Natur und Menschenleben
von Hermann Adam von Kamp
Adelaide, das Mädchen vom Alpengebirge
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[5]
1.
Die Waldröschen.




Der Köhler Baumann.

In jener Gegend unsers Vaterlandes, wo der Odenwald, ein hohes Gebirge, sich hinzieht, giebt es viel Waldung. Man trifft in diesen Wäldern hin und wieder Stellen, wo aus den alten Fichten und Buchen Kohlen gebrannt werden. Die Menschen, welche sich mit dieser Arbeit beschäftigen, werden Köhler genannt. In den einsamen Gegenden der Wälder haben diese Köhler ihre einfachen Wohnungen, wo sie zufrieden und glücklich leben. Abgeschieden von der großen Welt kennen sie die Bedürfnisse derselben nicht, und in ihrer Armuth fühlen sie sich glücklich, und schätzen sich reich genug, wenn sie nur gesund zur Arbeit gehen können.

Baumann, ein Köhler, hatte seine Hütte unter einem Felsenhange des Odenwaldes erbaut und [6] sich aus der Nachbarschaft eine fromme Jungfrau zur Gattin hinein geholt. Lange hatten sich die beiden gekannt und geliebt, und sie lebten nun in ungetrübter Zufriedenheit zusammen. Heiter ging Baumann des Morgens zu dem Holzstoße, wo er just zu arbeiten hatte, und eben so heiter kehrte er am Abende zu seiner Hütte zurück. Da kam ihm dann seine Frau eine Strecke entgegen, reichte ihm die Hand und führte ihn mit Lächeln in die trauliche Hütte. War das Abendbrod verzehrt, dann setzten sie sich zusammen auf den hervorragenden Felsen vor der Hütte, horchten auf den Abendgesang der Vögel, schauten in die Abendröthe und sprachen mit Entzücken von ihrer Jugend, von ihren Freuden und Mühen. Oder sie gingen auf einen Berggipfel, wo sie eine weite Aussicht in die Ferne über viele Städte, Dörfer und Fluren hatten. Da war es ihnen, als ob sie in eine fremde Welt schaueten, die ihnen zwar freundlich zuwinkte, wohin sie aber doch keine Sehnsucht fühlten. Ueber das benachbarte Dorf waren sie noch nie hinaus gewesen, und weiter wünschten sie auch nie zu gehen.

Zweimal hatte der Wald seine Blätter erneuert, seitdem sie als Mann und Weib zusammen in der Hütte gelebt hatten, da segnete der liebe Gott sie mit zwei Kindern zugleich, einem Knaben und einem [7] Mädchen. Das war eine glückliche Stunde in der einsamen Hütte. Der Köhler schaute seine Frau und die Säuglinge, die an ihrer Seite lagen, mit einem unbeschreiblichen Gefühle an, faltete seine Hände, blickte empor, und sprach: Gott, dir sey Dank! Ach, sagte die Frau, möchten sie nur zu Gottes Ehre groß werdenn! – Wir wollen das Unsere thun, liebe Frau, erwiederte Baumann, das Uebrige wird der liebe Vater droben besorgen.

Schnell nahete das Pfingstfest heran, und da die Mutter wieder hergestellt war, so wünschten sie, daß die Zwillinge am Feste die Heilige Taufe empfangen möchten. Der Köhler ging deshalb am Vorabend des Festes zum Pfarrer des nächsten Dorfes, wohin er zur Kirche gehörte, um sich mit demselben darüber zu besprechen, und als derselbe ihn auf den zweiten Pfingstmorgen beschieden hatte, ging er, die Pathen aus seiner und seiner Frau Verwandtschaft einzuladen. Nun sahen die Eltern froh und fromm dem wichtigen Morgen entgegen. Er erschien mit seinem im Walde so einzigen Glanze. Alle Bäume waren vom Thaue wie mit Diamanten überstreut, in welchem die Sonnenstrahlen glänzten. Die Waldbewohner stimmten ihr Morgenlied entzückend schön an und aus der Ferne erscholl rings [8] umher das Geläute der Glocken zur Frühfeier des Festes, durch das Echo der Felsen und Schluchten vermehrt.

Dem Köhler und seiner Frau war nie ein Festmorgen so herrlich erschienen. Sie drückten sich schweigend die Hand, schauten auf ihre Säuglinge, und lächelten sich an.

Die Pathen erschienen mit der guten Frau, welche die Kinder ins Leben und zur Taufe bringt. Die Püppchen wurden reinlich angekleidet, und in Windeln gehüllt, und nun wurde aufgebrochen. Gott gehe mit euch, sagte die Mutter, als sie die Kindlein noch einmal geküßt hatte. Sie verließen die Hütte.

Baumann wiederholte das Wort der Mutter vor der Hütte, und folgte sinnend nach. Er blickte nach einigen Schritten noch einmal sich um, und sah seine Frau an dem Baume stehen, unter welchem sie oft verweilt, und wo sie am Tage ihrer Verehelichung einen wilden Rosenstrauch gepflanzt hatten. Derselbe stand eben in Blüthe. Mit schnellen Schritten kehrte Baumann zurück, trat zu seiner Frau und sprach: Ich will von dem Strauche unserer Liebe einen Schmuck für unsere Kleinen mitnehmen. Die Mutter pflückte schnell zwei halbgeöffnete Waldröschen ab, und gab sie ihm. Nun eilte er den [9] Vorangegangenen nach, und als er sie eingeholt hatte, heftete er jedem seiner Kinder ein wildes Röschen auf die Brust.

Bald waren sie im Dorfe angekommen, und als die Glocken geläutet wurden, gingen sie in feierlichem Zuge in die alte graue Kirche.

Der Pfarrer, ein ehrwürdiger Greis, hielt eine herrliche Rede über die Worte: »Deine Kinder werden dir geboren wie der Thau aus der Morgenröthe.« Er wendete dieses gar schön auf die 3000 Seelen an, welche am ersten Pfingsttage, den die Christenheit feierte, wo der heilige Geist ausgegossen wurde, sich zum Christenthum durch die Taufe einweihen ließen. Das waren die ersten Tropfen, sagte er, die in der Morgenröthe des Christentages geboren wurden. Die Tropfen sind ein Meer geworden! – O, seitdem sind viele, viele Millionen Kinder dir, dem Heilande, geboren.

Und als er nun die Rede geendigt hatte, stieg er von der Kanzel hernieder, trat vor den Altar, und hieß im Namen Jesu die Kindlein zu sich kommen. Da huben sich die Gevattern mit den Kindlein von ihren Sitzen, und traten vor den Altar. Der Vater stand neben ihnen. Eine Thräne rollte seiner braunen Wange herab. Nach einem kurzen kräftigen Gebet wurden die Kinder dem Pfarrer dargereicht. [10] Eine Weile blickte er mit Rührung auf die frischen Kinder, die, wie Rosen aus den Knospen, aus den Windeln hervorschauten. Sein Blick fiel dann auf die Rosen vor ihrer Brust. Seyd mir willkommen, Waldröschen, rief er nun aus, seyd mir willkommen! O es wird hier ein Thau über euch gegossen von der Höhe! Wachset und blühet in Einfalt in der Einsamkeit, wie diese Röschen, die genügsam im Walde auf dürrem Boden stehen, und die ebensowohl den Thau des Himmels erhalten, wie ihre Schwestern in den Lustgärten der Erde. – Er verrichtete darauf die heilige Taufhandlung und sprach dann den Segen über die Kinder und die Gemeine aus. Es waren wenige Augen, die dieses anschauten, die nicht feucht geworden waren.

Begleitet von Segenswünschen manches Bekannten, den Baumann auf dem Heimwege antraf, kam der kleine Zug bald wieder in die Hütte unter dem Felsenhang.

Gute Frau, sprach Baumann nach den ersten Begrüßungen, der Herr Pfarrer hat unsern Kindern schöne Namen gegeben. Ei, antwortete, diese, doch wohl die, welche wir wünschten, Ewald und Lyda?

Ja, erwiederte Baumann, auch diese; aber er nannte sie zuerst Waldröschen. Wie gefällt dir [11] das? – Sehr gut, sprach die Mutter, sie sind ja auch im Walde geboren, und blühen wie die Röslein. Es ist ein lieber Pfarrer. Wie viel Schönes und Frommes hat uns der gute Mann schon gesagt! Denk dir noch den Segen, den er uns sprach, als er uns die Hände zusammenlegte. Nie vergeß ich das Wort: Friede sey mit euch! und eure Seele und Leib bleibe rein und unbefleckt, bis auf den Tag der Zukunft unsers Herrn und Heilandes! – Wohl sprichst du wahr, liebe Frau, versetzte Baumann. Nie kommt man zum Pfarrer, oder er sagt fromme Sprüche. – Was hat er denn noch mehr gesagt? fragte die Frau weiter. Ich kann das alles nicht so behalten, erwiederte Baumann, aber er sagte auch noch, daß wir glücklich wären, daß wir im Walde wohnen. – Und das sind wir auch, sprach die Frau heiter, recht glücklich! Mögens unsere Kinder auch werden!

Bei einem einfachen Festmahle wurde nun in Freundschaft und Liebe gescherzt und erzählt, bis die Schatten der Bäume länger und matter wurden. Bevor sich jedoch die Taufgäste entfernten, machte Baumann den Vorschlag, ob sie nicht ein Liedchen singen wollten. Dieser Tag, sagte er, ist mir so festlich, wie mein Hochzeittag. Liebe Frau, laß uns doch das Liedchen singen, das wir zusammen [12] sangen, als wir den Rosenstrauch dort einsenkten. Und sie sangen:

Hier stehe verborgen,
Du lieblicher Strauch,
und sey ohne Sorgen,
Wir sind es ja auch!
     Zwar dürftig die Erde,
     Doch nährt sie uns reich.
     Genügsamkeit werde
     Dir Reichthum, uns gleich.

Ergrüne, wenn Maien
Besuchen den Wald,
Wenn Vöglein sich freuen,
Wenn’s Jägerhorn schallt.
     Und lächle uns Freude
     Im einsamen Raum,
     Im einfachen Kleide
     Hier unter dem Baum.

Schaun wir dich frisch grünen
und blühen so hold,
Nun wieder, und wieder –
So Gott es gewollt:
     Dann ruht wohl im Schooße
     Der Mutter, o Lust!
     Dein Bild, liebe Rose,
     und kos’t an der Brust.

[13] Nach einigen andern frohen und unschuldigen Gesängen wurde zusammen ein Abendlied angestimmt. Die Gäste nahmen Abschied. Stille war es wieder in der Hütte.




Ewald’s und Lyda’s Jugendjahre.

Die beiden Kinder wuchsen unter der treuen Pflege der Mutter und den Liebkosungen des Vaters schnell heran. Bald konnten sie den Namen Vater und Mutter aussprechen und mit schwankenden Schritten um die Eltern purtzeln. Mühe und Sorge waren sie ihren Eltern gar nicht. Kam der Abend, und der Vater kehrte von der Arbeit zurück, so hatte die Mutter viele Stückchen zu erzählen, was Ewald begonnen, und Lyda den Tag über gesprochen hatte. Mit großer Aufmerksamkeit hörte der Vater dieser Erzählung zu, blickte bald auf den Knaben, bald auf das Mädchen, lächelte, und lobte sie, oder drückte die Kleinen, die auf seinem Schooße saßen, an seine Brust.

Als der Knabe etwas herangewachsen war, konnte der Vater ihn den ganzen Tag nicht mehr entbehren. Er trug ihn am Morgen mit sich hinaus zu dem Platze, wo er arbeitete, und der kleine Ewald [14] lief munter, wie ein Reh, um ihn her, lauschte hier auf einen Vogel, dort auf einen Käfer oder auf ein anderes Insekt, und brachte, was er Merkwürdiges fand, seinem Vater, und fragte um Alles, was er sah und hörte mit großer Wißbegierde. Der Vater theilte ihn über das, was er zu wissen wünschte, immer das mit, was er selbst wußte, und so lernte Ewald viele Dinge kennen.

Lyda blieb lieber um die Mutter. Auch sie hatte von derselben bald alle Dinge, die sie um sich her erblickte und wahrnahm, kennen gelernt, und wußte Alles, was in der kleinen Haushaltung zu verrichten war. Dabei ahmte sie der Mutter, was sie nur konnte, nach, und hatte auf diese Weise stets Beschäftigung. Aber obgleich diese Kinder in der Wildnis aufwuchsen, blieben sie doch nicht ungeschickt in dem, was man sonst in den Schulen erlernt. Die Dorfschule, wohin sie gehörten, war zu weit entfernt. Darum nahmen sich die Eltern ihrer desto mehr an, und versuchten ihnen das, was sie selbst konnten, beizubringen. Die Mutter lehrte sie die Buchstaben kennen, und es dauerte nicht lange, da konnten sie schon etwas lesen. Am Abende, und vorzüglich des Sonntags, mußten sie dem Vater Rechenschaft von ihren Fortschritten ablegen, und sie erhielten von ihm einigen Unterricht im Schreiben. [15] Er verstand selbst nicht viel und schön zu schreiben; aber was er zu nennen wußte, und was er sprechen konnte, das konnte er auch schreiben. Das lehrte er auch die Kinder. Außer einem A B C-Buche, einem Kirchengesangbuche und einer Bibel hatten sie keine Bücher. Diese wurden desto fleißiger gelesen. Es war keine biblische Geschichte, die nur in etwa merkwürdig war, welche die Kinder nicht kannten, und von den Gesängen konnten sie die meisten ganz auswendig, und von den übrigen die schönsten Strophen. Der Vater und die Mutter stimmten am Abende gewöhnlich einige Verse an, und die Kinder ließen ihre hellen Stimmen frisch dazwischen tönen. O so lieblich tönte dieser Gesang aus der Hütte unter dem Felsenhang durch die Stille des Waldes! Friede des Himmels schwebte um die einsame Köhlerwohnung.

Fünfzehnmal hatte der Rosenstrauch geblüht, der unter der Linde vor Baumanns Hütte stand, als er zum sechzehnten Male wieder frisch grünte und Knospen trieb. Nun wird’s Zeit, sprach Baumann zu seiner Frau, daß wir unsere Kinder zum Pfarrer bringen, damit er sie in die Gemeine aufnehme. Ja wohl, antwortete seine Frau, wird’s Zeit. Bringe sie Sonntag nach der Kirche dem Herrn Pfarrer, daß er sie einmal prüfe, ob er sie [16] tüchtig dazu finde. Das that Baumann. Und als der Pfarrer sie nun fragte, was sie von Gott und dem lieben Heilande wüßten, da antworteten sie ihm so schön auf alle Fragen, daß sich der Pfarrer sehr darüber wunderte. Er fand, daß sie Gott und den Heiland kannten und liebten. Darum sprach er zu Baumann: Schickt eure Kinder noch einigemal hieher, dann will ich ihnen noch einiges sagen über ihren Taufbund und die heiligen Sakramente, und sie sonst noch auf die Ablegung ihres Bekenntnisses vorbereiten. Darüber war der Vater herzlich froh.

An den vom Pfarrer bestimmmten Tagen erschienen Ewald und Lyda mit den Jünglingen und Mädchen des Dorfes zum Unterricht in der heiligen Lehre.

Als das Pfingstfest herangekommen war, wurde der zweite Festtag zu der Ablegung des Glaubensbekenntnisses bestimmt. – Das war eine Stille in der Hütte des Köhlers am ersten Pfingsttage! Es wurde wenig gesprochen, um nicht durch Gespräche über gleichgültige Dinge die Gedanken von dem wichtigen Vorhaben abzulenken. Sahen sich die Eltern und die Kinder an, so lag in diesen Blicken etwas ungemein Feierliches und Rührendes.

Mit einer unbeschreiblichen Pracht war eben die Sonne aus dem Morgenrothe hervorgegangen, als [17] als Ewald und Lyda am zweiten Pfingsttage schon ihrer Eltern Hütte verließen, und den benachbarten Berggipfel bestiegen. Da setzten sie sich auf einen Rasen und schauten auf das im Thale liegende Dorf. Dorthin, liebe Lyda, werden wir also heute gehen, da in der Kirche schwören, Gott und dem Heilande treu zu seyn! Ja, lieber Ewald, versetzte Lyda, mir ist’s dabei wohl und weh zu Muthe. Ich freue mich, diesen Schwur öffentlich zu thun, den ich so oft im Stillem meines Herzens gethan habe; aber denke ich so ganz an das Wichtige dieses Schwures, dann werde ich bis zu Thränen gerührt. – Wir wollen, Lyda, fromm seyn, bis ans Grab, und Gott wird uns darin beistehen – sprach Ewald. Nun folgte eine lange Pause. Nachdem sie noch über Einiges das Fest betreffende gesprochen hatten, kehrten sie zu ihrer Hütte zurück. Sie fanden ihre Eltern im Gebete. Nach eingenommenem Frühstücke legten sie ihre Festkleider an. Ewald hatte von seinem Taufpathen dunkelgrüne Kleider zum Geschenke erhalten und Lyda ein weißes Gewand. Vater und Mutter kleideten sich in ihre Hochzeitkleider, und verließen mit ihren Kindern die Hütte. Im Walde war es still, kühl und lieblich. Als sie das Ende desselben erreicht hatten, sahen sie von allen Seiten [18] Menschen nach dem Dorfe wandern. Dazwischen gingen die Jünglinge und Jungfrauen, welche ihr Glaubensbekenntnis ablegen sollten, von ihren Verwandten umringt, und mit eigenen Blicken angesehen.

Unter Glockengeläute füllte sich das Gotteshaus. Die Jünglinge und Jungfrauen waren aber noch in der Wohnung des Pfarrers. – Stille war es in dem Kreise. Der Pfarrer sprach kein Wort – bis er die Thür des Zimmers, wo sie versammelt waren, öffnete, und sanft den Kindern zurief: Folget mir nach! – Und sie folgten. Mit Gesang wurden sie in der Kirche empfangen. Die Orgel tönte noch einige lang gehaltene Akkorde nach, als der Gesang schon geendet war, und nun war’s auf einmal so still, als ob Niemand in der Kirche wäre.

Der Pfarrer begann nun nach einer kurzen kräftigen Anrede und nach einem Gebete seine Fragen über die Lehre von Christo, dem Sohne Gottes. Darauf ließ er jedem der Jünglinge und der Jungfrauen ein Bekenntniß ablegen. Das hatte niemand auswendig gelernt, und darum sagte jeder, was er wirklich glaubte. Endlich nahm der Pfarrer wieder das Wort, und redete die jungen Christen erschütternd an. Dann ließ er sie vor sich hintreten, und gab jedem seinen Segen.

[19] So traten nun auch Ewald und Lyda, Hand in Hand, vor den Pfarrer, die Blicke zur Erde gerichtet. Ihre Wangen glüheten röther, als die Röschen des Waldes, die sie vor der Brust trugen, und ihr lockiges Haar rollte über ihre Schultern auf die Brust herab.

Blühet wie die Rose zu Saaron! Es fließe Thau auf euch herab vom Hermon! So rief der Pfarrer ihnen zu, und sprach dann weiter: Der Herr sey mit euch, meine lieben Naturkinder! Er hat euch für dieses Leben mit liebevoller Hand in die Einsamkeit gepflanzt, bleibt treu der Natur, und der Gärtner, euer Heiland, wird euch einst verpflanzen in seinen Himmelsgarten, wo ihr ewig blühen werdet!

Rosen in des Waldes Schatten,
Auf des weichen Mooses Matten,
Blüht nur einsam! duftet süß!
Kommt der Gärtner von den Höhen,
Wird er euch mit Freuden sehen,
Setzen euch ins Paradies.

O, dort blüh’n wohl viele Rosen
In der Himmelslüfte Kosen,
Bei den Lilien, weiß wie Schnee,
Engel in dem Gottesgarten
Mit dem Heiland liebend warten
Alle Blumen in der Höh.

[20] Die Waldröschen, Ewald und Lyda, traten ab, andere traten vor, und die heilige Handlung wurde vom Pfarrer mit Gebet und von der Gemeine mit einem schönen Choralgesange beschlossen. Man zog nach allen Seiten mit vollen Herzen aus der Kirche nach Hause: Baumann mit seiner Frau und Ewald und Lyda in den Wald zu ihrer Hütte.




Lyda verläßt die Hütte ihrer Eltern.

Unweit des Dorfes, wohin der Köhler Baumann zur Kirche gehörte, lag auf einer Höhe eine alte Burg. Diese gehörte einem reichen und edlen Herrn, der sich von Liebenstein nannte. Er hatte der Burgen noch mehrere am Rheine und an dem Neckar, und wohnte bald hier, und bald dort, denn er liebte alle seine lehnpflichtigen Ackerleute gleich, und zeigte ihnen das auch dadurch, dass er seinen Aufenthalt zuweilen bei ihnen nahm. Am liebsten war er auf dieser Burg zur Zeit des Frühlings. Dann nahm er mit seiner Familie Theil an den Vergnügungen der Landleute, und an ihren Festen, die sie in Unschuld und Einfalt feierten. Die Landleute liebten die herrschaftliche Familie sehr, und sahen sie gern in ihrer Mitte.

[21] Die herrschaftliche Familie war dießmal die Woche vor Pfingsten angekommen, und hatte im Gotteshause das Pfingstfest mitgefeiert. Auch bei der Einsegnung der Kinder waren sie zugegen gewesen und der gute Pfarrer war eingeladen worden, recht bald einmal auf die Burg zu kommen. Das that er allemal mit Vergnügen, denn er war einer liebevollen Aufnahme gewiß. Als er nun eines Tages sich auf der Burg einfand, da wurde viel über das schöne Fest und über die Einsegnung der Kinder gesprochen. Und was waren denn das für zwei junge Menschen, die Sie so vorzüglich schön angeredet haben, Herr Pfarrer, fragte Herr von Liebenstein, der Jüngling mit dem grünen, und das Mädchen mit dem weissen Kleide, die Hand in Hand vor sie hintraten? – O, sagte der Pfarrer, das sind zwei liebe Menschen, Zwillinge, Kinder des braven Köhlers Baumann. Diese habe ich schon liebgewonnen, als sie in Windeln zu mir gebracht wurden. Sie hatten wilde Röschen vor der Brust, und das veranlaßte mich, sie damals und jetzt wieder mit Waldröschen zu vergleichen. Und wirklich, sie und ihre Eltern sind verborgene Blumen des Christenthums. – Diese Leute muß ich kennen lernen, versetzte darauf Herr von Liebenstein. – Und er hielt Wort.

[22] Einige Tage nachher kam er mit seiner Frau Gemahlin und zwei Kindern zum Pfarrer, und bat diesen, mit ihnen in den Forst zu geben. Das geschah. Es was ein schönes Wandeln im Maiengrün, umsäuselt vom sanften Winde, und überall willkommen geheißen von muntern Vögeln. Ehe man es erwartet hatte, war das Ziel der Wanderung da.

Da lag die Köhlerhütte unter dem Felsenhange einsam und dunkel; umgrünt von hohen Buchen. Vor der Hütte waren Mutter und Tochter, beide mit Spinnen beschäftigt. An Lyda’s Seite lag ein Lämmchen, welches an ihrer Schürze zupfte. Lyda unterbrach sich im Spinnen, legte ihre Hand auf den Kopf des Lämmchens, streichelte es über die Schnauze und über den Hals, und sang:

Lämmlein, so sanft und fromm,
Lämmlein, mein Lämmlein, komm,
in Lyda’s Schooß!
Leg hier dein Köpfchen hin,
Herzlich ich gut dir bin
Lämmlein mit frommem Sinn
Werde bald groß!

Eine Weile stand die Herrschaft in einer kleinen Entfernung und sah unbemerkt diesem Spiele [23] zu. Nun trat sie vor, und setzte die Spinnerinnen in nicht geringes Erstaunen. Gott zum Gruß! lieben Leute, rief der Herr von Liebenstein ihnen zu. Sie standen schnell auf, und fast zugleich riefen Mutter und Tochter ihren schönsten Dank.

Auch ich bringe euch den alten lieben Gott zum Gruß, hub darauf der Pfarrer an, und ich muß euch eben sagen, daß wir eine Weile hier vor eurer Hütte zubringen wollen, drinnen wird’s wohl nicht so angenehm seyn, sonst würden wir eintreten.

Sehr willkommen, versetzte die Köhlerinn. Lyda, ruf geschwind den Vater her! Lyda flog wie ein Vogel durchs Gebüsch, und die Mutter holte einige Stühle und einen Tisch für die vornehmen Gäste heraus. Darauf fragte sie, womit sie sonst dienen könne? und man wünschte nichts als eine Schüssel Milch. Währenddem sie diese zurecht machte, unterhielten sich die Gäste von den verschiedenen Ständen der Menschen, und darüber, daß nur Zufriedenheit mit seinem Stande das wahre Glück des Lebens ausmache.

Indem sie sich so unterredeten, kam der braune Köhler. Ehrerbietig zog er sein Käppchen, und hieß Alle willkommen. Die Köhlerinn trug Milch auf, und Lyda legte Löffel vor, die von Buchsbaum geschnitzt, und sehr sauber waren. Baumann und [24] seine Frau mußten sich mit zu Tische setzen. Das Mädchen aber lief ab und zu, besorgte bald diese, bald jene Kleinigkeit, und ihr Auge rollte immer über den Tisch, um zu sehen, ob noch etwas fehle. Das bemerkte die Frau von Liebenstein mit Vergnügen, und sie dachte darüber viel Angenehmes für sich und für Lyda.

Das einfache Mahl war gehalten. Herr von Liebenstein wŭnschte nun die Kohlenbrennerei zu besuchen, wohin ihn Baumann sogleich führte.

Der Pfarrer und Herr von Liebenstein’s Söhnchen gingen auch mit. Als sie eben abgegangen waren, fing Frau von Liebenstein zur Köhlerin also an zu reden: Ihr habt da ein wackeres Mädchen, Frau Baumann. Ei doch, war die Antwort derselben, Lyda ist gehorsam und fleißig. – Möchtet ihr mir die Lyda wohl mitgeben auf die Burg, daß sie mir dort zur Hand gehe? fragte Frau von Liebenstein. – Ach! gnädige Frau, erwiederte die Köhlerin, dazu wird sich unsere Lyda nicht schicken. Sie ist selten hier aus der Hütte gekommen, und kennt nicht viel mehr, als sie hier gesehen hat, und kann nicht viel mehr schaffen, als wir hier brauchen. Ich wünsche auch nicht mehr, versetzte Frau von Liebenstein, ich nehme hier immer ein Mädchen aus dem Dorfe, das mir in der Küche helfe. [25] Eure Lyda gefällt mir. Besprecht euch einmal mit ihr darüber, ob sie nicht während unserer Anwesenheit auf der Burg uns dienen könne. Lyda wurde herzugerufen. Die Mutter und die gnädige Frau fragten sie, ob sie mitziehen wolle? Eine Weile schwieg sie. Endlich sprach sie: Die gnädige Frau ist so gut, und ich möchte ihr gern dienen, weil sie es wünscht; aber dich verlassen, den Vater und den Bruder, und – hier blickte sie in die Hütte, und schaute nicht wieder die Mutter an, denn sie weinte. – Nun, wenn’s anders nichts ist, sprach Frau von Liebenstein, so wird’s wohl gehen. Du sollst, liebe Lyda, so oft du Lust hast, in den Wald gehen zu deinen Eltern. Das möchte auch ich nicht gern haben, daß du deine liebe Eltern und die Hütte über mich und die Burg vergessen solltest. – Da kam just die Gesellschaft der Männer von dem Meiler zurück. Sie nahmen Theil an dem Gegenstande des Gesprächs. Der Pfarrer meinte, das wäre recht gut für Lyda, und es wurde abgesprochen, daß Lyda schon den folgenden Sonntag zur Herrschaft kommen sollte. Spät ging die Gesellschaft aus dem Walde zurück, und sie gestand, daß dieser Tag ein ausgezeichneter ihres Lebens gewesen war. Das war er auch für die Köhlerfamilie gewesen.

[26] Als der folgende Sonntag erschien, an welchem Lyda die Hütte verlassen sollte, war es keinem daselbst wohl. Ewald sollte mit der Schwester gehen. Es dauerte lange, ehe sie sich losmachen konnte. Sie streichelte ihr Lämmchen erst noch einmal zärtlich, schaute sich überall in der Hütte um, dann drückte sie rasch der Mutter einen Kuß auf die Lippen, so auch dem Vater, und nun griff sie den Bruder an die Hand, hielt die Schürze vor’s Gesicht, und trat schweigend mit ihm hinaus.

Mit freundlichen Worten wurden sie beide auf der Burg empfangen. Den ganzen Tag brachte sie mit Umherwandeln auf der Burg und in der Umgegend derselben zu. Am Abend schied Ewald mit Dank von der Herrschaft und mit Wehmuth von der Schwester. Lyda begann mit dem nächsten Morgen das Geschäft, was ihr von der gnädigen Frau aufgetragen wurde. Sie war dabei munter und behende, so daß sie bald alles schnell verrichtet hatte. Allen war sie gefällig, wo sie nur konnte, und zeigte sich immer reinlich gekleidet, und hübsch wie eine Rose. Die Herrschaft nannte sie zuweilen auch wohl Waldröschen, und das hörte sie nicht ungern.

Eben so zufrieden als die Herrschaft mit ihrem Dienste war, so zufrieden war sie mit der Herrschaft und mit ihrer neuen Lebensart. Als die vierzehn [27] Nächte auf der Burg geschlafen hatte, da wünschte sie sehnlichst einmal wieder in der Hütte ihrer Eltern zu schlafen, und mit Erlaubniß der Herrschaft ging sie in den Wald. Sie eilte sehr, so das sie außer Athem war, als sie die Elternwohnung erreichte; aber sie rief der Mutter doch gleich zu, sobald sie diese nur sah: Es geht mir wohl, sehr wohl, liebe Mutter! Und sie wußte nicht genug zu erzählen von den vielen Dingen, die sie kennen gelernt hatte. Bald darauf kamen Vater und Bruder. Da ging’s Erzählen erst recht an. Sie hörte, daß die Ziege zwei Zickelchen geworfen, und ihr Lämmchen sie in den ersten Tagen überall gesucht hätte; aber niemand sagte, das es ihnen allen sauer geworden wäre, sie so lange nicht bei sich gesehen zu haben. Am folgenden Tage ging Lyda mit leichterm Herzen zur Burg.

Den ganzen Sommer blieb dießmal die Herrschaft auf der Burg, und Lyda wurde derselben immer werther, auch Lyda gefiel es immer besser daselbst.

Schon färbte sich das Laub der alten Linden vor der Burg, und noch war die Herrschaft auf derselben. So lange, als dieses Jahr, hatte sie nie hier verweilt. Aber eines Tages sprach der Herr von Liebenstein: Wir werden wohl bald abreisen müssen. [28] Macht euch reisefertig! Wie Lyda dabei zu Muthe war, läßt sich nicht beschreiben. Oft hatte die gnädige Frau gesagt, daß sie Lyda ungern zurückließe, wenn sie diese Gegend verließe und es ihr sehr lieb seyn würde, wenn Lyda mit ihr zöge. Jetzt sprach sie aufs Neue ihren Wunsch aus, mit dem Bemerken, daß Lyda ihren Eltern im Ernste davon reden sollte.

Lyda trug das schweigend und schwer auf dem Herzen, dachte mit Zittern daran, und wagte es nicht, ihren Eltern etwas davon zu sagen. Da ließ die gnädige Frau ihre Eltern an einen Sonntage zu sich kommen. Nach dem Mittagessen kündigte sie ihnen ihren baldigen Abschied an, und sprach mit vielem Lobe von Lyda. Darauf bat sie die Eltern, daß sie Lyda mitziehen lassen möchten. Das kam ihnen unerwartet an. Sie wußten nichts darauf zu antworten, sondern sie sahen mit trüben Augen auf Lyda und schüttelten den Kopf. – Ja, wenns euch allen zu schwer fallen sollte, sagte die gnädige Frau, dann will ich lieber allein einen Winter um Lyda trauern, als daß ich leiden könnte, daß ihr alle um sie trauertet. – Nun, wenn’s so ist, sagte Baumann, Lyda, und du willst; so ziehe in Gottes Namen mit der gnädigen Frau! – In Gottes Namen, seufzte die Mutter. – Als Lyda das vernommen [29] hatte, da wurde es ihr leichter ums Herz: Ja, ich will mitziehen, gnädige Frau, sprach sie.

Nun wurde Absprache genommen, daß Lyda vor der Abreise noch einmal zu den Eltern kommen sollte, und die Eltern gingen heim. Wenige Tage nachher kam Lyda zu ihren Eltern, und nach einem frohen Willkommen folgte ein schmerzlicher Abschied.




Ewald muß in die Fremde ziehen.

In Baumanns Hütte war es seit Lyda auf die Burg zog, ganz anders geworden. Die Mutter war den ganzen Tag einsam, und am Abend, kehrten Vater und Sohn von der Arbeit zurück, sprachen auch diese wenig; nachdem Lyda aber ganz aus der Nähe verschwunden, war es hier noch öder geworden.

Traurig saß da Ewald unter der Buche vor der Hütte, und schaute auf Lyda’s Lämmlein, das leise umherschlich, und zwischen dem abgefallenen Laube noch etwas Gras hervorsuchte. Er dachte an die ferne Schwester. Bis der Rosenstrauch wieder blüht, hatte sie beim Abschiede zu ihm gesagt, dann sehen wir uns wieder. O, seufzte er vor sich hin, welche [30] lange Zeit! Dazwischen fällt noch viel Schnee, und es tobt noch mancher Sturm durch die Buche. Wärest du doch im Walde geblieben, liebe Lyda, wir hätten uns nimmer trennen dürfen! – Indem er so mit sich redete, kam das Lämmchen ihm näher, und blieb vor ihm stehen. Da kosete er mit dem Thierchen, wie Lyda sonst gethan, und das Lämmchen und er selbst wurden dadurch aufgeheitert.

Der Winter ging vorüber, der Frühling kam, aber die Herrschaft kam nicht. Es kam aber ein Bote, welcher Baumanns Hütte aufsuchte, und daselbst ankündigte, das der Herr von Liebenstein nach einer seiner Burgen am Rheine gezogen wäre, und daselbst den Sommer zu bleiben. Lyda befinde sich wohl. Wenn Vater und Mutter es wünschten, so solle sie gleich wieder zurückkommen, sonst aber im nächsten Jahre mit der Herrschaft wiederkehren. Dabei lobte der Bote Lyda sehr.

Das stand den Eltern wohl gut an, aber sie hätten lieber Lyda kommen sehen, als den Boten. Das sagten sie ihm, setzen jedoch hinzu, daß sie nun alles Gott und der Herrschaft überließen. Der Bote ging mit diesen Worten ab.



[31] Dieser Sommer war ein sehr unruhiger in der Welt. Die Völker zogen mit großen Kriegsheeren gegen einander. Das Geschrei des Krieges drang auch in den stillen Wald, wo Baumann wohnte. Was nur die Waffen tragen konnte, wurde zum Kampfe aufgefordert. Da klagte man in der Hütte unter dem Felsenhange auch bald über den in den Kampf gezogenen Sohn.

Sieh, da kommt noch ein Bursche, wie eine Rose, rief der Offizier, der die jungen Krieger in Empfang nahm, die fürs Vaterland streiten wollten, als er Ewald eintreten sah. Ewald war wirklich ein blühender Jüngling.

Die Regimenter zogen zum Kampfe aus, und im Gewirre des Krieges wurden von vielen Söhnen Vater und Mutter bald vergessen. Nicht so war es mit Ewald. Er blieb sich immer gleich, weder ausgelassen munter, noch niedergeschlagen. Er sah diesen Stand als seine Bestimmung an, erfüllte seine Dienstpflichten treu und pünktlich, und war selten in den ausgelassenen Gesellschaften seiner Kameraden. Am liebsten war es ihm, wenn er bei stillen Leuten einquartirt wurde. Dann sprach er gern über das, wovon sein Herz voll war, über Vater, Mutter und Schwester, Wald und Hütte.

[32] So war nun die Köhlerfamilie, die so viele Jahre zusammen gelebt hatte, auf einmal auseinander geführt worden. Baumann und seine Frau waren fast untröstlich darüber; der gute Pfarrer aber besuchte sie recht oft und sprach ihnen Muth ein, und Geduld und Hoffnung. Denen, die Gott lieben, sagte er, müssen alle Dinge zum Besten dienen.

Vergebens war aber die Hoffnung, daß Lyda diesen Sommer wiederkommen sollte. Herr von Liebenstein war in die Residenz gerufen worden, wo er in wichtigen Sachen zu Rathe gezogen wurde. Darum blieb seine Frau Gemahlin auf der Burg am Rheine, und konnte nun um so weniger ihr Röschen (so nannte sie Lyda) entbehren. Das hatte sie ihren Eltern sagen lassen, welche sich darein zu schicken suchten.

Ewald kam mit seinen Regimente zu der großen Armee. Er hatte auf dem Marsche viel Neues gesehen und gehört, und darunter manches, was ihm sehr wohl gefiel. Auch war die Reise für ihn nicht beschwerlich geworden; denn er war von früher Jugend an abgehärtet und stark. Das Soldatenleben gefiel ihm eigentlich noch nicht recht, aber er suchte sich doch mit alle dem bekannt zu machen, was ein guter soldat kennen muß. Darum und weil er sich gut aufführte, behandelten ihn die Befehlshaber [33] vorzüglich gut, und er wurde bald als Unteroffizier angestellt.

Als sie nun dem Kriegsschauplatze nahe kamen, da wurde manchem Krieger wunderlich ums Herz. Nur Baumann blieb sich gleich. Ich gehe unter Gottes Schutz, dachte er, hier und allenthalben, und dieser Gedanke beruhigte ihn.

Einst stand Baumann mit einigen seiner Kameraden auf Vorposten. Vor ihnen war eine Heide, auf welcher an einigen Stellen Tannenwäldchen lagen. Es brach ein schöner Herbstmorgen an, leichte Nebelwolken hoben sich von der Erde auf, und bald strahlte die helle Sonne über die Heide. In der Ferne schaute man das Lager der Feinde, und auf der Heide schwärmten feindliche Reiter. Die Gefährten Baumann’s unterhielten sich darüber auf verschiedene Weise. Einer hatte Muth, der andere Furcht. Bei diesen Gesprächen blieb Baumann nicht ruhig. Vielleicht dachte er an Vater, Mutter und Schwester und blickte nach der Gegend hin, wo sein Vaterland lag. Von dorther wehte ein kühler Morgenwind, der zwischen die dürren Blätter der Gebüsche fuhr, und viele fallen machte. Das Rauschen derselben zog seine Blicke auf das Gebüsch, und siehe, da stand auf einem alten Baume ein wilder Rosenstrauch, [34] der noch an den Spitzen einiger Aestchen blühete. Dabei erinnerte sich Ewald an den Rosenstrauch vor der Hütte seiner Eltern, an seine Konfirmation, an den alten Pfarrer, der dabei schön den Segen über ihn gesprochen, und an Schwester Lyda, die vor ihrem Scheiden sagte: Wann die Rose blüht, sehen wir uns wieder. Und er dachte in seinem Gemüthe: dieser Rosenstrauch blüht hier doch eben so schön, als der vor meiner Eltern Hütte – sieh, da fallen seine Blätter wie diese, die der Herbstwind abreißt. Aber sie fallen überall in Gottes Erde. – Hier und dort blüht die Rose im Frühlinge wieder. Bei diesem Gedanken heiterte sich sein Sinn auf, so daß er laut für sich folgende Verse sprach:

Ueberall ist Gottes Erde,
Ueberall sein Auge schaut;
Ob ich hier begraben werde,
Ob man dort mein Hüttchen baut:
Einmal wird es doch geschehen,
Einmal sink’ ich doch hinab,
Und des Himmels Lüfte wehen
Ueber mein verborgnes Grab.

Falle, Staub, auch Röschen fallen,
Wenn der Sommer sie verglüht,

[35]

Oder, wenn die Nebel wallen,
Und der Sturm durch Stoppeln zieht.
Schlachtensturm zerknickt wohl viele,
Ach! und hier zu Boden fällt
Mancher in dem Mordgewühle,
Der noch fest am Leben hält.

Mag mein junges Leben sinken
In des Schlachtfelds schwarzen Staub,
Droben Friedensfluren winken,
Nimmer fällt dort Baum noch Laub.
Ueberall ist Gottes Erde,
Ueberall sein Auge schaut,
Ob ich hier begraben werde,
Ob man dort mein Hüttchen baut.

Diese Verse, welche Ewald von seinen Kriegsgefährten erlernt hatte, wurden ihm sehr tröstlich. Nach wenigen Tagen brach die Schlacht los, es floß viel Blut, und viele Jünglinge und Männer fielen in dem Kampfe. Schrecklich war die Nachricht, die man davon in den Zeitungen las.



[36]
Frohes Wiedersehen.

Und es war wirklich eine schreckliche Schlacht gewesen. Das geschlagene feindliche Heer eilte in ungeregelter Flucht von dannen. Dadurch wurde nun die ganze Gegend, wohin die Flucht gerichtet war, mit Kriegern überzogen. Auch der Odenwald wurde von Soldaten durchstrichen. Der alte Baumann eilte nun jeden Tag ins Dorf, um zu erfahren, was aus seinem Sohne geworden sey. Jeden, den er nur sah, fragte er mit Furcht und Hoffnung, ob er nichts von seinem Sohne und von diesem oder jenem vernommen habe, und niedergeschlagen kehrte er allemal am Abend wieder zu seiner Hütte zurück, weil er durchaus nichts vernehmen konnte, was ihn hätte beruhigen können. Kopfschüttelnd und schweigend trat er seiner Frau dann entgegen, und drückte ihr die Hand. Und diese verstand wohl, was das hieße.

Endlich kamen einige Söhne des Dorfes unerwartet auf einige Stunden ihre Eltern zu sehen, weil ihr Regiment just in der Nähe des Dorfes vorüberzog, und sie die Erlaubniß erhalten hatten, auszutreten. Von vielen ihrer Kameraden und Landsleute wußten sie etwas, daß dieser beim Regiment noch gesund und wohl wäre, jener verwundet oder [37] krank im Lazarethe liege, ein anderer gefangen, und wieder ein anderer todt wäre; nur von Ewald Baumann wußten sie nichts, als daß er nicht mehr beim Regiment sey.

Das schlug Baumann und seine Frau gänzlich nieder, und sie beweinten ihren Ewald schon als verloren, und suchten Trost bei ihrem würdigen Pfarrer, der keinen ungetröstet von sich gehen ließ. Um so mehr wünschten sie jetzt ihre Lyda bei sich zu haben. Mit Schaudern dachten sie an den langen einsamen Winter, der vor der Thür war. – Nun bedaure ich es, sprach Baumann, daß ich in meiner Jugend die Welt nicht besser habe kennen lernen. Jetzt ginge ich meinen Ewald aufsuchen, bis ich ihn oder sein Grab finde, und dann ginge ich unsere Lyda zurückholen. – Laß uns geduldig seyn. Baumann, erwiederte seine Frau, und warten, Gott wird uns Lyda erhalten, und sie wieder zu uns bringen, wenn es ihr und uns gut ist. – Wie wird das Mädchen uns zu sehen verlangen, fing, Baumann wieder an. Ich möchte wissen, was sie wohl dächte und machte! – Sie mag denken und thun was sie will, versetzte seine Frau, so weiß ich doch, daß sie unser nicht vergißt.

Und so war es auch. Lyda wohnte in einer schönen Burg und hatte bessere Speise und schönere [38] Kleider, als sie bei ihren Eltern je gehabt hatte; aber sie vergaß darüber ihre Eltern nicht. O, wię oft lief sie auf den Söller, und schaute in die blaue Ferne, wo der Odenwald seine Gipfel mit den Wolken vereinte! Wie oft stand sie an einem Fenster und blickte in den Rhein, der, mit seinen Wellen den Fuß der Burg bespülte! und mit ihren Gedanken war sie in dem Walde und in ihrer Eltern Hütte. Und als sie es vernommen hatte, daß Ewald mit in den Krieg gezogen wäre, da war sie wohl lange, lange still und traurig. Doch was sie einst sehr aufmunterte, war ein wilder Rosenstrauch, der auf der hohen Mauer der Burg stand, und den sie jetzt erst bemerkte. Er wurde ihr ein Gegenstand der angenehmsten Erinnerung und der süßesten Hoffnung. Bis die Rose blüht! Hatten sie sich ja beim Scheiden zugerufen und sie sang leise durchs hohe Fenster ein Liedchen. Hier ist es:

Die Rose blüht, die Welle glüht
Im sanften Abendrothe.
Der Abendstern scheint mir so fern,
Ach! in die Heimath zög’ ich gern,
Wo bleibst du, Friedensbote?

Die Ros’ verblüht, die Welle zieht
Dahin, und kommt nicht wieder,

[39]

Mir wirds so lang, mir wirds so bang
Zur Hütte unterm Felsenhang;
Leucht’, Sternlein, freundlich nieder!

O, sage dort: Mich trieb es fort,
Doch müßt’ ich hier noch weilen.
Grüß’ tausendmal vom Himmelssaal
Die Eltern, und versüß die Quaal;
Bald werd ich dorthin eilen!

Wo Zelte steh’n, wo Krieger geh’n,
De wink’ dem Bruder Friede;
und tröste ihn, und mach ihn kühn,
und laß ihm die Erinn’rung bļüh’n
Aus einem Hüttenliede!

So sang Lyda, und es wurde ihr leichter ums Herz. Bald darauf kamen die Krieger an den Rhein, viele zogen auch hinüber, und es war Kriegsgeschrei allenthalben. Die Frau von Liebenstein blieb noch immer mit ihren Leuten allein auf der Burg, und trauerte um den abwesenden Gatten, und um den im Dienst stehenden Sohn, der als Offizier den Feldzug mitmachte, und von dem sie seit der Schlacht nichts gehört hatte. Wenn doch nur von Liebenstein zurückkäme! seufzte sie oft für sich. Und ihr Wunsch wurde erfüllt. Herr von Liebenstein kam eines Abends unerwartet an, und [40] brachte die Nachricht mit, daß sein Sohn Karl verwundet wäre, und im Lazarethe liege, daß er aber bald wieder hergestellt sey, und dann im Frühjahre zurückkommen würde. Ich habe im geschrieben, setzte Herr von Liebenstein hinzu, daß er uns dann im Odenwalde auf der Burg treffen könnte. Ueber diese Nachricht war die ganze Familie und die Dienerschaft sehr erfreut.

Der Winter ging mit vieler Unruhe vorüber. Zwischen den Kriegsheeren thürmte der Rhein seine Eisberge auf, und überall war Angst und Schrecken. Doch der Frühling fand den Fluß von Kriegern verlassen, und bald wurde es Friede. Jung und Alt lebte da wieder auf, und selbst diejenigen, die viel verloren hatten, schauten nicht mehr so trübe.

Auf, und in den Odenwald! So lautete die angenehme Aufforderung, die eines Tages Herr von Liebenstein an seine Familie ergehen ließ. Auf, und in den Odenwald rief einer dem anderen zu, und nach wenigen Tagen rollten die Wagen durchs Burgthor ins Freie. Nach einer schnellen Reise kam man glücklich in die freundliche Gegend des Dorfes, bei welchem die Burg des Herrn von Liebenstein lag. Das war ein Gejauchze im Dorfe, als die Herrschaft wieder einzog! Mit Blumen und Maien wurde sie empfangen. Baumann aber und seine [41] Frau waren nicht die Letzten im Zuge, und Lyda nicht die Letzte, die aus dem Wagen sprang, als er eben anhielt. Sie eilte auf ihre Eltern, die sie kaum mehr kannten, zu, und hieng ohne Worte an ihrem Halse. Die gnädige Frau sah dieses mit Rührung an, und rief aus dem Wagen: Röschen! wirst wohl lieber mit in den Wald, als auf die Burg ziehen – bis morgen, Röschen! – Freudig nickte Röschen ja! und eilte mit Vater und Mutter aus dem Gedränge.

Das hätte wohl ein ausgezeichnet froher Abend in der Hütte unter dem Felsenhange seyn können, der diesem Tage folgte, wenn im Grunde der Herzen nicht noch ein Schmerzgefühl sich geregt hätte. Ewald fehlte ja in der Hütte, und mit ihm so viel. Anfangs wollte Niemand seinen Namen aussprechen, um die Freude nicht noch mehr zu trüben; endlich aber konnte Röschen nicht mehr schweigen: Ach, wäre Ewald doch nun auch noch hier! Der Vater machte darauf eine leise Bewegung mit der Hand, die so viel sagen sollte, als: Er ist dahin! und die Mutter sprach: Er mag wohl bei uns seyn. Der Herr Pfarrer sprach einmal: die Entschlafenen theilen unsere Freuden im Herrn. – O, sagte Lyda nach einer kleinen Pause, laßt uns doch noch hoffen, er mag noch nicht entschlafen seyn! – So mischte [42] sich Wehmuth in die Freude, und leise ließ die Hoffnung sich darein.

Spät ging man zur Ruhe, und erst am Abend des folgenden Tages kam Lyda zu ihrer Herrschaft zurück.

Diese befand sich hier wieder sehr wohl und lebte einfach und heiter nach der alten Weise. So hatten sie sich eines Abends auf dem Hügel vor der Burg unter den dunkeln Linden zum Abendessen gesetzt, da kam ein Wagen aus dem Dorfe den Hügel heran. Jeder schaute vom Tische neugierig darauf zu, und einer hob sich nach dem andern auf. Guten Abend! Guten Abend! tönte es da heiter aus dem Wagen. Willkommen! Willkommen! rief der Herr von Liebenstein. Gott! unser Karl, rief die Mutter. Und Alle eilten den Ankommenden entgegen. Aus dem Wagen sprangen zwei junge Krieger und ein Bedienter hielt die Pferde an. Nach den herzlichsten Umarmungen fragte Herr von Liebenstein seinen Karl, wer denn der junge Mann sey, den er ihm als willkommenen Gast heimgeführt habe? Das ist der Retter meines Lebens, erwiederte Karl mit Feuer, und reichte dabei dem Fremden die Hand. Seine Heimat, sprach er dann weiter, ist nicht fern von hier. – So habe Dank für deine That, sagte [43] darauf der gerührte Vater, und gab ihm einen deutschen Handschlag. Aber wie nennt sich denn der Retter meines Karls? – Ewald Baumann, antwortete der Fremde mit ruhigem Tone. Mein Bruder! mein Bruder! sprang Röschen dazwischen, und lag glühend und blaß vor Freude und Schreck in der Armen ihres Bruders.

Nach einigen Stunden Erholung gingen Ewald und Lyda nun wieder, wie sie sonst so oft gegangen waren, Hand in Hand, in den Wald. Schon grauete die Nacht, in den dunkeln Laubgängen war es schauerlich still, nur das Rauschen des Gesträuchs, das die Wandelnden berührten, und das Fallen der Thautropfen ließ sich zu ihren Reden vernehmen. So wie sie sich der Hütte näherten sprachen sie leiser und weniger, aber ihre Schritte wurden schneller. Noch ein Gesträuch, und siehe, da lag die Hütte vor ihnen. Eben ging der Mond auf, und warf sein Licht auf den Platz vor der Hütte. – Leise klopfte Ewald an und rauh tõnte die Frage von innen: Wer klopft? Oeffnet nur einmal, sprach Ewald, so werdet ihr sehen, das es ein guter Freund ist. Da knarrte die Thür auf und Baumann sah den Krieger mit einem forschenden Blicke an. Wollt ihr mich diese Nacht wohl in eure Hütte nehmen? fragte dieser. Thut es doch, Vater! sprach Lyda, [44] die hinter dem Gebüsche hervortrat. – Wie, bist du auch da? sprach Baumann, wo kommst du her? – Ich habe dem Freunde eure Hütte weisen wollen, antwortete Lyda lächelnd. Laßt das fahren, mit mir zu scherzen, sprach der Vater, – bist du Ewald, mein Sohn? – Ich bins, ja ich bins, lieber Vater! rief Ewald, und drückte ihn an sein Herz. Auf seine Frage, wo die Mutter sey? hatte auch diese die Stimme ihres Kindes erkannt und stürzte ebenfalls herbei und fiel laut weinend in die Arme ihres geliebten ihr wiedergeschenkten Sohnes. – Nun ging bald Licht und frohes Leben in der Hütte auf. Die Morgenröthe ruhete schon auf den Gipfeln der Berge, und noch saß die kleine Familie in froher Unterhaltung zusammen. Da wurde an kein Ruhen gedacht.

Gegen Nachmittag ging Baumann mit seinem Ewald zum Pfarrer. Da trafen sie den Herrn von Liebenstein mit seinem Sohne, der dem Pfarrer bereits die Anwesenheit des Ewald Baumann angekündet hatte. Als sie kaum hereingetreten waren, und sich in einem traulichen Kreis um den edlen, von Alter schwachen Seelsorger gesetzt hatten, bat dieser um die Erzählung der Geschichte, wie sich die beiden Krieger zusammen gefunden hatten. Da fing Karl von Liebenstein also an: Unser Regiment mußte [45] dem Andrange der Feinde weichen. Eine Kugel zerschlug mein Bein, und ich sank zu Boden. Meine Kameraden und unser ganzes Bataillon flohen vorüber. Ein ander Bataillon kam heran und ich rief kläglich um Hülfe. Da sprang ein Unteroffizier auf mich zu, und trug mich eine kleine Strecke fort. Doch wir blieben weit zurück. Ein feindlicher Reiter sprengte herzu mit gezogenem Säbel. Der Unteroffizier ließ mich auf die Erde nieder, und vertheidigte sich und mich mit dem Bajonet. Er erhielt dabei manche Wunde und fast war es um ihn geschehen, als das Pferd des Reiters stürzte, und der Reiter für todt darunter lag. Aber mein Vertheidiger war darüber so erschöpft, daß er mich kaum in ein nahes Gebüsch schleppen konnte, wo er an meiner Seite hinsank. Ein braver Landmann fand uns dort, und nahm uns in seine Hütte auf. Wir wurden bald zusammen in das Lazareth gebracht, und da vernahm ich erst, daß mein Retter der Sohn des Köhlers Baumann sey, und seine Schwester bei meinen Eltern diene. Wir haben nun zusammen bis jetzt da aushalten müssen, und sind, wie Sie sehen, zusammen zurückgekehrt.

Wunderbar sind, o Herr! deine Wege, sprach der Pfarrer, aber du führst alles herrlich hinaus! – [46] Und du Rose aus dem Walde hast auch auf fremdem Boden geblüht.

Und wird jetzt wieder im Walde blühen, sagte der Herr von Liebenstein. Eine meiner Försterstellen in der Nachbarschaft ist erledigt. Da kann er Förster werden, wenn er will.

Da brach der alte Baumann laut aus: Herr Pfarrer, wer hätte das gedacht, als wir meinen Ewald todt glaubten, daß der Krieg ihn so glücklich machen würde!

Denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen, versetzte der Pfarrer. Das wiederholte auch der Herr von Liebenstein, und damit brach die Gesellschaft spät am Abend aus der Pfarrwohnung auf.

Ewald wurde Förster zu Forstheim, seine Schwester begleitete ihn dahin, und die Herrschaft hielt sie beide sehr werth.

Nach einigen Jahren heirathete der junge Förster die tugendhafte Tochter eines benachbarten Landmannes, und auch Lyda wurde von einem braven jungen Manne aus der Nachbarschaft als Braut heim geführt.

Es läßt sich kaum beschreiben, wie glücklich sich der alte Baumann und seine Frau bei dem Wohlstande ihrer Kinder fühlten, die sie oft besuchten, und wie diese sich beeiferten, die alten Tage ihrer Eltern angenehm zu machen.

[47] Bald darauf starb der Pfarrer, und es wurde an seinem Grabe viel geweint. Ewald und Lyda pflanzten auf demselben zwei wilde Rosenstöcke. Hier hat man einen guten Mann begraben, und uns war er mehr, sagte Ewald, als er die Rosenstöcke eingesenkt hatte. Ach, sagte Lyda, wo wir einst wie Waldröschen zu blühen hoffen, da wird er jetzt schon leuchten wie ein Stern.

Wo das wilde Röschen steht,
Auf des Frommen Grab,
Sanft ein Lüftchen niederweht
Von der Höh’ herab

Lüftchen flüstert jedem zu,
Der am Hügel weilt:
O, er schläft in süßer Ruh,
Der von euch geeilt!

Jährlich, wenn der Lenz erscheint,
Thut der Knospe Mund
Jedem, der am Hügel weint,
Süße Hoffnung kund.

Sieh, ich geh zum Licht hervor
Nach des Winters Nacht,
Einst wird auch des Grabes Thor
Wieder aufgemacht.