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 Das ist der Weisheit Anfang, daß ein Mensch seine Sünde erkennt und sich fürchtet vor Gott, dem Herrn. Das ist der erste Strahl des anbrechenden Tages der Wahrheit, der Dir die Nacht der Sünden mit allem ihrem Grausen offenbart. Wer aber seine Sünde läugnet, wer sagt, er habe keine Sünde, der weiß das Erste nicht, das man wissen muß, in dem ist auch der erste Strahl der Wahrheit nicht, sondern eitel finstre Nacht.

 Darum, Geliebte! die ihr jetzt noch der Wahrheit Raum gebt und dem Geiste, der euch von der Sünde in euch predigt, noch nicht widersprechet, widersprechet ihm nie! Verläugnet nie die erste Wahrheit des heiligen Geistes, verläugnet eure Sünde nie; denn wie wir gehöret haben, wer diese Wahrheit läugnet, vertreibet alle Wahrheit aus dem Herzen.

 Zwar kommt man nicht gleich von der vollen Erkenntnis der Sünde, wie ihr sie jetzt habt, zu der gänzlichen Verläugnung derselben, mit der die Wahrheit von uns weicht. Aber nach und nach kann’s dahin kommen.

 Es ist die Verläugnung der Sünde inwendig und verborgen: noch betrübt sich Dein eignes Herz, wenn Dein alter Mensch sich wieder heben, diese oder jene Deiner alten oder neuen Sünden läugnen will; noch zeugt der heilige Geist in Dir laut gegen diese innere Verläugnung Deiner Sünde, und Du würdest es noch nicht über Deine Lippen bringen können, zu behaupten: „Diese oder jene meiner Sünden ist keine Sünde!“ Aber gib ihr nur nach, dieser Lust, Deine Sünde zu verläugnen, o wie wird dann die Sünde der Verläugnung so schnell in Dir wachsen, wie wird ein Geist der Verläugnung in Dir Ueberhand gewinnen, und Dich verblenden über alle Sünde, – wie wird Dein Herz immer kecker, immer freventlicher dem Geist der Wahrheit widersprechen, immer zügelloser der Lüge sich überlassen, immer verstockter bei sich selber sprechen: „Ich habe keine Sünde! es ist nicht so arg mit der angebornen Sünde und Sündenlust; auch hab’ ich ihr nicht so oft nachgegeben, als ich dachte; es ist vieles gar keine Sünde, das ich vor Kurzem noch für Sünde hielt!“ – Schon ist Dein Herz voll Verläugnung der Sünde, bald wird Dein Mund davon übergehen. Je lauter Du der Stimme des Geistes, die Dich straft um Deine Sünde, widersprichst, desto leiser läßt sie sich in Deinem Herzen hören. Endlich schweigt sie! Jetzt kannst Du’s ohne Störung heraussagen, was Du meinst: „Ich habe keine Sünde!“ Die Welt wird sich freuen, daß Du in ihre Losung einstimmst, sie wird Dich stärken in Deiner Behauptung. –

 Aber die Wahrheit ist entflohen, der Geist der Wahrheit ist von Dir gewichen, die Erkenntnis der Wahrheit in Dir ist Nacht, Dein Herz ist in Lügen gefangen. Das Ende der Verläugnung der Sünde ist in Dir erfüllt,