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 ...Was die Welt über Ihren quasi Uebertritt[1] sagen wird, war vorauszusehen. Mag es sein: wir verachten ihre Reden frei. Ja wir wissen, daß Zeiten kommen, wo man durch seine gewissenhaftesten Glaubensschritte grade die geliebtesten Glaubensbrüder stößt: denen rufen wir zu: „Richtet nicht vor der Zeit!“ lieben fort und bekennen fort. Zu läugnen und zu schweigen ist freilich nichts: es geht mit etwas mehr Rumor, den man sich um Gottes willen gefallen läßt, aber auch mit kürzerer Dauer des unbequemen Lärms ab, wenn man grade zu, still und laut, redet. Das ist unmaßgeblich meine Meinung: nicht ohne Noth davon reden; nicht läugnen, wo man reden sollte.

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 Mich hat Gott ein wenig gestäupet, damit ich Seine Liebe erkennen konnte. Schon in voriger Woche litt ich zwei Tage an Zahnschmerz: ich schrieb nach Nürnberg um Rath von Dr. Reuter, wegen eines Frühstücks, das einem nicht zum Ekel wird und die Kopfnerven doch nicht in Allarm bringt. Am Montag Abends in dieser Woche überfiel es mich wieder, ich konnte nicht schlafen und am Dienstag nichts arbeiten. Als ich an diesem Tage des Morgens auf meinem Kanapee lag und durch die nackten Aeste meiner Bäume in den blauen Himmel sah, kam ein Brief meines herzlich geliebten treuen Jubitz, der mir vom besten Arzte und von der Geduld im Leiden mit sanfter Bestrafung schrieb und mich auf den Glauben hinwies, der von dem Herrn Alles verlangen kann: ein herrlicher Brief, der zwei Tage auf meinem Tisch lag und zur rechten Zeit gekommen war. Ich brachte den Tag hin, in der Nacht aber kam der Herr mit starkem Ernst. Wie meine Schmerzen auf meine tausendgestaltigen Traumphantasieen den größten aber auch qualvollsten Einfluß haben,


  1. Es ist K. v. Raumer’s Uebertritt von der reformierten zur lutherischen Kirche gemeint.