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sieht in’s Land, wo Milch und Honig fleußt. Nach Canaan soll er führen und kommt nicht weg aus Aegypten, und ist er ein wenig draußen, sehnt er sich wieder zurück und tanzt um’s goldne Kalb in der Wüste! Daß Kraft werde den müden Gliedern, daß der Thau aus der Höhe das matte Herz erquicke; daß – daß Christus Deines Bruders einzige Liebe, Hoffnung mnd Trost sei – das, ach! und wozu der Geist Dich treibt, das bete für den, der nie ein gut Wort hat zu Dir reden können, für Deinen Bruder, der mit einem neuen, demüthigen, gebrochenen Herzen und einem gewissen Geist wieder unter Euch kommen möchte zu Lob und Preis Seines herrlichen Namens.

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 Dies, liebe Schwester, wie ich es mir selbst zur Lehre gebe, schreibe ich Dir als Antwort auf eine Stelle Deines Briefes, wo Du klagst, daß Er noch immer nicht recht in Dir Wohnung gemacht habe. Er wohnt oft wo, und man weiß es nicht, er hat solches Incognito gern, und Luther, bei dem er gar oft und viel so verborgen und heimlich wohnte, spricht: der Mensch glaubt nur so viel, als er um seinen Unglauben weiß. Denn das glaube ich ja nicht, daß Du über Mangel an süßen Gefühlen klagen wolltest. Diese machen es nicht und sind für den Menschen im Fleisch gefährlich. Nur im Glauben verspricht der Herr in uns zu wohnen: Das ist eine göttliche Gewißheit und kann durch kein menschliches Gefühl bestätigt werden. Die heiligsten, gläubigsten Menschen fühlten ihre Sünden am meisten; denn die Sünde wird hie keiner los – wie bald würden wir sonst Sein vergessen, wir Elenden! Dies Sündengefühl ist allein der rechte Boden des Glaubens: da wächst der edle Baum heraus mit seinem kräftigen Stamm und seiner reichen Früchtenkrone hoch in den Lüften! Denn das ist eben die Herrlichkeit des Glaubens, daß die Sünde verstummen muß, und das durch’s Blut Christi versöhnte Herz über die Sünde