Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 1 (2. Auflage).pdf/365

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Eine Proselytengeschichte.
 Eine schmerzliche Episode in Löhe’s Leben während seines Nürnberger Aufenthaltes bildete die Geschichte des Rückfalls eines jüdischen Proselyten, Namens Sulzberger. Derselbe war am 3. October 1834 in der evangelischen Pfarrkirche zu München getauft und in die Gemeinschaft der evangelischen Kirche Augsburger Confession aufgenommen worden und kam dann mit Empfehlungen von München versehen nach Nürnberg unter die Obhut christlicher Freunde und die Seelsorge Löhe’s. Den Lockungen und Drohungen der Judenschaft Münchens hatte er mit Festigkeit widerstanden, aber den Bitten und Thränen seiner Mutter unterlag er. So that er wenige Wochen nach Empfang der heiligen Taufe den verhängnisvollen Schritt rückwärts zum Judenthum und den Fall in jene schauerliche Tiefe, in welche Hebr. Cap. 6 uns blicken läßt. Noch erinnert sich der Herausgeber eines Abends, an welchem ihm Löhe den furchtbaren Kampf zwischen Christenpflicht und Kindesliebe in der Seele jenes Unglücklichen schilderte. Im entscheidenden Augenblicke saß derselbe in Löhe’s Zimmer, mit dem Abschreiben des schönen Woltersdorf’schen Liedes beschäftigt:
„Komm, mein Herz, in Jesu Leiden etc. etc.“

 Durch das Fenster drang die flehentliche Stimme der Mutter an das Ohr des unglückseligen Jünglings. Mit Mühe hielt er sich zurück, aber bei den Worten:

„Besser wär’ ich nie geboren
Als dies theure Wort verloren“

sprang er, seiner nicht mehr mächtig, auf und enteilte. Er floh von Christo weg in die Arme seiner Mutter.

 Wir theilen nachfolgend einige Actenstücke dieser traurigen Proselytengeschichte mit und zwar:

1. einen Brief Löhe’s, in welchem er Freunden in Stuttgart den Verlauf der Sache bis zu dem entscheidenden Wendepunkte mittheilt;
2. das in diesem Brief erwähnte schriftlich abgegebene Versprechen Sulzbergers, der christlichen Religion Treue halten zu wollen;
3. den ebendaselbst erwähnten in judendeutscher Schrift abgefaßten Brief Sulzbergers an Mad. Schleißmann;
4. die Erklärung, in welcher Sulzberger von Christo und der christlichen Religion sich lossagte.