicht läßt sich auch das [106] damals in Teutschland übliche Sprüchwort: wenn du klug bist, so hintergehe die Brüder in Preußen, aus den Verbindungen der Brüder mit der heiligen Fehme erklären. Dieß ist wenigstens wahrscheinlicher, als es aus den weisen Anstalten des Hochmeisters Kniprode und einiger Komture ganz allein herzuleiten. Eben dieses Sprüchwort galt zu der nämlichen Zeit in verschiedenen Gegenden von Teutschland von der Fehme, besonders in Westfalen, Niedersachsen und im Köllnischen, wie die Chronikenschreiber bezeugen.

Es ist zu bewundern, mit welchem Muthe sich Kniprode den Anmaßungen des Papstes zu einer Zeit widersetzt hat, da sich dieser mit Schrecknissen die Gemüther des Volks unterwarf, den Verstand der Menschen durch den Bann gefangen hielt, und in der finstern Nacht die Augen durch Blitze verblendete. Die päbstlichen Legaten, die damals ausser ihrem Gebiete allerley Unfug trieben, kamen auch nach Preußen, um die geistlichen Güter mit dem sogenannten Peterpfennige zu brandschatzen. Die Geistlichkeit hatte schon nachgegeben, aber Kniprode widersetzte sich aus allen Kräften, und erließ [107] einen geschärften Befehl durch das Land, daß sich Niemand unterstehen sollte, dem Legaten eine Abgabe zu entrichten. Dieser Befehl ward von der Geistlichkeit, der ohnehin diese Brandschatzung beschwerlich war, genau befolgt. Der erzürnte Legat belegte darauf das ganze Land mit einem Interdicte, das aber ganz und gar seine Wirkung verfehlte. Wer da weiß, was für fürchterliche Folgen ein solches Interdict nach sich zog[40], muß sich wundern, daß ihm Niemand gehorchte, als die Bischöfe von Culm und Ermeland. Darüber klagte der Legat bey dem Pabste, der den Bann bestätigte, und ihn noch besonders auf den Hochmeister ausdehnte. Aber auch dieß hatte keine Folgen, und Kniprode blieb unverändert standhaft. Da wandten sich die Priester an Kayser Karl IV. Aber dieser unterlag dem Golde des Ordens, und that weiter nichts, als daß er auf die Bitte des Bischofs von Ermeland Gesandte nach Marienburg schickte, und zwischen ihm und dem Hochmeister [108] einen Vergleich zu vermitteln suchte. Aber diese hatten den gemessensten Befehl, die Sache nach dem Wunsche des Hochmeisters zu entscheiden. Der Bischof war damals in Avignon, und kam auch nicht wieder zurück, um diesen verhaßten Vergleich nicht unterzeichnen zu müssen. Sein Nachfolger, Heinrich von Sorenbaum, trat aber wieder mit dem Orden in Freundschaft. Desto hartnäckiger war der Bischof Wigbold von Culm. Daher ließ ihn der Hochmeister durch den Ritter Hans Kindschen[41] in Kulmsee gefangen nehmen. Er erhielt seine Freiheit nur unter der Bedingung wieder, daß er entweder 4000 Mark bezahlen, oder für die Befreyung von dem Banne sorgen sollte. Er entwischte aber, und starb zu Kölln am Rhein, ohne sein Versprechen zu erfüllen.

Der Muth, den Kniprode während dieses ganzen Handels bewieß, läßt sich eines Theils aus seinen hohen Einsichten und seltenen Regierungstalenten, hauptsächlich aber aus einigen Rechten herleiten, welche die Päbste schon vorher dem Orden ertheilt hatten. Honorius III. [109] hatte schon im Jahre 1220 ein Breve erlassen, und geboten, daß die Bischöfe und Prälaten den Orden nicht belästigen sollten. In dem nämlichen Jahre erschien ein anderes päbstliches Breve, ungefähr des nämlichen Inhalts. Die Hauptstütze von Kniprodens Widersetzlichkeit aber war das Breve Alexanders IV. vom J. 1258, worin ausdrücklich gesagt wird, daß die päbstlichen Nuntien den Orden nicht mit unmäßigen Lasten drücken sollten.[42]

[111]
IV.
Tod des Hochmeisters.

Am 23. Junius rührte den Hochmeister der Schlag, da er eben mit dem obersten Spittler über einer Anstalt zur Verpflegung der Wittwen und Waisen beschäftigt war. Tags darauf starb er mit voller Geistesgegenwart und innerer Ruhe. Ganz Marienburg folgte dem Zuge, da ihn der Priester segnete, und weinte um ihn. Nach seinem letzten Willen sollten die Armen im Lande sein baares Vermögen, und seines Bruders Tochter, die an einen von Todtenburg in Teutschland verheirathet war, seine Kleinodien erben. An seinem Todestage ließ er die Ordensgebietiger um sein Lager versammeln, und mahnte sie zum ehrenvollen Frieden mit den Litthauern. Sein Leichnam ward zu Marienburg beigesetzt.

[112] So starb Kniprode, wie er gelebt und wie er regiert hatte, mitten im großen Berufe, sein Volk zu beglücken. Einunddreißig Jahre hatte er regiert, am längsten unter allen Hochmeistern, und am glorreichsten. Seit der Stiftung des Ordens hat sich wohl nie die Regententugend mannichfaltiger geäussert, noch die Geistesstärke unter den schwersten Lasten glorwürdiger ermannt. Er war zu groß für den Orden, und starb ohne Nachfolger, wie Karl der Große.


  1. Ter sonuit super sepulcra Marienburgensia vox: Winrice, Winrice, ordo facillat, ter resonavit. Vincent. Chron. pag. 6.
  2. Deposuit avem tets ex arcu misso et persodit quater arte mirifica cor in lapide albo pictum. L. c. p. 8.
  3. Spittler’s Entwurf der europäischen Staatengeschichte II. 437. (Google)
  4. Baczko’s Geschichte Preußens. I. 36. (Google)
  5. In archiepiscopatu patrino, heißt es in Vincent. Chron. Allso wahrscheinlich im Erzbisthum Trier, wo es nach Hontheim hist. trev. diplom. ehemahls eine Familie Ochtendung gab, die in dem Dorfe gleichen Namens auf dem Mayenfelde unweit Koblenz eine Burg hatte.
  6. Baczko selbst sucht die Grausamkeit der Hochmeister hierdurch zu entschuldigen. Meines Erachtens war es aber bloße Regentenschwachheit, die zeigte, daß sie nicht Kniprode waren.
  7. Statura parva, frons altus, nasus valde gibbosus, oculus igniferus, os gracile, manus fortis. Vincent. p. 102.
  8. Schütz, p. 164.
  9. Schütz, p. 165.
  10. Zwei davon sind durch seine Chronik auf die Nachwelt gekommen. Sie sind so recht im Bernhardschen Tone abgefaßt. S. 30. 36.
  11. More antiquo nasis et auribus privari jussit, et remisit his verbis: licere domino, legatos similes cruci affigere. Vinc. Chron. pag. 68.
  12. Müller’s Geschichte der Schweizer. Th. I.
  13. Schütz, p. 166.
  14. Schütz nennt Tannenfelden. S. 166.
  15. Schütz gibt die Anzahl nur auf 120 an. f.
  16. In Chron. cit. p. 97.
  17. Die Hochmeister-Chronik in der Handschrift. S. 103.
  18. Dominica Judica. Schutz. S. 167.
  19. Petrus de Dusburg apud Hartknoch, p. 425.
  20. Ibid.
  21. D. Gralath’s Versuch einer Geschichte Danzigs. Königsb. 1789. I. 83. f. Schütz, p. 169.
  22. Incredibili celeritate pedibus ferreatis super glaciem cucurerunt. Vinc. Chron. p. 87.
  23. Schütz nennt Baldenheim.
  24. Schütz sagt, er habe noch zwei Mahl so viel gehabt.
  25. Dieß scheint dahin zu zielen, als ob Keistut zwei Mahl’ gefangen gewesen sey, wovon auch die hartknochschen Sammlungen sprechen. S. 424.
  26. Man ist nicht einig, ob die ganze Besatzung niedergemacht worden sey. Vergl. Schütz, teutsche Ausg. Bl. 74–78.
  27. Welche Militz im höchsten Alterthum auf den asiatischen Gefilden entsprungen und in Europa auf beiden Seiten des Berges Kravak vortreflich ist, weil sie unversehens zugleich aller Orten ist, in Flucht fliegt, und im Fliehen siegt, unaufhaltbar durch Ströme, durch Mangel unbezwingbar, unüberwindlich, wenn sie nicht still steht. Müller a. a. O. I. 352.
  28. Vincent. Chron. p. 129.
  29. Brachio dextro in parte superiore vulneratum reduximus, timentes invenire cum inter gladios hostiles lethum infelicem. Vincent. Chron. p. 193.
  30. Sed proh Marschalcus tunc corruit ut leo vivus. Düsburg. p. 426.
  31. Caesi sumus et profligati, magister gubernator. Scribo tibi inter lacrymas ex castris hostilibus, in quibus captus deteneor. Socii strenui decumbunt in campo, partim sunt capti mecum. Non ita deploro mortem eorum, quam fatum heu infelix, quo in die illo horribili cum ceteris non mactatus sum. Vincent. Chron. p. 145.
  32. – – – velutque leonis;
    Luctantem in pugna si vulnerat ense viator.
         Vincent. Chron. p. 66.
  33. Sie sind eine Art von Brief, und an einen gewissen Canonikus Fliedenteufel in Mainz gerichtet, der diese Nachrichten verlangt zu haben scheint, wie aus dem Eingange erhellt. Ich bin nicht ohne Ursache so weitläufig bei dem Auszuge gewesen, ein Mahl, weil die Geschichte des teutschen Weinbaues im Mittelalter überhaupt noch in tiefem Dunkel liegt, und dann, weil ich mit vieler Wahrscheinlichkeit glaubte, daß diese Nachrichten in ihrer ersten Neuheit dem Leser äußerst interessant seyn müssen.
  34. Der Herr Abbee Stradtmann hatte die Gütigkeit, mich aufmerksam darauf zu machen.
  35. Montesquieu esprit de loix. Livr. II. chap. 6. p. 280.
  36. Vergl. Gralath a. a. O. S. 90.
  37. Willebrandt’s hansische Chronik. S. 189. (MDZ München)
  38. Reichshandlungen p. 168. u. s. f.
  39. Alle hier und in der Folge angeführten Urkunden stehen bey Duellius in historia Ordinis teutonici, im Anhange. Vergl. auch Mathaei analecta medii aevi. tom. V. p. 62. Lünig. specil. eccles. P. I. cont. I. p. 60. Pfeffinger in Vitriario illustrato. I. 1213. II. 923. 929.
  40. Am besten und kürzesten beschreibt die Folgen Spittler in seiner Kirchengeschichte.
  41. Dusburg, edit. Hartknoch. p. 428.
  42. Affectu benevolentiae specialis illa de causa nos prosequi delectamur, qui vigilanter ac ferventer ad hoc intenditis, quod in conspectu Dei et hominum per honestae conversationis ac piae vitae studium placeatis: Sane vos in exhibendis procurationibus legatis et nuntiis apostolicae sedis, prout accepimus, ex eo gravamini, quod ipsi non contenti procurationibus, quas eisdem parati estis in victualibus ac aliis necessariis exhibere, vobis et ecclesiis et domibus vestris occasione praecurationum hujusmodi, frequenter non modicam pecuniae summam exigunt et extorquent. Cum autem propter hoc vestrum pium guandoque impediatur propositum, et terrae sanctae negotio derogetur: nos vestris supplicationibus inclinati, ut praedictis legatis et nuntiis exceptio tamen fratribus nostris R. E. Cardinalibus, ad solvendas procurationes pecuniarias hujus modi, cogi aliquatenus non possitis, vobis auc torisate praesentium indulgemus, dummmodo praedictos legatos et nuntios in victualibus et aliis necessariis praecuretis, sententias vero, si quae in vos vel aliquem de ordine vestro contra indultum hujusmodi de cetero fuerint promulgatae, iritas ex nunc esse decrevimus et inanes: nulli ergo omnino hominum liceat, hanc paginam nostrae concessionis et constitutionis infringere, vel ei ausu temerario contraire etc.