« Sechstes Kapitel Johannes Deinzer
Wilhelm Löhes Leben (Band 1, 2. Auflage)
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Anhang.




Probepredigt
des
Candidaten der Theologie
Johann Konrad Wilhelm Löhe aus Fürth,
über 1. Joh. 1, 8:
So wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.


 Die Glieder einer Gemeinde sind verschieden. Etliche sind wiedergeboren, etliche sind erweckt, und viele sind, die von Wiedergeburt und Erweckung Nichts wissen, die nur mit dem äußern Ohr der Predigt zuhören, aber in ihrem Herzen die himmlische Berufung noch nicht vernommen haben. Ihnen allen soll die Predigt den nöthigen Dienst leisten. Die Schlafenden und Todten sollen durchs Wort des Herrn zum neuen Leben erweckt, die Erweckten zur Wiedergeburt gefördert, und die Wiedergeborenen in dem neugeborenen Wesen gestärkt und befestiget werden. Für die Einen ist dieser, für die Anderen jener Text dienlicher, und es ist des Predigers Amt, Gottes Wort unter die Verschiedenen recht zu theilen.

 Unser Text nun gehört für Wiedergeborene, denn er ist von Johannes selbst an Wiedergeborene geschrieben: Kinder Gottes, aus Gott geboren, mit Gottes Geist gesalbt sind die, an welche Johannes schreibt. Auch paßt der Text nur für Wiedergeborene. Er ist ein warnender Unterricht von der Verläugnung der Sünde, weil die Verläugnung der Sünde ist:

1) eine Verführung seiner selbst vom rechten Weg zum Leben und
2) ein Verlust der Wahrheit aus dem Herzen.
|  Wer nun die Sünde nicht erkannt hat, verläugnet sie auch nicht, wenn er sagt: „Ich habe keine Sünde“; – wer nicht auf dem rechten Weg zum Leben wandelt, wird auch nicht von demselben abgeführt und verführt; – wer die Wahrheit nicht im Herzen trägt, kann sie auch nicht verlieren. Seine Sünde aber erkennen, den Weg zum Leben wandeln, die Wahrheit in sich tragen, sind lauter Zeichen der Wiedergeborenen. So gehört denn unser Text und die Auslegung desselben, mit der sich unsere Predigt beschäftigen soll, für Wiedergeborene. Die Erweckten aber, und welche erst erweckt werden sollen, mögen, was ich sagen werde, getrost mit ihres eigenen Herzens Zustand vergleichen; vielleicht gibt Gott, daß auch ihnen Etwas zur Förderung diene.

 Ihr aber, begnadigte, wiedergeborene Christen, seid ja gedemüthiget durch den Geist eures Gottes und verwerfet ja auch die Lehre, Warnung und Ermahnung nicht, die euch von den Kindern dieser Welt gegeben wird. Darum werdet ihr es auch vertragen, wenn ich aus Begierde, den Text, der euch gehört, euch darzubringen, in der Predigt fehle. Denn ich kann vor euch nicht predigen, sondern nur lallen von geistlichen Dingen, weil ich euch nicht gleich bin in der Wiedergeburt. Doch ist mein Lallen aus gutem Willen, Gott zu Ehre, euch zu Liebe.


I.

 Johannes sagt im ersten Theil unscrs Textes: So wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst. Verführen heißt: vom rechten Weg, der zum bestimmten Ziele führt, abführen auf einen anderen falschen Weg, auf dem man nie zum Ziele kommt. Wer also seine Sünde verläugnet, kommt von dem rechten, sichern Wege ab, verliert die Aussicht auf das selige Ziel und Ende dieses Weges und dazu die Hoffnung es zu erreichen.

 Ihr, die ihr jetzt auf der richtigen Straße dem ewigen Ziele zuwandelt, Heilige und Geliebte, wiedergeborene mit Gottes Geist gesalbte Kinder Gottes! Ihr sehet vor euch das goldene Ziel eures Weges; ihr wisset, wohin ihr geht! – nämlich zur Stadt, die einen Grund hat von Gott erbauet, zur ewigen Heimath, mit der auch jedem von euch, der dahin gelangt, die seinige bereitet ist! Ihr kennet das Ziel! – Und den rechten sichern Weg dahin kennt ihr auch! „Ich bin der Weg“ spricht unser Herr JEsus. Ja, er ist’s auch, euer Weg, JEsus der Gesalbte, der Prophet und Priester und König, mit den reichen Segnungen seines dreifachen Amtes. Ihr wisset den Weg, ja, für jetzt wandelt ihr auch auf ihm: und eure Füße, damit ihr auf ihm wandelt, sind der Glaube. Ihr glaubet an JEsum! ihr wandelt den rechten Weg.

|  Aber beharret auf diesem Weg, seid standhaft im Glauben an JEsum und Sein heiliges Verdienst: Gott mach’ euch standhaft, Sein heiliger Geist erhalte euch im Glauben! – Denn was hilft’s, eine kleine Weile auf dem rechten Pfad gewandelt, eine kurze Zeit geglaubt zu haben?

 Nur wer im Glauben, nur wer auf dem rechten Pfad bis in den Tod beharret, nur der wird das Ende seines Glaubens davon bringen, nur der das Ziel seines Weges erreichen, nämlich der Seelen Seligkeit in der ewigen Stadt.

 Wer aber nicht beharret, wer abkommt von dem einzig rechten Wege JEsu, der kommt zu diesem seligen Ziele nicht! Den Weg hat er verloren, so ist ihm das Ziel entrückt. Wie ein verlorenes Schaf weiß er nicht, wohin er geht, er gehe, welchen Weg er will. Jeder Weg, der nicht JEsus heißt, ist ein Irrweg, ohne Jesum, ohne den Weg, der Wahrheit und Leben ist, geht man immer nur der ewigen Finsternis, dem ewigen Tode zu.

 Vor solcher ewigen Finsternis, vor diesem ewigen Tode möcht’ euch euer Gott in Gnaden bewahren, möcht’ euch gerne sicher zu seiner ewigen und seligen Ruhe bringen.

 Darum hat Er auch den rechten Weg offenbaret, und euch auf ihn versetzt, darum offenbaret Er euch auch in unserm Texte, worin die Verführung von dem einzig rechten Weg bestehet, damit ihr euch gegen sie mit Wachen und Beten besser rüsten könnet! Das ist die Verführung, Geliebte! daß ihr saget: „Wir haben keine Sünde“, daß ihr eure Sünde verläugnet.

 Und das ist wahr. Ja, so wahr in keinem Andern Heil, auch kein anderer Name den Menschen gegeben ist, darin sie sollen selig werden, ja so wahr Jesus der einzig wahre Weg zur Seligkeit ist, so wahr ists, daß die Verläugnung der Sünde die Verführung ist, dadurch wir diesen einzig wahren Weg verlieren.

 Gott hat alle Welt beschlossen unter die Sünde, auf daß Er sich Aller erbarme in Christo JEsu.

 Alle Menschen, die in die Welt kommen, müssen Gott darin Recht geben, daß sie Sünder sind, nur dann haben sie Theil an JEsu Christo und seinem Heile. Aus unbegreiflicher Liebe zu den Sündern, nicht zu den Gerechten, die Sünder selig zu machen von ihren Sünden, hat sich der eingeborene Sohn seiner Herrlichkeit entäußert und Knechtsgestalt angenommen.

 Die Sünde hat Er getragen in Seinem Tod am Kreuz, die Sünder vom Fluch befreiet, eingeladen zu Seinem Reich, „Sünder sind Sein Himmelreich!“

|  Ist aber Christus für Sünder in die Welt gekommen, sind Sünder Sein Himmelreich, so kann freilich an Ihm, an Seines Reiches Seligkeit keinen Anspruch machen, wer kein Sünder sein will, sondern sagt: „Ich habe keine Sünde!“ Er hat ja keine Sünde, was geht also ihn JEsus an, der Sünder Heiland? Was JEsus, die Versöhnung für unsere Sünde? Was das Lamm Gottes, um unserer Missethat willen verwundet, um unserer Sünde willen zerschlagen? Er hat keine Sünde, er ist ja selbst gerecht; wozu für ihn das blutige Sühnopfer, wozu für ihn die fremde zugerechnete Gerechtigkeit JEsu Christi, des Gerechten?

 So verwirft die Welt den einzigen Weg zur Seligkeit, den ihr Gottes höchste Weisheit selbst erfunden hat. Sie will JEsum, sie will den Weg Gottes ihren Augen nicht gefallen lassen, billig kommt sie also auch nicht zum Ziele dieses Weges, zu der ewigen seligen Ruhe Gottes in Christo JEsu.

 Daß nun die Welt der ewigen Seligkeit verlustig geht, ist nicht zu verwundern. Ihr ist kein neuer Sinn gegeben zur Erkenntnis ihrer selbst und JEsu; ihre Augen sind gehalten, ihre Sinne und ihr Herz umnebelt und gefangen vom Gotte dieser Welt, daß sie in JEsu den einzig wahren Weg nicht erkennen kann.

 Aber daß die, die schon erkannten ihre Sünde, und gewaschen waren von derselben, und versetzt durch Gnad’ und Glauben auf den rechten Weg, die schon von fern gesehen und gegrüßet hatten das herrliche Ziel des Weges und geschmeckt den Vorschmack der ewigen Seligkeit, daß die Kinder Gottes, aus Gott geboren, mit Seinem Geist gesalbt, daß ihr, ihr gesalbten Kinder Gottes, – ihr eure Sünde und mit ihr die Nothwendigkeit des Opfers JEsu für euch wiederum verläugnen solltet; – das hätt’ ich nimmermehr für möglich gehalten, wenn nicht Johannes in unserm Texte eures Gleichen, Kinder Gottes, davor warnete!

 Weil’s aber so ist, weil der Geist, der in Johannes lehrte, jene hohen Christen, denen’s bei ihrem schmalen Wege JEsu bereits so wohl geworden war, doch noch für verführbar hält, – freilich ja! so seid auch ihr Geliebte! noch nicht so fest auf dem rechten Weg, daß ihr nicht verführbar wäret.

 Ich sah vorzumal in euch heilige Vorbilder auf dem Weg zur Seligkeit; ich sah euch ausgerüstet mit den Gütern der Gnade Gottes, mit Kraft von oben zu beharren auf dem rechten Weg. O! dacht’ ich, daß du wärest, wie deren einer, diese werden beharren, diese kann Nichts verführen, diese gelangen gewiß zum ewigen Ziel! O, sagte ich, wie wird die Fülle der Gnade sie demüthigen, wie tief werden sie dadurch gegründet werden in der Erkenntnis ihrer Unwürdigkeit und Sünde, wie werden sie Gott| die Ehre geben, wie wird aus ihrem Herzen, von ihren Lippen nie das Bekenntnis weichen: Ich bin nicht werth aller Barmherzigkeit und Treue, die du, Herr, an mir thust! „Und siehe!“ – Und siehe! Ich muß erfahren aus Gottes Wort, daß auch ihr die Warnung vor dem Fall bedürfet, – daß auch ihr JEsum und Sein Verdienst verlassen, euer Verdienst erheben, eure Sünde verkleinern, stolz, selbstgerecht werden und sagen könnet: „Wir haben keine Sünde!“ – Ja denn, wenn ihr’s thut, wenn ihr euch selbst verführt vom wohlerkannten, wohlbetretenen rechten Weg; siehe! so ist eure Verdammnis ganz recht! Ihr seid dann doppelter Streiche werth, über euch muß ein schwererer Fluch erfüllt werden, als selbst über Capernaum, die am meisten Seiner Thaten gesehen und sich doch nicht bekehret hat! denn ihr waret bekehret, ihr liefet fein auf dem lebendigen Weg, ihr hattet Kraft von oben auf ihm zu beharren, und habt ihn sammt seinem ewigen Ziele nichts geachtet!

 O, so verläugnet doch eure Sünde nicht, Geliebte! Betet um Demuth, betet, daß ihr immer kleiner, immer unmündiger vor Gott werden, immer brünstiger das Bekenntnis der Gerechtigkeit allein aus Seiner Gnade vor Ihm thun möget!

 So werdet ihr doch bewahret bleiben, so werdet ihr doch entrinnen dem schrecklichen Gerichte Gottes über die Verläugnung der Sünde, daß sie ewig bleiben muß, was sie ist, eine Selbstverführung vom erkannten rechten Weg, eine immer weitere Entfernung von dem goldenen, seligen Ziel des Christenlaufs, endlich ein ewiger Verlust der seligen Ruhe Gottes in der Heimath.


II.

 Wir haben nun nach dem ersten Theil unseres Textes die Verläugnung der Sünde betrachtet als eine Selbstverführung. Im zweiten Theil des Textes sagt Johannes: „So wir sagen, wir haben keine Sünde, so ist die Wahrheit nicht in uns.“ Die Verläugnung der Sünde ist sonach zweitens ein Verlust der Wahrheit aus unserm Herzen.

 Wenn Johannes von der Wahrheit redet, redet er nicht von ihr, wie die Welt von ihr redet. In der Welt hat ein Jeder seine eigenen Gedanken von der Wahrheit, Jedem gilt etwas Anderes für Wahrheit, aber kein Weltkind kennt sie selbst, keines hat sie selbst gefunden. Die Welt hat keinen Sinn für die Wahrheit. Es geht ihr wie Pilato, sie sucht die Wahrheit, und wenn die Wahrheit endlich lebendig zu ihr kommt, fragt sie doch noch verlegen: Was ist Wahrheit? Nicht so Johannes. Er kennt die Wahrheit, er hat sie gesehen und beschauet mit seinen Augen, betastet mit seinen Händen, sein Haupt hat an ihrer Brust geruht, und mehr als| das, sein Herz hat an sie geglaubet und sie geliebet. Ihr merket, was ich sagen will: „JEsus ist die Wahrheit.“

 Zwar ist JEsus nicht mehr leibhaftig auf Erden, die Wahrheit ist in JEsu aufgefahren in den Himmel. Aber durch Seinen Geist wohnet sie dennoch auf Erden, nämlich in unserm Herzen. Sein Geist lehret uns Ihn kennen, an Ihn glauben und in Liebe mit Ihm verbunden bleiben. Sein Geist lehret uns auch Alles, was zu Seinem Reiche gehört. Wo Sein Geist in einem Herzen wohnet, da ist das Herz mit Wahrheit erfüllt, da ist im Herzen die Erkenntnis göttlichen Wortes ausgegossen, wie eine köstliche Salbe, da ist das Herz mit heiliger Wahrheit gesalbt, irret und lüget nicht. Das ist die Wahrheit, die unser Text meint. Diese Wahrheit aber, dieser Geist der Wahrheit flieht, und die Salbung des Herzens höret auf, wo man wieder seine Sünde läugnet. So wir sagen, wir haben keine Sünde, so ist die Wahrheit schon nicht mehr in uns.

 Wie unser Text sagt, so ist’s ihr Lieben! Denn ehe uns der Geist von der weitern Wahrheit unterrichten, ehe Er in uns die Gerechtigkeit JEsu, der zum Vater gieng, und den Sieg JEsu über Teufel, Welt und Sünde verklären kann, muß Er zuerst unser eigenes Wesen in Seinem Licht uns sehen lassen, uns überzeugen, daß wir Sünde haben. Die Erkenntnis der Sünde ist der Anfangsgrund der Wahrheit.

 Ist aber die Erkenntnis der Sünde der Anfangsgrund der Wahrheit, so muß ja dem die ganze Wahrheit fehlen, der nicht ihren ersten Anfang, der nicht die Erkenntnis der Sünde in sich hat. Und wer, nachdem der König der Wahrheit mit allen seinen Gaben, mit seinem ganzen Reich in ihm eingezogen ist, nachdem die Wahrheit schon Wohnung in ihm gemacht hat durch den heiligen Geist, – wer danach den Anfang der Wahrheit, die Erkenntnis der Sünde verliert, und sagt, er habe keine Sünde, der verliert mit dem Anfang der Wahrheit die ganze Wahrheit, das ganze Reich der Wahrheit sammt ihrem König JEsu aus dem Herzen.

 Hier mögen sich prüfen, die sich lassen dünken, sie wissen Wahrheit und tragen sie in sich, – die unbekehrten, weltlich-weisen Leute meine ich. Was nützt ihnen ihr Wissen, was alle tiefen und mühsamen Untersuchungen über „das Wesen der Wahrheit“, wenn sie nicht den ersten Anfangsgrund der Wahrheit gelernt, wenn sie nicht gelernet haben, daß sie in Sünden empfangen und geboren und dem Gesetz der Sünde unterthan, in sich selber finster, ferne von der Wahrheit Gottes sind? Ein demüthiges, zerbrochenes Herz – das ist allein der Boden, auf dem ein wahres Wissen keimet. Wisse was und so viel Du willst, wenn’s nicht auf den ersten Grundsatz alles Wissens, auf die Erkenntnis der Sünde gegründet ist, bläst es Dich und die Dich hören, doch nur auf und dient euch nicht zum Frieden.

|  Das ist der Weisheit Anfang, daß ein Mensch seine Sünde erkennt und sich fürchtet vor Gott, dem Herrn. Das ist der erste Strahl des anbrechenden Tages der Wahrheit, der Dir die Nacht der Sünden mit allem ihrem Grausen offenbart. Wer aber seine Sünde läugnet, wer sagt, er habe keine Sünde, der weiß das Erste nicht, das man wissen muß, in dem ist auch der erste Strahl der Wahrheit nicht, sondern eitel finstre Nacht.

 Darum, Geliebte! die ihr jetzt noch der Wahrheit Raum gebt und dem Geiste, der euch von der Sünde in euch predigt, noch nicht widersprechet, widersprechet ihm nie! Verläugnet nie die erste Wahrheit des heiligen Geistes, verläugnet eure Sünde nie; denn wie wir gehöret haben, wer diese Wahrheit läugnet, vertreibet alle Wahrheit aus dem Herzen.

 Zwar kommt man nicht gleich von der vollen Erkenntnis der Sünde, wie ihr sie jetzt habt, zu der gänzlichen Verläugnung derselben, mit der die Wahrheit von uns weicht. Aber nach und nach kann’s dahin kommen.

 Es ist die Verläugnung der Sünde inwendig und verborgen: noch betrübt sich Dein eignes Herz, wenn Dein alter Mensch sich wieder heben, diese oder jene Deiner alten oder neuen Sünden läugnen will; noch zeugt der heilige Geist in Dir laut gegen diese innere Verläugnung Deiner Sünde, und Du würdest es noch nicht über Deine Lippen bringen können, zu behaupten: „Diese oder jene meiner Sünden ist keine Sünde!“ Aber gib ihr nur nach, dieser Lust, Deine Sünde zu verläugnen, o wie wird dann die Sünde der Verläugnung so schnell in Dir wachsen, wie wird ein Geist der Verläugnung in Dir Ueberhand gewinnen, und Dich verblenden über alle Sünde, – wie wird Dein Herz immer kecker, immer freventlicher dem Geist der Wahrheit widersprechen, immer zügelloser der Lüge sich überlassen, immer verstockter bei sich selber sprechen: „Ich habe keine Sünde! es ist nicht so arg mit der angebornen Sünde und Sündenlust; auch hab’ ich ihr nicht so oft nachgegeben, als ich dachte; es ist vieles gar keine Sünde, das ich vor Kurzem noch für Sünde hielt!“ – Schon ist Dein Herz voll Verläugnung der Sünde, bald wird Dein Mund davon übergehen. Je lauter Du der Stimme des Geistes, die Dich straft um Deine Sünde, widersprichst, desto leiser läßt sie sich in Deinem Herzen hören. Endlich schweigt sie! Jetzt kannst Du’s ohne Störung heraussagen, was Du meinst: „Ich habe keine Sünde!“ Die Welt wird sich freuen, daß Du in ihre Losung einstimmst, sie wird Dich stärken in Deiner Behauptung. –

 Aber die Wahrheit ist entflohen, der Geist der Wahrheit ist von Dir gewichen, die Erkenntnis der Wahrheit in Dir ist Nacht, Dein Herz ist in Lügen gefangen. Das Ende der Verläugnung der Sünde ist in Dir erfüllt,| der Verlust der Wahrheit ist in Dir völlig worden. Johannes hat Dir’s in unserm Text geweissagt, nun ist’s geschehen. –

 O, wenn Du Dir dann vorkämest, wie ein Engel des Lichts so hell und klar, Du bist doch ohne Licht und aller Lüge voll, wie ein Engel der Finsternis. Gott weiß es, die heiligen Engel und Deine Brüder, die in der Wahrheit geblieben sind, wissen es, und weinen über Deinen Abfall, Deinen Tod. Nur Du siehst Deine Finsternis und Deinen Tod nicht, Du bist der Welt wieder gleich worden, die auch ihre Sünde läugnet, damit sie desto ungestörter sündigen könne. Du bist, wer Du warst, ehe Du Dich bekehrtest, ja Deine Finsternis ist ärger, denn zuvor. –

 Darum, Geliebte! fürchtet solche Finsternis, wachet über eure Seelen! gebt dem ersten Gedanken, der eure Sünde verkleinern oder läugnen will, mit Abscheu und Grauen den Abschied, er ist nicht vom Geist der Wahrheit. Lasset ihn nicht aufkommen in eurer Seele! Ihr wisset nun, er ist der erste Schritt zum gänzlichen Verlust der Wahrheit!




 Wir haben gesehen, Geliebte: „So wir sagen, wir haben keine Sünde, so verführen wir uns selbst und die Wahrheit ist nicht in uns!“ Jetzt sind freilich Viele, welche sagen: „Wir haben keine Sünde“, – und wer seine Sünde bekennt, gilt jetzt als für verführt, in ihm ist keine Wahrheit, er ist in Aberglauben und Finsternis versunken. Man läugnet die Erbsünde und angeborene Sündenlust, die Sünde ist höchstens eine böse Gewohnheit oder Schwachheit, um deren Willen ein guter Vater in dem Himmel Keinem die ewige Seligkeit misgönne. – Aber was ist’s? Soll etwa unser Text, soll Gottes Wort deshalb Unrecht haben, weil so viele Menschen widersprechen? Nicht also! Gottes Wort bleibet wahr! Aber viele Verführte sind jetzt in der Welt, viele, in denen die Wahrheit nicht ist, – weil viele ihre Sünde läugnen. Wir, lieben Brüder! wollen unsere Sünde nicht verläugnen, weder die Erbsünde, noch die andere Sünde; wir wollen im Bekenntnis unserer Sünde bleiben und allein auf JEsum und Sein Verdienst unsere Hoffnung auf die ewige Seligkeit bauen. Am Ende unseres Laufes angekommen in der ewigen Stadt, werden wir erkennen, daß wir die Wahrheit und den rechten Weg zum Ziel erwählet haben. Der große Tag aber wird’s offenbaren vor der Welt!

Amen!




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Nachträge.




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Zu Capitel II: Universitätszeit.




An Frau Dor. Schröder.


Erlangen, am 14. November 1827. 

 Meine liebe Schwester!

 Gestern wollte ich nach meinem Versprechen zu Herrn Prof. Krafft gehen, um H.’s wegen mit ihm ernstlich zu reden. Nachmittags 3 Uhr las er sein erstes Collegium über Dogmatik; nach dem Colleg wollte ich ihm gleich in sein Haus nachfolgen. – Aber ich konnt’s nicht thun. Er kam und sein Colleg begann: „Geheiligt werde Dein Name!“ Gleich vorn herein sprach er mit tiefer Rührung über die Wichtigkeit dieses Collegiums für ihn und that die Gründe dar, warum er’s läse. Die Zeit, welche voll ungöttlichen Treibens ist, der Hinblick auf uns, einst Lehrer und Bewahrer der göttlichen Geheimnisse, und die Wichtigkeit unsers Amts, die Aufgabe selbst: den Grund des Glaubens in wissenschaftlichem Vortrag darzustellen; endlich seine Person (hier füllten sich seine Augen mit Thränen), nicht werth aller Barmherzigkeit und Treue.

 Nachdem er über das Vorbemerkte gesprochen hatte und zu diesem Letzten kam, begann er in Thränen überzufließen – bat, ihm nun, als einem Freunde, zu erlauben, von sich selbst zu reden. – Du hast ihn selbst einmal gesehen und den Mann an ihm gefunden. Diesen Mann denke Dir nun von| innerem Gefühle so übermannt, daß er das Haupt auf den Katheder beugen mußte und laut einige Secunden schluchzte. – Welch’ eine Einleitung in ein Collegium! So hat wohl noch keiner gelesen: sein ehrwürdig Haupt, seine salbungsreichen Vorträge, seine Mannheit, seine Kämpfe gegen Außen, sein heiliges Leben – alle diese Erinnerungen waren mir Einleitung genug. Nun aber diese Thränen und unter Thränen die demüthigsten Selbstbekenntnisse über die äußere und innere Führung seines Geistes zu diesem Stand, auf dem er jetzt steht und von vielen so sehr gelästert wird, – die Beschreibung von seiner Entfremdung vom wahren Leben in Gott und Christo, sein Glaubenskampf, der ja keinem erspart wird, seine Seligkeit nun, der Friede, von dem Niemand wisse, außer wer ihn empfangen habe, – sein Gebet: „Herr, Du hast mich erlöset, Du treuer Gott!“ – sein „Amen!“ unter Freudenthränen, wie ich’s nie gehört –, daß Alles Dir nur gleich geschrieben stände! –

 Das war ein Collegium, nach dem ich ihm nicht heimfolgen mochte. Wir giengen Alle aus dem Auditorium, Keiner konnte den Andern fragen: Was meinst Du?

 Nach einem solchen Kampf und solchen Erfahrungen im geistlichen Leben muß man Dogmatik lesen. Diese andern glaubenslosen Professoren – ich habe keinen Begriff mehr, wie die noch Dogmatik lesen können. Wer so geführt worden ist, den will ich hören, der redet, was er erfahren hat und so am gewissesten weiß.

W. Löhe. 




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 Seite 67 und 68 dieses Bandes ist erwähnt, daß Löhe Woche um Woche allsonnabendlich nach der geliebten Heimath wanderte, um am Sonntag Abend den Rückweg in die Universitätsstadt wieder anzutreten. Sturm und Wetter vermochten nicht, vom gewohnten Gang ihn abzuhalten.

 Von diesen zahllosen Gängen zwischen Fürth und Erlangen blieb einer ganz besonders in Löhe’s Gedächtnis, auf dem er innerlich annähernd Aehnliches erlebte wie Luther, als ihn auf der Reise zu seinen Aeltern ein schreckliches Gewitter bei Stotternheim ereilte. Wir theilen die hieher gehörige Stelle seines Tagebuches sowie einen Brief mit, in welchem er die Anfragen der besorgten Mutter und Schwester beantwortet.


Tagebuch vom 14. Januar 1828. 

 Gestern war ein merkwürdiger Tag für mich. Max begleitete mich bis zum Ende des Stadlinger Waldes. Da wir zur Stadt hinaus giengen, meinte ich: ich würde heute von Regen und Wind nichts zu fürchten haben. Wir giengen ruhig fort, und da wir von einander schieden, fieng es an stark zu regnen, und bis ich Stadeln erreicht hatte, goß es vom Himmel, ein schrecklicher Sturmwind heulte und ließ mich und einen Knaben und ein Mädchen (beide von Eltersdorf) kaum gehen. In Stadeln warteten wir. Indeß da es nicht aufhören wollte, vielmehr zuzunehmen schien, der Wind furchtbar brauste und Ströme des Regens fielen, band ich meine Mütze auf den Kopf und vermaß mich „den Streich zu thun“ und nach Mannhof weiter zu gehen. Aber guter Gott! ich lief, um durch größere Gewalt den Wind zu besiegen. Links war das zum See gewordene Flußthal vom Sturmwind aufgewühlt; rechts kam Sturm und Regen her, der ganze Himmel war verhängt.

 Und da ich mich fortarbeitete, sah ich plötzlich einen leuchtenden Blitz niederfahren und ein Donnerschlag folgte ihm. Nun erkannte ich des Herren Stimme, die mir Buße predigte; ich betete, daß er mich nicht dahin nehmen wolle in meinen Sünden. Denn gar leicht konnte ich umkommen. Im Wald von Eltersdorf lagen die schönen Bäume ausgerissen mit den| Wurzeln, junge, schlanke Bäumchen umgebeugt, und die Bauern glaubten – in solcher Jahreszeit an Blitz und Donner nicht gewöhnt –, die Bäume stehen im Feuer. – Ach was ist der Mensch, daß Du sein gedenkst, und des Menschen Kind, daß Du Dich sein annimmst? – Nachdem ich mich beim guten Ebersperger in Mannhof getrocknet, gieng ich unter Sternenschimmer weiter. Dabei gab der Blitz oft meinen Gebeten um Erhörung Antwort mit sanftem Wetterleuchten.

 Ach Herr! ehe ich das Leben in Dir gefunden, nimm mich nicht von der Welt! Laß mich selig sterben! – Selig sind die Todten, die im Herrn sterben! Amen.




 Meine liebe Doris!

 Alle Eure Sorgen werfet auf Ihn, den Herrn, der Euch gemacht hat.

 Warum soll ich mich vor Gott im Wetter fürchten? Er kann im sanften Schlafe dem Herzen Einhalt thun, daß es stille steht. In Seine Hände befehle ich meinen Geist. Er hat mich erlöset der treue Gott. (Ps. 31, 6.) Der Blitz über dem wogenden Flußthal, der Donner zu meinen Häupten, der Sturmwind, der meine Füße zum Gleiten bringen wollte, das ganze furchtbare Wetter hatte meine einsame Seele an ihre Sünden erinnert. Darum erinnere ich mich nur des Gebetes: „Straf mich nicht in Deinem Zorn!“

 Aber einen Augenblick währet die Noth, und bald kehret der Friede und die Freude wieder ein. Als das Wetter zu Ende war, gieng ich in ein Bauernhaus und ließ meinen Mantel abtropfen. Denn da ich auf ganz freiem Feld, neben dem Flusse hingieng, hatte ich den Regen, den der Sturmwind jagte, gleich vornweg. Aber vielleicht ist mir gerade in diesem Bauernhaus Gelegenheit gegeben, den Samen des göttlichen Wortes| auszustreuen. Denn als ich meine Bücher aus dem Mantel that, äußerte der Bauer den Wunsch, in jetziger Winterzeit auch etwas zum Lesen zu haben.

 Nach dem Wetter gieng die Sonne freundlich unter, der Wind legte sich, die Sternlein schimmerten, das Wetterleuchten begleitete meine Gebete: und so angenehm gieng ich gar nach Erlangen.

 Den Abend lang währet das Weinen, aber des Morgens die Freude. Ps. 30, 6.

 Wenn Du lechzest nach einem Gnadenblick: harre nur und glaube; eine kleine Weile wird er sich verbergen und um so schöner alsdann hervorgehen, der, den unsere Seele liebt! Nach dem Wetter kommen die Sterne herauf! Flehe nur: Ach bleibe bei mir, denn es will Abend werden! und er wird Deiner Bitte nicht widerstehen. Jes. 40, 29–31. Glaube nur! Auch wenns dunkel ist, bleibt er bei Dir! Harre aus! Klagelieder 3, 31. 32. „Sei getreu bis in den Tod, so wird er Dir die Krone des Lebens geben!“




An Frau Dor. Schröder.


(Berlin.) Patmos D. D. p. Tr. II. 14. Juni 1828. 
 Ich bin diesen Nachmittag bei dem ächt frommen, evangelischen Strauß in der Kirche gewesen. Er hat 11/2 Stunden blos gepredigt. Die Predigt war köstlich. Jetzt merke ich erst, was ein rechter Pfarrer ist, nachdem ich weiß, was es um die Religion zu sagen hat. Ich gehe nun auch unter der Woche einmal, am Mittwoch Abends in eine Predigt. Denn das Studium, wo oft abziehende Dinge vorkommen, treibt mich, jedes Wort des Geistes zu suchen und mein Herz dadurch stärken, trösten, erfreuen zu lassen. Gott sei Dank, ich spüre Eure| Gebete an meiner Seele! Ich komme meiner Erlösung immer näher: ich bin erlöst, aber mein Glaube ist noch ein Wickelkind. Ich werde aber zunehmen, und meine Seele wird bald, recht bald genesen. Gottes Heer ist mir schon begegnet, bald werd’ ich Ihn selbst sehen, den Erlöser Jehovah Jesus Christus! Gelobet, gepriesen, angebetet sei das Lamm, das meine Sünden getragen und mir Gerechtigkeit ohne all’ mein Zuthun vor Gott erworben hat! Amen.
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 Der fromme Pfarrer Goßner hat heute früh die Eheleute so ermahnt: „Du, Mann, sprich zu Deiner Frau: Liebe Frau! komm’, laß uns zu Jesu gehen zusammen. Zwei sind ihm lieber, denn Eins!“ Ja wohl, meine Lieben! das ist die rechte Ehe, da man in Christo durch den Glauben an die Versöhnung und Gerechtigkeit durch Sein Blut vereinigt ist. Schon der alte Kirchenvater Tertullian vor 1600 Jahren sagt von der Ehe, ihr lieben Eheleute: „Welche Verbindung zwischen zweien Gläubigen, sie haben Eine Hoffnung und Eine Richtung ihrer Wünsche; sie dienen Einer Lehre und Einem Herrn. Es ist eine Verbindung des Geistes wie des Fleisches: Ein Geist und Ein Fleisch. Sie lesen mit einander die Schrift, sie beten mit einander, sie fasten mit einander, sie belehren, ermahnen, tragen einander gegenseitig; sie finden sich mit einander in der Kirche, bei dem Mahle des Herrn ein; Noth, Verfolgungen, Freude theilen sie mit einander; keiner verbirgt dem Andern etwas; keiner neidet den Andern, keiner wird dem Andern lästig; frei kann der Kranke besucht, der Arme unterstützt werden; Psalmen und Hymnen ertönen unter beiden, und sie wetteifern mit einander, wer seinem Gott am besten singen könne. Christus freuet sich, indem er solches siehet und höret; solchen sendet er seinen Frieden. Wo zwei in Seinem Namen eins sind, da ist auch Er. Wo Er ist, da ist| der Böse nicht.“ Merket Euch, meine lieben Leute, diese schönen, frommen Worte des uralten Christen und Kirchenvaters und thut darnach. Solch’ eine Ehe meint der Herr Christus auch. Gott geb’ Euch dazu Gnade. Solcher Eltern Segen muß der Kinder Häuser bauen.

 Für Dich, meine Schwester, habe ich ein Wort aus der schönen Predigt von Strauß gemerkt. „Wem das Glück zu Theil geworden ist, eine fromme Mutter gehabt zu haben, die ihr Kindlein unter Gebeten auf den Armen trug, dem fällt in reifen Jahren bei mancher göttlichen Wohlthat ein: das ist ein Segen, ein Gebet Deiner Mutter in seiner Erfüllung und Erhörung. Und eben das Plötzliche des Gedankens ist ein Zeugnis seiner Wahrheit – er ist von Gott!“ Willst Du Deinen Kindlein solchen Segen nicht bereiten? Deine Mutter- und Gattenpflichten müssen Dir vorzüglich heilig sein. Die Wiege, die Schlafkammer Deines Kindes sei Dir wie eine Kapelle zum Gebet geweiht. Sieh’ in Deinen Kindern nicht die Sprößlinge Deines Fleisches, sondern erlöste Seelen Jesu Christi an, die er einst von Dir fordern wird. Gebet und Liebe sei Deine Pädagogik. Deine Kinder seien Dir heilig! jede Berührung, jede Rede vor ihnen geschehe mit Bedacht. Sei, meine Liebe, eine rechte Hausfrau, wie Petrus und Paulus die christlichen Frauen beschreiben. Das muß seliger Beruf für Dich sein: Dein Haus im Aeußern und Innern als einen reinen Tempel Jesu zu schmücken. Dein Haus sei Deine Welt. Ich weiß nichts, was lieblicher wäre vor Gott und Menschen, als eine fromme Mutter und Gattin unter den Ihrigen: Glaube an den Herrn Jesum Christum, so wirst Du und Dein Haus selig! Amen....

 Ich bitte Euch nichts Frömmelndes in’s Missionskränzchen einschleichen zu lassen etc. Wer Gelegenheit hat, lese doch besonders| Luthers Schriften recht fleißig. Den großen Katechismus von Luther (Frankfurt a. M. sehr schöne Ausgabe, kostet nur 48 Kr.) sollte Jeder haben. Er ist zugleich Beicht- und Communionbuch. Wenn ich wieder komme, trag’ ich darauf an, für jedes einen kaufen zu dürfen.

 Strickt nur recht viel Strümpfe, die Basler Mission brauchts für ihre Missionare, sie müssen gar weit darauf laufen und sind ihrer Viele und müssen noch mehr werden. Sie thut im Vertrauen auf Gott fast über Vermögen, menschlich zu reden, die Basler Mission!

 Betet für die Heiden und die Missionare und vergeßt die Juden nicht. Betet für die ganze Kirche um den Geist des Herrn, der sich mächtig erweisen wolle an mir und Euch! Amen.

 Und nun ist’s Zeit den Tag zu enden und schlafen zu gehen. – Du fragtest noch nach meiner Gesundheit? Nun, hundert Jahr werd’ ich schwerlich alt werden. Ich bin soweit indes gesund. Wenn ich beim Herrn daheim bin, wohin ich mich sehne und immer mehr sehne, dann bin ich ganz genesen. – Gute Nacht, Schwager und Schwester, schreibt mir bald wieder, Ihr könnt’s beide so gut als ich, das Schreiben. Gott stell’ Euch die güldnen Waffen um’s Bett und seiner Helden Schaar. Friede sei mit Euch. Amen.




An Frau Dor. Schröder.


Berlin, am 31. Juli 1828. 
 Sieh, meine liebe Schwester, Du hast durch des Geistes Kraft erhörlich beten lernen, bete für Deinen schwachen Bruder. Er soll Schafe und Lämmer auf die selige Weide führen und ist selbst immer nur Moses, der vom Todesberge Nebo hinüber| sieht in’s Land, wo Milch und Honig fleußt. Nach Canaan soll er führen und kommt nicht weg aus Aegypten, und ist er ein wenig draußen, sehnt er sich wieder zurück und tanzt um’s goldne Kalb in der Wüste! Daß Kraft werde den müden Gliedern, daß der Thau aus der Höhe das matte Herz erquicke; daß – daß Christus Deines Bruders einzige Liebe, Hoffnung mnd Trost sei – das, ach! und wozu der Geist Dich treibt, das bete für den, der nie ein gut Wort hat zu Dir reden können, für Deinen Bruder, der mit einem neuen, demüthigen, gebrochenen Herzen und einem gewissen Geist wieder unter Euch kommen möchte zu Lob und Preis Seines herrlichen Namens.
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 Dies, liebe Schwester, wie ich es mir selbst zur Lehre gebe, schreibe ich Dir als Antwort auf eine Stelle Deines Briefes, wo Du klagst, daß Er noch immer nicht recht in Dir Wohnung gemacht habe. Er wohnt oft wo, und man weiß es nicht, er hat solches Incognito gern, und Luther, bei dem er gar oft und viel so verborgen und heimlich wohnte, spricht: der Mensch glaubt nur so viel, als er um seinen Unglauben weiß. Denn das glaube ich ja nicht, daß Du über Mangel an süßen Gefühlen klagen wolltest. Diese machen es nicht und sind für den Menschen im Fleisch gefährlich. Nur im Glauben verspricht der Herr in uns zu wohnen: Das ist eine göttliche Gewißheit und kann durch kein menschliches Gefühl bestätigt werden. Die heiligsten, gläubigsten Menschen fühlten ihre Sünden am meisten; denn die Sünde wird hie keiner los – wie bald würden wir sonst Sein vergessen, wir Elenden! Dies Sündengefühl ist allein der rechte Boden des Glaubens: da wächst der edle Baum heraus mit seinem kräftigen Stamm und seiner reichen Früchtenkrone hoch in den Lüften! Denn das ist eben die Herrlichkeit des Glaubens, daß die Sünde verstummen muß, und das durch’s Blut Christi versöhnte Herz über die Sünde| hinweg sich zum Himmel schwingt und in der Vereinigung mit Ihm Ruhe hat, aber keine faule Ruhe.
Dein 
Wilhelm. 




An Frau Dor. Schröder.


Berlin, am 9. August 1828. 

 Mein lieber Schwager! Meine liebe Schwester!

 Ich habe eben jene wunderbare Geschichte Matth. 8, 23–28 gelesen und bin von dem: Und er schlief! ganz besonders ergriffen worden. Wer ist der, meine Lieben! Meer und Himmel brausen, er wird auf dem umhergeworfenen Fahrzeug mit Wellen übergossen, Hilfe ist fern: meine Lieben, wer ist der, der unter solchem Tumult noch schlafen, sanft schlummern kann? Bin ich, seid Ihr so? Hat in voriger Nacht ein starker Regen an mein Fenster angeschlagen, wie bin ich aufgefahren! – Das macht: in Ihm wohnte die Kraft, die Himmel und Erde geschaffen, dem Sturm, der brausete, dem Meeresungestüm, das donnernd schäumte, gerufen hatte! Der das Meer und den Sturm geschaffen, sollte Den Sturm und Meer begraben? Er schlummert sanft in höchster Noth: denn wo in einem Herzen Sein Friede wohnt durch Sein Blut, das ist ruhig in jeder Noth; wie sollte der sich gefürchtet haben, welcher nicht eine Wohnung des Friedens, sondern der Friede selbst ist! Er konnte schlummern! Und wir, meine Lieben, wenn wir damals, da wir in einem großen Wetter auf dem Stadelhof waren, wenn wir auf einmal die Blitze zurückfahren, den Donner schweigen die Wolken vom Himmel fliehen, die Regengüsse versiegen und die Sonne heiter und mild über der Erde hätten scheinen sehen! Hätten wir nicht gesagt: das ist Gottes Finger, was ist das für eine Gewalt, die Solches kann! Und nun Jesus steht auf| vom Schlummer, spricht ruhig ein Wörtlein: und das Schifflein geht sanft, und ein sanfter Wind bläst in das Segel hin zum jenseitigen Ufer, und der Himmel ist heiter! Dessen Wörtlein solche Macht hatte: meine Lieben, wer ist der? Der ist’s, der für unsere Sünden und Gerechtigkeit am Kreuz gestorben ist, der unser Freund, Gott und Herr, unsere Zuflucht für und für sein will in Ewigkeit! Der ist’s, zu dem unsere Väter sich gewendet haben, wenn’s Schifflein schwankte, und er antwortete immer: „Fürchte Dich nicht, ich bin bei Dir!“ „Ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen, Du bist mein!“ Auf ihn starben die Väter getrost, denn Sein Wort ist wahr und hat gewiß verheißen das ewige Leben.

 Wer wollte nicht alle seine Sorgen werfen auf Ihn? Wer wollte zagen, wer wollte zittern: wenn auch der Leib vergehen will in Noth, unser Herz ist stille zu Ihm und harret von Ihm seiner Erlösung!

 Man muß diese Geschichte den gebärenden Müttern vorführen[1], denn, wie David dankend spricht: „Du hast mich aus meiner Mutter Leibe gezogen! Du bist mein Gott von meiner Mutter Brüsten an!“ – so ist es auch: Er, Er muß Alles thun! Er thuts gar! Ohne Seine Hilfe, was kann Amme und Arzt thun? Wer Ihn zum Freunde, wer Ihn im Schifflein an einem Ort (dem Herzen) ruhen hat, der kann sicher im Sturm schiffen; und wenn er nicht mehr nach Hilfe schreien kann, meinst Du das Schifflein werde untergehen? Ich sage Dir, mit Ihm ist Sterben leicht! Vielleicht geht dies irdische Schiff der Seelen, dieser irdene Tempel Christi unter: aber ehe es unter geht, steht, sichtbar für des Scheiternden Auge, ein Schifflein| in der Luft und der gute Seemann drin und die Seele, die nach irdischem Glück schiffte und um irdische Gesundheit betete, siehe! auf einmal landet sie im ewigen Vaterland und Er trägt sie an Seiner Brust als ein neugeborenes Kind in den Himmel! Wer mit Christo im irdischen Schifflein schifft, wenn er nicht mehr schreien, nur glaubend schweigen und harren kann: weil der Herr mit im Schiff, könne er nicht übel fahren, der ist gerettet, wenn er noch in Gefahr schwebt! ...
Euer 
W. L. 




Erziehungsregeln.
Ein Weihnachtsgeschenk Löhe’s für seine Schwester.
24. December 1828.




I.

 Alle Sünden blieben unter göttlicher Geduld bis auf Christum. Röm. 3, 25.

 Der Herr verzieht nicht die Verheißung, wie es etliche für einen Verzug achten; sondern er hat Geduld mit uns, und will nicht, daß Jemand verloren werde, sondern daß sich Jedermann zur Buße kehre. Achtet die Geduld unsers Herrn für eure Seligkeit. 2. Petri 3, 9–15.

 Wer sich immer mehr kennen lernt beim Licht des göttlichen Wortes, der weiß nicht, warum unser Gott mit uns Sündern so viel Geduld hat: darum (Matth. 18, 21–35) hat er Geduld mit denen, welche er erziehen soll, jahrelange Geduld! Denn Gott hilft schon mit, und wo Er hilft und dabei ist, wirds nicht umschlagen! Amen.


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II.

 Meine Schwester! Siehe, wie liebevoll, wie schonend Jesus im Neuen Testament mit den Sündern umgeht! Ich erinnere mich nicht, daß er auch nur einmal gespottet hat! Er weint – er ladet ein! er ist ernst und scharf! Aber der Grund aller seiner Handlungen ist Liebe!

 So thut er mit uns! So wollen wir auch mit denen thun, die er uns auf die Seele gebunden hat, wenn sie fehlen, wenn sie irren und es ihnen schwer wird, dem Zug des Vaters zum Sohne zu folgen, den sie doch fühlen! Laß uns kein spottendes, kein spitziges Wort reden: ernst lieben, liebend ernst sein – und immer zeigen, daß wir im Herzen weinen, wenn unsre Kinder und Angehörigen den Jammer erfahren, den Vater in Christo noch nicht lieben zu können. Denn wie sieht’s in uns aus, wenn manchmal der heilige Geist aus uns weicht!! O laß uns nie durch Spott, durch Lachen, durch geringschätzende Geberden das Werk des Geistes in Andern, am wenigsten in unsern Lieben, hindern; denn wir wollen’s und sollen’s fördern! – dies, meine liebe, theure D., kann leichter geschrieben, als gesprochen werden, denn es trifft mich selbst mit!


III.

 Ueberhaupt ist Gottes Verfahren mit den Menschen im Alten und Neuen Bunde das Muster für alle Väter und Mütter, die recht erziehen wollen! Lies also die Bibel zu diesem Zweck!


IV.

 Bete! und ohne Beten wolle nicht erziehen! All’ Tritt und Schritt geh Jesus mit.




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Zu Capitel III: Stillleben in Fürth und erste Thätigkeit im geistlichen Amt.




An Heller (?).
 Siehe Seite 98 dieses Bandes, sowie den Anhang zu demselben.


Fürth, 16. November 1830. 

 Liebster Bruder!

 Was Deinen letzten Brief anlangt, so hältst Du überall zu viel auf mich. Meine Widersacher werfen mich in den Koth, meine Freunde thun das Gegentheil. Es bleibe mir nur Deine Liebe.

 Rector Roth hat mir am 10. November geschrieben: „Ich habe erst heute in Riegers Betrachtungen zu Act. 26 gelesen: ,ein Christ hängt nicht am Erfolg allein, sondern begnüget sich zu thun, was ihm Gott begegnen läßt.‘ Sie haben nun die Miethlinge auf einmal recht kennen lernen. Es wird Ihnen gewiß zum Segen gereichen, der ungerechten Gewalt ohne Murren zu weichen und dahin zu gehen, wohin Sie irgend ein göttlicher Ruf weisen wird.“

 Ich bin gar willig, wo’s Schweigen gilt und Weichen. Aber ob nicht neben der Furcht beim..... auch wirklich Sorge für die Heerde sei, das weiß ich nicht. Ich will lieber lernen Gott preisen und unterthänig sein als räsonnieren. Deine Bemerkung über den Mangel meiner Predigt ist gut: ich hab’ sie| hundertmal schlechter gemacht. Doch das haben sie in Ansbach nicht getadelt. Die Hauptsache ist die galiläische Sprache, d. i. die biblischen Ausdrücke und das Wort. Z. B. hatte ich geschrieben:

 „Aus unbegreiflicher Liebe zu den Sündern, nicht zu den Gerechten, – die Sünder selig zu machen von ihren Sünden, hat sich der eingeborene Sohn seiner Herrlichkeit entäußert und Knechtsgestalt angenommen. Die Sünde hat er getragen in Seinem Tod am Kreuz, die Sünder vom Fluch befreit, eingeladen zu seinem Reich: „Sünder sind sein Himmelreich!“ (Aus einem alten Lied.)

 Hier bemerkte B.: „Haben Sie sich nicht vor diesem Gedanken selbst entsetzt?“ Ich: „Nein.“ Ich meinte es, wie der Herr selbst sagt: „Er sei ein Arzt der Kranken und gekommen die Sünder zur Buße zu rufen; nicht die Gerechten.“ Er: „Sind denn nicht vielmehr die Gerechten sein Himmelreich?“ Ich: „Ja! Aber sie werden alle bekennen, daß sie Sünder sind.“ – Er – sagte Nichts.

 Ein andermal hatte ich geschrieben, die Wiedergeborenen anredend (B. behauptete, es könne sich Niemand wiedergeboren nennen, die Wiedergeburt werde erst dort vollendet. Ich: „Aber doch wissen wir, daß wir Gottes Kinder sind.“ 1. Joh. 3, 12.)

 Ich sah vorzumal in euch heilige Vorbilder auf dem Weg zur Seligkeit: ich sah euch ausgerüstet mit den Gütern der Gnade Gottes, mit Kraft von oben, zu beharren auf dem rechten Weg. O, dacht’ ich, daß Du wärest, wie deren einer! Diese werden beharren, diese kann nichts verführen, diese gelangen gewiß zum ewigen Ziel! etc. – Und siehe, ich muß erfahren aus Gottes Wort, daß auch ihr der Warnung vor dem Fall bedürfet, daß auch ihr Jesum und sein Verdienst verlassen und euer Verdienst erheben, eure Sünde verkleinern,| stolz, selbstgerecht werden und sagen könnt: „wir haben keine Sünde!“ Ja denn! wenn ihr’s thut, wenn ihr Euch selbst verführt* vom wohlbekannten, wohlbetretenen rechten Weg; siehe! so ist eure Verdammnis ganz recht.

 Die Stelle könnte einfacher sein und hat vielen Tadel. Aber B. setzte mich zur Rede, warum ich diese Wiedergeborenen Vorbilder nenne. „Einer ist Euer Meister, Christus“, sagte er. Ich schwieg. Denn ich dachte: das „vorzumal“ hat er übersehen und nimmts nicht im Zusammenhang. Und daß Vorbild nach Phil. 3, 17, 1. Petri 5, 3 ein gut biblisches Wort sei, fiel mir nicht bei.

 Bei dem Zeichen * bemerkte er: „Ja, wer hat sie denn dann verführt, wer ist denn Schuld daran, als Sie? Sie loben sie so, nennen sie da: Heilige und Geliebte, Wiedergeborene, aus Gott geborene, mit Gottes Geist gesalbte Kinder Gottes.“

 Ich hatte geschrieben: der Text gehöre für Wiedergeborene. 1) „schreibe ihn Johannes an solche (Kinder Gottes, aus Gott geboren, mit seinem Geist gesalbt nenne er sie); 2) „auch paßt der Text nur für Wiedergeborene“, denn er handelt von Verführung; verführt könne aber niemand werden, außer wenn er zuvor auf dem rechten Weg gewandelt habe (verführen = vom rechten Weg abführen, der zum Ziel bringt). Er handelt vom Verlust der Wahrheit aus dem Herzen (siehe den Text); was man aber nicht habe, könne man nicht verlieren. Das ließ er aber nicht gelten, daß einzelne Aussprüche der Schrift mehr dem, andere mehr jenem Grad des Christenthums förderlich seien: Alles für Alle.

 Das habe ich nur Dir geschrieben, damit Du die Sache gründlich wissest, und hab’s sonst niemanden geschrieben. Es| ist mir selbst das viele Schwatzen über die Sache zuwider und bitte ich Dir ab, wenn ich Dich mit diesem Briefe peinige...
Dein W. L. 


An Frau Dor. Schröder.
Ein Seitenstück zu der Predigt-Disposition Seite 112 und 113.


Leinleiter, am 25. Januar 1831. 

 Ich sehe mich immer als einen Missionarius an und predige deshalb immer: Ihr seid große Sünder, nur in Jesu Gottes Kinder durch die Erlösung in Seinem Blut. Der Inhalt meiner Predigt über das Evangelium am vorigen Sonntag war dieser:

 Eingang: Matth. 8, 1. Es folgete Ihm viel Volks. Es gibt viel Maul- und Namenchristen. (Es. 29, 13. Marc. 7, 6.) Der Aussätzige und der Hauptmann sind allein krank und glauben. Wenige wollen geistlich krank und ohne zu schauen gläubig sein. Der breite Weg ist voll, der schmale Pfad ist leer. Ich bin einer von denen, die den Helfer preisen; er will Allen helfen, Alle sind krank: der Haufe wie der Aussätzige und Hauptmann: ich gehe vor dem Arzt her und schreie:

Thema:
Israël! Israël! Der Herr ist Dein Arzt!
2. Mos. 15, 26.

 Uebergang: Bilde sich keiner ein, er sei nicht krank, nicht Sünder! denn es gibt zwei Arten Kranke in dem großen Spital der Welt:

a. solche, denen die Krankheit auf dem Gesicht geschrieben ist,| die sie nicht verbergen können, offenbare Sünder: Hurer und Huren, Diebe, Mörder, Sabbathsschänder, Verläumder etc.;
b. solche, bei denen die Krankheit mehr inwendig steckt, die dabei außen sich schön schauen können, das ist der rechtschaffene Hochmuth, die hochmüthige Rechtschaffenheit etc. Die zweite Art ist gefährlicher krank als die erste. Wenn einer aussätzig wird, kann man seine Krankheit leichter heilen, als wenn der Krankheitsstoff inwendig steckt. Drum glaube Jedermann dem göttlichen Worte, welches alle Menschen wegen der Sündenseuche anklagt und verdammt, ein Jeder komme zum Arzt, wie der Aussätzige und Hauptmann und lerne aus ihrer Geschichte:
I.
Glaubet! A. Seid demüthig, wie der Aussätzige und Hauptmann:

 Dazu gehört:

a. daß ihr dem Arzt eure Krankheit (Sünde) bekennt und klaget. V. 8
b. eure Ohnmacht, euch selbst zu helfen. V. 2. Du kannst (ich nicht);
c. eure Unwürdigkeit, von Jesu Hilfe zu erlangen. V. 8. V. 2. (So Du willst.)

B. Seid gläubig, wie der Aussätzige und Hauptmann:

a. an Jesu Macht. (V. 2. Du kannst.) V. 8–9;
b. an Seinen Gnadenwillen (nicht zweifeln, wie der Aussätzige, V. 2, sondern es glauben, daß er gerne will, wie aus dem Betragen des Hauptmanns zu erweisen ist).
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II.
Selig die Gläubigen!  Dann wird Jesus so gut für Euch ein hilfreicher Arzt sein wie für den Aussätzigen und den Hauptmann.
a. Er wird Wohlgefallen haben
α. an eurer Demuth Ψ 51, 19. 34, 19. Jes. 57, 15.
β. an eurem Glauben Jer. 5, 3.
b. Euer Gebet erhören und thun was Ihr begehret (heilen vom bösen Gewissen und aller Gewalt des Satans und der Sünde. V. 3, 13. Ψ 145, 19).
c. Euch dereinst in Sein Reich aufnehmen V. 11 (ewig heilen).

Vermahnung.


III.
Wehe den Ungläubigen!  Seid und werdet Ihr aber nicht demüthig und gläubig, so wird Er für euch so wenig Arzt sein, wie für die Kranken, die noch im Haufen (Matth. 8, 1) waren; sondern:
V. 13 a. Ihr werdet immer kränker werden; (Eure Sünden werden immer zunehmen.)

b. Ihr werdet in Euren Sünden sterben;
c. Ihr werdet an ewigem Fieber, Krankheit und Tod nicht ersterben können.

Vermahnung.


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An Frau Schröder.


Streitberg, den 29. Januar 1831. 

 Bis heute Morgen bin ich in Leinleiter gewesen, also fast vierzehn Tage. Am Donnerstag Abends kam Gebhardt von Hof zurück. Am Freitag wollte ich eben nach Gebhard’s Betstunde von Leinleiter nach Streitberg gehen, als die Männer von Leinleiter kamen und ihren Pfarrer baten, er solle ihnen gleich eine Bittschrift an’s Consistorium und Decanat machen, darin sie sich den Candidaten der Theologie Löhe zum Pfarrverweser erbitten wollen. Der Pfarrer hatte es schon selbst im Sinn, schrieb also den ganzen Tag einen prächtigen Bericht und Bittschrift, während ich Schule hielt. Abends versammelte sich die Gemeinde und schickte um halb zehn Uhr den Stiftungspfleger und Schultheißen und zwei andere Bevollmächtigte zur Unterschrift. Bin unter den Leinleiterern einer von den Kleinen, und sieht artig aus, wenn so vier große verständige und schöne Männer dieses Bergvolks neben Deinem geliebten, schmächtigen Brüderlein stehen. – Heute in aller Frühe sind zwei von den Vieren im tiefsten Schnee über Berg und Thal nach Bamberg gelaufen, um ihre Bittschrift selbst zu überbringen. – Du siehst, ich liebe nicht allein die Leute, sondern werde auch von ihnen geliebt, so scharf ich ihnen gepredigt habe. Würde ich zu ihnen kommen, so würde ich ohne Zweifel meine Widersacher auch finden. Denn ich begehre kein anderes Loos als Jesus und Seine Bibel: den Einen ein Dorn, den Andern eine Rose, den Einen ein Geruch des Lebens zum Leben, den Andern ein Geruch des Todes zum Tode! Ach ich armer Sünder! ich bin meines Heilands! Amen.

 Ich habe gebeten, man soll mir diese Gemeinde geben, der Pfarrer hat’s auch gethan, Kündinger, Gebhardt und Kraussold haben’s auch gethan mündlich bei Kraussold’s| Einsetzung, die Gemeinde thut’s auch. Etwa meint ein hochwürdiges Decanat und Consistorium, dahinter stecke etwas und thut gerade nicht was wir begehren. Ich bin auf alles gefaßt. Es kann kein Haar von meinem Haupte fallen ohne Des Willen, der mir elendem Sünder in Christo Jesu doch ein Vater worden ist. Sein, Sein, Sein, nicht mein, nicht Gebhard’s, nicht Kündinger’s, nicht der Gemeinde Wille geschehe.

Wie’s Gott gefällt, so lauf’s hinaus:
Ich laß die Vöglein sorgen,
Kommt mir das Glück heut’ nicht zu Haus,
So wird es doch sein morgen.
Was mir bescheert,
Bleibt unverwehrt,
Ob sich’s schon thut verziehen:
Dank Gott mit Fleiß,
Soll’s sein, so sei’s,
Er wird mein Glück wohl fügen.




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Zu Capitel IV: Kirchenlamitz.




An Frau Dor. Schröder.


Kirchenlamitz, ohne Datum. 

 Geliebte Schwester!

 Jener alte Kirchenvater rief, so oft er die Ruthe des Herrn nicht spürte: „Herr, wo bist Du? Ich spüre Deine Ruthe nicht.“ Und das Wort der Wahrheit spricht: „Welchen Er lieb hat, den züchtigt Er“. Wie lieb mußt Du also dem Herrn sein, da Er Dich einmal um das andere Mal so ernsthaft züchtigt, – und wie ernsthaft muß er vorhaben, Dich zur ewigen Seligkeit vollzubereiten, da Er Dich mit dem Gedanken des Abscheidens immer vertrauter macht und Dich immer mehr Blicke in das jenseitige Wesen thun läßt!?

 Er bedarf nicht nur Leute, welche Ihn durch gute Werke preisen: Er will auch solche, die Ihn durch stillergebenes Leiden verherrlichen und mit ihrem Verhalten beweisen, daß die inwendige Herrlichkeit des Christen, d. i. Er selbst, der in den Christen wohnt, größer ist, als die auswendige oder inwendige Versuchung der Welt und ihres Fürsten. Ja, weil Niemand vermöchte, ohne Seinen Beistand Ihn im Leiden zu verherrlichen, so reicht Er selbst Willigkeit und Kraft und Süßigkeit dar. – Ich habe mich mehr gefreut über Deine Krankheit als ich getrauert habe (ob mir gleich sehr weh geschehen ist), weil ich| aus B.’s Brief erkannte, daß der Herr mit Dir war. Erkenne Du es getrost in allen etwa nachfolgenden auf Erden zu überwindenden Leiden als Deinen Beruf, durch viel Trübsal ins Reich Gottes zu gehen und uns andern, namentlich mir, ein Beispiel von jenem Spruche zu geben, mit welchem ich ordiniert wurde: „Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes, die da ist in Christo Jesu unserm Herrn“. Röm. 8. Laß Dir, wenn das irdische Leben Dir wie eine drückende Kette und Sklavenband wird, an der Gnade Deines getreuen Herrn genügen; und thue fleißig einen Blick auf die Verheißung des ewigen Lebens, welche Du nun bereits mehrere Male nicht bloß aus der Ferne gegrüßt hast. Denk an das liebreiche Angesicht des Herrn Jesu, der Dich am Ende aufnehmen wird, an die herrlichen Gottesdienste, welche nach der Offenbarung Johannis dort gehalten werden, und an den Spruch im zwölften Capitel des Ebräerbriefs, welcher beschreibt, wohin die Gläubigen gelangt sind. Denk an die Alles übertreffende Freude, nach dem kurzen Augenblick des Todes in der That zu erfahren, daß unser Glaube wahrhaftig gewesen ist, durch den Tod zum Leben und zum Schauen geführt hat.
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 Sterben ist ein kurzer annehmbarer Streit, vor welchem der wahrhaftige Christ sich weniger fürchtet, als ein tapferer Soldat vor dem irdischen Streit und Kampf. Er erlösete die, so aus Furcht des Todes Knechte waren ihr Leben lang. – Der alte Inspector Martius in der nahe bei uns gelegenen österreichischen Stadt Asch war munter bis ans Ende. Am letzten Tage setzte er sich an sein Pult und schrieb an seine Gemeinde, daß er ihnen Alles gesagt hätte, daß die seiner Predigt gefolgt, Segen haben, die Anderen den Unsegen nur sich zuzuschreiben hätten etc. Darnach sagte er: er wolle sich nun abwaschen und anziehen, damit es nicht andere thun müßten, – dann| wolle er sterben. Er wusch sich ab, kleidete sich an, rief die Seinen und betete ein prächtiges Dankgebet, dann setzte er sich auf sein Sopha und sagte: „In Deine Hände, Herr, befehle ich meinen Geist!“ und entschlief.

 Ein alter Tischler, von dem mir Bruder R. erzählte, machte seine letzte Kiste frisch und gesund zu Ende. Dann legte er das Handwerkszeug weg und sagte: „So! das war die letzte, – damit leg ich mein Geschäft nieder; die wenigen Bretter könnt ihr schon verkaufen, ich will mich jetzt legen und sterben.“ Das that er: er legte sich, war acht Tage krank und starb. – Selig sind die Todten, die im Herrn sterben: der Geist spricht, daß sie ruhen von ihrer Arbeit. Freue Dich meine geliebte Schwester, unser Glaube wird den Sieg behalten. Sieh! während Du der Genesung entgegen gehst, suche ich Deine ganze Seele dorthin zu richten, oder vielmehr meine Seele, die’s mehr bedarf. Bete, daß, wenn meine Leidensstunden kommen, meine geistlichen Freudenstunden mit einkehren. Bisher war ich immer inwendig am frohsten, wenn ich ein wenig, wie’s bei mir eben ist, litt.

 Jesus sei mit Dir, Dein geliebter Herr und Gott und

Deines Bruders W. Löhe. 




An Herrn Professor K. v. Raumer.


Kirchenlamitz, am 2. November 1831. 

 Verehrter Herr Professor!

 Mit Ihrer gütigen Erlaubnis schreibe ich Ihnen aus meiner neuen Herberge auch einiges.

 Hier ist es Winter wie überall, und die Leute sind erfrorener wie ich, – scheint es. In Sibirien sind wir noch| nicht. Die Leute sind hier auch Sünder wie überall, und die sogenannten Honoratioren scheinen Profession daraus zu machen. Mit denen ist’s ein Jammer! Ich denke aber:

Doch vergißt Er auch der Armen,
Die der Welt noch dienen, nicht,
Weil Sein Herz Ihm vor Erbarmen
Ueber ihrem Elend bricht.
Daß Sein Vater ihrer schone,
Daß Er nicht nach Werken lohne,
Daß Er ändre ihren Sinn,
Ach, da zielt Sein Bitten hin!

Sollt ich, der ich Sein Diener bin und heiße, anders thun? O Er kann sie noch finden die stolzen Verächter – es kann ihre Stunde kommen, daß sie gerne Ihn anbeten! Ich sage: O si occidas eos gladio bis acuto, et non sint hostes ejus (Verbi tui)! Sic enim amo eos occidi sibi, ut vivant Tibi! (Augustin. Confess. XII, 14.) – – Was soll ich ihre Gräuel erzählen? Ihnen selbst will ich sie bei Gelegenheit erzählen. Gehindert haben sie mich bisher nicht, und das übrige Volk ist mir, glaub’ ich, gut. Ich fand schon etliche Erweckte und Gott wirds weiter geben. Meine Freude sind die Schulen, deren ich drei im Marktflecken und acht auf den Dörfern habe. Am Sonnabend erkläre ich des Morgens in den zwei größeren Schulen das Evangelium des nächsten Sonntags. Am Montag bringen mir alle Kinder in’s Haus, was sie davon gemerkt haben, nämlich auf Papier bringen sie’s. Ich corrigiere es, schreibe zwei oder drei Worte drunter und geb’s zurück. Hab’ viele Freude an der kleinen Welt: o daß sich Gott und seine Engel dazu aus ihnen eine ewige Freude machten durch Jesum Christum! Viele Kinder, die nicht lesen und schreiben können, kommen zu mir in’s Haus, ich lerne ihnen lesen und schreiben und sie lehren mich was besser ist, Geduld. Wöchentlich| ein oder zwei Mal wandere ich aufs Land, wo ich eine Schule habe, die gut ist, und die anderen sind wenig oder gar nicht Schulen. Sind eitel Wanderschulen von Haus zu Haus, der Schulmeister ist zugleich magister pecudum und weidet letztere an schönen Tagen lieber als erstere, oder er ist Musikant, Zimmermann, Maurer. Und doch wohnt in allen Schulen mehr Gotteswort als in meinen vornehmen Fürther Schulen. Die Lehrer sind einfältige, willige Männer, und werde ich mit ihnen, mein Herr Decan erlaubt es, alle acht oder vierzehn Tage eine Versammlung halten über Schulsachen. Einen ganz verwahrlosten Knaben habe ich, und ein taubstummes Mädchen auf dem Lande. Was fang ich mit denen an, namentlich mit letzterer? Wissen Sie mir über ihren Unterricht vielleicht einen Rath zu geben oder ein Buch vorzuschlagen, o so thun Sie es um Jesu willen, wenn’s auch nur durch die dritte Hand ist. Leider kann ich nicht singen und Clavier kann ich auch nicht spielen. Auf den Dörfern sing ich aber doch vor, manchmal, und ob’s gleich nach der Regel des alten Vigitil ist, welche mir meine allerliebste Mutter erzählt hat:

Walt’s Gott der Herr,
Wer nicht singen kann, der plärr!

so sind wir doch oft andächtig und erbaut. Es muß eben nicht gerade Eine Gestalt des inwendigen Lebens sein. Wie wohl ich jetzt noch Clavier anfange, in meinen alten Tagen und da ich meinte, droben wenn ich hinversetzt würde, würde ich ohne Mühe singen und spielen lernen bei den vollendeten Gerechten und den lieben Engeln, die ich freilich nicht sehe. Meinen Sie, ich kann noch Clavier lernen, gründlich, daß ich einen Choral verstehe?

 Förmliche Erbauungsstunden kann ich nicht halten: ich habe keine Zeit. Meine Erbauungsstunden sind in der Kirche,| und es werden ihrer, will’s Gott, dort schon mehrere werden. Uebrigens kommen Leute zu mir und ich zu ihnen, und dann ist’s auch Christus, von dem wir reden. O wenn es kein Reden mehr brauchte! Lesen lasse ich alle Welt, Groß und Klein, große und kleine Bücher und Missionsblätter.

 Der Friede der Versöhnung im Glauben sei mit uns allen! Ich bin

Ihr dankbarer Schüler Wilh. Löhe. 




An Frau Dor. Schröder.


Kirchenlamitz, den 15. December 1831. 

 Welchen der Herr lieb hat, den züchtigt er. Er züchtigt Dich, drum liebt er Dich, er züchtigt Dich oft und stark, drum liebt er Dich immer stark! Es ist nichts mit der ganzen Welt, das habe ich heute, da ich nach meiner Gewohnheit in der Dämmerung betend auf und ab gieng, durch Gottes Gnade recht deutlich gesehen. Und doch ist die Vernunft so blind, daß sie einem immer vor’m Sterben bang macht und die jenseitige Herrlichkeit nicht sieht. Heute in der Dämmerung wollt’ sie mir auch wieder das Sterben schwer machen. Ach, sagte ich, wenn man stirbt, hat man unter seinen Füßen eine dahinschwindende Welt – und vor den Augen Dunkelheit. Und was ist dann das Leben gewesen? Ich zog Gottes Wort hervor: ich sahe den Schächer am Kreuze hängen, den Tod vor Augen, neben ihm den sterbenden Heiland; ich hörte staunend sein sterbend Wort zum Sterbenden: „Gedenke an mich, wenn Du in Dein Reich kommst!“ – ich hörte Seine, des Sterbenden wunderbare Antwort! „Heute sollst Du mit mir im Paradiese sein!“ Ich sah ihn vor Lazari Grab und hörte Sein Gottes-Wort: „Ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage“ – den Gläubigen nämlich. Joh. 6, 39. 40. 44.

|  O wie rief ich da aus: „Gottes Wort, Lebensquell, Freudenquell, Trostquell, Kleinod, Weisheit! Sieh, so soll denn die Vernunft narren, wir sind Seine Schafe, hören Seine Stimme!

 Du mußt ja endlich der Welt absterben, weil Dir’s Gott so deutlich in die Feder dictiert! Ich gratuliere! Gott hat Dir das allerbeste Weihnachtsgeschenk gemacht, nicht allein Seinen Sohn, sondern auch Seines Sohnes Kreuz und Leiden. Leiden wir mit, werden wir auch mit herrschen. Sei getrost!




An Frau Dor. Schröder.


Kirchenlamitz, den 17. Januar 1832. 
 Gestern, meine liebe Schwester, habe ich zum ersten Male getauft und zwar im Dorf Kleinschloppen. Der Herr hat sich nicht unbezeugt gelassen: wir haben gespürt, daß Er ein Gott ist, welcher nahe ist. Der Täufling hieß Johannes. – Und morgen muß ich schon früh zwei Stunden weit auf’s Filial Spielberg, um ein uneheliches Kind zu taufen. So hab’ ich doch immer der Freude und Gnade bei weitem mehr als der Trübsal. Und wenn ich so durch die kalte, reine Luft auf die Dörfer wandere, sehen die Berge in ihrem weißen Schmuck so hehr, daß ich gleich an die Berge denke, von denen mir Hilfe kommt. Sind gar schöne, große, freundliche Berge, die unsern Kessel und unser Kirchenlamitz einschließen, und noch größere schauen über sie vor. Es ist doch schön, wenn man in Bergen ist, und dort muß es noch schöner sein, wo die vollendeten Kinder Gottes sich freuen. Aber der Tod und das Grab mit ihren Schauern, die bei mir oft einkehren, möchten gern den Flug dorthin lähmen. Und doch fühle ich, daß ich hier nicht daheim bin und die Freuden dieser Welt nicht für mich| sind, fühle, daß hinterm Todesberg meine Heimath ist, dahin ich trotz Dunkel und Todesthal dringen muß, glaube, daß Christus, der mir immer das am leichtesten gemacht hat, was mir am schwersten schien, auch die Leiden des Todes mich lehren wird siegreich überwinden. Und wie werde ich ihm danken können, wenn ich hinter der Welt ausruhe und erquicket werde! Ei, ich will bei Ihm bleiben!
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 Du hast Gott oft gedankt, daß es mir gut gieng. Sei getrost! es geht jetzt auch, wie er’s verheißen hat. Sie haben mich verklagt und ich hab’ einen Verweis bekommen, und der Decan hat den Klägern die Abschrift des mir gegebenen Verweises zugesandt, und sie freuen sich. Aber sieh’, das thut mir nichts! Ich habe zwar nur die Wahrheit geredet, aber wenn es nur auch in meinem Herzen so eifrig und brennend liebevoll gewesen wäre, wie es geschienen hat: sieh! die Welt hätte mich nicht verklagen sollen, denn ich predigte ihr Wahrheit, aber mir gereichte ihre Klage zu desto mehrerer Demüthigung und Prüfung. Darum will ich mich auch nicht rächen, sondern lieben, ja lieben, und wenn das Evangelium Anlaß gibt, dasselbe, aber mit heiligerem Eifer und größerer Liebe predigen. Ich habe auf die Nase eine Verantwortung geschrieben, und mein alter Herr hat desgleichen etwas an den Herrn Decan geschrieben, in Zeugnisform, das außerordentlich scharf gegen meine Gegner redet. Es hat ihm recht weh gethan, daß man seinen lieben Vicarius angetastet hat. Und nun redet er und noch mehr seine Frau mir immer zu, ihnen, d. h. dem Landrichter, was Rechtes ’naus zu geben, damit sie sich nicht rühmen können, sie hätten mir’s Maul gestopft. Ich sage aber: „Lasset den Landrichter und Consorten sich rühmen, der Vicarius will nur Gott fürchten und thun, was vor Ihm recht ist.“ Dabei werden des Landrichters| drei kleine Mädchen täglich mehr meine besten Schülerinnen, und wer weiß, ob nicht Gottes Geist in ihnen arbeitet.

 Wenn nur was dabei heraus kommt, daß etliche selig werden, wenn zum wenigsten ich meine Seele davon bringe. Ei, Du lieber Gott, wir sind ja wie die Kinder im Mutterleib, wissen nicht was droben ist, wie diese nicht wissen was außerhalb des Mutterleibes ist....

 Daß Du die Homöopathie nicht loben willst, magst Du zusehen. Es ist eben die Art dieser Cur, daß sie dein Gang der Natur ähnlich sieht. Siehe zu, daß Du rücksichtlich ihrer nicht undankbar gegen Gott seiest. Und es heißt hier wörtlich: „Es ist Gott ein Kleines durch viel oder wenig helfen.“ Es scheint freilich leichter Gottes unmittelbare Hilfe zu preisen; aber Gottes Wege sind auch wunderbar ohne Wunder, es gehört nur ein frommes Auge dazu. Gott wird dem Arzt ferner Weisheit verleihen unserer Familie wohl zu dienen wie bisher! Grüße ihn und sag’ ihm vorläufig, daß ich seinen Vorschlag begierig annehme: er solle nur so gütig sein und mir die Werke aufschreiben, welche ich für’s Erste studieren soll.

 Friede der Versöhnung!

Euer in Christo Euch liebender Bruder
nach dem Fleisch und Geist 
Wilh. Löhe. 




An Herrn Professor K. v. Raumer.


Kirchenlamitz, den 18. Februar 1832. 

 Mein geliebter Lehrer!

 Mit Ihrer Erlaubnis mache ich auch einmal wieder einen Besuch bei Ihnen. Das Wollen hab’ ich schon etliche Wochen, aber das Vollbringen fand ich nicht.

|  Für die Bibliothek ist indeß doch ein kleiner Anfang gemacht worden. Da vor etlichen Wochen ein Convent der lieben Brüder in Münchberg war, sandte ich die mir übersandten Scripturen hinüber. Ich selbst konnte auch diesmal wegen einer Leichenpredigt nicht hin, in welchem Fall ich auf die Sache ein näheres Licht hätte werfen können. Indeß hatte ich zuvor mit Renzel und Reuter gesprochen. Bei einem früheren Convent, wo ich wegen einer Adventspredigt nicht dabei sein konnte, hatten die Brüder nicht angepackt, wie mir drauf Erb erzählte. Indeß diesmal thaten sie einen Schritt und entschlossen sich auch etliche gleich, den oder jenen Schriftsteller für sich zu wählen, nämlich:
1. Wilferth, Pfarrer in Rugendorf: V. Herberger’s evang. u. epist. Herzpostille u. Predigten über Sirach.
2. Memminger, der Stammbacher: Erklärungen einzelner Bibelsprüche aus Spener, A. H. Francke, Auszüge aus Köppen’s: die Bibel etc.
3. Reuter in Benk: Auszug aus Joh. Huß’ Leben und Schriften.
4. Erb in Münchberg, Auszüge aus Claudius.
5. Popp in Münchberg, Auszüge aus Seckendorf’s Geschichte des Lutherthums, Milner und Zinzendorf’s Jeremias.
6. H. Benker (unser bekannter Benker): Scriver’s Seelenschatz.
 Das haben sie mir geschrieben und ich habe gleich wieder geschrieben, daß sie gleich anfangen sollen etc. Kündinger hat mir geschrieben, sie wollen dort unten nichts für die Sache thun, besonders sei Kraussold dagegen. Bezold und Schott und Renzel werden ihre Entschließungen später, vielleicht noch ehe| ich diesen Brief abschicke, sagen lassen, weil sie beim Convent nicht sein konnten.

 Das Ganze kommt mir, wenn ich so gemein reden darf, wie jener alte Bauerngaul vor, den einst ein Bauer (geschah in Fürth vor meinem Fenster) nicht weiter brachte, bis einer mit einem Heubaum kam, und so oft ihm der einen Schlag gab, so oft hob er ein Bein auf. Unsre Freunde haben bis dato wie ich droben auch nur das Wollen gehabt. Hoffe, Gott werde indeß das Vollbringen auch gegeben haben.

 Etwa sollt’ ich jetzt noch Einiges von Kirchenlamitz schreiben, daselbst ich meinen lieben Aufenthalt habe. Wo soll ich aber anfangen und wie mach’ ich’s, daß ich ein rechter historicus sine ira et studio sei? Mein lieber Gott! Es ist halt so ein Ding mit meinem Lamitz!

 Für’s Erste! der zweite Pfarrer hat sich von Grund der Seelen bekehrt, und da ich hieselbst keinen rechten Freund hatte, hat mir Gott einen erweckt, den meine Seele liebt. Ich weiß, daß seine Bekehrung eine rechtschaffene ist; denn er hat mir seine Sünden recht aufrichtig, tiefbetrübt ohne Hehl gestanden und wie Zachäus gut gemacht, was gut zu machen war. Wie es in dem gekämpft hat, so hab’ ich’s niemals gesehen, viel weniger selbst erfahren. Alles, der Teufel und seine Brut, hat sich Mühe gegeben, ihn, wie sie meinten, aus den Händen des Vicarius zu erretten: aber der Herr, der starke Held, hat nicht weiter angefragt, sondern sein Schaf aus des Satans Rachen gerissen! Und Hallelujah! Und Dank auch meinerseits! für dieses Schaf, das mir räudigem zur Seite auf unserer schönen Weide geht! Könnt’ viel von ihm erzählen! Aber, weiß nicht, ob Sie und ich Zeit haben.

 Die Widerwärtigkeiten, welche ich hier habe, sind von der| Art, daß Andere größere zu erdulden haben, aber mir thun eben meine Kleinigkeiten auch weh, wiewohl ich ein Gesicht dazu machen kann, als wäre mir’s Spaß. Genau genommen erkenne ich die fromme Hand Gottes, die mir alle Tage Arbeit genug, einige Freude und einiges Leid dazu gibt. Mein Landrichter war zuerst mein großer Feind, aber einstweilen hat er mich lieb gewonnen, ob ich ihn gleich so beunruhige, daß er, wenn’s ihn ankommt, sagt: weil ich ihm den ganzen Tag im Kopf herum gehe, so könne er nicht eher ruhen, bis ich oder er von hier weg sei. Ich bin aber zu ihm gegangen und hab’ ihm gesagt: „es sei noch nicht aller Tage Abend. Er solle thun, was er wolle, ich wolle aber beten, bis auch er selig zu seines Jesu Füßen liege“, und hab’ ihm damit Krieg angekündigt. Ich mein’, er ist ein Bramarbas und Saulus und werde sich endlich noch bekehren. Was weiß ich, was er alles schwatzt, heut’ so, morgen anders.

 Die Kinder machen mir unter einander Freud und Leid. Ueberhaupt hat mein Lebensgang nichts Ausgezeichnetes und Unerwartetes. Ich weiß nicht, wie es mit schlechten Person anders gehen sollte, wenn’s mir schlecht geht; und wenn’s mir gut geht, weiß ich’s doch gar nicht, warum? Ich weiß nicht, warum mir’s gut geht, wenn ich meinen inneren Menschen frage; und doch kommen mir im äußeren Menschen oft so hochmüthige Gedanken, daß der inwendige Mensch fast darunter erstickt. Nichts ist mir schädlicher, als wenn ich viel unter Leuten bin; sogar die Seelsorge befleckt mich. Oft mein’ ich, meine Feinde lieber haben zu müssen als meine Freunde, weil jene mehr für meine Demuth sorgen; aber wenn ich mit Widersachern rede, kann ich, weiß nicht wie, so ungeniert reden, als wär’ ich der Herr der Welt. Man gibt mir ins Angesicht recht und das nährt ja auch nur meinen Stolz.

|  Kurz, ich erkenne es, daß der Glaube derer, welche noch im Leibe sind, ein Kampf ist, und zwar ein unablässiger. Aber auch ein guter Kampf. Es ist ein Jammer, daß man beim Kampf immer gern aus den Augen verliert, warum man eigentlich kämpft. Man kämpft doch wohl um zu siegen und endlich einmal zum Frieden zu kommen. Den Sieg sollte man immer im Auge haben. Statt dessen denkt man immer dran, wie gut einen der gute Kampf kleide, und freut sich nur zu sehr der Ehrfurcht und Liebe derjenigen, welche auch das Christenthum für’s beste im Leben und für dasselbe zu leiden für große Ehre halten. Ja! und fast niemals hat man allein Gottes Sache vor sich, fast nie hat man’s allein mit Ihm zu thun: die Heuchelei des Menschen geht so weit, daß er selbst in der einsamen Kammer beim Gebet sich gebärdet, als belausche ihn Jemand. Und auch was ich jetzt schreibe ist gewiß nicht ohne Heuchelei – und ich bin gewisser, als ich’s glaube, ein pures Nichts und voller Sünden. Wie muß ich die Engel bewundern, welche dergleichen von sich nicht zu sagen brauchen und doch allezumal demüthige Diener sind, ausgesandt zum Dienste derer, welche in ihrem großen Elend die Seligkeit erst als ein gehofftes Erbe grüßen. Und wie selig sind sie, die allezeit verstehen mit ihrem Heiland allein und der Welt zu Dienst zu sein! Und wie selig werd’ ich sein, wenn ich nicht mehr im Leibe, bei meinem frommen, treuen Erlöser sein werde. Ach ja! Und doch überfällt mich oft beim Niederlegen ein Grauen vor dem Tod, und es mischt sich etwas Traurigkeit bei, wenn ich bete, wie ich denn doch in Jesu Namen fort beten will:

Herz, freu’ Dich, Du sollst werden
Vom Elend dieser Erden
Und von der Sündenarbeit frei.

|  Es wird Ihnen schon lang mein Geschwätz zuwider sein und ich will in Gottes Namen den Brief schließen.

 Alle Freunde herzlich grüßend

Ihr dankbarer 
W. Löhe. 




An Herrn Professor K. v. Raumer.


Kirchenlamitz, am 27. August 1832. 

 Verehrter Lehrer!

 Ein wenig spät komme ich mit meiner Antwort auf Ihren letzten Brief, für welchen ich herzlich danke, – aber ich komme doch.

 Ehe Sie mir P.’s hiemit unter Danksagung zurückfolgenden Brief schickten, hatte ich bereits auch einen Brief von ihm erhalten und beantwortet. Ich bin in solchen Fällen bisher ziemlich resolut und pflege wenig Rath’s. Ich dachte: „Du bist weder dort in K., noch hier in K. nöthig: es liegt gar Nichts an Dir: darum: Fiat voluntas TUA. Gibt’s in Karlshuld viel zu thun: so ist’s Gott Eins, durch viel oder wenig helfen. Sollst Du dort gedemüthigt werden, so bist Du auch bereit. Man muß nicht nach Wirkung haschen; sondern sich leidend in Gottes Willen ergeben.“ Darum schrieb ich an P.: „Wenn mich meine Obern rufen, so gehe ich“; und spürte dabei, daß ich die hiesige Gemeinde liebe und so Verläugnung übe.

 Daran glaube ich recht gethan zu haben, es werde was will. Ich werde aber schon hier bleiben dürfen; denn seitdem ich das an P. geschrieben habe, hat weder er noch sonst Jemand etwas über Karlshuld geschrieben. –

 Das Merkwürdigste ist mir gegenwärtig ein etwa 36-jähriger Bauer. Als Knabe war er los und sehr stark, daß er einen Wagen herumheben konnte nach Herzenslust. Danach kam es| ihn an, daß er, wenn er im Hause war, nicht hinaus, wenn er außen war, nicht hinein wollte, ja wenn er hinein wollte, riß es ihn immer rückwärts wieder zurück. Später ging er nicht mehr aus, sondern saß hinterm Ofen („in der Höll“, wie sie sagen). Einmal kam einer und trug ihn vor auf einen Stuhl, und seitdem (14 Jahre zum wenigsten) ist er nicht aufgestanden weder Winter noch Sommer, weder Tag noch Nacht. Sein Bart und seine Haare sind lang geworden wie eines Nasiräers, sein Gesicht blaß und traurig. Sein Mund geht ihm nur gegen seine Vertrautesten auf (doch hat er gleich beim ersten Mal mit mir geredet). Er meint: „So eine verlorene, verachtete Seele, wie er sei, gebe es nicht mehr: von Allen sei er verachtet.“ Ich hab’ ihm zwei Freunde angetragen: „1. den besten Freund, 2. mich“. Den letzteren hat er angenommen, den ersteren wenigstens nicht verworfen. Ich schaue auf zu den Bergen, von wannen die Hülfe kommt... –

 Gelobt sei Jesus Christus!

Ihr getreuer Schüler 
Wilhelm Löhe. 




An Frau Dor. Schröder.


Kirchenlamitz, am 7. November 1832. 

 Liebe Schwester Dorothea!

 Herzlichen Dank für Deinen lieben Brief vom 9. October. Gott sei Dank, welcher Dich nicht allein dem Leibe nach wieder gestärkt hat, wie mir geschrieben wird, sondern welcher Dir auch Deine Seele hat genesen lassen, wie dem Jakob bei Pniel. Zur Zeit Deines Krankseins habe ich etwas excerpiert, welches ich Dir hiemit beilege und verehre.

|  Sei nur stille, die Zeit wird kommen, wo ich und wo Du Dich davon schleichst. In der Welt wird kein Hahn nach uns kräh’n. Wir aber sehen Den, den unsere Seelen liebten, noch eh’ sie Ihn gesehen.

 Ich habe erst vorhin mit meinem Georg in 2. Cor. 1 gelesen, wie sich der Apostel in Todesnöthen tröstet mit Dem, welcher die Todten auferweckt. Das war Wasser auf meine Mühle. Denn meine Seele sehnt sich zwar daheim zu sein, aber es graut ihr vor der dunkeln Stunde – und da ist kein besserer Trost als die Auferstehung. Indeß hoffe ich, Er werde, wie bisher in meinem ganzen Leben, über Bitten und Verstehen thun und mir die Arbeit durch Stärkung meines Glaubens erleichtern. Ich habe gar oft, erst diese Nacht im Traum, Augenblicke gehabt, wo ich den schweren Schritt nicht scheute, um zum Ziel hindurch zu dringen, das ewig meine Seele labt. Es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden, aber unser dereinstiges Sein heißt Schauen und Seligkeit, und wer wollte mehr? Bete an und danke. Ich lese mit einem, der sich auf’s Sterben bei zunehmender Auszehrung vorbereitet, die Offenbarung des Herrn und habe sonderlich am 4., 5., 7. Capitel und an 14., 13 meine Freude gehabt. Der Herr wolle sich unser erbarmen! Amen.

 Mir selbst geht’s an Gottes Hand, unter Seiner liebevollen Zucht und bei dem beständigen Suchen meines Hirten, das ich merke, gut. Vorigen Freitag hab’ ich mit den Armen, Lahmen, Krüppeln communiciert und Stärkung meines Glaubens bei dem geliebten Herrn gefunden. Dennoch leide ich immer noch Mangel am Glauben und an allem Guten; ich sag’s nicht aus Heuchelei. So hilf mir beten, daß ich glauben möge, denn beten hilft. Etliche meiner Schafe haben die Weide unsers Herrn gefunden. Ohne Mängel ist Niemand. Ich muß überall| viel Sünden abziehen, wenn ich loben soll; ich will aber den Herrn loben, der viel vergibt, um uns in sein Reich aufnehmen zu können.

 Ich habe Zuspruch von vielen Armen und Elenden der Gegend, und weil’s Winter wird, wo alles Zeit hat zu lesen, so will ich Dich und Bruder Max bitten, mir um etliche Kreuzer Tractaten, kräftige, am liebsten aus der hl. Schrift, Betbüchlein oder dergleichen zu schenken, beschweren will ich Dich aber nicht. Ich thue wohl auch etwas, aber was wär’s unter so viele, wenn mir Gott nicht hälfe?

 Was macht Pf.? Bei ihm fällt mir der hiesige Schmied Müller ein, der ehedem ein so großer Flucher war, daß ihn der Landrichter, der’s doch auch kann, einmal drüber schalt. Der kam einmal zu mir und kaufte sich ein Buch. Bei dieser Gelegenheit hielt ich ihm sein Laster vor, und er versprach mir, nicht mehr zu fluchen. Ich hab’ ihm seitdem fleißig nachgesehen, er hat Wort gehalten, und sich gewundert, daß er mit seinem Fluchen mehr Sünden aufgehäuft habe, als er Körner auf seinem Boden aufgeschüttet habe, denn das fiel ihm ein, da er seinen vollen Boden betrachtete. Er scheint den Weg des Herrn zu gehen und hat gerade so sein biderbes Wesen wie Pf. Gott geb’s weiter! Amen.

 Lebe wohl. Gott und Sein heiliger Geist in Dir! Sein heiliger Engel lagere sich um Dein Haus her! –

Wilhelm Löhe. 




Kirchenlamitz, am 19. November 1832. 

 Geliebter Bruder G.!

 Dein kleines Brieflein freut mich, ob es gleich sehr klein ist. Kannst Du keine großen Briefe schreiben vor lauter großer| Arbeit, so schreib kleine, aber schreib nur. Denn jede Lampe, nicht allein die Glaubenslampe, von der ich morgen – über’s Evang. von DD. Trin. XXVII – predigen werde, verlischt ja, wenn nicht Oelzufluß kommt. Und ich möchte doch, daß unsere Liebeslampen nie auslöschen möchten bis zu jener Zeit, wo ohnehin keine Liebe mehr verlöschen zu müssen befürchten darf, wo wir in Ihm völlig Eins sein werden, wo wir in Seiner Liebe inniger vereint brennen werden als die Leichenflammen jener beiden Heiden.

 Du hast freilich bei Deinem Hiersein von Kirchenlamitz eigentlich Nichts gesehen, es ist schöner und garstiger als man beim ersten Anblick glaubt. Mein Kirchlein – das größer ist und mehr Leute faßt als die Auferstehungskirche – ist sehr heimlich inwendig, und ich predige meinem Volke so gern. Die Schulen sind mir gar angenehme Oerter, ich wate durch Dick und Dünn in die armen Dorfschulen, welche ich so gerne voll des demüthigen Reichthums Jesu Christi machen möchte. Meine, oder vielmehr unsers Herrn Jesu Christi große und kleine Lämmer haben bis jetzt meinen Dienst gern angenommen und ich arbeite gern an ihnen. Möchten sie doch nicht allein mich, sondern auch mein Evangelium aufnehmen und lieben.

 Meine größte Freude und mein größter Jammer sind meine Predigten. O wie seufze ich vom Montag bis zum Sonntag, wenn es läutet, wie arbeite ich, wie habe ich Wehen um die Predigt. Immer meine ich, man versteht mich nicht, immer fühl’ ich, daß ich nichts kann, immer empfinde ich, daß ich nicht genug empfinde, was für ein ewig segensreiches Wunder die Versöhnung ist, immer vergesse ich diese ewig reiche Quelle alles Trostes viel zu sehr! Ist das nicht ein Jammer? Und dennoch, welch’ eine sanfte Freude empfinde ich, welch’ ein – ich weiß nicht was für ein, o wäre es Gottes Geist –| reißt mich hin, daß ich mein nicht mächtig bin, wenn ich predige. Es ist ja meine beste Freude und meine größte! Und wenn ich dann wieder da bin in meinem stillen, schönen Stüblein – o dann merk’ ich wieder, daß das „herzlich und klar“, welches mir Fuchs bei der Ordination zurief, das „wahr und klar“ des frommen Boos doch wieder nicht in meinem Herzen gelebt hat. Ist das nicht ein Jammer? Dann werf’ ich mich und die arme Gemeinde in Gottes Erbarmen und bitt’ um Vergebung und Leben aus Christo für mich und die Gemeinde. Was ist dann das für ein getröstetes, freudenreiches Elend! ...

 Vom Predigen in der Universitätskirche wirst Du wenig haben. Du hast einstweilen genug gepredigt, mein’ ich. Jetzt naschest Du am Predigtamt, es kommt anders, merk’ ich.

Dein immer treuer, armer 
W. Löhe. 




An Frau Dor. Schröder.


Kirchenlamitz, 21. September 1833. 

 Liebe Schwester!

 Hab’ Dank für Deinen letzten Brief vom 25. August mit den mancherlei für mich allerdings interessanten Nachrichten.

 An M. habe ich bereits geschrieben und grüße ihn auf’s Neue. Jeder Vicar fährt mit vollen Segeln in sein Vicariat, däucht sich ein Apostel in der Gemeinde zu sein und will flugs ein Boos, Goßner etc. werden. Aber so geht’s nicht. Es geht uns wie unserm Herrn: Bevor das Samenkorn nicht verfault, kann es keine Frucht bringen; wir müssen, die Anwendung des Gleichnisses ist freilich eine ganz andere als bei dem Hochgelobten, erst sterben nach unsern Eigenwillen, unser Nichts tief empfinden, bevor uns Seine Gnade überströmt und auf uns| das Lied des Neuen Bundes herzrührend, erwecklich und kräftig für Andere spielt. Ich bin drüber klein zu werden, es geht mir aber fast Blut ab, und der Satan möchte nicht nur gerne mit mir kämpfen, sondern auch mich überwinden. Der Herr stärke mich und thue mir nach der morgenden Epistel. Mein Weg geht morgen zu Gottes Tisch, täglich zum Tod und zum Himmel. Gott, wie gut wird sich’s doch nach der Arbeit ruh’n, wie wohl wird’s thun. Herz, freu Dich, Du sollst werden vom Elend dieser Erden und von der Sündenarbeit frei.

 Was ist mit M. Sch.? Geht’s? Siegt der Glaube? Hab’ Geduld. Der Herr kann wenden und selig enden. Versteh’ mich aber recht mit dem „enden“, hinausführen meine ich. Unser Glaube wird an unserm verwahrlosten Jüngling nicht beschämt. Es geht vorwärts. Eigen ist ein Umstand, welchen mir seine Pflegemutter erzählte. An Pfingsten redete ich unter Anderem in der Predigt von der Liebe so manchen Herzens zu verwahrlosten Kindern und daß Niemand liebensbedürftiger ist. Die Frau dachte: wenn ich nur so einen Knaben hätte, das wäre mir recht, ich hätte Lust. Bald darauf träumt ihr, sie habe ein Kind geboren, das aber zu groß gewesen sei, als daß irgend ein Kissen zugelangt hätte, es einzuwickeln. In der Verlegenheit sieht sie neben sich, da stand das Kind neben ihr, und war überaus häßlich. Darauf bald kam Herold und ich that ihn in ein anderes Haus. Doch schickte ich ihn hin zu der Frau, deren Mann ein Schneider ist, um ihm ein Kleid machen zu lassen. Da nun die Frau den Knaben sah, dachte sie in ihrem Herzen: „das ist ja auf und nieder der Knabe in Deinem Traum!“ Sie dachte aber der Traum sei aus, weil ihr Mann für ihn einen Kittel und Hosen (und kein Wickelkissen) gemacht hatte.

 Als nun der Knabe später bei seinen ersten Pflegeältern| fortlief, und sie ihn nicht mehr nehmen mochten, schickte ich (ohne den Traum noch zu wissen) zu den Leuten, wo er mit Freuden aufgenommen wurde und eine herrliche Statt fand. Die Frau meint nun im göttlichen Beruf zu wandeln, und der Knabe gedeiht. Vielleicht an Weihnachten kann ich den Vagabunden von fast 19 Jahren confirmieren. Da wird uns Gott Freude bereiten. Für die Unterstützung danke ich herzlich. Ich zahle für Kost, Logis etc. täglich 6 Kr. und sorge für die Kleider.

 Sollte es mit M. Sch. keinen Fortgang haben, so schäme Dich nicht. Dein Werk war drum doch ein göttliches Werk.

 Der Segen Seiner Leiden sei mit Dir! Amen.

Wilhelm Löhe. 




An Herrn Professor K. v. Raumer.


Kirchenlamitz, 25. Januar 1834. 

 Theuerster Lehrer!

 Was bei uns gegenwärtig vorgeht, werden Sie wohl durch Bruder Layriz schon erfahren haben. –

 Der Herr, welcher mich abwechselnd mit Thränen tränkt und mit Kraft speist, wird mir Muth und Weisheit geben, da ich in meiner Lage Niemanden in der Gegend zu Rath ziehen kann. Der Sturm weht bei uns leiblich und geistlich. Es ist aber gutes Wetter: mitten im Brausen ist ein stilles, sanftes Sausen, welches die Herzen gesund und grün macht etc. –

 Ich bin anno 30 Candidat worden und meine Sohlen haben mir gebrannt ins Amt zu laufen. Jetzt schreiben wir 34 und wenn ich nun um Nichts, als daß ich Buße und Glauben gelehrt habe und gesucht, zu geistlichem Leben zu führen, von meinem Posten verstoßen werde; so geschieht mir um der unsichtbaren Versündigung willen doch recht, und ich will gern| mein blutend Herz hinab in meine heimathliche Ebene tragen. Heinrich Müller in seinen Predigten zum morgenden Evangelium redet schreckliche Worte:

 „O welch ein gefährlich Amt ist das Lehramt! denn wo der Lehrer nur eine einzige Seele muthwillig umkommen läßt, so heißt’s: „Deine für seine Seele“! Die nach solchem Amte laufen, ehe sie gesandt werden, die werden dermal eins inne werden, was das sei, das geschrieben steht: Wer Gefahr liebt, der kommt drin um.“

 Ich will gern in die Stille gehen: mein Amt ist überaus herrlich und groß – aber das Kleid meiner Väter paßt mir nicht, ich bin zu klein, kann ihre Rüstung wohl anschauen aber nicht tragen. Ich habe einmal im Traum gesehen, wie die evangelisch lutherische Kirche begraben wurde, und ihre Träger waren – ihre Priester im priesterlichen Gewand. In uns sollte sie leben, und wir werden ihre Leichenpferde: wir, ungeschickt an Mund und Herz und Muth. Möchten doch nicht alle eben Examinierten gleich nach der Ordination und einem Vicariat hungern; sondern sich selbst erst erkennen lernen! Es hat Zeit mit dem Predigen. Aber Gebet und geistlich Leben fehlt: das verstehen wir nicht, wenn wir ins Amt kommen. Das Himmelreich will mit Gewalt an sich gerissen werden, was helfen wir, wenn wir wie Hunde um die Schafe herum bellen, als könnten wir sie hüten, während wir und sie den Hirten aus dem Aug’ und aus der Nähe verlieren? Der Hirte kann schneller laufen als seine Hunde und geschrieben steht: „der Herr wird für euch streiten und ihr werdet stille sein“!

 Theuerster Lehrer. Was ist’s? Ich sehe meinen inwendigen Jammer, Schwachheit und Sünde ein, möcht’ sie ausreißen und hinauswerfen ins Feuer, ja ich hasse sie. Was hab’ ich mich damit geplagt! Aber ich sehe, ich muß nicht vor Siegsbegier| des Kampfes überdrüssig werden; sondern mein Lebenlang mich geduldig in den Streit schicken und nichts erwarten als nach dem Kampf den Kampf. Nicht eher, merk’ ich, kommt Frieden, bis mit dem Herzen mein Leben allen Feinden abstirbt, der Sünde, Welt und Hölle, und dann im Himmelssaal ruhig und des Sieges gewiß dem irdischen Jammer zuschaue. Will mich der Weile an Seiner Gnade freuen!

 Nehmen Sie mir doch, ich bitte Sie, diesen Erguß nicht übel. Ich will aufhören.

 Jesus Christus, der für uns starb, lebe und herrsche in uns und mache uns Ihm selber ähnlich in Leid und Herrlichkeit! Amen.

 Unter herzlichen und ehrerbietigen Grüßen an Ihre werthe Familie und Herrn Professor Krafft’s und alle Freunde verharre ich, theuerster Lehrer, als

Ihr 
dankbarer Schüler 
W. Löhe. 




An Frau Dor. Schröder.


Ohne Datum. Von Nürnberg oder Kirchenlamitz. 

 Geliebte Schwester!

 Leben heißt leiden und leiden heißt leben. Alle Heiligen haben viel gelitten und im Schweiß ihres Angesichts nach dem ewigen Leben gestrebt. Auch Paulus kämpfet; aber am Ende heißt es: „Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe Glauben gehalten, forthin ist mir beigelegt“ etc. Also, meine theure Schwester, gehe den Weg aller Heiligen in Geduld und wünsch’ nicht, es besser zu haben als diese. Es hat es ja auch der Anfänger und Vollender unsers Glaubens nicht anders| gehabt. Gehe ruhig Deinen Gang, sieh’ nicht die Mühsal des Wegs, sondern die Herrlichkeit des Zieles an, jene Herrlichkeit, von welcher siehe Ebr. 12, 22 ff. Ja siehe meinetwegen auch die Mühsal und den Kampf auf dem Weg an, aber mit dem Siegesblick, mit welchem St. Paulus allem Uebel ins Auge blickt, Röm. 8, 37 ff. Wir leiden nicht als bestrafte Feinde, sondern als gezüchtigte Kinder – Gott erhört uns wenn wir beten: „Ach, Herr, strafe mich nicht in Deinem Zorn, züchtige mich nicht in Deinem Grimm“. Ps. 6. Er straft und züchtigt uns in Liebe.

 Denk’ auch daran, daß, was wir in Christo Jesu gewonnen haben, nämlich die Früchte Seines Leidens: Vergebung der Sünden, Friede, Freude und das ewige Leben, bei weitem mehr ist als was wir geben. Alles Kreuz muß dem eine leichte Last werden, der Jesu Wohlthat im Herzen trägt. Das Kreuz des Christen hat Flügel zum Fliegen, wenn die schmale Straße zu schmal und schwierig werden will.

 Wird’s Dir schwer, so mach’s wie David: klag’ es Gott, nur daß Dein Klagen eben so schön ende wie Davids Klagepsalmen und das Gebet Manasse’s, nämlich mit einem Lobe Gottes.

 Mein letzter Spruch, wenn mir alles zu schwer werden wird, ist der, welchen ich einst wie ein Kleinod auf der Straße nach Streitberg fand: „Ich sprach: ich muß das leiden; die rechte Hand des Herrn kann alles ändern“. Ps. 77, 11.

 Uebrigens, liebe Schwester, hast Du ein rechtes Mutterherz so müßtest Du auch, wenn Gott es also haben wollte, Dein Kind lieber dort als hier sehen. Es gehört Jesu: in der Taufe hat Er’s angenommen. Und solltest Du dann Deinem Kinde nicht gern die Erfüllung des hohenpriesterlichen Gebetes gönnen:| „Vater, ich will, daß, wo ich bin, auch die bei Mir seien, die Du mir gegeben hast, daß sie Meine Herrlichkeit sehen, die Du mir gegeben hast.

 Ach es ist ja kein Traum; die Welt wird wohl vergehen wie ein Rauch und Traum; aber die ewige Herrlichkeit, ob sie gleich herrlicher ist als man sie träumen könnte, die wird wahr werden, unsern ungläubigen Gedanken zum Trotz.

 Meine liebe Schwester, Dich will ich trösten, und ich brauche diese Woche selbst Trost. Es ist unruhig in mir, weiß nicht, warum, es will mir nichts mehr gefallen: ich möcht’ gestorben sein und ewig leben. Wie ich in meinen matten Seufzern für Dich und die Deinen bete, so thue Du auch für mich; obwohl Du’s nicht vergessen wirst; denn Du bist zu liebevoll gegen mich. Bete, daß ich nur immerzu die Liebe zu dieser Welt verliere, daß aber gleichmäßig die Sehnsucht nach dem Himmel wachse und mein Glaube den Tod und Verwesungsduft verdauen könne. Bete, daß ich himmlisch gesinnt und geistiger Weise ein Nasir Gottes werde. Bete, daß ich nicht verloren gehe, denn Du kannst nicht glauben, wie saft-, kraft- und lieblos ich mein Amt verwalte, ob ich gleich neuerdings wegen meiner Predigt über die falschen Propheten, in welcher ich die Wahrheit sagte, Schmach zu leiden gewürdigt werde. Ich sehne mich von Jugend auf so sehr nach Ruhe, mein Amt treibt mich zum Krieg, und wenn Krieg und Unruhe da ist, so bangt mir sehr und ich trag’ nicht gerne Kreuz, es fällt mir ein, daß ich’s verdiene, und das macht mir’s schwer. Ach und doch will ich’s gern tragen, und doch sprech ich: Leg’ auf, ich will’s gern tragen. Es ist aber eine leise Stimme, die so spricht.

 Werde laut, du leise Stimme! Wach’ auf, Psalter und Harfe! Weh’ in mein Herz, guter Gottesgeist, damit ich den lobe, der mich erlöset hat, und spreche trotzig: „Im Herrn hab’| ich Gerechtigkeit und Stärke.“ Es gehe mir auch, wie es will, das soll mir, helf Gott! fest bleiben:

Jesus, Jesus, nichts als Jesus,
Soll mein Wunsch sein und mein Ziel!“

 Leb’ wohl, meine Theure, und leide Dich „als eine gute Streiterin Jesu Christi!“ Der Herr segne Dein Kind und halte es in Seiner Hand. Es wird in keinem Fall verloren sein.

 Grüße meine geliebte Mutter etc.

 Jesus mit Dir! Lebe wohl und liebe

Deinen Bruder Wilhelm. 




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Zu Capitel V: Wirksamkeit in und um Nürnberg.




An Herrn Dr. Layriz.


Nürnberg, 23. Juli 1834. 

 Geliebter Bruder!

 Morgen, Donnerstag, Abends 7 Uhr will ich unsers theuern Lehrers v. R. Einladung benützend, nach E. abfahren. Am Freitag Morgens zurück.

 Heut’ Nacht war ich im Traum auf dem Kirchhof St. Johannis, da predigte ich über eine herrliche, metallene Platte, von der ich nur noch eine Figur weiß, die eines armen, verschmähten, weinenden Menschensohns. Da ausgepredigt war, sah ich neben auf einer andern Platte den Herrn der Herrlichkeit auf Seinem weißen Roß, im schönen Panzer, baarhäuptig, vor Ihm flohen seine Feinde. O laß uns durch Demüthigung für die ewigen Rosse reifen! Hier ist unser Streit ein Fliehen, ein uns Zurückziehen in unsere Gränzen. Ich möchte so gern schweigen, ich wollte um nichts mehr mich bekümmern. Es wird mir schwer im Zeug des Herrn zu dienen. Aber ich lobe Ihn im Schweiße meines Angesichts, zu welchem ich auch diesen Gang nach E. rechne.

 Grüße unsere werthen Freunde, namentlich v. R.’s.
 Pax Domini nobiscum!

Dein 
W. Löhe. 




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Eine Proselytengeschichte.
 Eine schmerzliche Episode in Löhe’s Leben während seines Nürnberger Aufenthaltes bildete die Geschichte des Rückfalls eines jüdischen Proselyten, Namens Sulzberger. Derselbe war am 3. October 1834 in der evangelischen Pfarrkirche zu München getauft und in die Gemeinschaft der evangelischen Kirche Augsburger Confession aufgenommen worden und kam dann mit Empfehlungen von München versehen nach Nürnberg unter die Obhut christlicher Freunde und die Seelsorge Löhe’s. Den Lockungen und Drohungen der Judenschaft Münchens hatte er mit Festigkeit widerstanden, aber den Bitten und Thränen seiner Mutter unterlag er. So that er wenige Wochen nach Empfang der heiligen Taufe den verhängnisvollen Schritt rückwärts zum Judenthum und den Fall in jene schauerliche Tiefe, in welche Hebr. Cap. 6 uns blicken läßt. Noch erinnert sich der Herausgeber eines Abends, an welchem ihm Löhe den furchtbaren Kampf zwischen Christenpflicht und Kindesliebe in der Seele jenes Unglücklichen schilderte. Im entscheidenden Augenblicke saß derselbe in Löhe’s Zimmer, mit dem Abschreiben des schönen Woltersdorf’schen Liedes beschäftigt:
„Komm, mein Herz, in Jesu Leiden etc. etc.“

 Durch das Fenster drang die flehentliche Stimme der Mutter an das Ohr des unglückseligen Jünglings. Mit Mühe hielt er sich zurück, aber bei den Worten:

„Besser wär’ ich nie geboren
Als dies theure Wort verloren“

sprang er, seiner nicht mehr mächtig, auf und enteilte. Er floh von Christo weg in die Arme seiner Mutter.

 Wir theilen nachfolgend einige Actenstücke dieser traurigen Proselytengeschichte mit und zwar:

1. einen Brief Löhe’s, in welchem er Freunden in Stuttgart den Verlauf der Sache bis zu dem entscheidenden Wendepunkte mittheilt;
2. das in diesem Brief erwähnte schriftlich abgegebene Versprechen Sulzbergers, der christlichen Religion Treue halten zu wollen;
3. den ebendaselbst erwähnten in judendeutscher Schrift abgefaßten Brief Sulzbergers an Mad. Schleißmann;
4. die Erklärung, in welcher Sulzberger von Christo und der christlichen Religion sich lossagte.




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I.

 Verehrter Herr!

 Herr Fabricius wird Ihnen in einem zugleich mit diesem abgehenden Briefe die Ankunft des Proselyten Sulzberger aus Fürth gemeldet haben. Derselbe war seit seiner Ankunft dahier in meiner Seelsorge, weshalb ich es für meine Pflicht erachte, treu und gewissenhaft zu schreiben, was etwa zu seiner gründlicheren Behandlung in Stuttgart dienen kann.

 Sulzberger hat, so scheint mir’s, anfangs Rührungen des göttlichen Geistes und eine Art von Sehnsucht nach dem Lichte gehabt, welches alle Menschen erleuchten soll. Dabei mag ihm, aus Anlaß einiger talmudischer Kenntnisse, welche er besitzt, zu früh Hoffnung gemacht worden sein, daß er, wenn er seinem Wunsche gemäß übergetreten wäre, Judenmissionar werden könnte. Die Sehnsucht, Judenmissionar zu werden, verdrängte hierauf seinen Hunger und Durst nach dem Herrn und nahm seine ganze Seele ein. Diese Sehnsucht und die Nähe des Sacraments konnten in ihm ein augenblickliches Feuer erwecken, bei welchem gerade das, was zuerst hätte erkannt werden sollen (die beigemischte, große Unlauterkeit), am schwersten zu erkennen war. In diesem Feuer widerstand er auch den Zumuthungen der Münchener Juden. Seiner Standhaftigkeit und seiner Verfolgungen sich bewußt, kam er hieher, und sein Mund gieng davon über statt von der Gnade des Herrn, die ihm reines Wasser des Hl. Sacraments gegönnt hatte. Da seine ersten Reden gegen mich solche waren, konnte ich vornherein keine besondere Meinung von ihm haben.

 Circa 14 Tage ließ ich ihn gewähren; er ließ sich gehen: so konnte ich erkennen, was in ihm war. So viele Tage konnte der Neugetaufte bei einem Diener des Evangeliums sein, ohne daß er Liebe zum Evangelium an den Tag gab, ohne daß sein| Herz von dem Preise des Hochgelobten überströmte. „Beruf“ war sein liebstes Wort, und aus den häufigen Versicherungen, daß er das Seine und das Erdreich nicht begehre, konnte man gerade das Gegentheil wahrnehmen. Da er keine Talente hat, die ihn zum Missionär befähigten, da er eben so wenig zum Lehrer taugt, wie sein äußerlich und innerlich unreines Wesen beweist, da kaum ein Gewerbe zu denken war, das für ihn (nach seiner Meinung), keins für das er (nach meiner und der übrigen Freunde Meinung) gut genug gewesen wäre: so erkannte ich meine pastorale Aufgabe darin, ihn durch Gottes uns beiderseits beigelegte Gnade zur Demuth zu führen.

 Auf diesem Wege waren wir, als am Mittwoch nach Martini, da S. eben auf meinem Zimmer beschäftigt wurde, seine Hausleute mich wissen ließen, seine alte Mutter sei daheim und verlange nach ihm. Ich kündigte es ihm an – als eine Prüfung seines jungen Glaubens, als kindliche Pflicht, und suchte ihn mit Verheißungen des göttlichen Wortes für die Thränen einer alten Mutter vorzubereiten. Da er erklärte, es sei für ihn unmöglich, seine Mutter zu sehen, ohne die Besinnung zu verlieren, so ließ ich sie, nach seinem eigenen Vorschlag, in unser Haus kommen.

 Als er mit ihr geredet hatte, war er voll Staunen und Verwunderung über die Freundlichkeit und Güte seiner Mutter, welche, anscheinend mit seiner Taufe zufrieden, nur um Eins besorgt gewesen wäre, daß es ihm zeitlich gut gehen möge. Eine Sorge, welche für seine eigene hochmüthige Sorge nur Oel ins Feuer war.

 Seit jenem Tage wurde es in Fürth unter den Juden lebendig, es giengen viele bei Sulzberger ab und zu, ohne daß wir etwas ahnen konnten.

|  Vorige Woche hatten wir angefangen dem S. ernstliche Vorschläge wegen Ergreifung eines Gewerbes zu machen. Er antwortete: „Bis nächsten Dienstag werde ich mich entschließen, bis nächsten Dienstag wird es entschieden werden.“ Am Dienstag Abends, da ich, wie gewöhnlich, ins Zimmer meines lieben Hausherrn Volck gekommen war, um mit wenigen Freunden, unter welchen auch S. sein mußte, im Römerbrief zu lesen, war er abwesend. Auf mein Befremden wurde geantwortet: Die Juden in Fürth hätten ihm in Hamburg in einem Handlungshaus (bei dem Lottocollecteur Heine) eine Stelle ausgemacht, und nun werde er nach einem kurzen Besuch in Fürth und Langenzenn mit dem Eilwagen abgehen. Noch hatte ich mich von meinem Erstaunen nicht erholt, als er selbst kam. Er kam in Freuden, daß er nun geborgen sei und sein Brot habe. Es gab eine ernste Stunde, darin ihm seine große Unlauterkeit und Unredlichkeit – deren nach den Einzelheiten modifizierte widerliche Gestalt genau zu schildern zu viel für einen ist, der’s erlebt hat –, außerdem seine große Gefahr und Gleichgültigkeit, alles in Liebe, erwiesen wurde. Er – war fortwährend kalt, versicherte mir zwar schriftlich auf einem eigenen Blatt, daß er als Christ leben und sterben werde, während jedoch sein ganzes Wesen offen genug dargab, daß er – ohne Ihn lebte. Mit der Ankündigung, daß ich ihn morgen noch einmal in seiner Wohnung besuchen würde – und dem Auftrag um Erleuchtung seiner finsteren Seele zu dem zu beten, den er bisher vergessen hatte, entließ ich ihn.
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 Am anderen Morgen fand ich ihn bereit, meinen Rath zu befolgen. Ihn den Besuchen der Juden zu entziehen, führte ich ihn sogleich zu Herrn Fabricius. Von dort gieng er blos in die Judenherberge, um dort seinen Paß von anwesenden Juden sich geben zu lassen, welche denselben, nachdem er schon| ein oder zwei Tage von der Regierung gekommen war, zu sich genommen hatten.

 Des Abends wurde uns ein von S. in judendeutscher Schrift abgefaßter Brief, der noch offen, eingehändigt, von welchem eine Abschrift beiliegt. Nach diesem war sein Leben in der letzten Zeit eine einzige Lüge. – Zur Vervollständigung muß man wissen, daß er eigentlich nach Amsterdam für das Institut eines Hirsch Schren (?) bestimmt war, in welchem rückfällige Proselyten gepflegt wurden und werden.

 Gestern Abend nach Ausbruch der Sache war S. wie Esau, der fruchtlos um Reue weinte, und ward keine funden für sein armes Herz. Heute ist er ohne Reue. Die Liebe seiner Mutter bricht ihm sein Herz und geht ihm über Alles, ein Zug, um deswillen man S. verzeihen möchte. Das vierte Gebot hat auch in seinem Misbrauch nicht einen Schimmer wenigstens von dem heil. Gebrauch verloren.

 Wir haben’s für nöthig erachtet, ihn den Klauen der Juden zu entreißen. Es kam heute ein jüdischer Advocat sogar in unser Haus, mit Impertinenz verlangend, daß man ihn zu Sulzberger lasse, der aber nicht zugegen war.

 S.’s Herz ist sehr unlauter. Zur völligen Verläugnung auch des Christennamens fehlt ihm wohl nur Lockung und Gelegenheit. – Der Herr walte über ihm und bekenne sich zu den treuen Bemühungen der theuern Brüder in Stuttgart, damit dies arme, schwanke Rohr, dieser verglimmende Tocht noch Festigkeit und Oel finde in der Gnade des ewig Reichen.

 Einige kleinere Punkte wären noch zu erklären. Aber wir halten es nicht für nöthig.

 Mit der Bitte, uns einige Nachrichten von S. und seinem weiteren Lauf zukommen zu lassen, schließen wir.

|  Gott erbarme sich über Sein armes Volk und Würmlein Jakob. Er sei unser Hort und Burg bis an’s Ende! Amen. Gelobt sei Sein heiliger Name in Christo Jesu! Amen.

 In ehrerbietiger Liebe

W. Löhe, 
Pfarrverweser bei St. Aegidien. 
 Nürnberg, den 26. November 1834.




II.

 Ich verspreche, auch in Hamburg als gläubiger Christ zu leben, und dieses werden Sie, lieber Freund, in einem halben Jahre erfahren.

 Nürnberg, 18. November 1834.
Sulzberger. 




III.

 Liebe Madame Schleißmann!

 Wie es mir geht, werden Sie oft fragen? Dieses zu beantworten, will ich genau mittheilen. Ich hatte vieles zu erdulden und zu ertragen, wie es jedem Proselyten geht. Jetzt werde ich angestellt, zwar nicht bei der Mission, doch mein Auskommen werde ich haben. Aber, liebe Madame, welchen Anblick hatte ich vorige Woche: meine Mutter, die ich blühend verlassen habe, jetzt alt, schwach, vor Kummer einem Todtengerippe ähnlich. In Thränen schwimmend, umarmte ich sie, zu ihren Füßen mich werfend vergab sie mir. Ich sage es Ihnen, wenn einer nur eine jüdische Ader hat, so drückt ihn das Gewissen bei einem solchen Schritt. Es ist ein Schritt des Lebens, wo man schwer zurück kann. Doch, ich hoffe, ich kann zurück. Ich werde| nämlich einen Paß mir nehmen nach Amsterdam und dort ist’s möglich wieder Jude zu sein. Es wird mir auch geholfen von Fürth. 2000 Fl. hätte Fürth gewagt, wenn dieses nicht geschehen wäre. Morgen würde ich meinen Beruf erhalten, ich aber nehme nichts an und gehe einstweilen zu meiner Mutter, bis der liebe Gott mir hilft zur weitern Reise. Jetzt habe ich weinen gelernt, wenn meine Mutter wäre nach München gekommen, wäre es nicht geschehen. Auch Gott habe ich erst kennen gelernt durch diese sechs Prüfungswochen, wobei ich so viel gelitten habe. Zwar geht mir’s gut, aber ich muß zurück, um die wenigen kummervollen Tage meiner Mutter zu versüßen. Leben Sie wohl wie es wünscht
Ihr treuer 
Sulzberger. 

 Grüßen Sie mir die liebe Nanni und Federmann. Mein Versprechen kann ich für jetzt nicht halten, bis der liebe Gott mir hilft. Von Amsterdam aus erhalten Sie den nächsten Brief.

 NB. Von der Polizei habe ich Gottlob den Paß bis Hamburg bekommen.




IV.
 Ich bezeuge hiemit, daß ich Dienstag Abends von meinem Seelsorger, Pfarrverweser Löhe, vermahnt wurde, mich von den Juden entfernt zu halten. Am Mittwoch erklärte ich mich freiwillig diesem Rath zu folgen, worauf ich zum Herrn Fabricius geführt wurde von meinem Seelsorger, um von den Juden entfernt zu sein. Gestern war ein Jude da, der mich sprechen wollte, ich erklärte, ich wolle ihn nicht allein sprechen. Nun da meine Mutter hier ist, erkläre ich nun im Beisein der| drei unterschriebenen Zeugen, mich freiwillig von meinem christlichen Glauben zu trennen und meiner Mutter zu folgen.

 Nürnberg, den 21. November 1834.

Friedrich Heinrich Sulzberqer. 
Als Zeugen: Dr. Reuter, 
Helferich, 
A. Volck. 


An Herrn Professor K. v. Raumer.


Lauf, 9. September 1835. 

 Theurer Vater!

 Ich bitte Sie, strenges Gericht über diese meine elenden Predigten[2] zu halten und halten zu lassen. Ach ja, wie elend kommen sie mir vor. Ich fürchte mich wie ein Hund vor Schlägen!

 Ich habe heute Berufung als Verweser auf die zweite Pfarrstelle in Altdorf erhalten; gehe morgen nach Nürnberg und Fürth, meine Sachen in Ordnung zu bringen, dann wieder hieher. Freitag seh’ ich mich in Altdorf um – was zu machen. Ich habe gar keine Idee von Altdorf und einem Leben dortselbst. So viel weiß ich, ich will thun was meines Amts ist, mehr nicht; aber – ich kann’s nicht. Was thut man, wenn man in jungen Jahren sich vor Lauheit fürchten muß wie ein abgelebter Greis?

 NB. der Predigten wegen! In der Vorrede muß ich sagen, daß die drei letzten an Abendmahlstagen gehalten sind. Ich strauchle, ob ich als Anhang beigeben soll, was ich über| das göttliche Wort aufgeschrieben habe. Es gibt etwa auch einen Tractat und paßt dazu besser als zu den Predigten.

 Ach schreiben Sie mir doch ein tröstlich Wort, ob ich nicht einen dummen Streich begangen habe mit dem Druck dieser Predigten? Wie würde ich mich hauen, wenn ich mich recensieren sollte! Es ist mir wirklich bange! Ich möchte die beifolgenden Predigten nochmal durchgehen, aber am Ende corrigiere ich so lange, bis kein Setzer mehr draus kommt. Besonders ist mir schwer, daß die Theile sich nicht schärfer abgränzen. Ei, Ei! Ich will nur schweigen und zusiegeln. Es ist nicht zu ändern!

 Herzlich und ehrerbietig grüße ich Sie und Ihre werthe Frau Gemahlin, Heller, Layriz, Brunner. Von Altdorf schreib’ ich Ihrer Frau Gemahlin das Versprochene, so Gott will.

 Friede!

Ihr dankbarer 
W. Löhe. 




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Zu Capitel VI: Wirksamkeit in Altdorf, Bertholdsdorf und Merkendorf bis zur Installation in Neuendettelsau.




An Herrn Professor K. v. Raumer.


Altdorf, 9. November 1835. 

 Theurer Vater!

 Sie erhalten hier die Lieder mit den Correcturen wieder. Alle waren sehr erfreut, daß es vorwärts gieng, und danken Ihnen. Nur die Correcturen wollten uns nicht recht in den Sinn; wir wünschten wenigstens, daß keine einschleichen möchten, welche nicht aus Ihrem innersten Herzen flossen. „Krachen“ gefällt mir immer noch besser als die Correctur etc., wiewohl wir mit Ihnen de principio ganz einig sein müssen. Fahren Sie fort, theurer Vater, nach der Weisheit, die Ihnen Gott gegeben! Der Herr mit Ihnen! Die Copie werden Sie durch Bruder Volck erhalten haben. Dem hab’ ich auch einen Beitrag von einigen und 30 fl. für die Liedersache zugestellt.

 Ich hätte auch sonst sehr gewünscht, daß Sie kommen, auch meinetwegen, wegen Altdorfs und Aufseß’ hätte ich Manches zu fragen gehabt. Ich werde letzterem nicht ausweichen können, wenn es an mich kommt: ich habe keine Gründe dagegen und habe mein Herz Gott übergeben so, daß mir Seine Wege Wohlgefallen werden.

|  Auch wegen des Correspondenzblatts wäre Ihr Rath von Nöthen gewesen. Zur Augustana habe ich sehr derbe Glossen aufgeschrieben, von denen ich nicht weiß, ob sie Ihnen gefallen werden. Meinen theuern Brüdern Heller und Layriz würden sie ohnehin nicht gefallen. Ich habe sie den Nürnbergern zu beliebigem Gebrauch übergeben, mir liegt an ihrem Schicksal nichts; sollen sie einige derbe Steine in den Froschpfuhl dieser Zeit werden: meinetwegen! Es darf auch wohl die Trommete ein wenig hallen auf den Bergen, wo Israel irrt! Die Parallelstellen zu den Psalmen zu revidieren, wurde Alt behufs einer Psalmenausgabe aufgegeben. Ich gab drei Hefte, die ich über Gottes Wort und Predigtamt geschrieben, den Brüdern zur Lectüre. Einen Aufsatz über Gottes Wort[3], welchen ich meinem Heller versprochen und mitgebracht hatte, gab ich am Ende an Fleischmann, ihn sine die, nomine ac consule als Manuscript abzudrucken. Merkel gab vier Ries Papier dazu, und so kann man ihn an gute Freunde verschenken.

 Wegen der Missionssache hat Merkel einen andern Brief geschrieben, den er Ihnen schon zuvor schicken wird. Ich habe auch Hellern geantwortet. Mein Herz ist stille, wünscht Jerusalem Glück und heißt die Demüthigung willkommen!

 Denken Sie! Ich habe schon einige verlorene Schafe gefunden, darunter einen Seminaristen aus Memmingen! Wie ist mir nun mein kurzer Aufenthalt in Altdorf mit Gnadenlohn bezahlt!

Friede mit Ihnen und Ihrem 
ewig dankbaren 
W. Löhe. 




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An Herrn Professor K. v. Raumer.


Altdorf, 27. November 1835. 

 Theurer Vater!

 Gerne nehme ich Hans an Weihnachten: er findet bei mir ein gutes, warmes Stüblein für sich allein und ein Bett. Nur eine Bedingung habe ich, daß nämlich Sie mit Mama auf ein paar (wenigstens zwei) Tage hieher kommen. Es hat Gott gefallen, bei St. und seiner Frau und bei den beiden Seminarlehrern einen heiligen Ernst zu erwecken: diese haben alle großes Zutrauen zu Ihnen, und Sie könnten mir zum Besten des Seminars einen guten Schritt vorwärts thun helfen, von welchem mündlich. Etliche Seelen werden bei Ihnen schon so viel wiegen, daß Sie sich auf ein paar Tage losreißen können!

 Gott gebe, daß es mit dem Liederbüchlein etwas schnell vorwärts geht: es sehnen sich viele danach. Wenn es da ist, bettle ich mir ein Sümmlein, um jedem Seminaristen durch S. eins zuzustecken: vielleicht gewinnt man 150 junge Schulmeister i. e. Schulen. Eilen Sie doch auch mit der Schrift über Erziehung: hier wirkt sie rebus sic se habentibus mit Gott gewiß! Einigen Seminaristen hat Gott bereits eine Einkehr geschenkt!

 Was wird mit unserer Missionssache werden? Brandt schreibt mir sub rosa, der Herr Präsident in München sei sehr dagegen, sehe darin ein „verstecktes Durchsetzenwollen unsers Willens gegen den Willen des Königs“. Er wird sich an unserem neuen Bürgermeister nicht unversucht lassen, Schubert wird seiner Meinung sein, ergo auch R... etc. etc. Quis erit superstes? Respondeo: Dominus, cujus gloria manebit in saecula saeculorum.

|  ...Was die Welt über Ihren quasi Uebertritt[4] sagen wird, war vorauszusehen. Mag es sein: wir verachten ihre Reden frei. Ja wir wissen, daß Zeiten kommen, wo man durch seine gewissenhaftesten Glaubensschritte grade die geliebtesten Glaubensbrüder stößt: denen rufen wir zu: „Richtet nicht vor der Zeit!“ lieben fort und bekennen fort. Zu läugnen und zu schweigen ist freilich nichts: es geht mit etwas mehr Rumor, den man sich um Gottes willen gefallen läßt, aber auch mit kürzerer Dauer des unbequemen Lärms ab, wenn man grade zu, still und laut, redet. Das ist unmaßgeblich meine Meinung: nicht ohne Noth davon reden; nicht läugnen, wo man reden sollte.
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 Mich hat Gott ein wenig gestäupet, damit ich Seine Liebe erkennen konnte. Schon in voriger Woche litt ich zwei Tage an Zahnschmerz: ich schrieb nach Nürnberg um Rath von Dr. Reuter, wegen eines Frühstücks, das einem nicht zum Ekel wird und die Kopfnerven doch nicht in Allarm bringt. Am Montag Abends in dieser Woche überfiel es mich wieder, ich konnte nicht schlafen und am Dienstag nichts arbeiten. Als ich an diesem Tage des Morgens auf meinem Kanapee lag und durch die nackten Aeste meiner Bäume in den blauen Himmel sah, kam ein Brief meines herzlich geliebten treuen Jubitz, der mir vom besten Arzte und von der Geduld im Leiden mit sanfter Bestrafung schrieb und mich auf den Glauben hinwies, der von dem Herrn Alles verlangen kann: ein herrlicher Brief, der zwei Tage auf meinem Tisch lag und zur rechten Zeit gekommen war. Ich brachte den Tag hin, in der Nacht aber kam der Herr mit starkem Ernst. Wie meine Schmerzen auf meine tausendgestaltigen Traumphantasieen den größten aber auch qualvollsten Einfluß haben,| so auch dies Mal; ich wachte endlich auf, nachdem ich träumend einige neue Theile zu einer Predigt von den Leiden des Lebens aufgefunden hatte. Da ich in denselben fieberhaften Wahnsinn der Träume zurückzusinken fürchtete, zog ich mich an und that meinen Pelz um mich und machte Licht: ich saß ein wenig aufrecht auf meinem Stuhl; da meldete sich eine Ohnmacht. Da die, nachdem ich noch mein Lager erreicht, gleich vorüber war, erstarrten meine Arme wechselsweise (6–7mal), ich empfand große Schmerzen und dachte, der Herr wollte mich in Seinem Grimm dahinraffen. Ich schrie zu Ihm mit allerlei Sprüchen des hl. David, und daß ER nicht gedenken wolle der Sünden meiner Jugend und meiner Uebertretungen; da ließ ER ab von mir und ich wurde ruhiger: ich hatte Jubitzens Trost erfahren. Um nicht wieder in solche Traumphantasieen zu verfallen, stand ich auf. Vor der Ohnmacht, in der Eile mein Lager zu erreichen, hatte ich meine Bibel vom Pult geworfen und im Falle hatte sie sich aufgeschlagen: nun beim Aufstehen stieß ich dran, und da ich merkte, daß es die Bibel war, hob ich sie auf und fand aufgeschlagen Psalm 85–89, zunächst aber Psalm 88 u. 89, das paßte auf einander und zu jener Stunde. Ich dankte Gott! das war um Mitternacht. Gegen Tag hin wandelte mich eine zweite Schwachheit und Ohnmacht an, die aber noch leichter vorüber gieng. Am Mittwoch konnte ich auch fast nichts thun. Abends schwoll mir die linke Wange in der Gegend der beiden Kinnladen, in der Nacht nahm es zu, daß ich die Zähne nicht auseinander brachte. Ich zweifelte fast wieder an dem himmlischen Arzte und gedachte am Morgen den hiesigen Physikus kommen zu lassen, ja in der Dummheit meiner Phantasieen sagte ich zu einem Stern, der zwischen den Vorhängen hereinsah: „O liebes Sternlein, hilf mir!“ Am Tag, früh 6 Uhr stand ich auf, und da ich eben mein dünnes silbernes Löffelein liegen| sah, nahm ich’s umgekehrt, steckte es mühsam durch die Zähne, bewegte es dahin und schnitt mir so ein Geschwür auf. Nun wurde mir leichter und heiter: der Herr hatte eilend geholfen, und seitdem geht’s ohne Schmerzen; die Geschwulst ist fast ganz weg und wird morgen hoffentlich ganz weg sein. Da ich nun gestern wieder auf meinem Kanapee lag und durch die Zweige gen Himmel schaute, erkannte ich Seine Gnade und Barmherzigkeit und meine Sünde und Schwachheit, große Sünde, große Schwachheit und summte dahin:

„Ich rief dem Herrn in meiner Noth“ etc.

und

„Der Herr ist noch und nimmer nicht“ etc.

Und ja

Wenn Trost und Hilf’ ermangeln muß,
Die alle Welt erzeiget,
So kommt, so hilft der Ueberfluß,
Der Schöpfer selbst und neiget
Die Vateraugen deme zu,
Der sonsten nirgend findet Ruh’.
Gebt unserm Gott die Ehre!

 Nehmen Sie nicht übel, daß ich da so viel von mir herschreibe. Es sei eine Ausnahme: ich bin noch ein wenig schwach und es liegt mir nahe! – etc.

 Gottes Friede sei mit Ihnen allen! Amen.

Ihr dankbarer und treuer 
W. Löhe. 




An Herrn Professor K. v. Raumer.


Altdorf, 16. März 1836. 

 Theurer Vater!

 Ich las diese Woche nebenher „Aus dem Leben eines Berliner Arztes“. Der Arzt ist kein Christ, redet aber sehr vernünftig| über die gewöhnlichen Spiele der Wirthshäuser, daß ich, nachdem ich zu Ende gelesen, mein Gewissen schlagend fand, denn ich hatte bisher aufs Spiel kein sonderlich Augenmerk gerichtet. Ich fragte nachdenkend über die Sache und nur wie damit ich etwas zu reden hätte, einige anwesende Jünglinge: „ihr spielt doch nicht?“ Eins gab das Andere und ich brachte Folgendes heraus. Es gibt hier vier bis fünf Taubenhändler. Viele Knaben und größere junge Leute kaufen sich da Tauben, um sie brüten zu lassen. Da haben nun die Taubenkrämer die Sache so gewendet, daß sie Karten anschafften, und zur Brutzeit spielen dann Präparanden, Confirmanden, Sonntagsschüler die Menge um Tauben. So lernen sie in der Brutzeit das Karten und können es, um es für’s ganze Jahr zu üben. Hast Du auch je die Taubenkrämer so im Tempel wirthschaften sehen? – Einer von ihnen wohnt noch überdies im Hospital, und so wird diese Hütte alles Elends, die ohnehin nebenher ein Hurenhaus ist, noch übrigens ein Spielhaus! Gute Schule für die Jugend! Hurenhaus, Spielhaus, Bettelhaus, Krankenhaus! Ich bin selbst zu dem Taubenkrämer gegangen, habe sonst Alles erkundet und gestern bei Sr. Hochwürden Klage geführt. Gott helfe, daß für heuer und immer geholfen werde!

 Uebrigens ist mir Gott recht gnädig. Ich hoffe, Segen zurück zu lassen, wenn ich nun gehen muß, und daß ich die Taubenkrämer noch auspeitschen darf und kann, achte ich auch für Gnade! Gehen werd’ ich nun nach und nach müssen. Wenn ich aber nur bis Himmelfahrt bleiben kann, um meine Confirmanden zum Ziel zu bringen.

 Die Predigten über Joh. 13 will ich Mama recht gern geben. Es werden immer aus einer wieder zwei; so daß ich am nächsten Sonntag lieber aufhören will darüber zu predigen....

 Ich bitte Dich nochmals, mir Eure Geburtstage zu schreiben,| weil ich mir alles Ernstes eine geistliche Landkarte ins goldene Buch richten will, und wenn sie fertig ist, sollst Du sie sehen.

 Heut’ kommt der neue Landrichter v. Merz. Ich bin ganz froh; denn mein Kopf hat ganz Noth gelitten, so haben die Bürger alle Abende die große Trommel zu der Feierlichkeit exerciert. Man hat mich auch zum Abendessen eingeladen; aber weil man den Herrn die Füße nicht waschen darf, so habe ich’s rund abgeschlagen.

 Grüße die Unsrigen, sonderlich Mama.

 Mit Euch sei Gottes Gnade und Friede und mit

Deinem ewig dankbaren 
W. Löhe. 


An Herrn Professor K. v. Raumer.


Altdorf, 27. März 1836. 

 Geliebter Vater!

 Werde dem Leben nicht gram, mein Vater: Du hast Deinen Heiland darin gefunden, welcher Dich je und je geliebt und aus lauter Liebe zu Sich gezogen hat. Laß (zürne nicht, daß ich vermahne, ich tröste mehr!), laß gehen, was wir nicht halten können, und halt mit Deinem armen Sohne fest an dem, der das Haupt ist, von welchem dennoch Weihnachts- und Osterfreude in die Glieder fließt. O Vater, transit mundus, aber Seine Worte vergehen nicht, und Seine Kirche sieget, das wirst Du am Ende sehen. Recht wird ja dennoch Recht bleiben.

 Daß Du für’s Correspondenz-Blatt nichts gethan, sei dahin: Du wirst schwerlich etwas thun können, wenn der Ton Heinrich Bomhardts wieder die Oberhand gewinnt, wie einem die neueste Nummer und der erste Aufsatz derselben Sorge machen kann.| Ich will dennoch Einiges thun. Es ist auch etwas über den Sonntag darin, welches judaizans.

 Hommel hat mir den Erlanger Tabakrauch, der sich statt des heiligen Rauchwerks in die Harmonie der Studenten drängt und wie der Antichrist die ganze Welt und auch die Stätte des Heiligthums, mit Mathesius zu reden, „verstänkert“, wohl hinterbracht. Mags dampfen: ich muß mit meinem lieben Vater Osteralleluja singen und Weihrauch anzünden. Was bleibt über als solche Resignation für die, welchen die Hände gebunden sind, wenn sie arbeiten wollen.

 Baumgart hat noch keinen Geburtsschein erhalten auf zweimaliges Schreiben. Ich muß ihn an meinem nächsten Bestimmungsort taufen. Schubert, heißt es, reist nach Palästina. Ich möchte auch mit, wenn meine Mutter Amen sagte. Wollte den Rest meines väterlichen Vermögens wohl drauf wenden, um ins heilige Land zu gehen. Komm ich lebend wieder, so brächt ich Dir eine Hand voll Erde, und ob Gott wollte, eine heilige Liebe mit in meinem Herzen. Was meinst Du? ..

 Der Herr ist mit mir in Altdorf, nun aber muß ich gehen. Wird wieder wehe thun!

 Grüße Mama herzlich und ehrerbietig, meinen lieben Heller und Layriz, auch Brunner etc.

Friede vom Friedefürsten! 
Dein ewig dankbarer 
W. Löhe. 


An Herrn Professor K. v. Raumer.


Bertholdsdorf, 11. Mai 1836. 

 Liebster Vater!

 Du arbeitest was ich lese, oder besser, ich lese was Du arbeitest; denn ich habe in dieser und der vorigen Woche fast| ganz Palästina verschlungen. Der Herr sei ferner mit Deiner Hand und Deinem Geist! Amen.

 Von meiner Hand nimm, lieber Vater, den Beichtunterricht. Du hättest ihn schon lange, wenn nicht zwischen hier und Nürnberg die Communication etwas langsam wäre. Ich hätte nicht gedacht, daß ich in diesem Unterricht so Recht hätte, wenn ich nicht in dieser Woche wieder eine Schrift von Luther über die Beichte und eben über diesen Gegenstand auch die pommersche Agende gelesen hätte. Ich habe wenigstens Eine Freude, nämlich die, daß ich einig bin mit Vielen, mit der ganzen ecclesia triumphans meiner Väter. Nimm nur, lieber Vater, das Büchlein gerne an! An meinen Predigten lag und liegt mir nichts; das Büchlein hätte ich gerne in Activität. Ich hab’s als einen Baustein in die Hand des Baumeisters gelegt: Er wird’s wohl machen!

 Von meiner Capitelsconferenz habe ich die Begutachtung des größeren Theils der neuen Agende und eine pastorale Darstellung der Behandlung Besessener etc. nach alter Weise zur Aufgabe bekommen. Das interessiert mich mehr, als Strauß, den, wie ich höre, Gott aus Seinem Deutschland ausspeit. Ich habe die einschlägigen Sachen fast alle ungelesen remittiert. Warum soll ich Träber essen, da ich weder ein Schwein noch ein Schweinehirt noch der bin, der Augias Stall ausputzen muß? Suum cuique!

 Könnte ich doch zu meiner ersten Arbeit Fischer’s Kirchenbuch (Coburg 1748) bekommen: hat es in Erlangen kein Theolog, von dem ich es auf Deine gütige Fürbitte einige Wochen haben könnte? Die Arbeit freut mich, ich lerne für’s Pastorale. Man sollte die alten Liturgieen und Gebete mit gleicher Gründlichkeit und Genauigkeit sammeln, als man’s mit den Liedern gethan hat.

|  Ich habe sonst hier viel zu thun in Kirch, Schul, Armuth und Stiftung – auch mit Zehentschweinen etc. Gott gibt Geduld zu allem und erscheint mir bei diesen meinen Geschäften so gut wie den Magiern beim Sterngucken und den Hirten am Thurm Eder beim Hüten! In der Schule bin ich täglich zwei Stunden, auch am Sonntag. Ist überall schön wandeln, wenn’s geregnet hat in den Staub!

 Brandt ist ein trefflicher und liebenswürdiger Decan und sehr bewandert in seinen Geschäften. Er ist eines viel besseren Namens würdig als er in dem kritischen Nürnberg und Erlangen, namentlich beim philologischen Volke hat. Du kannst nicht glauben, wie Brandt unter dem Volke im Capitel geehrt und geliebt ist; er ist es werth, so zu sagen.

 Bei mir gibt’s schöne Spaziergänge. Jubitz kommt auch auf die Feiertage, komm auch, wenn Du Erholung suchst. Pressen will ich Dich nicht, aber Du weißt, wie freundlich Du eingeladen bist, ’s ist recht schön hier, und eben fangen die Bäume an zu blühen. Gott wird nun mit dem Frühling einkehren und mit Seinem Geiste! Amen. Amen.

 Herzliche Grüße an Alle, Alle, vornehmlich an Mama, Heller, Layriz, Brunner. Sollen alle kommen, wenn sie’s auch unbequem haben, was ist’s? Gut ist’s für junges Blut und welches nicht mehr laufen, sondern stehen will! Du aber wirst es bequem haben!

 Meine liebe Mutter hätte nur gerne wärmere Zeit, ich sage alle Tage vorher, daß sie kommt. Sie grüßt Dich und Deine Frau Gemahlin ehrerbietig.

 Lebe wohl, mein Vater, und liebe ferner

Deinen treuen und dankbaren 
W. Löhe. 


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An Herrn Professor K. v. Raumer.


Bertholdsdorf, 13. Juni 1836. 

 Theurer Vater!

 Durch Dein Messer leb’ ich noch Eins so lang; denn was erspar’ ich nicht an Zeit. Habe herzlichen Dank, und ich will Dir’s, wenn möglich, unbeschädigt wieder zustellen.

 Ich vertiefe mich dermaßen in meine Gemeinde, daß ich bald nicht mehr wissen werde, wo Erlangen, Fürth, Nürnberg und Windsbach liegen: alle Tage in den Häusern, alle Tage einen Sack trübseliger, erstaunlicher Erfahrungen mit heim nehmend, geh’ ich alle Tage wieder aus und bleibe, ich Stein, unangefochten, lustig und guten Muthes. Ich erkenne, daß eine kleine Landgemeinde einen Mann von mäßiger Kraft vollkommen in Anspruch nehmen kann. Wenn ich einmal wieder die Freude habe Dich zu sehen, muß ich Dir Einiges erzählen. Ich meine, ich habe Wunders was erfahren, wie elend aber ist die Welt, wenn sie überall meiner Erfahrung gleicht! – Doch ich will Dir lieber einen Spaß machen, damit Du Dein eignes Leid vergessest. Wie, glaubst Du, hat ein Bauer seinem Kinde Genesung von Krankheit bereiten wollen? Antwort: Der gieng zuerst zum Landarzt und ließ ein Recept schreiben; dann gieng er zum Physikus und ließ auch eins schreiben; die beiden trägt er zum Apotheker und gibt ihm auf, dasjenige zu machen, welches das beste wäre. Der antwortet: die zwei seinen nicht zu vergleichen, sie seien conträr. Der Bauer sagt: da müsse man doch das Recept des Physikus machen, weil der höher sei. Als er’s nun heim bringt, hilft’s nichts; um nun das Geld nicht umsonst ausgegeben zu haben, gießt er’s dem Kind nach und nach in sein Trinkwasser und verdirbt dem armen Tropfen| auch noch das Wasser. Für wie viele Dinge ist dieses Exempel bäuerischer Klugheit ein Typus.

 Eine andere, nicht so lustige, aber schönere und erquicklichere Geschichte. In unsern Kinderlehren redet immer mehr Alt und Jung – und haben gestern wieder schöne Gespräche über den Hausgottesdienst gehabt. Da habe ich nun am D. D. p. Tr. I bei Erklärung der Erbsünde bitterlich geklagt, daß sie alle zusammen sogar in der Erbsünde versunken sind und meine Stimme, als welche doch die Stimme des guten Hirten sei, nicht verstehen. Da fieng eine Frau an, mich zu trösten und sagte, ob ich noch wisse, was ich am Sonntag Exaudi gepredigt habe? Ich fragte sie: was sie meine; da antwortete sie: ich hätte die Gemeinde aufgefordert, für mich zu beten, und versprochen wieder zu beten; da ich nun bete, aus der Gemeinde etliche es auch thun werden, ob ich nicht glaube, daß seiner Zeit der Segen erscheinen werde: ich solle mich gedulden etc. Das schien allen Männern recht verständig und es entstand ein herzliches Gemurmel des Beifalls. Mir lachte mein Herz, und hatte in mir den Sinn des Propheten: „Wind, wehe von den vier Winden und blase die Getödteten an“.

 Zum Schluß noch einen Spaß. Bei den Hausbesuchen kam ich in das Haus junger wohlhabender Eheleute zur Zeit, da der Hirt trompetete und die Seinen bunt und schwarz aus dem Stalle mit schallender Antwort rannten. Die Frau heulte vor Rührung, da ich kaum den Mund aufgethan hatte – und da das Gespräch auf den Tod kam, fragte ich sie, ob sie gerne sterbe. Darauf antwortete sie unter vielen Thränen: „o ja, zumal jetzt, da das Vieh nichts zu fressen hat, wird einem das Leben recht zuwider.“ Die verkauft ihr Leben leicht!

 Nun zur Hauptsache. Ich will für mein armes Landvolk eine Anweisung zum Hausgottesdienst, ein Register zum Bibellesen| lesen und einen Haussegen drucken lassen. Diese Dinge sind überall nothwendig, namentlich ist mein Volk zum Hausgottesdienst willig und trägt Verlangen nach den Sachen. Wolltest Du nicht:
α. mir umgehend die Predigt über den Hausgottesdienst (Text: Ich und mein Haus wollen dem Herrn dienen.) schicken, welche Du von mir in Händen hast;
β. mir einige Beiträge für jene Tractate betteln von unsern nächsten Bekannten? Meine Casse hat gerade einige Ebbe, weil ich noch kein Salar erhalten habe; sonst würde ich Freunde nicht plagen.

 Grüße ehrerbietig und herzlich Mama, Layriz, Heller, Brunner etc. – Auch meine liebe Mutter und mein Herr Schullehrer, der eben zur Thür herein kommt, grüßen ehrerbietig.

 Friede mit Dir und

Deinem 
W. Löhe. 


An Herrn Professor K. v. Raumer.


Bertholdsdorf, am 28. Aug. 1836. 

 Mein theurer Vater!

 Vor lauter Schreibenwollen und müßiger Geschäftigkeit bin ich zum Schreiben nicht gekommen; aber desto treuer war mir in meiner Einsamkeit der Gedanke und die Erinnerung an Dich, theurer Vater. Heute muß ich Dir schreiben, nicht als wäre eine auswendige Nöthigung zum Schreiben vorhanden, sondern was mich treibt ist die Gemeinschaft, die ich mit Dir habe; die Liebe, die nicht stumm ist wo sie reden kann, und wo sie nicht reden kann, durch Zeichen und Züge redet. Denn ob zwar die Liebe ewiger Natur ist, so ferne sie Gott ist; denn Gott ist die| Liebe: so ist doch die menschliche Liebe dem Wachsthum und Tod und der Veränderung ausgesetzt, kann verklärt und verdunkelt werden und stirbt wohl da, wo man sie nicht speist und tränkt. Du aber bist mir unveränderlich theuer und will ich meine Liebe zu Dir vielmehr heller brennen sehen zu Gottes Preis und meinem Heil, als daß ich sie sollte entschlafen lassen, hoffend, sie werde am jüngsten Tage, wo aller wahren Christen Liebe zu vergessenen Brüdern wieder aufersteht, auch wieder auferstehen. Ja ich will nicht, daß mein Liebe auferstehe, sondern dieselbe soll bleiben, bis der Tag kommt, und dann nur überkleidet und verwandelt werden. Es lebe meine lebendige Liebe zu Dir und allen Brüdern, am meisten in der Zeit, wo die Gemeinschaft der Heiligen so pur ein Glaubensartikel geworden ist, daß man sie bald nicht mehr glauben wird.

 Gestern war ich bei der Synode, wo mein Herr Decan eine vortreffliche, praktische Rede gehalten hat, eigentlich eine religiös-moralische Description der Diöcese. Vielleicht kommt sie ins Correspondenzblatt, welches, beiläufig gesagt, nicht aufhört, da es in der letzten Zeit 50 Abnehmer mehr gefunden hat. Auch hat Herr Decan die ganze Synode so demüthig und freundlich und doch so fest geleitet, daß ich mich verwundert habe. Ich kenne noch keinen Decan wie diesen. Um 2 Uhr gieng es zu Tische, 16 Geistliche, 8 weltliche Mitglieder. Ach, Elend! ’s ist nichts. Ich hab’ mir fest vorgenommen, bei keiner Synode mehr mit zum Mahle zu gehen, da hat ein Anderer seine Macht. Es reut mich Alles, auch mein Geld. Ich bin zuerst aufgebrochen; aber ich hab’ es auch von dem Wenigeren satt und genug. Ich will mein Geld in Zukunft den Armen geben und die Leute denken lassen was sie wollen.

 Da kommt van der Smissen, der mir sagt, Du seiest schon fort nach München. Er will den Brief mitnehmen.| Nun, wenn Du wiederkommst! In München kannst Du wenig lesen.

 Lieber Vater, grüße ehrerbietig die Herren Schubert, O’Livier, Schnorr, Puchta, Wagner auch von mir.

 Gottes Friede mit Dir und

Deinem treuen und dankbaren 
W. Löhe. 




Herrn Professor Dr. Huschke in Breslau.


Merkendorf, am 6. December 1836. 

 Hochgeehrter Herr!

 Ihr werthes Schreiben, welches ich durch die Raw’sche Buchhandlung richtig erhielt, hat mich mit nicht geringer Freude überrascht; ich sage Ihnen für dasselbe meinen innigen und ehrerbietigen Dank.

 Das Beichtbüchlein ist allerdings von mir, und da es in meinem Vaterland, wo der unerweckte Zustand der meisten Gemeinden auch fromme und wohlbefähigte Prediger verhindert, Privatbeichte zu üben, weniger Anklang, obwohl Leser finden konnte; so war von Anfang, seitdem ich auf Rath meiner Freunde mich entschloß, es drucken zu lassen, meine stille Hoffnung diese: es werde vielleicht in anderen Gegenden von einigem Nutzen sein. Ich dachte dabei an Ihre Gegenden. Ich habe von Freunden von zum Theil reformierter Gesinnung manche Erinnerung über die Darstellung erhalten und muß selbst bekennen, hie und da mich unvorsichtig ausgedrückt zu haben; ich will aber, falls eine zweite Auflage nöthig werden sollte, keinen Fleiß sparen, das Büchlein so zu vervollständigen, zu begründen und zu zieren, daß es der von mir herzlich geehrten lutherischen Kirche keine Schande oder verdiente Schmähung zuziehe. Möchten auch Sie,| hochgeehrter Herr, und Herr Pastor Wermelskirch, welchen beiden als Bruder und Diener Eines Glaubens anzugehören ich sehnlich wünsche, mir Ihre Ausstellungen kund thun! Ich diene meiner Kirche so gerne! Ich habe angefangen, für meine lieben hiesigen Confirmanden ein Beichtbüchlein im alten Sinne zu sammeln und werde mir, wenn es vollendet ist, die Freiheit nehmen, Ihnen einige Exemplare durch die Raw’sche Handlung zu schicken. Doch wird es sich noch einige Wochen verziehen.
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 Sie haben sich, hochgeehrter Herr, in Ihrem lieben Schreiben in einer Kleinigkeit getäuscht, die mich veranlaßt, Sie um Verzeihung zu bitten, wenn ich Ihnen einige Worte von meiner Person sage. Ich bin noch nicht Pfarrer, sondern gegenwärtig Verweser des erledigten Pfarramts in der ersten Pfarrstelle dahier. Ich zähle 28 Jahre im Leben, 6 im heiligen Amte, und in diesen 6 Jahren habe ich vom Norden bis Südwest meines Vaterlandes abwechselnd bereits 12 Gemeinden geweidet. In meiner zweiten Stelle im Fichtelgebirge habe ich zwei Jahre und vier Monate zubringen können, der Herr hat eine reiche Gnade und endlich mir die Ehre gegeben, um Seines Namens willen von dem Provinzialconsistorium Bayreuth verjagt zu werden. Seitdem arbeite ich im Consistorialbezirk Ansbach, meine Obern haben mich bisher geschützt und der Herr hat mich mit einer Stille und überall auch mit Segen begleitet. Ich bin der Sohn lutherischer Aeltern, mein Vater, weiland Bürgermeister und Kaufmann in Fürth, ist 20 Jahre todt, meine Mutter begleitet mich in meinen Verwesungen, meine Geschwister, 4 an Zahl, sind sämmtlich in Fürth, haben mit mir Einen Glauben, Eine Taufe, Ein Abendmahl. Obwohl bei Gottes Wort aufgezogen, von Gottes Gnade nie verlassen, danke ich doch, menschlich zu reden, mein geistliches Leben einem reformierten Lehrer, Herrn Professor Krafft in Erlangen. Ebenderselbe, dem ich annoch in| herzlicher Liebe anhange, hat, ohne es zu wissen, meine Liebe zur lutherischen Kirche groß gezogen, da ich sie von Kindesbeinen an in mir trug. Seit ich im Amte bin, namentlich seit ich bei St. Aegidien in Nürnberg zwei Pfarrstellen hintereinander verwest habe, nennt man mich einen Eiferer für’s Lutherthum, wiewohl zum ruhigen Bekenntnis in thesi und zur Stille keine Seele mehr trachten kann als die meine; (fast lautet’s wie Ruhm! Vorhandene Sünde decke mir Jesus zu!). Am nächsten stehe ich meinem Vater Raumer und er mir; außerdem bin ich einig mit einer Schaar von jüngeren Freunden. Einige, welche an der Spitze stehen, die Kirche lieben, ihre Lehre frei unumwunden, zum Theil mit ausnehmenden Gaben bekennen, sind mit uns rücksichtlich der Adiaphora uneinig, wegen welcher z. B. ich durch Erfahrung meines Amtes auf Seite Speners gekommen bin. Diese Differenz greift dermaßen in das äußerliche Leben ein, stellt die äußere Erscheinung so verschieden dar, daß einige reformiert gesinnte, aber ohne Zweifel durch mehr Pastoralerfahrung gewitzigte Theologen uns näher und in innigerem Verhältnis zu uns stehen. Doch wird durch Stillesein und Harren aller Streit vermieden, und mir steht in solchen Umständen immer als nothwendig vor Augen, daß stille Ruhe bei lautem Bekenntnis, Selbstverläugnung in Wort und Benehmen im Gegensatz zu denen, die andere Meinung haben, davon Zeugnis ablegen müsse, daß die Wahrheit in uns mehr sei als eine von den irdischen Leidenschaften. Eines, meine ich, müssen wir an den Kämpfen unserer theuren Väter nach Luther misbilligen, persönlichen Eifer.

 Möchten Sie mir die voranstehenden Bemerkungen über mich und meine Verhältnisse verzeihen. Ich suche Gemeinschaft mit Ihnen und den theuern Freunden um Sie, drum achtete ich’s für recht, dies zu schreiben.

 Mit Herrn Dr. Guerike stehe ich seit einem Jahr in| Verbindung, ehre und liebe ihn. Es war neulich Candidat K. aus Sachsen bei mir, welcher mir über den obwaltenden Streit manches erzählte, so jedoch, daß ich bei ihm selbst nicht überall die rechte umsichtige Kenntnis der Sache bemerken konnte. Ich möchte Sie wohl bitten, mich ein wenig darüber zu belehren; denn ob ich schon von einem Schüler G.’s manches gehört habe oder gelesen vielmehr: so hat mich doch auch das nicht befriedigt. Ich möchte gerne vertheidigen und weiß die Sache nicht gründlich, und doch kann bei uns nur, wer zuversichtlich reden kann, einigen Eindruck machen, weil selbst Männer von lutherischem Bekenntnis den nicht gerne hören, der nur überhaupt die lutherischen Bewegungen in Preußen und Sachsen berührt. Stephans Härte gefällt unserer Leute Vielen nicht; aber obwohl man von Stephan weniger redet, so hat doch Scheibels Feder kein besseres Loos gefunden, beide Männer werden wenig geachtet. Wenn Scheibel völlig schwiege und sein edles Leben leuchten ließe, erkennend, daß Säemann und Schnitter gar oft nicht eine und dieselbe Person gewesen, daß eines Mannes Amt oft vor seinem Heimgang beendigt ist, wenn überhaupt weniger von jenen Ereignissen mitgetheilt würde (für’s Publikum, meine ich, denn für die Freunde der Sache auf geeignetem Wege Mittheilungen zu empfangen, ist ja schon wegen der Gemeinschaft der Heiligen nothwendig), wenn die Gemeinde sich stille baute, ihre Lehrer hauptsächlich die praktische Theologie anbauten, in öffentlichen Schriften den Segen der reinen Lehre sine ira et studio für die Amtspraxis nachwiesen u. dergl.; dann, so scheint mirs, würden die Leute unseres Landes das vornehmthuerische Wesen fallen lassen, das sie oft annehmen, wenn man mit Angelegenheit von den Leiden der theuern Brüder in Preußen redet.
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 Ich schreibe, hochgeehrter Herr, das Vorige blos von dem Wunsche getrieben, es möchte die Bekenner der einen heiligen| Lehre Ein Band der Liebe umschlingen, will jedoch für dies Mal schweigen, nur das bitten, Sie möchten um meiner vielleicht sehr ungeschickten Aeußerungen willen mich nicht wegstoßen, der ich begierig Ihre freundliche, mir entgegengereichte Hand fasse und nicht alsbald wieder lassen möchte. Sind wir doch Eins in dem Herrn! O diese zerrissene Zeit bedarf der Liebe so sehr! Lasset uns einander lieb haben, theure Brüder!

 Säße mein geliebter Lehrer Raumer neben mir, wie freundlich würde er mich Sie grüßen heißen. Aber er sitzt 14 Stunden weit in Erlangen, in seiner stillen Abgezogenheit, den Abend seines Lebens feiernd.

 Gottes seliger Friede mit Ihnen und

Ihrem ergebenen 
W. Löhe. 




Herrn Professor K. v. Raumer.


Merkendorf, 23. Januar 1837. 

 Theurer Vater!

 Einliegend in einem Brief an Dich mein geringes Votum: ich verstehe vom Plan machen nichts, kann viel gründlicher Pläne tadeln. Entschuldige mich, sag’ den Herren, daß ich ein junger Mensch sei.

 Ich habe gegenwärtig einen eigenen Casus, den ich gerne an Krafft berichten möchte, wenn ich Zeit hätte, mich so auf die Worte zu besinnen, wie es sein muß, wenn man mit diesem theuren Manne reden will. Nämlich zwei junge Eheleute werden über die Mutter des Mannes uneins, der Vater der Frau mischt sich drein, und in der elenden Zwistigkeit gehen die beiden vor Gericht, beiderseits Scheidung verlangend. Da nach dem preußischen Landrecht ohne Weiteres geschieden wird, wenn beide| Theile es verlangen, so waren sie in einem halben Jahr etwa Brautleute, Eheleute, geschiedene Leute. Pfarrer D. hatte dazu geholfen. Nun verlobt sich der junge geschiedene Ehemann mit einer Tochter eines Verwandten (der über ihn als der einzige Verwandte außer der alten Mutter viel Gewalt hat), das Landgericht gibt Trauattest oder Traulicenz, er meldet sich bei mir zur Proclamation. Ich hatte schon davon gehört, aber nicht genau, und nach meinem elenden, sündlichen, trägen Wesen versäumt mit den Leuten zu reden; wiewohl diese selbst erklärten, ich sei schon zu spät (Novbr.) hier angekommen, um einschreiten zu können, glaub’ ich’s doch nicht und mein Gewissen schreit. Was nun thun? Ich zeige dem Bräutigam Matth. 19, 9, erkläre ihm die Sache, bitte ihn, abzustehen, ich war in keinem Affect, eher in einer Anwandlung von Klugheit und Menschenfurcht. Der Bräutigam weint, erkennt die Sünde, meint, ob er sie nicht bei der Lehre von der Seligkeit allein aus Gnaden doch wagen dürfe; erklärt, wenn sein Schwiegervater zufrieden sei, lasse er die Ehe rückwärts gehen, es gehe ihm ohnehin, seitdem er geschieden, ein Schwert durchs Herz, so oft von Scheidung nur ein Wort gesprochen werde. Ich erklärte ihm: wenn er auf der Sache bestehe, wolle ich ihn zwar proclamieren, aber copulieren würde ich ihn nicht, auch wenn mir’s strictissime befohlen würde; ich sei zwar dran Pfarrer zu werden, aber ich wolle eher resignieren, mein geistlich Amt ganz und gar niederlegen, als wider das Wort des lebendigen Gottes sündigen, das mich richten werde, als eine Ehe einsegnen, welche mein König Ehebruch nennt. Ich sagte ihm Alles ruhig. Am Sonntag-Morgen (den Tag drauf) kommt der Vater der Braut: er kam kurz vor dem Läuten, während ich eine Menge Leute abfertigte, ich eilte, behielt aber wenig Zeit für ihn: doch sagte ich ihm die Sache, er sah sie auch ein, wollte am liebsten von der ganzen| Ehe nichts gewußt haben, weil aber das Mädchen so viel gekostet mit der Ausstattung etc., weil die Sache schon so weit, weil ich selbst erkläre, er werde schon copuliert werden, wenn auch ich es nicht thäte, weil ich (aus überfließender Menschenfurcht, die mich reut) versprochen, die Dimissorialien auf meine Kosten auszustellen und die hiesige Copulationsgebühr selbst zu zahlen, damit er sie nur dem fremden Copulator zu zahlen hätte, weil er ja für diese Sünde wieder Gnade haben könnte; so bäte er mich zu proclamieren. Ich proclamierte. Am Montag fuhr ich mit meinem Collegen zu Sr. Hochwürden, Herrn Decan. Der Mann (Vater der Braut) hatte aber schon am Morgen seinen Vortrag gemacht, und Herr Decan war vollkommen mit mir zufrieden und hatte ihm erklärt, auch er werde ihm nicht die Copulation halten. Da mein College das hörte, erklärte er auch, es nicht zu thun, erbat sich aber den Schutz des Herrn Decans gegen das Consistorium. Der kranke Alt, später Bäumler erklärten sich eben so. Am Dienstag lud ich den Bräutigam und Vater der Braut zum Protocoll; ersterer war seit dem Sonntag zerschlagen, kam nicht, sein Schwäher vertrat ihn. Er bog sich unter meinen und meines Verwesers Vermahnungen, ich aber drang, da er doch nicht wich, aufs Protocoll, wo er erklärt, seine Tochter anderwärts trauen zu lassen. Ich drang aufs Protocoll, weil der drauffolgende Tag Landgerichtstag war, und er sich dort, wohin ihn andere Geschäfte riefen, leicht schlimmen Rath holen konnte; vielleicht, dachte ich, geht die Sache ab, ohne daß das Consistorium in die Klemme kommt; denn, lieber Vater, Menschenfurcht wohnte mir in so weit inne, daß ich mit meiner Klugheit die Sache hinausbringen wollte. Der Mann bat sich aus, wenn er mit seinem Weib es dahin bringe, daß sie in Aufhebung der Ehe willige, so möge ich, wenn er wieder käme, das Protocoll vernichten. Er war sehr| bekümmert. Aber, er kam nicht wieder, es ist ein Geschrei in der Gegend, aber obwohl ich gestern tertio proclamiert habe, kommt doch niemand, die Dimissorialien zu holen, und ich, ich warte und will getrost entschieden, stille bei meinem Satze bleiben, daß ich nicht copuliere und, wenn möglich, auf meinen theuern Decan, der ohnehin meinetwegen schon hat leiden müssen, nichts kommen lassen. Nun walt’s Gott, mein Gott, an dem ich gnug habe und Frieden! Ich habe zu wenig gethan, nicht zu viel. Vielleicht geht’s ganz leicht ab, und was ist’s denn, daß ich um Christi und seines Worts willen geschmäht werde?

 Daß Layriz hieher kommt, wissen wir blos von Böckh in München, der es aber als etwas Unzweifelhaftes geschrieben hat. Seine Stelle ist auf Fl. 450 fatiert, trägt aber schon so viel als das Repetieren. Es wird recht schön im Windsbacher Decanat! Bomhardt wird erster Pfarrer hier. Ich freue mich von ganzem Herzen.

 Mit dem 1. April geht die Verwesung der II. Stelle zu Ende, meine Verwesung mit 15. Februar; aber es wird bis nach Ostern dauern. Dann gehe ich bis 1. August nach Fürth und trete dann meine Pfarrei an, so Gott will! Ich fürchte Tr. nicht, ich habe ihn besucht in Windischhausen: dort ist’s prächtig, ich darf diesem Knecht des Herrn nicht das Wasser reichen! Ich segne seinen Einzug in Neuendettelsau; ich hätte ihm gerne die Pfarrei abgetreten, wenn ich nicht rite vocatus wäre. Tr. wird die Neuendettelsauer separieren von der Welt, Gott gebe, daß ich sie sammle in Seine heilige Kirche. Es geht ganz schön.

 Laß Dir was sagen, lieber Vater. Komm, wenn Du magst, in den Ferien zu mir. Du fährst bis Kloster Heilsbronn am Donnerstag oder Freitag vor Palmarum, steigst bei dem ehrbaren und altväterischen Wirth Stöhr ab, ich hole Dich| dort mit einem Chaischen ab, da geht der Weg über Neuendettelsau, Du siehst meinen Weinberg, besuchst mit mir meinen Verweser, fährst mit hieher, siehst am Sonntag die Confirmation meiner Kinder mit an, machst in der Woche vor Ostern mit mir kleine Touren zu Stephani nach Gunzenhausen etc., hältst mit mir Ostern, bekommst ein schönes Arbeitsstüblein, Summa ich mach’ Dir’s so gut ich’s verstehe und vermag, und ich begleite Dich dann zurück. Ueberlege, bedenk’ auch, daß ich hier mit Dir besprechen, voraus besprechen könnte Alles, was ich, als ein angehender Pfarrer, in Fürth vielfach mit den Meinigen werde besprechen müssen. Ueberlege, und schreib’ mir wieder Genaueres.

 Nun aber, lebe wohl in dem Herrn; Du, Mama, Heller, Layriz, Scheurl, Hommel, Bauer, Kraus, Brunner sämmtlich herzlich gegrüßt von

Deinem treuen und dankbaren 
W. Löhe. 




An Herrn Professor K. v. Raumer.


Fürth, am 4. April 1837. 

 Theurer Vater!

 Gestern Abend erhielt ich meine Sporteln etc., dabei das sub voto remissionis anmit beigelegte Exemplar der Instruction eines Pfarrers. Lies es, sei so gütig, und besinne Dich ein wenig, was wegen des Paragraphen, der von den Ehesachen lautet, zu thun ist; ich bitte Dich, auch Krafft und Heller darüber zu hören und die Antwort der Ueberbringerin zu geben, weil die Sache pressirt. Hat denn Layriz auch so ein Ding erhalten?

 Ich bin in Gott bereit mein Leib und Leben der Wahrheit des göttlichen Wortes zu opfern, warum nicht die neue Pfarrstelle,| wenn es sein muß? Es kommt zwar wohl dahin nicht; aber ich kann ein Kleineres desto freudiger thun, wenn ich zum Größeren bereit bin. Meine Meinung ist die: reservationes mentales taugen nicht für einen Diener Gottes, die will ich doch ja vermeiden, den Diensteid, er werde von andern genommen wie er wolle, heilig halten. Rathe mir dennoch, was ich wegen des genannten Paragraphen thun soll. Es ist freilich wahr, daß die Instruction auch noch andere Stellen enthält, welche cum grano salis verstanden werden müssen, ehe sie beschworen werden können; wie z. B. stimmt § 1, in welchem auf Gottes Wort verpflichtet wird, zu dem Paragraph von den Ehesachen, wo man auf das Gegentheil des göttlichen Wortes verpflichtet wird?

 Lebe wohl, theurer Vater! Ich grüße Dich von Herzen und Mama und Heller.

 Friede des Herrn mit uns! Amen.

Dein 
W. Löhe. 




An Herrn Professor Dr. Huschke in Breslau.


Fürth, am 5. Juni 1837. 

 Theurer, herzlich geliebter Bruder!

 Besonders die neue bayerische Agende ist es, welche ich in Beantwortung Ihres lieben, letzten Briefes, für welchen, und die große Freude, welche er mir gemacht hat, ich Ihnen herzlich dankbar bin, zu besprechen habe. Gott sei Dank, daß ich Ihnen das anlangend mit Grund der Wahrheit sagen kann, daß für unsere Kirche und kirchliches Leben von der neuen, ohnehin noch nicht völlig angenommenen Agende wenigstens eben so wenig zu fürchten als zu hoffen ist. Mein Ausdruck mag seltsam aussehen, aber er hat doch etwas im Hinterhalt, was einleuchten| wird, wenn ich Ihnen etwas mehr von Entstehung dieser Agende gesagt haben werde.
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 Es besteht Bayern in seiner jetzigen Gestalt bekanntlich aus mancherlei Landschaften, deren jede früherhin ihre eigene Agende hatte. Diese verschiedenen, aber nichts desto weniger sehr übereinstimmenden Agenden kamen in der bösen Zeit mehr und mehr ins Abwesen. Die Seiler’sche, welche gewiß alles Vorzugs mangelt, führte sich dagegen wie von selbst und so allgemein ein, daß ihr Gebrauch rechtliche Geltung neben den alten Landesagenden erhielt und bei der Gesinnung der Mehrzahl unserer Pfarrer überwiegend wurde. In den Reichsstädten, z. B. in Nürnberg, waren es zum Theil noch schlechtere Producte, welche die alten Agenden verdrängten, ja es kam so weit, daß die meisten Pfarrer, die Liturgie anlangend, thaten was sie wollten, d. i. die meisten brachten ihren Unglauben in die Gebete wie in die Predigten. Als Reaction namentlich gegen diese rationalistische Willkür ist es anzusehen, daß der Beschluß einer neuen Landesagende gefaßt wurde. Es ist freilich wahr, daß durch eine allgemein geltende Agende die Einheit des Glaubens im Volk nicht hergestellt werden kann, auch wahr, daß, wo ein Glaube wäre, auch leicht vertragen werden könnte, daß er in verschiedenen Worten verschieden bekannt würde den Worten nach; aber das ist nun einmal das Bestreben unsers Kirchenregiments bei seiner Wirksamkeit den leichten Weg von außen nach innen zu gehen, und jenes war richtig der Gedanke bei dem Beschluß einer neuen Agende. Nach mancher vergeblichen Bemühung kam endlich der gegenwärtige „Entwurf“ einer Agende zu Stande und wurde der Geistlichkeit zur Begutachtung und zum Versuch ausgeliefert, bis zur Frist des Herbstes 1838. Die lutherische und reformierte Confession durch diese Agende zu unieren, ist nicht von ferne der Gedanke; ja es| wäre kaum der Mühe werth, nur diesen Gedanken zu fassen, weil alle Reformierten in dem diesseitigen Bayern in Summa schwerlich an Zahl 1000 Glieder ausmachen, die ohnehin keinen Haß und keine Bitterkeit gegen die Lutheraner offenbaren, im Gegentheil sich schwerlich wehren würden, lutherische Prediger zu erhalten. Exempla praesto! – Freilich ist wahr, daß die Gründonnerstagsgebete in der neuen Agende, wenn ich mich recht erinnere, meist aus der Basler Agende (der neuen von 1826, wenn ich die Jahreszahl richtig im Gedächtnis habe) genommen sind und der lutherischen Lehre, wenn auch keinen Widerspruch, doch auch keinen Vorschub thun; dagegen aber liefern die Abendmahlsformulare, so wie auch die Taufformulare Beweis, daß an keine bewußte Opposition gegen die kirchliche Lehre zu denken ist, denn sie enthalten die stärksten Stellen älterer Agenden in sich. Ueberhaupt hat als Grund bei Anfertigung des Entwurfs gegolten, daß nur aufgenommen werden sollte, was durch die Antiquität empfohlen oder durch langen Gebrauch sanctioniert wäre, und es besteht daher die Agende, so weit dies bei ihrer Anlage möglich war, aus lauter althergebrachten Gebeten. Die Mängel bestehen nur in den Abänderungen und in dem Umstand, daß man, die alte lutherische Einrichtung des Gottesdienstes entweder nicht kennend oder nicht erwägend, in den älteren Agenden durchaus längere Festgebete suchte und finden wollte, da diese aus guten Gründen nur durch Collecten und Responsorien die wechselnden Festzeiten anzudeuten pflegen. Da man nun dergleichen dort nicht fand und doch haben wollte, so mußte man sie hernehmen, wo man sie fand, aus neueren Agenden, wodurch das Buch bilinguis worden ist.
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 Ich halte es für meine Pflicht, auf unsern Capitelsconferenzen, so wie in meinen Votis, den Agendenentwurf so viel| wie möglich zu bekämpfen; aber nach auswärts hin und gegen den Vorwurf von dabei waltenden Unionsabsichten der Reformierten und Lutheraner kann ich sie mit gutem Gewissen kräftigst vertheidigen.




 Unsere Missionssache anlangend empfinde ich nachgerade, wie es doch etwas Schlimmes ist, daß wir, dem von den Gesetzen frei gelassenen Weg uns anvertrauend, die Sache dem Willen eines einzigen Mannes, des Bürgermeisters Merkel in Nürnberg, eines allerdings trefflichen Mannes, übergeben mußten. Er wartet seit einem Jahre auf eine Antwort eines von mir in seinem Namen an Rhenius aufgesetzten Briefes, in welchem wir ihm, im Falle er in unsere confessionellen Grundsätze einstimme, alle uns mögliche Hülfe versprechen. Ich glaube aber, Rhenius werde uns nicht, oder doch gewiß nicht befriedigend antworten: wir haben seitdem einige englisch abgefaßte Schriftchen von ihm gesehen, welche uns Antwort genug geben, die wir doch in keiner Weise hoffen können, daß unser kleiner, obendrein sehr bescheiden geschriebener Brief einen Mann auf andere Gedanken bringen werde, der seine Grundsätze als Gewinn einer langen und reichen Erfahrung ansehen wird. Wie gerne hätten wir jungen Leute, daß man sich ernstlich in Dresden anschlösse, zumal unsere Freude über den Hamburger Anfang ziemlich zu Wasser geworden ist. So lange Seine Majestät, unser König und Herr, uns nicht frei gibt, die Missionssache als eine unserer Kirche zustehende Angelegenheit publice und wenigstens wie die Bibelverbreitung zu betreiben, wird Bayern in dieser Rücksicht, so gern viele in unsern Grenzen wollten, wenig wagen, viel weniger vollbringen können. Selbst Griechenland, des uns verwandten Königs Otto Königreich, ist einer| solchen Thätigkeit verschlossen. Der Herr lehre uns geduldig sein und in die Nothwendigkeit uns fügen.




 Haben Sie schon gehört, was für ein Ende die Geschichte der Zillerthaler in Tyrol genommen? daß diese 500 auswandern müssen und zwar bis September, daß sie nun, wie man sagt, Knall und Fall ihre Güter verkaufen, also schlecht verkaufen müssen und zwar, ohne noch zu wissen, wohin der Herr sie führen werde? Sie haben einen Abgeordneten, Namens Fleidl, abgeschickt: dieser gieng zuerst nach München, weil natürlich Tyroler etwa am liebsten im Nachbarland, in Bayern sich angesiedelt hätten; allein von da sandte man sie mit Empfehlungsbriefen (z. B. an Goßner) nach Berlin. Auf der Durchreise sah und sprach ich Fleidl und sandte ihn zu Raumer, damit er doch auch an andere Leute Empfehlungen bekäme, welche der Tyroler redlichen Einfalt gegen unierte Künste Hülfe leisten sollten. Nichts desto weniger scheinen sie zwar nicht uniert werden zu sollen, denn Preußen scheint sie nicht aufnehmen zu wollen (wobei sich vieles denken läßt); wohl aber mögen sie reformiert werden. Der englische Gesandte soll sich, nach Fleidl’s Brief, der Leute annehmen, sie nach Neuholland wünschen, freie Ueberfahrt und einen Prediger versprechen. Der Herr gebe ihnen einen Mann nach seinem Herzen!




 Zugleich mit Ihrem lieben Brief erhielt ich einen von G. oder wenigstens ziemlich zu gleicher Zeit, und freue mich von Herzen, daß ein Zaun Sie nicht hindert, einander die Hände zu reichen. Es ist eine herrliche Union, Liebe zu denen tragen, mit denen man nicht einig ist: solcher Union, meine ich, bedürften wir heut zu Tage mehr als nur eine und die andere.| Wie oft erinnere ich mich an die einst von meinem theuern Lehrer Krafft gesprochenen Worte, deren lutherische Auslegung zu machen, mir freilich selber heim fällt: „eine jede der beiden Confessionen bewahre das Kleinod, das sie hat, bis auf den Tag des Herrn!“ Was mich anlangt, ich möchte es thun, wünsche von ganzem Herzen, daß, wofern es möglich wäre, aus der Apologie niemals eine Polemik, viel weniger ein Haß und eine Bitterkeit werden möge. Es können freilich Zeiten kommen, wo es Mangel an Liebe Gottes sein würde und an Liebe zu den Menschen obendrein, nicht kämpfen wollen! Ruhe der Seelen aber im Streit, und einen Streit, bei dem man die Verheißung einzugehen zu jener Ruhe, Ebr. 3, 4, nicht versäumt.

 Sehr anregend und zum Ueberlegen reizend ist, was Sie mir gütigst über die Aeltesten mittheilen. Wer nur Macht und Weisheit hätte, eine so wohl eingerichtete Hütte Gottes unter den Menschen zu gründen! Für Verhältnisse, wie die unsrigen im bayerischen Vaterlande sind, bleibt freilich nichts übrig, als sich mit der Krone unsrer Kirche, dem reinen Wort und Sacrament, zu begnügen. Daß wir diese im schönsten Glanze tragen dürfen, unverwehrt, hat mich heute erst herzlich getröstet, da ich in Grundtvig’s kühner Weltchronik so manches las, was mich trieb, die inwendigen Flügel der Sehnsucht zu regen.

 Seitdem ich Ihren letzten Brief erhalten, bin ich Pfarrer von Neuendettelsau geworden und werde am 1. August diese meine Pfarrei antreten. Dazu hat mir mein Gott, der mich von Jugend auf lieblich geleitet hat, noch zwei große Wohlthaten gethan. Erstens hat er mir den tüchtigsten unter allen meinen Brüdern, meinen Universitätsfreund Wilh. Tretzel, zum Verweser meiner Pfarrei gegeben. Wo dieser noch das Amt versah, trieften seine Fußstapfen vom Segen, sein Amtsgang| ist bisher ein Siegeszug des Herrn gewesen, nirgends aber hat er in so kurzer Zeit so treffliche Erfolge errungen, als in meinem Neuendettelsau. Ich hab’ nur Eine Bitte zu Gott, daß ich durch meine Schuld keine Seele verlieren möge, die er durch den Dienst meines Bruders Tretzel gewonnen.

 Die zweite Wohlthat ist, daß Er mich wider alles Vermuthen eine von mir vor Jahren confirmierte, seit Jahren von mir und meinem Umgang entfernte Jüngerin, Namens Helene Andreae, zur Hausfrau bescheert.

 Möge meine Ehe, – ich werde Helenen von ihrer Heimath Frankfurt a. M. Ende Juli heimführen, so Gott will! – beweisen, daß die Ehe heilig sei, daß ein Prediger durch sie geheiligt und bewahrt und nach der Reinigkeit seines Gewissens zu Gott dargestellt werden könne!

 Bis zu meinem Aufzug in Neuendettelsau werde ich hier bei meinem Bruder, dem Kaufmann J. M. A. Löhe, bleiben.

 Gottes seliger Friede mit Ihnen und allen theuern Brüdern und

Ihrem in Jesu treuen 
W. Löhe. 


Druckfehler-Berichtigung.
S. 17, Z. 6 v. u. statt 16. Oct. lies: 28. Oct.
.54, „. 9 v. o. sttt Dr. F. lies: Dr. S.




Druck von Fischer & Wittig in Leipzig.



  1. Dieser Brief Löhe’s ist ein Gratulationsschreiben zur glücklichen Entbindung seiner Schwester.
  2. Die V.-U.-Predigten sind gemeint.
  3. Dies ist der bekannte Tractat: Vom göttlichen Worte etc.
  4. Es ist K. v. Raumer’s Uebertritt von der reformierten zur lutherischen Kirche gemeint.


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