Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Kyros II. der Große, Begründer des persischen Weltreiches, 6. Jh. v. Chr.
Band S IV (1924) S. 11291166
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6) K. II. d. Gr., Begründer des persischen Weltreichs. Die Quellen für seine Geschichte sind dreierlei Art:

a) Keilinschriften. Von K. selbst stammen zwei babylonische Bauinschriften, ein Tonzylinder von 45 langen, zum Teil stark verstümmelten Zeilen, 1879 in Babylon gefunden, und eine kurze, vierzeilige Backsteinlegende, 1850 in Warka gefunden; vgl. Weissbach Vorderasiat. Bibliothek III S. XI und S. 2ff. Noch umstritten ist, ob sich eine kurze dreisprachige Inschrift (5 Exemplare an Pfeilern in der Ebene von Murghāb) auf den großen oder den jüngeren K. (Nr. 7) bezieht; vgl. Weissbach S. XXVIII und S. 126f. Sehr wichtig ist die sog. Nabuna’id-K.-Chronik, eine Keilschrifttafel, deren erhaltener Teil die letzten Jahre des babylonischen Reichs und den Übergang der Herrschaft auf die Perser behandelt; vgl. Hagen Beitr. z. Assyriologie II 214ff. 1894. Erwähnt wird K. II. noch in einer Tonzylinderinschrift Nabuna’ids (Langdon Vorderasiat. Bibl. IV S. 220 Col. I 29) und in den Dareiosinschriften von Bīsutūn (Weissbach 148). Bedeutsam besonders für die Chronologie sind die zahlreichen babylonischen Privaturkunden aus der Zeit des K. (Hauptsammlung von Strassmaier Babylon. Texte H. VII, Lpz. 1890).

b) Hebräische Quellen. In der Bibel wird K. wiederholt erwähnt (II. Chron. 36, 22f. Ezra 1, 1 u. ö. Jes. 44, 28. 45, 1. Dan. 1, 21 u. ö.). An anderen Stellen ist auf ihn hingedeutet, ohne daß sein Name genannt wäre (z. B. Jes. 41, 2–6. 46, 11).

c) Griechische und römische Quellen. Daß eine so überragende Persönlichkeit wie der Stifter der persischen Weltmacht auch in der griechischen und römischen Literatur vielfach erwähnt wird, ist nicht zu verwundern. Allerdings enthält die Überlieferung der klassischen Völker über K. sehr viel Sage und Roman, nach der Auffassung mancher Neueren auch Mythologisches. Schon Herodotos hobt zweimal (I 95 [1130] und 214) ausdrücklich hervor, daß ihm mehrere Berichte über K. bekannt seien, und Xenophon (Kyr. I 2, 1) weist auf die Sagen und Gesänge hin, die bei den Barbaren über K. noch zu seiner Zeit im Schwange waren (ὁ Κ. λέγεται καὶ ᾄδεταὶ ἔτι καὶ νῦν ὑπὸ τῶν βαρβάρων). Einen Dialog Κῦρος ἢ περὶ βασιλείας verfaßte der Athener Antisthenes (Versuch einer Rekonstruktion bei E. Thomas Quaestiones Dioneae 6ff., Diss. Lpz. 1909). Er gab den Anstoß zu Xenophons Κύρου παιδεία (vgl. Christ Griech. Lit.6 I 516ff. und 655), der einzig erhaltenen Monographie über K. Das Werk behandelt nicht nur die ,Erziehung des K.‘, sondern sein ganzes Leben, freilich nicht in geschichtlicher Weise, sondern als Roman. K. erscheint hier als Ideal eines Königs, den seine angeborene Klugheit, Mäßigung, Tapferkeit und Milde, gehoben durch eine sorgfältige Erziehung, von Erfolg zu Erfolg führen. Das harte Urteil Niebuhrs (Vorträge z. alt. Gesch. I 116), das Nöldeke (Aufsätze z. pers. Gesch. 13) sich zu eigen macht: ,elend und läppisch‘, kann nicht für den ganzen Xenophontischen Roman, sondern nur für einige wenige Stellen als zutreffend anerkannt werden. Das Werk ist von hohen sittlichen Gedanken getragen, geht aber mit der geschichtlichen Wahrheit sehr frei um. Dies war schon dem Altertum bekannt (z. B. Cic. ad Qu. fr. I 1, 23: Cyrus ille a Xenophonte non ad historiae fidem scriptus, sed ad effigiem iusti imperii, cuius summa gravitas ab illo philosopho cum singulari comitate coniungitur usw.), aber erst neuerdings hat sich herausgestellt, daß die Κύρου παιδεία doch auch geschichtliche Tatsachen enthält, die kein Grieche oder Römer sonst überliefert. Manches dieser Art mag noch in ihr verborgen sein; doch wird sich das schwerlich eher zur Ergänzung des geschichtlichen Bildes des K. verwerten lassen, als bis es von anderer Seite (etwa durch künftige Keilschriftfunde) Bestätigung erhält. Die älteste griechische Erwähnung des K., die auf uns gekommen ist, hat Aischylos (Pers. 770ff.). Daß K. in den Περσικά der alten Logographen wie Charon von Lampsakos, Dionysios von Milet und Hellanikos behandelt war, ist mit Sicherheit anzunehmen. Manches davon mag schon Herodot benutzt haben, dessen 1. Buch von c. 46 an unsere griechische Hauptquelle für das Lehen des K. ist. Obwohl Herodot zweimal ausdrücklich versichert, daß er von den verschiedenen Überlieferungen (I 95 beruft er sich auf persische Quellen) die glaubwürdigste berichten wolle, enthält doch auch seine Darstellung manches Falsche, Unwahrscheinliche und Anekdotenhafte, das vor der geschichtlichen Betrachtung unserer Zeit nicht bestehen kann. In noch höherem Maße finden sich solche Überlieferungen bei Ktesias, der in den Büchern VII–XI seiner Περσικά die Geschichte des K. ausführlich behandelt haben muß. Der Auszug des Photios hat freilich die ganze Jugendgeschichte weggeschnitten mit Ausnahme der kurzen Bemerkung, daß K. nicht mit dem medischen Königshause verwandt war, und setzt erst ein, als Astyages (Astvigas) auf der Flucht vor K. sich in seinem Palaste versteckt. Doch kann zur teilweisen Ergänzung ein umfangreiches Buchstück aus Nikolaos von Damaskus [1131] (frg. 66, jetzt Excerpta hist. iussu Const. Porph. confecta III ed. de Boor 23ff.) dienen, das gerade die Jugendgeschichte, das Emporkommen und den Sieg des K. über die Meder behandelt. Es geht sicher im wesentlichen auf Ktesias zurück, dessen Name allerdings nicht genannt wird, zeigt aber auch Spuren anderer Überlieferungen, vielleicht von Ephoros und Dinon, die ihrerseits wieder von Diodor, Plutarch und Trogus Pompeius (Iustinus) benutzt zu sein scheinen. Zu nennen sind nun noch die Alexanderhistoriker, die Städtegründungen, einzelne Bauten und das Grab des K. erwähnen oder beschreiben, ferner Berossos, dessen Sachkenntnis auch in dem kurzen Bruchstück über K. offenbar wird, endlich der Ptolemäische Kanon der Königsherrschaften als schätzbares Hilfsmittel zur Festlegung der Regierungszeit des K. als König von Babylon.

Zeit des Kyros. Der Ptolemäische Kanon rundet die Regierungszeit des K. als Königs von Babylon auf die 9 ägyptischen Wandeljahre vom 5. Januar 538 bis 2. Januar 529 ab. Eine genauere Bestimmung ergibt sich aus den Keilinschriften. Die Urkundendaten aus der Zeit des Kambyses als Nachfolgers des K. beginnen Ende August 529, das letzte Datum von K. ist der 13. Ab seines 9. Jahres = 3. Aug. 529. Da sein Tod an der fernen Ostgrenze des Reiches erfolgte und die Nachricht davon erst mehrere Tage oder ein paar Wochen später in Babylon eingetroffen sein kann, ist K. frühestens im Juli, spätestens aber in der ersten Hälfte des August gestorben. Sein Regierungsanfang in Babylon ist mit der Eroberung dieser Stadt gleichzusetzen: 12. Oktober 539, so daß seine Weltherrschaft in Wirklichkeit noch 9 oder 10 Monate über 9 Jahre gedauert hat. Die Gesamtdauer seiner Regierung bemißt Herodot. I 214 auf 29, Ktesias (p. 187 Gilmore), Dinon (frg. 10 bei Cic. de div. I 46) und Iustin. (I 8, 14) auf 30, Sulpicius Severus (chron. II 9, 4) auf 31 Jahre. Eusebios schwankt zwischen 30 und 31 Jahren. Letzterer Ansatz kann außer Betracht bleiben. Die beiden anderen lassen sich vereinigen, wenn man annimmt, daß die wirkliche Regierungsdauer 29 Jahre und etliche Monate betrug. Herodot hätte diese Zahl abgerundet, Ktesias und die übrigen sie aufgerundet. Dazu würde auch die Stelle aus der Nabuna'id-Inschrift stimmen, wenn meine Deutung der chronologisch nicht recht klaren Angabe (s. o. Bd. X S. 2013f.) das Richtige trifft. Das erste Regierungsjahr des K. müßte danach dem babylonischen J. 558/7 gleichgesetzt werden, und es hindert nichts, anzunehmen, daß diesem nach babylonischer Weise noch ein ,Regierungsanfang‘ (rīš šarrūti) von mehreren Monaten vorherging, der bis in das iulianische J. 559 hineinragen konnte. Damit ist ein verläßlicher chronologischer Rahmen gewonnen:

Anfang des Königtums des K. 559, spätestens 558
Anfang seiner Weltherrschaft 12. Okt. 539
Sein Tod Juli/Aug. 529

Die zahlreichen anderen Synchronismen, die überliefert und meist recht unbestimmt gefaßt sind (z. B. Suidas s. Πυθαγόρας), dürfen beiseite gelassen werden.

Die Unterscheidung des Kyros II. von gleichnamigen geschieht in Zweifelsfällen durch [1132] Beifügung des Vaters- oder Mutter-Namens (ὁ Καμβύσου, ὁ Μανδάνης) oder durch Beiwörter. Da der Großvater des K. II. in der klassischen Literatur nahezu unbekannt geblieben ist, beschränkt sich das Bedürfnis fast ausschließlich auf die Unterscheidung von dem sogenannten jüngeren K. (s. u. Nr.7). Wenn Luk. ver. hist. 17 Κύρους ἀμφοτέρους erwähnt, so meint er diesen und K. II. Einmal scheint noch eine Anspielung auf K. I. vorzuliegen: Aelian spricht de nat. an. VII 11 von ὁ Καμβύσου Κῦρος ὁ ἕτερος und meint damit natürlich K. II. Aber der Zusatz ὁ ἕτερος ist nicht zu deuten wie unser ,der Zweite‘ im Gegensatz zu K. I., sondern ist dadurch veranlaßt, daß Aelian vorher (I 59) eine Anekdote vom jüngeren K., den er Κῦρος ὁ δεύτερος nennt, erzählt hat. Im Gegensatz dazu heißt K. II. K. ὁ πρῶτος (Dinon frg. 7 bei Athen. XIV 633 d. Arrian. anab. III 18, 10; vgl. Herodian. VI 2, 2) oder ὁ πρότερος (Luk. ver. hist. 9). Anderwärts wird unterschieden K. ὁ ἀρχαῖος (Xen. anab. I 9, 1), ὁ παλαιός (Plut. Art. 1. 3. Onesikritos frg. 32) oder ὁ πρεσβύτερος (Paus. VIII 42, 6) von K. ὁ νεώτερος (Plut. apophth. p. 206 Dübner). Öfters heißt K. II. auch K. ὁ μέγας (Agathokles frg. 4 bei Athen. I 30 a. Appian. bell. civ. IV 80. Arist. or. 28, 104 Keil. Themistios or. 18 p. 225), lat. Cyrus maior (Cic. de sen. 79. Apul. apol. 24. Lactant. inst. IV 5) oder superior (Cic. de divin. II 36. Val. Max. I 7 ext. 5) im Gegensatz zu Cyrus minor (Cic. de sen. 59; de divin. I 52).

Geschichte des Kyros bis zur Eroberung Mediens. Herodots Bericht (I 107–130) besagt etwa folgendes: Astyages, der letzte König von Medien, hatte keinen Sohn. Einst träumte er, dem Schoße seiner Tochter Mandane entquölle so viel Wasser, daß ganz Asien überschwemmt wurde. Die Auslegung dieses Traumes durch die Traumdeuter wird nicht mitgeteilt, aber sie veranlaßte Astyages, seine Tochter nicht einem Meder zur Ehe zu geben, sondern einem Perser namens Kambyses, den er als einen Mann aus gutem Hause und von ruhiger Gemütsart kannte, den er aber viel tiefer einschätzte als einen Meder aus dem Mittelstande. Nach der Vermählung hatte Astyages einen zweiten Traum. Er sah aus dem Schoße seiner Tochter einen Weinstock aufsprießen, der ganz Asien überschattete. Die Deutung dieses Traumes, daß Mandanes Sprößling König an ihres Vaters Statt werden würde, bewog diesen, seine Tochter heimholen zu lassen. Als Mandane von einem Knäblein entbunden wurde, befahl der König einem seiner Vertrauten, Harpagos, es zu töten und zu bestatten. Aus Furcht vor der Rache der künftigen Thronerbin beschloß Harpagos, das Knäblein durch den Rinderhirten Mitradates, dessen Weiden im wildesten Gebirge lagen, aussetzen zu lassen. Das Weib des Hirten hieß Σπακώ, griech. Κυνώ – τὴν γὰρ κύνα καλεῦσι σπάκα Μήδοι – und war soeben mit einem toten Knäblein niedergekommen, als ihr Mann mit dem zum Tode bestimmten Kinde der Mandane aus dem Hause des Harpagos eintraf. Sie beredete ihren Mann, ihren eigenen totgeborenen Knaben mit den prächtigen Gewändern des königlichen Enkels zu bekleiden und auszusetzen, diesen aber zu behalten [1133] und als ihren eigenen Sohn zu erziehen. Nach drei Tagen zeigte er das ausgesetzte Kind einem von Harpagos abgesandten Diener, der es beerdigte. Der Adoptivsohn des Rinderhirten wuchs unter irgendeinem anderen Namen auf, später wurde er K. genannt. Als er 10 Jahre alt war, wurde er einst beim Spiel von den anderen Knaben des Dorfes zum König gewählt. Dabei ließ er einen der mitspielenden Knaben wegen Ungehorsams züchtigen. Dieser beschwerte sich bei seinem Vater Artembares, einem vornehmen Manne, der seinerseits bei Astyages Klage führte. Der König ließ den Rinderhirten und dessen Sohn holen und fragte diesen, wie er dazu komme, den Sohn eines vornehmen Mannes so schmählich zu behandeln. Durch die freimütige Antwort des Knaben, in dessen Gesichtszügen er zudem eine Ähnlichkeit mit den seinigen zu erkennen glaubte, stutzig gemacht, nahm Astyages den Rinderhirten streng ins Verhör und erfuhr durch diesen und den hinzugerufenen Harpagos, in welcher Weise sich die beiden ihres Auftrages entledigt hatten. Scheinbar zufrieden gestellt verbarg der König seinen Groll gegen Harpagos, befahl diesem, seinen dreizehnjährigen Sohn zu dem neuen Ankömmling zu schicken, für dessen Errettung ein Dankopfer dargebracht werden sollte, und lud Harpagos zur Tafel ein. Den Sohn des Harpagos ließ er schlachten und bewirtete den Vater mit dem Fleische des Sohnes. Nach dem Essen ließ er ihm Kopf, Hände und Füße des Knaben überreichen, die Harpagos, seine Fassung bewahrend, mit einem Lobpreis des Königs entgegennahm. Wegen seines Enkels befragte Astyages die Traumdeuter. Diese beruhigten ihn, indem sie versicherten, seine Träume hätten dadurch ihre Erfüllung gefunden, daß sein Enkel von den Knaben im Spiel zum König gewählt worden wäre. Auf ihren Rat wurde der Knabe zu seinen Eltern nach Persien gesandt. Dort erzählte er die Geschichte von seiner Erhaltung und lobte besonders seine Pflegemutter Kyno. Die Eltern aber verbreiteten die Sage, daß der ausgesetzte K. von einer Hündin ernährt worden sei, damit die Errettung ihres Sohnes den Persern als ein besonderes Werk der Gottheit erschiene. Als K. herangewachsen war, erfreute er sich großer Beliebtheit unter seinen Altersgenossen. Astyages dagegen war hart gegen seine Untertanen, was sich Harpagos zunutze machte, indem er die Vornehmsten seiner Landsleute für den Plan gewann, K. als Herrscher zu wählen. An diesen selbst schickte er einen als Jäger verkleideten Sklaven mit einem aufreizenden Briefe, der in einen ausgeweideten Hasen eingenäht war. K. überlegte, wie er die Perser für seine Pläne geneigt machen könnte, schrieb einen Brief an sich selbst und las in einer Versammlung der Perser daraus vor, daß ihn Astyages zum Feldherrn der Perser ernannt habe. Darauf befahl er ihnen, am nächsten Morgen, jeder mit einer Sichel bewaffnet, wieder zu erscheinen. Als sie gekommen waren, wies er jedem ein Stück dornichtes Land zu und befahl ihnen, es urbar zu machen. Am dritten Tag bewirtete er sie aufs beste und fragte sie, ob ihnen der gestrige oder der heutige Tag besser gefiele. Da er die gewünschte Antwort erhielt, sagte er, [1134] es stünde bei ihnen, wie sie ihr Schicksal künftig gestalten wollten, und forderte sie auf, von Astyages abzufallen. Sobald dieser hiervon Kunde erhielt, beschied er K. vor sich. K. ließ antworten, er werde eher kommen, als Astyages wünsche. Nunmehr sandte Astyages ein Heer, unbesonnenerweise unter der Führung des Harpagos. Ein Teil der Truppen ging alsbald zum Feinde über, von den übrigen flohen die meisten. Astyages stellte sich nun selbst an die Spitze derer, die noch in der Stadt zurückgeblieben waren, unterlag aber gleichfalls und geriet in Gefangenschaft, in der er, ohne daß ihm weiteres Leid geschah, bis an sein Lebensende verblieb. Soweit die Erzählung Herodots, der (I 95) angibt, er folge denjenigen Persern, die τὰ περὶ Κῦρον nicht σεμνοῦν, sondern τὸν ἐόντα λέγειν λόγον wollen. Bekannt waren ihm angeblich noch drei andere Berichte. Es ist sehr wahrscheinlich, daß diese sich mindestens teilweise mit den Überlieferungen decken, von denen uns anderweit Reste erhalten sind.

Im vollsten Gegensatz zu Herodot steht, wie fast immer, Ktesias. Durch den Auszug des Photios erfahren wir über die Herkunft des K. nichts weiter, als daß er zu Astyages (οὗτος δὲ αὐτὸν καὶ Ἀστυΐγαν καλεῖ) in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis stand. Ergänzend tritt hier der Bericht des Nikolaos von Damaskos ein, der im wesentlichen auf Ktesias zurückgeht. Hiernach war K. aus dem Stamme der Mardoi. Sein Vater Atradates betrieb wegen seiner Armut das Räuberhandwerk, seine Mutter Argoste war Ziegenhirtin. Als junger Mensch ging K. an den Hof des Astyages und verrichtete niederen Dienst als Palastfeger und Aufwärter. Der erste Aufseher gab ihm eine bessere Kleidung und sandte ihn zu seinem Kollegen, dem die Reinigung der Innenräume oblag. Dieser war mürrisch und schlug K. öfters mit der Peitsche, weshalb K. in den Dienst des λυχνοφόρος übertrat. Hier machte er sich beliebt, kam in die Nähe des Königs und wurde οἰνοχόος unter dem Obermundschenken Artembares, einem Eunuchen, der ihn wegen seiner Geschicklichkeit und seines Anstands lieb gewann, dem König empfahl und ihn vor seinem Tode zum Erben seines bedeutenden Vermögens einsetzte. Auch bei dem König selbst kam er in hohe Gunst und wurde sehr reich. Die Königstochter, deren Name hier nicht genannt wird, heiratete den Spitamas, dem sein Schwiegervater ganz Medien als Mitgift gab. K. aber ließ seine Eltern zu sich kommen. Seine Mutter erzählte ihm jetzt von einem Traum, den sie einst zur Zeit ihrer Schwangerschaft gehabt hatte, und der dem von Herodot erzählten ersten Traum des Astyages ähnlich war. K. befragte wegen des Traumes den erfahrensten Babylonier und erhielt von ihm die Deutung, daß er zur höchsten Ehrenstelle in Asien berufen sei. Zugleich gelobte einer dem anderen, dem Astyages gegenüber Stillschweigen zu bewahren. K. wurde immer mächtiger, ernannte seinen Vater zum Satrapen über Persien und überschüttete seine Mutter mit Reichtümern.

Damals waren die Kadusier gegen die Meder feindlich gesinnt, mit Ausnahme ihres Herrschers (ἄρχων) Onaphernos, der zum König hielt und [1135] ihn um eine Gesandtschaft bat. Astyages ordnete K. ab und befahl ihm, nach 40 Tagen wieder in Ekbatana zu sein. Als K. mit seinem Vertrauten, dem Babylonier, das Gebiet der Kadusier erreicht hatte, begegnete ihnen ein Mann, der Peitschenhiebe empfangen hatte und Mist in einem Korbe trug. Da K. dies für vorbedeutend hielt, fragte er ihn auf Veranlassung des Babyloniers nach Namen und Herkunft und erfuhr, daß er Hoibares heiße und Perser sei. Darüber freute sich K., ὁ γὰρ Oἱβάρης δύναται Ἑλληνικῇ γλώσσῃ ἀγαθάγγελος. Der Babylonier meinte, es sei auch von guter Vorbedeutung, daß der Ankömmling ein Landsmann von K. sei und Pferdemist trage: dies deute auf Reichtum und Macht. K. nahm Hoibares als Genossen mit, schloß mit Onaphernes ein Abkommen wegen des Verrats und kehrte mit seinen Begleitern nach Medien zurück. Den Hoibares achtete er wegen seiner Ergebenheit und weihte ihn in seine Geheimnisse ein. Als er ihm aber auch die Geschichte von dem Traume seiner Mutter und seiner Deutung durch den Babylonier erzählte, verlangte Hoibares die Beseitigung dieses Mitwissers, dem er nicht traute. K. wies das entrüstet zurück, aber Hoibares selbst räumte den Babylonier auf hinterlistige Weise aus dem Wege. K. geriet in Zorn, mußte aber gute Miene zum bösen Spiele machen. Der Plan war nun soweit gediehen, daß K. seinen Vater angewiesen hatte, die Perser zu bewaffnen, angeblich um gegen die Kadusier zu ziehen, in Wahrheit, um den Abfall von den Medern vorzubereiten. K. erbat sich von Astyages einen mehrtägigen Urlaub, unter dem Vorgeben, in Persien Opfer darbringen und nach seinem erkrankten Vater sehen zu wollen. Astyages versagte die Bewilligung und erlaubte die Reise erst später, als ein dem K. ergebener Eunuch bei passender Gelegenheit Fürbitte einlegte. Am folgenden Morgen brachen K. und Hoibares nach Persien auf.

Inzwischen war die Witwe des Babyloniers, den Hoibares ums Leben gebracht hatte, die Gattin ihres Schwagers geworden und erzählte diesem in jener Nacht, daß sie einst eine Unterhaltung zwischen K. und ihrem verstorbenen Manne angehört hätte, die den Traum der Mutter des K. und seine Deutung betraf. Der Bruder des Babyloniers ließ sich am Morgen bei Hofe melden, berichtete dem König, was er von seiner Frau erfahren hatte, und riet ihm, K. sogleich nach seiner Rückkehr töten zu lassen. Noch nachdenklicher wurde Astyages, als am Abend eine seiner Sängerinnen vor ihm sang: ,Der Löwe entließ den Eber, den er in seiner Gewalt hatte, in seine Bucht, wo er, stärker geworden, ihm viele Mühe bereiten und schließlich, obwohl schwächer, den kräftigeren bezwingen wird.‘ Astyages bezog das auf sich und sandte sofort 300 Reiter ab, die K. lebendig oder tot zurückbringen sollten. (Einen ähnlichen Zug hat Athenaios [XIV 633 c] aus Dinon [frg. 7] überliefert. Astyages wird hier von dem Sänger Angares gewarnt, der singt: ,Man entläßt ein großes Tier, stärker als ein Eber, in den Sumpf. Dieses aber wird, wenn es sich der in seiner Nähe befindlichen Plätze bemächtigt hat, bald ohne Mühe mit vielen kämpfen.‘ Als Astyages ihn fragte, [1136] wen er mit dem Tiere meine, antwortete er: ,Den Perser K.‘ Astyages sandte nun Leute hinter K. her, richtete aber nichts aus.) Als nämlich die Reiter, fährt Nikolaos fort, K. eingeholt hatten, erklärte er sich bereit, mit ihnen umzukehren, lud sie aber vorher zu Gaste und bewirtete sie so gut, daß sie fest einschliefen. Inzwischen hatte er einen Boten zu seinem Vater geschickt mit dem Befehl, ihm 1500 Reiter und 5000 Mann zu Fuß nach der am Wege gelegenen Festung Hyrba zu senden. Als die medischen Reiter ihren Rausch ausgeschlafen hatten, waren K. und Hoibares bereits in Hyrba und machten sich kampfbereit. Sobald auch jene in Hyrba eintrafen, wurden sie angegriffen und niedergehauen. Nur wenige entrannen. Nunmehr rüstete Astyages ein ungeheures Heer und stellte sich selbst an die Spitze. Die Kämpfe, die hartnäckig hin und her wogten, werden ausführlich beschrieben, Astyages und K. werden uns in Rede und Gegenrede vorgeführt. Die Perser wehrten sich aufs tapferste, mußten aber vor der medischen Übermacht immer weiter zurückweichen. Atradates verteidigte eine Festung und geriet bei deren Erstürmung tödlich verwundet in die Hände der Meder. Astyages stellte ihn hart zur Rede, sagte ihm aber auf seine Bitte ein ehrliches Begräbnis zu. Schließlich drängten die Meder nach Pasargadai gegen den Berg, wohin die Perser ihre Frauen geschickt hatten. Schon begannen die Perser nach dem Gipfel zu fliehen, als ihnen die Weiber mit hochgehobenen Kleidern entgegenriefen: ,Wohin, ihr Schurken? Wollt ihr euch etwa dorthin verkriechen, von wo ihr zur Welt gekommen seid?‘ Dadurch wurde die Lage gerettet, und es entstand die Gewohnheit, daß die Perserkönige, so oft sie später nach Pasargadai kamen, jeder Frau ein Goldstück verehrten. Die Perser wandten sich nämlich beschämt gegen die Feinde und erschlugen in einem Angriff 60 000. Gleichwohl stand Astyages noch nicht von der Belagerung ab.

An dieser Stelle ist der Konstantinische Auszug aus Nikolaos unterbrochen. Der Epitomator verweist auf den Auszug περὶ ἀνδραγαθημάτων, der gänzlich verloren ist, und auf den Auszug περὶ στρατηγημάτων, in dessen erhaltenem Teil nichts zu finden ist, was unsern Gegenstand betrifft. Die Erzählung setzt erst wieder ein. wenn die Entscheidung gefallen ist: K. betritt das Zelt des Astyages, nimmt auf dessen Thron Platz, wind von Hoibares mit der Kidaris gekrönt und empfängt die Huldigung seiner Untertanen. Die Perser erbeuten ungeheure Vorräte; die Schätze des besiegten Königs werden nach Pasargadai gebracht. Auf die Kunde von der Niederlage und Flucht des Astyages beeilen sich die den Medern unterworfenen Völker, zu K. überzugehen, zuerst der Herrscher (ἄρχων) der Hyrkanier, Artasyras, mit 50 000 Mann, dann die Parther, der Sake, der Baktrer und der Reihe nach alle, indem jeder dem andern zuvorzukommen strebte. Astyages, mit wenigen zurückgelassen, wird bald darauf von K. mit leichter Mühe überwunden und als Gefangener zu ihm gebracht.

Hier endet der Auszug aus Nikolaos und der Auszug des Photios setzt wieder ein. Freilich schließen sich beide Auszüge nicht restlos aneinander. [1137] Bei Ktesias-Photios ist Astyages noch nicht αἰχμάλωτος, sondern hat Agbatana erreicht und sich in seinem Palast versteckt. Erst als K. persönlich in den Palast eindringt und die Angehörigen des Astyages, seine Tochter Amytis und deren Gemahl Spitamas, sowie deren Söhne Spitakes und Megabernes, mit Folterung bedroht, verläßt Astyages sein Versteck und gibt sich gefangen. Er wird von Hoibares in feste Bande geworfen, aber bald von K. befreit und wie ein Vater geehrt. Spitamas freilich erleidet den Tod, weil er lügnerischerweise behauptet hatte, den Aufenthalt seines Schwiegervaters nicht zu kennen. K. vermählt sich mit der Amytis, die er erst wie eine Mutter verehrt hatte. Die Baktrer, mit denen K. in Kampf geraten war, unterwerfen sich, nachdem sie erfahren haben, daß Astyages dem K. Vater, Amytis ihm Mutter und Gemahlin geworden ist. Hier ist ein weiteres Fragment aus Ktesias (p. 128 Gilmore) einzufügen, das Tzetzes (chil. I 1, 82) erhalten hat, und das besagt, daß Astyages nach seiner Unterwerfung bei K. Herrscher (ἄρχων) der Barkanier geworden sei. Mit Photios’ Auszug steht diese Angabe nicht im Widerspruch, da bei ihm später (p. 132) Astyages als in Barkanien wohnhaft erscheint, wohl aber mit Nikolaos. Hyrkaner und Barkanier, die Steph. Byz. für einander benachbarte Völker hält, sind in Wirklichkeit identisch. Βαρκάνιοι entspricht genauer der altpersischen Form (War-kāna), Ὕρκανοί mehr der elamischen (Mirkanija, Wirkanija). Bei Nikolaos heißt der ἄρχων der Hyrkaner Artasyras, den Photios nicht nennt. Er ist der erste, der dem Sieger über die Meder huldigt, und ausgerechnet sein Land soll dieser dem von ihm besiegten König überlassen haben! Das ist ein Widerspruch, der sich zur Zeit nicht lösen läßt. Der Kampf gegen die Saken wird von Ktesias-Photios etwas ausführlicher beschrieben. Der Sakenkönig Amorges gerät in Gefangenschaft. Seine Gemahlin Sparethre bietet 300 000 Männer und 200 000 Frauen auf und besiegt K., der selbst gefangen genommen wird nebst Permises, dem Bruder der Amytis, und drei Söhnen desselben. Es kommt zur Auswechslung der Gefangenen; Amorges erscheint später als treuer Bundesgenosse oder Vasall des K.

Über den Tod des Astyages berichtet Ktesias Genaueres. Nach dem lydischen Krieg sehnten sich einst K. und Amytis, den Schwiegervater und Vater wieder zu sehen. K. schickte den Eunuchen Petesakas nach Barkanien und ließ Astyages holen. Auf den heimtückischen Rat des Hoibares ließ Petesakas den Greis hilflos in einsamer Gegend zurück, wo er verschmachtete. Amytis erhielt durch Träume Kunde von der Untat. Petesakas mußte nochmals zurück, fand den Leichnam von Löwen bewacht und wurde nach seiner Ankunft von K. der Rache der Amytis preisgegeben, die ihn blenden, schinden und kreuzigen ließ. Hoibares, ein ähnliches Schicksal befürchtend, obwohl K. nichts gegen ihn beabsichtigte, tötete sich durch einen zehntägigen Hungerstreik.

Von den jüngeren ist nur Trogus Pompeius (Iust. I 4–7, 2) noch etwas ausführlich. Er verfährt eklektisch, folgt bald Herodot, bald Ktesias, bald einer dritten Quelle, wenn er nicht eigens Erfundenes dazu gibt. Astyages hat nur den [1138] zweiten Traum. Er vermählt seine Tochter, deren Name nicht genannt wird, dem Perser Kambyses mediocri viro. Den neugeborenen Enkel übergibt er dem Harpagos zur Tötung. Dieser läßt ihn durch einen königlichen Hirten – der Name wird nicht genannt – aussetzen. Hier folgt nun eine Abweichung. Der Hirt vollzieht den Auftrag, ehe er zu seinem Weibe kommt, das ihm soeben einen Sohn geschenkt hat. Sie bittet ihn, das königliche Enkelkind zu holen. Er findet es im Walde, von einer Hündin gesäugt und gegen Raubtiere verteidigt. Als er das Kind aufhebt und heimträgt, folgt ihm die Hündin ängstlich. Die Frau bittet ihren Mann, dieses Kind, das sie wie eine Bekannte anlacht, ihr zu lassen und ihr eigenes – daß es tot geboren gewesen wäre, wird nicht gesagt – auszusetzen, was auch geschieht. Die Amme wurde nachmals Spaco genannt, quia canem Persae sic vocant, der Knabe erhielt später, cum imperio usus inter pastores esset, den Namen K. Die Fortsetzung ist wieder wie bei Herodot, bis K. den Brief des Harpagos empfängt. Ein Traumgesicht ermutigt ihn, der Aufforderung des Harpagos Folge zu leisten, und heißt ihn, den ersten, der ihm am Morgen begegnet, als Genossen zu nehmen. Das ist der Sklave eines Meders, ein geborener Perser namens Sybares. K. nimmt ihm die Fesseln ab und kehrt mit ihm nach Persepolis zurück. Nun gewinnt K. die Perser, denen er, wie bei Herodot (I 126; der gleiche Zug bei Frontin. strat. I 11, 19), einen mühseligen, dann einen Tag frohen Genusses bereitet, und beginnt den Krieg gegen die Meder. Astyages sendet ein Heer unter Harpagos aus, das sogleich zu K. übergeht. Der Mederkönig zieht nun selbst mit einem neuen Heere gegen die Perser, es kommt zu einem schweren Kampf, die Perser weichen bereits, werden aber von ihren Müttern und Frauen in der von Nikolaos beschriebenen drastischen Weise zum neuen Angriff angespornt und schlagen die Meder. Astyages wird gefangen, aber K. handelt an ihm mehr als Enkel denn als Sieger, eumque maximae genti Hyrcanorum praeposuit. Nam in Medos reverti ipse noluit. Den Sybares, der K. bei allen Unternehmungen begleitet hat, setzt er an die Spitze der Perser und gibt ihm seine Schwester zur Gattin. Sed civitates, quae Medorum tributariai fuerant, mutato imperio etiam condicionem suam mutatam arbitrantes a Cyro defecerunt, quae res multorum bellorum Cyro causa et origo fuit. Soweit Iustinus, dessen Darstellung von Orosius (I 19, 6ff.) weiter verkürzt worden ist. Diodors Bericht ist nur fragmentarisch erhalten (IX 22): K., Sohn des Kambyses und der Mandane, der Tochter des Mederkönigs Astyages, überragte an Tapferkeit, Verstand und den übrigen Vorzügen seine Zeitgenossen. Die Begründung, die er dafür gibt: βασιλικῶς γὰρ αὐτὸν ὁ πατὴρ ἦγε παιδεύων, ζῆλον ἐμποιῶν τῶν κρατίστων, deutet vielleicht darauf hin, daß Diodor den Vater des K. für einen König hielt. Die Herkunft des K., wie sie Herodot erzählt, kennen auch Valerius Max. (I 7 ext. 5) und Sidonius Apoll. (c. II 117. IX 30). Isokrates (V 66. 132) hat eine besondere Überlieferung, wonach K. von seiner Mutter am Wege ausgesetzt und von einem persischen Weibe aufgehoben worden sei. An anderer Stelle sagt Isokrates [1139] (IX 38), K. habe seinen Großvater mütterlicherseits getötet. Dion Chrys. (LXIV 23) läßt es ungewiß, ob K. von einer Hündin oder einem Weibe genährt worden sei; Aelian (var. hist. XII 42), Lukian. (de sacr. 5), Porphyrios (de abst. III 17) und Sidonius Apoll. (c. IX 30) entscheiden sich für die Hündin. Plutarch, (pro nob. 2, 2) läßt ihn unter Hirten aufwachsen, Dion Chrys. (XV 22) ernennt ihn zum λυχνοποιὸς τοῦ Ἀστυάγου (bei Nikolaos hieß er λυχνοφόρος). Der Umstand, daß K. bei Herodot halb persischer und halb medischer Herkunft ist (Apuleius apol. 24: Semimedus et Semipersa), gibt Veranlassung zum Vergleich des K. mit einem Maulesel (ἡμίονος), dessen Geburt die Pythia in einem warnenden Orakel (Herodot. I 55. 91; vgl. Diod. IX 31, 2) vorher verkündet haben soll. Nach Herodot. I 113 und Iustin. I 5, 1 hätte K. diesen seinen Namen erst später erhalten. Wie er früher geheißen hatte, sagen sie nicht. Strabon (XV 3, 6) gibt an, er habe vorher Agradates geheißen und sei später nach dem Flusse K. genannt worden. Der Name Agradates klingt auffällig an Atradates an, wie bei Nikolaos der Vater des K. heißt. Polyainos hat auch aus der Frühgeschichte des K. einige στρατηγήματα benutzt: VII 7 die List des Harpagos (Herodot. I 123), VI 6, 7 die Gewinnung der Perser zum Aufstand (Herodot. I 126) und dreimal die Kämpfe gegen Astyages. Aus welchen Quellen er hierbei geschöpft hat, läßt sich nicht entscheiden, zumal da sich mindestens zwei von diesen Anekdoten widersprechen. VI 6, 9 heißt es, K. sei den Medern unterlegen und nach Pasargadai geflohen. Da ihm viele seiner Leute zu den Medern übergingen, habe er verkündigt, daß am nächsten Tag 100 000 Bundesgenossen eintreffen würden. Zu ihrem Empfang sollte jeder Soldat ein Bündel Holz bereit halten. Beim Einbruch der Nacht ließ er diese Holzbündel anzünden. Die Meder, denen Überläufer den Befehl des K. verraten hatten, erschraken über die vielen Feuer, glaubten, die Verstärkung sei eingetroffen, und flohen. VI 6, 1: Im Kampfe gegen die Meder war K. dreimal unterlegen. Die vierte Schlacht fand bei Pasargadai statt, wo die Frauen und Kinder der Perser waren. Wieder flohen die Perser. Als sie aber die Frauen und Kinder gewahrten, gerieten sie ihretwegen in Erregung, machten kehrt und erstritten einen entscheidenden Sieg. Diese Anekdote ist eine schwächliche Variante der schon erwähnten Erzählung, in der die persischen Frauen durch ihr energisches Eingreifen die fliehenden Perser beschämen und zur letzten siegreichen Anspannung aller Kräfte anfeuern (Nikol. Dam. a. a. O. Iustin. I 6, 13ff. Oros. I 19, 9f. Plut. de mul. virt. 5). Auch Polyain kennt diese Fassung (VII 45, 2). Bezeichnend ist, daß hier Κύρου σατράπης Οἰβάρης ἦρξε φυγῆς. Ein ähnliches Verhalten, wie das der persischen Frauen, weiß übrigens Plutarch auch von einer ungenannten Lakonierin zu berichten (Lac. apophth. incert. 3). Den Brauch, daß die persischen Könige aus Dankbarkeit den Frauen von Pasargadai, so oft sie in diese Stadt kamen, je ein Goldstück verehrten, erwähnte außer Nikolaos noch Plutarchos (Alex. 69; de mul. virt. 5; numismatisch-metrologische Erörterungen darüber s. ZDMG [1140] LXV 673). Plutarch weiß auch, daß (Artaxerxes III.) Ochos wegen seines Geizes die Stadt gemieden habe; Alexander d. Gr. dagegen hätte den Brauch wieder eingeführt und jeder schwangeren Frau das Doppelte geschenkt. In der Stadt Pasargadai, die übrigens nach Anaximenes (frg. 18 bei Steph. Byz. Eustath. zu Dion. per. 1069) eine Gründung des K. sein sollte, befand sich der Tempel einer Göttin, die man der Athene vergleichen konnte, und die einen Mysterienkult besaß. Wer sich einweihen lassen wollte, mußte die Kleidungsstücke anziehen, die K. vor seinem Königtum getragen und dort niedergelegt hatte (Plut. Art. 3).

In ganz anderer Bahn verläuft die Frühgeschichte des K. bei Xenophon. Der Vater des K. heißt bei ihm Kambyses wie bei Herodot und den anderen, ist aber kein mediocris vir (Iustin. I 4, 4) oder Persarum modicae fortunae vir (Val. Max. I 7 ext. 5), sondern König der Perser (Kyr. I 2, 1 [ausgeschrieben von Suidas]. 5, 4. VIII 5, 22). Seine Gemahlin ist Mandane, die Tochter des Mederkönigs Astyages. Bezeichnend ist hier der Zusatz ὁμολογεῖται. Xenophon kannte also die abweichende Überlieferung des Ktesias noch nicht oder ließ sie unbeachtet. Von Träumen des Großvaters oder der Mutter, von Aussetzung des neugeborenen Kindes ist keine Rede. Weder Harpagos, noch ein babylonischer Traumdeuter, noch ein persischer Sklave Hoibares, Oibares oder Sybares werden erwähnt. K. genießt eine vortreffliche Erziehung an seines Vaters Hofe und reist ungefähr im 13. Lebensjahre mit seiner Mutter zu seinem Großvater. Am medischen Hofe bleibt er einige Jahre, bis ihn sein Vater nach Hause beruft. Nach dem Tode des Astyages folgt diesem sein Sohn Kyaxares, der auf seinen Neffen wegen seiner Erfolge und seiner Beliebtheit eifersüchtig, aber schließlieh von diesem versöhnt wird und ihm seine Tochter vermählt. So erhält K. von seinem Oheim und Schwiegervater Medien als Mitgift und Persien nach seines Vaters Tod in friedlichem Erbgang. Auffällig ist eine Behauptung, mit der Lukian (de sacrif. 5) ganz allein dasteht: K. habe die Herrschaft erhalten, nachdem er den Vater abgesetzt und ins Gefängnis geworfen hätte.

Soweit die griechischen Berichte, deren Wahrheitsgehalt sich an den Angaben der Keilinschriften zum Teil erproben läßt. In der Inschrift des Nabuna’id heißt Kuraš ,König des Landes Ansan‘, in der Nabuna’id-K.-Chronik vor dem 7. Jahre Nabuna’ids (549/8) ,König von Anšan‘, im 9. Jahre desselben Königs (547/6) aber ,König des Landes Parsu‘. K. selbst erzählt in seiner Zylinderinschrift, daß Marduk, der Stadtgott von Babylon, über die trostlosen Zustände in seiner Stadt erbittert, sich in allen Ländern nach einem gerechten Fürsten umgetan hätte, um seine Hände zu ergreifen. ,Kuraš, König der Stadt Anšan, dessen Namen sprach er aus, berief ihn zur Herrschaft über das All.‘ K. berichtet dann seine Eroberungen, die zu dem siegreichen Einzug in Babylon führten. Dadurch war er in der Tat Weltherrscher geworden und stellt sich als solcher vor: ,Ich bin K., der König der Gesamtheit, der große König, der mächtige König, König von Ŝumer und Akkad, König der vier Weltgegenden, [1141] Sohn des Kambuzia, des großen Königs, Königs der Stadt Anšan, Enkel des K., des großen Königs, Königs der Stadt Anšan, Urenkel des Šišpiš, des großen Königs, Königs der Stadt Anšan, der ewige Sproß des Königtums‘ usw. Soviel ist hieraus klar zu ersehen, daß K. sich zur Annahme dieser stolzen Titel, die ihn so weit über seine königlichen Vorfahren heraushoben, erst dann berechtigt glaubte, als er das babylonische Reich erobert hatte. Vorher nannte er sich bescheiden nur mit dem Titel, den er auch seinen Vorfahren beilegt: König der Stadt Anšan.

Wir können seine Verwandtschaft noch weiter verfolgen. Dareios I. sagt in der Inschrift von Bīsutūn (§ 10): ,Einer namens Kambuğija, des K. Sohn, aus unserem Geschlechte, der war hier König.‘ Kambyses und sein Vater K. waren also mit Dareios verwandt; in welcher Weise, erfahren wir aus § 2 der gleichen Inschrift, wo Dareios seine Vorfahren von unten nach oben nennt: Wištāspa, Aršāma, Arijāramna, Ḱišpiš, Haḵāmaniš. Der Ururgroßvater des Dareios I. war also Ḱišpiš, bab. Sišpiš, und kein anderer als der Urgroßvater des K. II. Obwohl K. selbst seinen Stammbaum nicht bis zu Haḵāmaniš (Ἀχαιμένης) verfolgt hat, ist er doch sicher Achämenide gewesen (Grattius cyn. 315). Sein Großvater K. I. und der Urgroßvater des Dareios, Arijāramna, waren Brüder, Söhne des Ḱišpiš. Haben sie aber auch beide regiert und wo? Dareios sagt in § 4 der genannten Inschrift: ,Acht meines Geschlechtes waren vordem Könige. Ich bin der neunte. Neun sind wir in zwei Reihen Könige.‘ Der Stammbaum der Achämeniden bis herab auf Kambyses II. und Dareios I. enthält aber 10 Namen. Einer muß also als nichtregierend ausgeschieden werden. Aus Herodot. VII 11 kennen wir einen Stammbaum des Xerxes, der angeblich seine Vorfahren in folgender Reihe nennt: Dareios, Hystaspes, Arsames, Ariaramnes, Teïspes, K., Kambyses, Teïspes, Achämenes. Dies sind tatsächlich 9 Namen, und sie sind auch alle echt. Aber die Reihe steht im Widerspruch mit der Bīsutūn-Inschrift, die nicht zwei, sondern nur einen Ḱispiš-Teïspes nennt. Sie steht aber auch im Widerspruch mit Herodot. I 111, wo – in Übereinstimmung mit der Zylinderinschrift des K. – K. I., nicht Teïspes, als Vater des Kambyses I. genannt wird. Der eine der beiden Teïspes ist demnach als ungeschichtlich zu streichen, und K. und Kambyses waren nicht des Xerxes Vorfahren väterlicherseits, sondern Großvater und Urgroßvater mütterlicherseits. K. II. gehörte der gleichen Generation an wie Wištāspa-Hystaspes. In seinem Großreich war kein Platz für einen zweiten König neben ihm. Hystaspes war also nicht König. Die übrigen Ahnen des Dareios: Arsames, Ariaramnes, Teïspes – von dem es K. selbst bezeugt – und Achämenes wurden von Dareios als Könige gezählt, dazu das Doppelpaar K. I., Kambyses I., K. II., Kambyses II., zusammen acht.

Als Herrschaftsbereich der Achämeniden ist von der zweiten Generation an das Land oder die Stadt Anšan oder Ansan bezeugt. K. II. selbst hat den Titel König von Anšan am Anfang seiner Regierung geführt. Auffällig ist nun, daß in der Nabuna’id-K.-Chronik K. ein Jahr oder wenige [1142] Jahre vor 548 noch König des Landes Anšan, 547 aber König des Landes Parsu heißt. Hier bieten sich zwei Erklärungsmöglichkeiten: entweder Anšan und Parsu sind nur zwei verschiedene Namen für dasselbe Land, oder Parsu ist eine Provinz außerhalb des eigentlichen Anšan, die 547 oder kurz vorher dem K. zugefallen war. Für die erstere Annahme würde sprechen, daß der Name Anšan nach K. vollständig in Vergessenheit geriet. Auch die Griechen und Römer haben keine Kunde von ihm bewahrt. Für sie ist Persien, also Parsu, das Stammland der achämenidischen Könige. Gegen die erste Annahme ließe sich eine geographische Erwägung geltend machen. Das Land Anšan wird schon in sumerischen Inschriften des 3. Jahrtausends genannt, meist in Verbindung mit Elam, dem es benachbart gewesen sein muß. Es ist aber schwer zu glauben, daß die entlegene Landschaft Persis jemals in den Gesichtskreis der alten Herrscher Babyloniens gekommen sei. Wahrscheinlicher ist es, daß Anšan weiter westlich, etwa zwischen Elam und Persis oder zwischen Elam und Medien gelegen war. Im J. 547 oder kurz zuvor muß K. II. das östlich angrenzende Parsu mit Anšan vereinigt haben, eine Tat, die in dem Titelwechsel der Nabuna’id-K.-Chronik nachklingt. Wer bis dahin in Parsu geherrscht hat, läßt sich mit großer Wahrscheinlichkeit vermuten: Ariaramnes, der Bruder des K. I., und nach ihm sein Sohn Arsames, der Vetter des Kambyses I. K. II. hat entweder den noch lebenden Arsames als König von Parsu abgesetzt oder nach dessen Tode die erledigte Herrschaft von Parsu für sich beansprucht, so daß der Sohn des Arsames, Hystaspes, die Herrschaft nicht antreten konnte.

Der Erwerbung von Parsu durch K. II. war die Eroberung Mediens vorhergegangen. Dafür besitzen wir drei keilinschriftliche Zeugnisse; in zweien wird Astyages bab. Ištumegu genannt. Einmal wird er als König der Umman-Manda bezeichnet, das andere Mal ist sein Titel mit dem Anfang des Berichtes abgebrochen und verloren. Sachlich stimmen beide Berichte, abgesehen von der gleich zu besprechenden Verschiedenheit des Zeitansatzes, im wesentlichen überein und ergänzen sich gegenseitig. Nabuna’id erfährt durch ein Traumgesicht, in dem ihm Marduk selbst erscheint, aus dem Munde des Gottes: ,Der Umman-Manda, er selbst, sein Land und die Könige, die an seiner Seite wandelten, sind nicht (mehr). Im dritten Jahre, zu Beginn, hieß man ihn ausziehen und K., der König des Landes Ansan, sein geringer Vasall, besiegte mit seinen wenigen Truppen die zahlreichen Umman-Manda. Ištumegu, den König der Umman-Manda, ergriff er, und gebunden nahm er ihn (mit sich) in sein Land.‘ Die leider ziemlich beschädigte Tafel der Nabuna’id-K.-Chronik läßt folgendes erkennen: ,... sammelte er und gegen K. König von Anšan ... zog er ... Gegen Ištumegu empörte sich sein Heer, er wurde mit den Händen ergriffen, dem K. lieferten sie ihn aus. K. (kam) nach dem Lande Agamtanu, seiner Königsstadt (!). Silber, Gold, Habe, Besitz ... des Landes Agamtanu erbeutete er und nahm es nach dem Lande Anšan ...‘ In Bezug auf die zeitliche Ansetzung besteht zwischen beiden Berichten ein Widerspruch, [1143] der sich zurzeit noch nicht aufklären läßt. Die erste Stelle (erörtert o. Bd. X S. 2013f..) besagt nach meiner Auffassung, daß der Sieg des K. über Astyages in den ,Regierungsanfang‘ des Nabuna’id, d. h. in die Zeit von Mai 556 bis März 555, fällt. In der Nabuna’id-K.-Chronik ist die Zeitangabe abgebrochen. Mit Sicherheit läßt sich nur sagen, daß die in Rede stehenden Ereignisse vor dem 7. Jahre Nabuna’ids lagen, aber man darf hinzusetzen, daß das in der Chronik-Tafel abgebrochene Jahr aller Wahrscheinlichkeit nach kein anderes gewesen ist als das 6. Jahr dieses Königs, nämlich 550/49. Damit muß ich mich einstweilen bescheiden. Die dritte keilinschriftliche Angabe findet sich in der K.-Inschrift selbst, wo es ganz kurz heißt: ,Die Gesamtheit der Umman-Manda beugte er (Marduk) unter seine (des K.) Füße.‘

Von Herodots Erzählung ist keilinschriftlich so viel bestätigt, daß K. Sohn des Kambyses und Enkel eines älteren K. war, daß er als unbedeutender Vasall des mächtigen Astyages diesen angriff und, unterstützt durch den Abfall des medischen Heeres, ihn besiegte und gefangen nahm. Geirrt hat Herodot darin, daß er Kambyses als einfachen Privatmann schildert, während ihn Xenophon richtiger als König, freilich nicht des ihm unbekannten Landes Anšan, sondern als König der Perser hinstellt. Ob K. mütterlicherseits Enkel des Astyages war, wie Herodot und Xenophon übereinstimmend bekunden, muß dahingestellt bleiben. Möglicherweise hat Ktesias, der diese Verwandtschaft leugnet, gerade darin recht. Auf jeden Fall aber haben sich die wahrscheinlich auf Ktesias zurückgehenden Angaben des Nikolaos über die Eltern des K. als Fabel erwiesen. In Xenophons Roman konnte der siegreiche Kampf des K. gegen Astyages keine Stelle finden; die παιδεία des K. machte ihn unmöglich. In diesem Punkte hat sogar Ktesias Richtigeres. Daß K. unter den Leuten des Astyages mindestens einen einflußreichen Helfer gehabt hat, ist selbstverständlich; daß dieser Helfer, der seinen eigenen König verriet, Harpagos hieß, wie Herodot angibt, ist wohl möglich. Dagegen ist die Gestalt des Oibares (Ktesias und Polyain), Hoibares (Nikol. Dam.) oder Sybares (Iustin.) recht problematisch. Die Deutung dieses Namens als ἀγαθάγγελος, von der K. sich sogar ein günstiges Vorzeichen ableitet, ist unsicher, wenn nicht falsch, wie die meisten griechischen Etymologien altpersischer Wörter. Altpersisch *hubara, *ubara entspricht etymologisch griech. εὔφορος ,leicht oder gut zu (er)tragen, behend, gewandt, flink, leicht (er)tragend‘ u. ä., skr. sub'ara ,wuchtig, tüchtig, reichlich‘. Das aus den Begriffen ,gut, schön‘ und ,tragen‘ zusammengesetzte altpersische Wort wird den eben angeführten etymologischen Entsprechungen auch semasiologisch näher gestanden haben. Etwas Richtiges hat Ktesias noch, wenn er K. nach dem Siege über das medische Heer in Agbatana eindringen läßt. Obwohl es selbstverständlich ist, daß der Sieger in die feindliche Hauptstadt einzieht, fehlt dieser Zug doch bei Herodot (und natürlich auch bei Xenophon), während die keilinschriftliche Chronik die Plünderung von Agamtanu verhältnismäßig ausführlich berichtet. Merkwürdig viel ist in der Überlieferung [1144] der Geschichte des K. von Träumen die Rede. Astyages hat bei Herodot die beiden Träume vom Schoße seiner Tochter; den ersten weist Nikolaos der Mutter des K. selbst zu, die freilich bei ihm nicht die Königstochter Mandane, sondern die Ziegenhirtin Argoste ist. Bei Iustin wird K. durch einen Traum bewogen, den Sklaven Sybares, der ihm am frühen Morgen zuerst begegnet, als Genossen zu nehmen. Träume offenbaren des Petesakas Verbrechen (Ktesias). Bei Dinon (frg. 10 bei Cic. de div. I 46) wird K. durch einen Traum die Dauer seiner Regierung angedeutet. Der babylonische König Nabuna’id selbst erfährt aus dem Munde des Gottes Marduk, der ihm in einem Traumgesicht erscheint, daß Astyages von seinem Vasallen K. geschlagen und gefangengenommen worden ist. Bald darauf beruft freilich derselbe Gott Marduk den K. zur Weltherrschaft. In welcher Form diese Berufung erfolgt sein mag, ist unbekannt. Es liegt nahe, wieder an einen Traum zu denken, näher aber noch die Vermutung, daß die mit Nabuna’id unzufriedene Priesterschaft Marduks eine geheime Botschaft an K. gesandt und ihn nach Babylon eingeladen habe.

Der ernsteste Krieg, den K. nach seinem Siege über Medien zu führen hatte, war gegen Lydien gerichtet. Er endete mit der Eroberung von Sardeis und Gefangennahme des Königs Kroisos (s. diesen Art. im Nachtrag). Über die Zeit dieser Ereignisse sind unsere Quellen nicht einig. Xenophon läßt erst Kämpfe mit den Assyrern vorhergehen (Kyr. I 4, 16ff.). Aus diesen erwächst ein schwerer Krieg, in dem Kroisos auf der Seite der Assyrer kämpft und nach deren Niederlage in sein Land flieht (IV 1, 8). Dann folgt der Krieg gegen Lydien und die Gefangennahme des Kroisos (VII 1), schließlich die Eroberung von Babylon (VII 5). Bei Iustinus (I 7, 4) und Orosius (II 6. 12) geht sogar die Besiegung der Babylonier dem Kriege gegen Kroisos vorher. In den uns erhaltenen Bruchstücken des Ktesias wird ein Krieg des K. gegen Assyrien oder Babylonien nicht erwähnt. Obwohl kaum anzunehmen ist, daß Ktesias ein so folgenschweres Ereignis völlig mit Stillschweigen übergangen haben sollte, sind wir doch außerstande, anzugeben, wie er es zeitlich eingereiht haben mag. Herodot berichtet den lydischen Krieg (I 71ff.) vor dem babylonischen (I 178ff.), und das ist offenbar die richtige Reihenfolge, die auch Eusebios (Kroisos’ Sturz 1470 n. Abraham = 58. Ol., 2. J. = 547 v. Chr.) angenommen hat. Bei Hieronymus schwankt die handschriftliche Überlieferung zwischen 548 und 545. Wahrscheinlich zu tief (ep. 42, 541/40?) hat das Marmor Parium den Ausgang des lydischen Reiches herabgerückt. In der Nabuna’id-K.-Chronik heißt es zum 9. Jahre Nabuna’ids: ,Im Monat Nisannu [‌April 547] bot K., König des Landes Parsu, seine Truppen auf, überschritt (?) unterhalb von Arba’il den Tigris und [zog] im Monat Aiiaru [1.–29. Mai 547] nach dem Lande ... Seinen König tötete er, seinen Besitz nahm er, seine eigene Besatzung (?) legte er hinein. Darnach blieb seine Besatzung (?) und der König dortselbst.' An diesem Texte ist manches zweifelhaft. Die Stadt Arbela liegt viele Kilometer [1145] vom Tigris entfernt. Unterhalb Arbelas den Tigris zu überschreiten gibt keinen Sinn. Zudem ist das Verbum ,überschritt' unsicher. Von dem Namen des Landes ist das erste Zeichen undeutlich und vom zweiten nur der Anfang erhalten. Die Wahrscheinlichkeit, daß die Chronik den lydischen Krieg erwähnt habe, ist natürlich sehr groß. Floigl (Cyrus und Herodot 125) hat deshalb schon 1881 ein Synonym für Lydien in dem verstümmelten Landesnamen gesucht. Lehmann-Haupt glaubte später bei einer Nachprüfung der Keilschrifttafel in dem Anfangszeichen lu zu erkennen und ergänzte den Namen zu lu-ud-du ,Lydien‘. Auffällig bleibt freilich in der Chronik die Angabe, daß K. den König, dessen Name gar nicht genannt wird, getötet haben soll. Die griechischen Quellen sind darin einig, daß K. das Leben des Kroisos geschont habe. Andererseits steht die Chronik, wenn sie sagt, daß K. (eine Zeitlang) dort geblieben sei, im Einklang mit Herodot. Nach dessen Bericht hätte K. in Sardeis erst noch eine Gesandtschaft der Ionier und eine solche der Lakedaimonier empfangen und abgefertigt, was einen Aufenthalt von mehreren Wochen oder Monaten bedingen würde. Man wird als tatsächlich annehmen dürfen, daß der Sturz des Kroisos im Sommer oder Herbst 547 erfolgt ist.

An die Eroberung Lydiens reihte sich die Unterwerfung des übrigen Kleinasiens an. Eine zusammenhängende Darstellung dieser Ereignisse bietet nur Herodot (I 153–177). Sie ist vertrauenswürdig, weil man annehmen darf, daß ihr Verfasser die Schicksale der Umgebung seiner Vaterstadt in einer Zeit, die höchstens 100 Jahre später lag, genau genug erkunden konnte. Gelegentliche Bemerkungen aus anderen Quellen dienen zur Bestätigung und Ergänzung. Vor dem Entscheidungskampfe mit Kroisos hatte K. die Ionier Kleinasiens vergeblich aufgefordert, von diesem abzufallen (Herod. I 76). Nach dem persischen Siege boten die Ionier und Aioler dem K. ihre Unterwerfung an zu denselben Bedingungen, die ihnen Kroisos einst zugestanden hatte, wurden aber zurückgewiesen. Ob K. dabei den Gesandten das höhnische Gleichnis erzählt habe (Herod. I 141; ein ähnliches berichtet Diodor. IX 35 von Herpagos), mag auf sich beruhen bleiben. Ebensowenig Erfolg hatte die Gesandtschaft der Lakedaimonier, deren Vermittlung die Ionier erbeten hatten (Herod. I 152f. Diodor. IX 36). Nur Miletos, das rechtzeitig dem K. entgegen gekommen war, erhielt einen günstigen Vertrag (Herod. I 141. 169. Diog. Laert. I 1, 3). Vor seiner Rückkehr übergab K. die Stadt Sardeis dem Perser Tabalos und übertrug dem Lyder Paktyes das Geschäft, das Gold des Kroisos und der übrigen Lyder abzuliefern. K. selbst begab sich mit dem gefangenen Kroisos auf den Weg nach Agbatana und trug sich mit neuen Eroberungsplänen, die gegen Babylon, Baktrien, die Saken und Ägypten gerichtet waren. Nach seinem Abzug empörte sich Paktyes, warb mit dem ihm anvertrauten Golde Bundesgenossen und belagerte Tabalos in der Burg von Sardeis. K. erfuhr dies unterwegs, sandte den Meder Mazares zurück und befahl ihm, die Lyder zu unterwerfen und zu entwaffnen, [1146] ihre Bundesgenossen aber zu Sklaven zu machen. Auf die Kunde von dem Herannahen des Heeres suchte Paktyes in verschiedenen Griechenstädten Zuflucht, wurde aber schließlich von den Chiern ausgeliefert. Mazares nahm nun Rache an seinen Bundesgenossen, unterjochte Priene und Magnesia am Maiandros, starb aber bald darauf. Sein Nachfolger Harpagos belagerte die Seestadt Phokaia, deren Einwohnern es gelang, auf ihren Schiffen zu entkommen (Herod. I 164. Strab. VI 1, 1. Gell. X 16, 4. Isid. orig. XV 1, 63), und Teos, dessen Einwohner dem Beispiel der Phokaier folgten (Herod. I 168). Schließlich gerieten, trotz tapferen Widerstandes, alle Ionier (Aischyl. Pers. 773) des Festlandes (Thuk. I 16), mit Ausnahme der Milesier, unter die Herrschaft der Perser. Sogar die auf den Inseln wohnenden Ionier ergaben sich aus Furcht vor K. (Herod. I 169).

Bei den weiteren Feldzügen des Harpagos mußten die Ionier und Aioler Heeresfolge leisten (I 171). Die Karer unterwarfen sich fast ohne Widerstand. Zwar versuchten die Einwohner der lakedaimonischen Kolonie Knidos, die schmale Landzunge, auf der ihre Stadt lag, durch einen Kanal vom Festlande abzutrennen, kamen aber mit der Arbeit nicht zustande und mußten sich gleichfalls ergeben (I 174). Dasselbe widerfuhr den Einwohnern von Pedasa, den einzigen in Karien, die eine Zeitlang Widerstand geleistet hatten, indem sie sich hinter einer um den Berg Lyde herumgeführten Mauer verteidigten (I 175). Heldenmütig wehrten sich die Kaunier und die Bürger der lykischen Stadt Xanthos. Sie zogen dem Harpagos entgegen, wurden aber nach tapferem Kampfe von der Übermacht zurückgetrieben, brachten ihre Familien und ihre Habe in die Burg und äscherten diese ein, so daß alles verbrannte, was ihnen lieb war. Sie selbst unternahmen einen Ausfall und wurden in tapferem Kampfe bis auf den letzten Mann getötet (I 176. Appian. bell. civ. IV 80).

Dem Aufenthalt des K. in Kleinasien gelten noch verschiedene Nachrichten. So soll K. nach einer Angabe des Babyloniers Agathokles (frg. 4 bei Athen. I 30 a) dem Pytharchos von Kyzikos, mit dem er befreundet war, sieben kleinasiatisehe Städte geschenkt haben. Im J. 22 n. Chr., als in Rom Gesandte aus den griechischen Städten erschienen, um ihre Asylrechte zu begründen, machten die Vertreter von Hierokaisareia in Lydien geltend, daß das in ihrer Stadt befindliche berühmte Heiligtum der persischen Diana von König K. geweiht worden sei (Tac. ann. III 62, 4). Bei Sardeis wird später ein Κύρου πεδίον genannt, das vielleicht eine Siedlung des K. aus jener Zeit enthielt, wie auch das Ὑρκάνιον πεδίον mit der Stadt Hyrkanis durch hierher verpflanzte Hyrkaner seinen Namen erhielt (vgl. Keramopullos Ἀθηνᾶ XVI 161ff. 1904).

Während Harpagos mit der Eroberung des westlichen und südwestlichen Kleinasiens beschäftigt war, unterwarf K. die oberen, landeinwärts gelegenen Landschaften Asiens. Er unterjochte jedes Volk, ohne eines zu übersehen. Herodot (I 177) will nur derer gedenken, die K. die meiste Mühe machten und besondere Erwähnung verdienen. Nachdem K. alle Völker des [1147] Festlandes unterworfen hatte, plante er einen Angriff auf die Assyrer. In Assyrien war aber nach der Zerstörung von Ninos königliche Residenz die große Stadt Babylon. Für Herodot ist also, wie sonst vielfach im Altertum, Babylonien nur ein Teil von Assyrien. Auch bei Xenophon residiert der König von Assyrien – bezeichnenderweise wird sein Name und der Name seines Vaters und Vorgängers hartnäckig verschwiegen – in Babylon. Der Krieg beginnt bei ihm mit einer Grenzverletzung, die sich der assyrische Thronfolger und spätere König beim Jagen in der Nähe des medischen Gebietes zuschulden kommen läßt. Es ist die erste Gelegenheit, wo sich der Xenophontische K. kriegerische Lorbeeren erwirbt (Kyr. I 4, 16ff.); eine lange Kette siegreicher Kämpfe schließt sich an, die in der Eroberung Babylons ihre Krönung erhalten. Ein assyrisches Reich bestand freilich seit spätestens 607 nicht mehr. Die Stadt Ninos war längst zerstört und brauchte nicht mehr von K. belagert zu werden (Amyntas bei Athen. XII 529 e hat vielleicht Κυαξάρης für K. schreiben wollen). Aber die Landschaft Assyrien war noch vorhanden, und ihr Besitz bildete die unerläßliche Voraussetzung für K., wenn er ungefähr in der Breite von Arbela über den Tigris setzen und gegen Lydien ziehen wollte. Wenn K. sie nicht zugleich mit Medien erworben hatte, mußte er sie zuvor den Babyloniern abnehmen. Bei Xenophon (Kyr. IV 6) erscheint nach dem ersten großen Siege über die Assyrer im Lager des K. ein alter Assyrer namens Gobryas, der von dem eben auf den Thron gelangten jungen König schwere Unbill erfahren hat, und übergibt ihm sein Gebiet, das von einer starken Burg geschützt ist, sowie 2300 Mann Reiterei. Durch die Auffindung der Nabuna’id-K.-Chronik ist wider alles Erwarten dieser Gobryas, der sich bei Xenophon hinfort als treuergebener Helfer des K. bewährt, als geschichtliche Persönlichkeit erwiesen worden (vgl. jetzt Schwenzner Klio XVIII 41ff.). Zwar ist er sicher kein Assyrer, sondern, wie sein Name erweist, ein Iranier, wahrscheinlich Perser (altpers. Gaubaruwa) gewesen, hat aber möglicherweise im Dienste des babylonischen Königs die Grenzwacht gegen Medien gehalten, ehe er auf die Seite des K. trat. In der Nabuna’id-K.-Chronik heißt Gobryas (bab. Gubaru oder Ugbaru) Statthalter des Landes Gutium und spielt bei dem Einfall in Babylonien die Hauptrolle. Die genaue Lage dieses Landes (auch Kutī genannt) läßt sich noch nicht bestimmen. Gewiß ist, daß Gutium östlich vom Tigris, wahrscheinlich, daß es an und zwischen den beiden Zab-Flüssen lag. Dem Assyrischen Reich war es schon um die Mitte des 2. Jahrtausends einverleibt und gehörte später zum festen Besitz der assyrischen Könige. Noch später erhielt es den Namen Adiabene; die Arbelitis, die Umgebung der alten Stadt Arbela, bildete wohl einen seiner wesentlichsten Teile. K. berichtet die Unterwerfung des Landes Kutī noch vor derjenigen der Umman-Manda (Meder), was allerdings chronologisch nicht richtig sein wird, aber jedenfalls beweist, welche Bedeutung sie für K. hatte. Von Gutium aus zog im Frühjahr 547 K. in das eigentliche Assyrien, das westlich vom [1148] Tigris lag, weiter nach Mesopotamien und Kleinasien, bis er auf die Lyder stieß.

Die Eroberung Babylons ist von den Griechen ebenso ausgeschmückt worden wie die übrigen Taten des K. Herodot beschreibt zunächst (I 178ff.) die Stadt Babylon ausführlich. Von ihren Herrschern nennt er nur vier: die beiden Königinnen Semiramis und Nitokris, die durch fünf Menschenalter getrennt waren und sehenswerte Bauten ausgeführt hatten, sowie den Gemahl und den Sohn der Nitokris, die beide den Namen Labynetos hatten. Der zweite war der Gegner des K. (I 188). Auf seinem Zuge gegen diesen gelangt K. an einen Nebenfluß des Tigris, den Gyndes, in dessen Fluten eines der heiligen weißen Rosse ertrinkt. Der König nimmt an dem Flusse Rache, indem er ihm durch dreihundertsechzig neugegrabene Kanäle so viel Wasser entzieht, daß ihn sogar Weiber durchschreiten können, ohne die Kniee zu benetzen, und vertrödelt damit einen ganzen Sommer (I 189; die alberne Geschichte auch bei Seneca de ira III 21. Tibull. IV 1, 141. Oros. II 6). Im nächsten Frühling kommt er bis in die Nähe Babylons, dessen Einwohner ihm entgegenziehen, aber geschlagen werden und wieder hinter ihre Stadtmauern fliehen müssen. Die Belagerung zieht sich in die Länge. Schließlich gelingt die Besetzung durch eine List. K. läßt den Euphrat in einen See ableiten und dringt durch den seicht gewordenen Strom in die Stadt ein. Da gerade ein Fest in der Stadt gefeiert wird, gelingt ihm Überrumpelung vollkommen (Herod. I 191; vgl. Polyain. VI 6, 5. 8). Bei Xenophon wird die Belagerung Babylons viel umständlicher geschildert. Die Stadt wird schließlich in ähnlicher Weise wie bei Herodot gewonnen, indem die Perser in der Nacht eines Festes durch das Bett des Euphrat eindringen, dessen Wasser vorher in Gräben geleitet worden war. Gobryas und ein anderer Überläufer, Gadatas, der einst wider seinen Willen auf Befehl des Königs der Assyrer entmannt worden war, brechen noch während der Nacht in den Palast ein und nehmen Rache an dem König. Die einheimische Bevölkerung, soweit sie sich ruhig in ihren Häusern hält, bleibt unbehelligt. Am Morgen ergeben sich auch die Truppen in der Zitadelle, da sie hören, daß der König tot ist (Kyr. VII 5). In welcher Weise Diodor die Eroberung Babylons beschrieben hat, ist unbekannt. Seine Schilderung ist mit dem größten Teil seines IX. Buches verloren; X 13 wird nur die nackte Tatsache der Besiegung der Babylonier erwähnt. Eine dritte Überlieferung, die auf Berossos zurückgeht, ist uns über Alexander Polyh. und Abydenos bei Eusebios (Chronik S. 15 u. 20 Karst), am reinsten wohl bei Josephus c. Apion. 150ff. (vgl. Euseb. 24) erhalten: Als Ναβόννηδος den Anmarsch des K. erfuhr, zog er ihm mit Truppen entgegen, wurde geschlagen und floh mit wenigen nach Borsippa, wo er sich einschloß. Sobald K. Babylon eingenommen hatte, wandte er sich gegen Borsippa, um es zu belagern. Nabonnedos ergab sich sofort, K. behandelte ihn φιλανθρώπως und wies ihm Karmanien als Aufenthaltsort an, wo Nabonnedos bis zu seinem Ende blieb. An einer anderen Stelle (ant. X 231 ff.) verwendet Josephus die [1149] biblische Belsazargeschichte (Daniel c. 5) und läßt K., den König der Perser, und Dareios, König der Meder (Daniel 6, 1), gegen Βαλτασάρην τὸν καλούμενον Ναβοάνδηλον παρὰ τοῖς Βαβυλωνίοις zu Felde ziehen. K. erobert Babylon und nimmt Baltasares gefangen, worauf Dareios, der Sohn des Astyages, und sein Verwandter K. die Herrschaft über die Babylonier gemeinsam antreten – ein Schulbeispiel übelster Harmonisierungskunst. Einer anderen Verwechselung mit der Eroberung Babylons durch Dareios hat sich Frontinus (strat. III 3, 4) schuldig gemacht, indem er die Zopyrosgeschichte in die Zeit des K. verlegt.

Aus den Keilinschriften ergibt sich der tatsächliche Verlauf dieser folgenschweren Ereignisse. Der babylonische König Nabuna’id lebte, meist außerhalb der Hauptstadt, seinen antiquarischen Neigungen, ließ alte verfallene Tempel wieder aufbauen und freute sich, wenn bei diesen Erneuerungsarbeiten Grundsteinurkunden alter Vorgänger zutage kamen. Dabei scheint er die Tempel und Kulte der Hauptstadt selbst mehr als billig vernachlässigt zu haben, wodurch die Priesterschaft des Stadtgottes Marduk ihm entfremdet, ja feindlich werden mußte. Sein Sohn Bel-šarru-usur scheint ihn bei den eigentlichen Regierungsgeschäften vertreten zu haben. Im 17. Jahre Nabuna’ids (539/8) fiel die Entscheidung. Der am Anfang verstümmelte Bericht der Nabuna'id-K.-Chronik läßt erkennen, daß der König sich wieder in Babylon befindet. Die Götterbilder der Städte Akkads, mit Ausnahme der drei nächstgelegenen Barsip, Kuta und Sippar, werden nach Babylon gebracht, eine Maßregel, die darauf deutet, daß der Angriff des K. bereits droht. Von wirklichen Verteidigungsanstalten auf babylonischer Seite ist keine Rede. Fühlte man sich hinter der gewaltigen ,Medischen Mauer' mit ihrem vorgelagerten tiefen Wassergraben, die von Sippar am Euphrat bis oberhalb von Akšak am Tigris lief und ganz Babylonien gegen Norden abschloß, sicher? Wenn ja, so war dies ein Irrtum. Im Tišritu (begann 26. Sept.) kam es bei Akšak am Tigris, unfern des späteren Seleukeia, zu einer Schlacht. Die Truppen von Akkad wurden geschlagen. Offenbar war es K. geglückt, unterhalb des östlichen Endes der Medischen Mauer über den Tigris zu setzen. Zwar leisteten die geschlagenen Truppen noch Widerstand, erlitten aber nur weitere Niederlagen. Am 14. Tišritu (10. Oktober) wurde Sippar kampflos besetzt, Nabuna’id floh, zwei Tage später zog Ugbaru, der Statthalter des Landes Gutium, ebenso kampflos in Babylon selbst ein. Nabuna’id wurde in Babylon festgenommen. Der 12. Oktober 539 war also der letzte Tag eines selbständigen Babylonischen Reichs. Der neue Herrscher selbst hielt seinen Einzug in die Hauptstadt am 29. Oktober, hob den Belagerungszustand auf und setzte Gubaru zum Statthalter über Babylon (vgl. Schwenzner a. a. O.). In der Chronik findet sich dann eine unklare Angabe, die zu besagen scheint, daß Gubaru in der Nacht vom 5. zum 6. Nov. den Sohn des Königs (Bel-šarru-usur) tötete. In den nächsten Wochen wurden die Götterbilder, die Nabuna’id aus den babylonischen Städten nach Babylon hatte bringen lassen, in ihre heimatlichen Tempel zurückbefördert. [1150]

Ergänzend tritt hierzu noch die Inschrift des Tonzylinders des K., obwohl von ihr leider nur die mittleren Zeilen unversehrt erhalten sind. Ihr Verfasser war offenbar ein Marduk-Priester Babylons, dem die Taten und Maßnahmen Nabuna’ids als Sünden und schuldhafte Unterlassungen gegenüber seinem Hauptgott erscheinen mußten. Besonders schwer traf es ihn. daß Nabuna’id ,feindseligerweise‘ das tägliche Opfer abschaffte: ,Alle Leute richtete er durch ein Joch ohne Erleichterung zu Grunde.‘ Ob ihres Wehklagens ergrimmte der Götterherr gewaltig. Außer Marduk selbst zürnten aber auch die Götter, die nach Babylon hineingebracht worden waren, über diese Maßnahme, die wir doch nur als Ausfluß der Angst Nabuna’ids ansehen können. Schließlich erbarmt sich Marduk der ,Leute von Sumer und Akkad, die Leichen glichen,‘ und beruft K. König von Anšan zur Weltherrschaft, unterwirft ihm das Land Kuti und die Umman Manda (s. o.) und freut sich, daß K. seine Untertanen gerecht behandelt. Er befiehlt ihm, nach Babylon zu ziehen, und geht wie ein Freund und Genosse ihm zur Seite. Ohne Kampf und Schlacht läßt er ihn einziehen in seine Stadt Babylon. Babylon bewahrt er vor Drangsal. Nabuna’id, der ihn nicht verehrte, liefert er ihm in seine Hände. Die Leute von Babylon allzumal, ganz Sumer und Akkad, die Großen und Statthalter beugen sich unter ihn, küssen seine Füße, freuen sich seines Königtums, es leuchtet ihr Antlitz. K. erzählt weiter, wie Marduk ihm die Herzen der Babylonier geneigt machte, wie seine Truppen in Babylon umherzogen, in ganz Šumer und Akkad kein Feind erstand. Er nahm sich der Tempel an und ließ die verfallenen Häuser der Babylonier wieder aufbauen. Marduk habe sich ihm, seinem Sohne Kambuzia und seinen Truppen gnädig erwiesen, weshalb auch sie seine Gottheit priesen. Die Könige aller Weltgegenden, vom oberen (Mittelländischen) Meere bis zum unteren Meere (Persischen Golf), die Könige des Westlandes, die Zelte bewohnen, sie alle brachten nach Babylon Tribut und küßten seine Füße. Die Götter der Städte Aššur und Susa, Agade, Ešnunak, Zamban, Me-Turnu, Deri, bis hin zum Lande Gutium, brachte er an ihre Orte zurück, ebenso die Götter von Šumer und Akkad, die Nabuna’id gegen Marduks Willen nach Babylon geholt hatte.

Der Verlauf des babylonischen Krieges stellt sich, um kurz zusammenzufassen, folgendermaßen dar: K. kam von Nordosten, wohl von Ekbatana her. An dem ganzen Abenteuer mit dem Gyndes ist vielleicht nur so viel richtig, daß K. diesen Fluß überqueren mußte. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich dabei um die Diala, den stattlichsten Nebenfluß des Tigris, in den er sich wenige Kilometer unterhalb Bagdads ergießt (s. den Art. Gyndes o. Bd. VII S. 2091f.). Noch etwas weiter stromabwärts erreichte die ,Medische Mauer‘ das Westufer des Tigris. Wollte K. den Übergang über die Diala vermeiden und oberhalb von deren Mündung, etwa bei dem heutigen Bagdad über den Tigris setzen, so hätte er auf dem Weitermarsch gegen Babylon sehr bald die ,Medische Mauer‘ vor sich gehabt, ein sehr erhebliches, wenn nicht überhaupt unüberwindliches Hindernis. [1151]

So blieb ihm nichts übrig, als die Diala zu überschreiten und unterhalb der ,Medischen Mauer‘ auch den Übergang über den Tigris zu erzwingen, sicherlich das schwierigste Stück des ganzen Unternehmens. Es gelang, obwohl die Babylonier bei Akšak, offenbar dort, wo die Perser über den Strom kamen, starken Widerstand leisteten. Nachdem dieser gebrochen war, ging es an der Medischen Mauer entlang bis nach Sippar, von dort ohne Aufenthalt nach Babylon. Von einer Ableitung des Euphrats, die bei Herodot, Xenophon und Polyaen spukt, kann keine Rede sein. Dagegen weicht die nüchterne Erzählung des Berossos nur unwesentlich vom Keilschriftberichte ab. In ähnlicher Weise wie unter K. spielte sich 17 Jahre später die Eroberung Babylons durch Dareios Hystaspis ab. Der Usurpator Nidintum-Bel (Nebukadnezar III.) hielt mit seinen Leuten das westliche Tigrisufer besetzt. Dareios erzwang den Übergang, indem seine Leute teils auf Schläuchen hinüberschwammen, teils auf Kamelen oder Rossen hindurchritten. Am 13. Dez. 522 erfolgte der Zusammenstoß. Die Babylonier wurden geschlagen und flohen nach dem Euphrat zurück. Bei Zazannu zwischen Sippar und Babylon sammelten sie sich und wurden am 18. Dezember aufs neue geschlagen. ,Der Feind wurde ins Wasser getrieben, das Wasser riß ihn fort.‘ Nidintum-Bel floh mit wenigen Reitern nach Babylon. Die Perser folgten ihm auf dem Fuße, eroberten die Stadt und nahmen den Usurpator gefangen. Das Datum ist nicht angegeben, darf aber ungefähr als 20. Dezember 522 angesetzt werden. Von einer langen Belagerung Babylons, die griechische Schriftsteller dem Dareios wie dem K. angedichtet haben, kann in beiden Fällen keine Rede sein.

Die Eroberung Babylons war den Persern überraschend schnell geglückt. In der Zylinderinschrift des K. wird uns auch zum ersten Male der Name seines Sohnes genannt, und zwar in einem Zusammenhang, der vermuten läßt, daß Kambyses schon damals eine politische Rolle spielte. Marduk erwies sich ,mir, K., dem König, der ihn verehrt, dem Kambyses, meinem leiblichen Sohne, sowie allen meinen Truppen gnädig‘ (Z. 27, vgl. auch Z. 35). K. hatte nicht nur einen Sohn, nennt aber nur diesen an so hervorragender Stelle. Da die Zylinderinschrift bald nach der zweiten Erwähnung fast völlig abbricht, läßt sich nicht entscheiden, ob sie noch weiteres über Kambyses gemeldet hat. Aus der Chronik ist wenigstens so viel zu ersehen, daß Kambyses am 4. Nisannu (28. März) 538 in den babylonischen Nabu-Tempel Eninpakalammasummu hineinging; die folgenden Angaben der Chronik sind ebenfalls dunkel. Entscheidend sind die Privaturkunden, deren Daten beweisen, daß Kambyses seit jenem Tage ,König von Babylon‘ war, während sein Vater Großkönig (,König der Länder‘) blieb. Das Unterkönigtum scheint indessen nicht viel über 9 Monate gedauert zu haben. Bald nach Neujahr 537 brechen die Urkunden mit Datierungen nach Kambyses ab, und es wird wieder nach K. datiert. Später wird Kambyses in Privaturkunden gelegentlich als einfacher ,Königsohn‘ genannt, der in Babylon ein Haus besaß.

Nicht nur Marduk, sondern auch der jüdische [1152] Gott beanspruchte, K. berufen zu haben. (Deutero-) Jesaia 41, 2–6 ist K. zwar nicht genannt, aber deutlich gemeint, ebenso 46, 11, wo Jahweh von sich sagt: der aus fernem Lande rief den Mann seines Ratschlusses. Aber der Name des K. erscheint auch selbst, wenn es (44, 28) von Jahweh heißt: der zu K. spricht: Mein Hirt (oder: Freund), und er soll mein Geschäft ausführen. Jahweh nennt K. sogar seinen Gesalbten, ergriff seine rechte Hand, will vor ihm herziehen und ihm die Wege ebnen (45, 1. 2). Und K. hat das Vertrauen des Judengottes nicht getäuscht. Noch im ersten Jahre nach der Eroberung Babylons, also 538–537, gestattete er den dort zurückgehaltenen Juden die Rückkehr nach Palästina und ordnete den Wiederaufbau des Tempels zu Jerusalem an (Ezra 1. II. Chron. 36, 22f.). Über 42 000 Juden machten von dieser Erlaubnis Gebrauch und wanderten in das gelobte Land zurück (Ezra 2, 64).

Daß K. in den Jahren, die auf die Eroberung Babylons folgten, noch weitere Feldzüge unternommen hat, kann als sicher gelten. Direkte Angaben aus keilinschriftlichen Quellen fehlen. Xenophon gibt in der Einleitung (Kyr. I 1, 4) ein Verzeichnis von Ländern, die K. nach und nach erobert habe, läßt aber erkennen, daß dieses Verzeichnis nicht vollständig ist. Es heißt da: K. zog mit einem kleinen Perserheere aus und gewann die Herrschaft über die Meder mit deren Willen, ebenso über die Hyrkaner, unterwarf die Syrer, Assyrer, Araber, Kappadoken, beide Phryger, Lyder, Karer, Phoiniker, Babylonier, beherrschte die Baktrer, Inder und Kiliker, desgleichen die Saken, Paphlagoner, Mariandyner und sehr viele andere Völker, deren Namen man nicht einmal nennen könnte, erlangte auch die Herrschaft über die Hellenen in Asien und ans Meer hinabziehend auch über die Kyprier und Ägypter. Über den Umfang des persischen Reiches, das K. bei seinem Tode hinterließ, unterrichten uns auch die drei Völkerlisten, die in den Inschriften des Dareios (Bīsutūn § 6. Pers. e. Nakš-i Rustam § 3) erhalten sind. Die erste von diesen ist die älteste und für uns wichtigste, weil sie den Zustand beim Beginn der Regierung des Dareios, sieben Jahre nach dem Tode des K., zeigt. Dazu bemerkt Herodot (III 88) ausdrücklich, daß Dareios alle Völker in Asien gehorchten, da sie erst K. und dann wieder Kambyses unterjocht hatte. Freilich nimmt Herodot hierbei die Araber aus, die Dareios in seinen Inschriften als seine Untertanen nennt. Bīs. § 6 sagt Dareios: ,Folgende sind die Länder, die mir zu teil wurden; nach dem Willen Ahuramazdas war ich ihr König: Persien, Elam, Babylon, Assyrien, Arabien, Ägypten, die des Meeres, Sardes, Ionien, Medien, Armenien, Kappadokien, Parthien, Drangiana, Areia, Chorasmien, Baktrien, Sogdiana, Gandara, Saka, Sattagydien, Arachosien, Maka, im ganzen 23 Länder.‘ Allerdings ist dieses Verzeichnis nicht vollständig. Noch in der Bisutun-Inschrift selbst nennt Dareios Margiana (§§ 21. 38), Sagartien (§ 33) und Hyrkanien (§ 35). Die zweite Liste ist der ersten sehr ähnlich. Hinzugefügt ist das eben erwähnte Sagartien, außerdem Indien, zusammen also 25 Namen. Anstatt ,Ionien‘ und ,die des Meeres‘ heißt es [1153] deutlicher: ,Die Ionier des Festlandes und die des Meeres‘. Die dritte Liste mit 30 Namen kommt für unsere Zwecke weniger in Betracht, da der Zuwachs Länder betrifft, die erst während der Regierungszeit des Dareios erobert worden sind. Wir gehen jetzt die ersten beiden Listen kurz durch, wobei Persien, Medien und Babylon ohne weiteres beiseite bleiben können. Elam muß frühzeitig in den Besitz des K. gekommen sein. Es lag dem Stammlande Anšan sehr nahe, und seine Hauptstadt Susa nennt K. ausdrücklich in seiner Zylinderinschrift. Auch Aššur, die alte Hauptstadt Assyriens, wird dort als Besitz des K. gekennzeichnet, außerdem die berühmte Stadt Agade, leider noch unbekannter Lage, die Landschaft Ešnunak, wahrscheinlich am oberen Kercha, und die Städte Zamban, Meturnu und Deri, alle drei im Osttigrislande, zwischen Assyrien und Elam. Die altpersische Provinz Arabien hat sich mit dem heutigen geographischen Begriff Arabien sicher nur zum kleinsten Teile gedeckt. Vor allem ist das Innere der Halbinsel niemals im Besitze eines fremden Volkes, weder der Babylonier, Assyrer und Perser, noch der späteren Herren Vorderasiens gewesen, allenfalls ein schmaler Küstensaum oder Teile davon, und von der syrisch-arabischen Wüste der nördlichste Zipfel bis höchstens etwa zur Breite von Palmyra herab. Dagegen scheint Dareios ganz Syrien, Phoinikien und Palästina in Arabien einzubeziehen. Diese Gebiete hatten bereits zum Besitze Nebukadnezars und seiner Nachfolger gehört, und daß K. selbst Palästina besaß, ergibt sich schon daraus, daß er den Juden die Heimkehr erlauben und den Wiederaufbau ihres heimatlichen Tempels befehlen konnte. Außerdem rühmt er sich, und sicherlich mit Recht, von den Königen des Westlands, die Zelte bewohnen, Tribut erhalten zu haben. Damit ist jedenfalls auf die Beduinenstämme, die westlich vom Euphrat zelteten, hingedeutet. Ägypten nennt Xenophon (vgl. auch Kyr. VIII 6, 20) unter den Eroberungen des K., Herodot (I 153) vorsichtiger unter den Ländern, gegen die der König noch zu Felde ziehen wollte. Einmal soll K. von dem ägyptischen König Amasis den geschicktesten Augenarzt erbeten haben, der später in hinterlistiger Weise Kambyses II. zum Kriege gegen Amasis anstachelte (Herodot III 1). Schließlich soll K. auch mit Nitetis, einer Tochter des Pharao Apries, vermählt gewesen sein, eine Überlieferung, die Herodot zwar kennt, aber verwirft (III 2f.). Vertreten wurde sie später von Dinon und Lynkeas von Naukratis (Athen. XIII 560f.; ausführlicher Polyaen. VIII 29). Freilich auch wenn diese Geschichte auf Kambyses bezogen wird (Herodot III 1. Ktesias p. 139f. Gilmore), wird sie nicht wahrscheinlicher. Da Apries 569 ermordet worden war, müßte seine Tochter bei ihrer Vermählung mit Kambyses (zwischen 529 und 526) mindestens 40 Lenze gezählt haben, und man versteht ihre verwunderte Frage an den ahnungslosen Kambyses (ὦ βασιλεῦ, διαβεβλημένος ύπ' Ἀμάσιος οὐ μανθάνεις;] vollkommen. Eines steht jedenfalls fest: nicht K., sondern Kambyses hat Ägypten erobert. In der hieroglyphischen Dareios-Stele von Tell el-Masẖūṭah (Golenischeff Rec. de [1154] trav. XIII 106. 1890) erscheint der Name K. zweimal. Da der Text stark zerstört ist, läßt sich der Zusammenhang nicht erkennen.

Die (Bewohner) des Meeres und Ionien gehören zusammen, wie in der zweiten Länderliste die Ionier des Festlandes und die des Meeres. Gemeint sind die der Westküste von Kleinasien vorgelagerten Inseln, deren Unterwerfung auch Herodot (I 169) bezeugt, und aller Wahrscheinlichkeit nach auch Kypros, das Xenophon nennt. Von der Halbinsel Kleinasien nennt Dareios nur Ionien, Saparda (= Sardeis, Lydien) und Kappadokien. Herodot (I 171ff.) noch Karien und Lykien, Xenophon noch beide Phrygien (vgl. auch schon Aischyl. Pers. 772), Kilikien und Paphlagonien. Man wird kaum fehlgehen, wenn man annimmt, daß der weitaus größte Teil Kleinasiens schon zur Zeit des K. zum Perserreich gehörte. Armenien, das Nachbarland Mediens, muß sehr bald unter die Oberhoheit des K. gekommen sein. Bei Xenophon ist der armenische König ursprünglich Bundesgenosse der Assyrer (II 1, 6), wird von Astyages besiegt und den Medern tributpflichtig (III 1, 10), trägt sich mit Abfallgedanken (II 4, 12), wird von K. auf geschickte Weise wieder zum Gehorsam gebracht (III 1) und bleibt dann den Medern und Persern treu ergeben. Der Name des Königs wird nicht genannt, wohl aber der seines ältesten Sohnes Tigranes (III 1, 7 u. ö.), der von Anfang an auf Seite des K. steht. Ob gerade diese Persönlichkeit geschichtlich ist, bleibe dahingestellt. Die Tatsache selbst, daß Armenien zum Herrschaftsbereich des K. gehört hat, ist sicher richtig. Vgl. auch Xen. VIII 7, 11, wo K. seinem jüngeren Sohne die Satrapien über die Meder, Armenier und Kadusier testamentarisch vermacht. Die nun folgenden Länder werden in der zweiten Länderliste des Dareios als ,Ostländer‘ bezeichnet. Die Sagartier rechnet Herodot (Ι 125) zu den Persern, und zwar zu den nomadischen Stämmen. Sie haben also jedenfalls seit der Besitznahme Persiens, vielleicht schon Mediens, in dessen östlichem oder südöstlichem Teile ihre Wohnsitze zu suchen sind, zum Reiche des K. gehört. Die Eroberung Hyrkaniens oder Barkaniens, die bei Ktesias und Iustinus berichtet wird, setzt auch den Besitz der Landschaft Parthien voraus, die zwischen Medien und Hyrkanien lag. Herodot (III 117) berichtet von der chorasmischen Hochebene, die der Perserkönig durch Zumauern der fünf Ausgangsschluchten zu einem großen Wasserbecken hatte ausgestalten lassen. Wenn er sagt, daß diese Ebene dem König gehört, ἐπείτε Πέρσαι ἔχουσι τὸ κράτος, so ist damit angedeutet, daß sie schon unter K. im Bereich der Perserkönige war. Diese Ebene bildete die Grenze von fünf Landschaften, die hier zusammenstießen und von ihr aus beherrscht werden konnten: der Chorasmier, Parther, Hyrkanier, Saranger und Thamanaier. Die Chorasmier (Ḫwārizm, jetzt Chiwa) und Sarangen (Draugiana, später Sakastane, jetzt Sistān genannt) werden ebenfalls in den Länderlisten des Dareios erwähnt. Daß die Herrschaft des K. bis über den Oxos reichte, beweist auch die Gründung der Stadt Kyreschate, die entweder mit Khokand am Sir Darja oder mit Uratūbeh zwischen diesem Strom und dem Zerafšan gleichzusetzen [1155] ist. Die Landschaft zwischen Oxos und Iaxartes hieß Sogdiana (jetzt Soghd). Noch diesseits des Oxos lagen die Länder Margiana (Merw), Areia (Herāt), Baktrien (vgl. Horat. carm. III 29, 28; jetzt Balkh), Gandara (Ghazna), Sattagydien (Kabul), Arachosien (Kandahar). Schwierig zu lokalisieren sind die Saken, gegen die K. nach Herodot (I 153) zu ziehen beabsichtigte, nach Ktesias (p. 128f. Gilmore) wirklich zog, wobei er sie als Bundesgenossen gewonnen haben soll (vgl. Xen. Kyr. V 3, 22). Nachbarn der Hyrkaner, wie Xenophon (V 2, 25) will, waren sie freilich nicht. Einen Anhalt bietet die Reihenfolge, in der Dareios in seinen beiden ältesten Länderlisten diese Ostvölker aufführt: einmal Gandara, Saka, Sattagydien, Arachosien, Maka, dann Sattagydien, Arachosien, Indien, Gandara, Saka, Maka. Wir haben die Saken also in der Nähe der Gandarer, Sattagyden und Inder zu suchen. Das führt uns in das Quellgebiet des Oxos und des Indos. Marquart setzt sie im südlichen Teil der Landschaft Badaḫšan (s. Bd. I A S. 1792) an, was Herrmann, der selbst erst die Pamir, jenseits des Oxos, als Wohnsitz der Saken angenommen hatte, zu billigen scheint. Mit Maka meint Dareios jedenfalls das heutige Beluğistan, von dem ein Teil der Küste den alten Namen Mekrān bewahrt hat. Es bleibt nur noch Indien zu besprechen, das Dareios in seiner ersten Länderliste noch nicht nennt. Als argumentum ex silentio ist dieser Umstand nicht ohne weiteres zu verwenden, da Dareios, wie wir sahen, dort auch drei andere Länder mit Stillschweigen übergeht, die doch zu seinem Reiche gehörten. Ob K. freilich schon Indien (d. h. natürlich nur das Gebiet oder einen Teil des Gebietes am Strome Indos, altpers. Hinduš) erobert hat, ist recht zweifelhaft. Denn wenn auch Arrian (Ind. 1, 3) angibt, daß die Inder dem K. tributpflichtig gewesen seien, so steht dem doch die Behauptung der Inder entgegen, die er selbst bald darauf (9, 10; ausführlicher Megasthenes bei Strab. XV 1, 6) mitteilt, daß außer Herakles niemand, auch K. nicht, in Indien eingedrungen sei. Nach Nearch (frg. 23 bei Strab. XV 1, 5; vgl. Arrian. anab. VI 24) habe es K. versucht, sei aber mit nur sieben Überlebenden zurückgekehrt. Plinius (n. h. VI 92) hat die Nachricht, daß K. die dem Indos nahegelegene Stadt Capisa (Solin. 54, 2 Caphisa) zerstört habe. Wenn aber diese dem Kāpišakāniš der Bīsutūn-Inschrift (§ 45) gleichgesetzt werden soll, so lag sie noch in Arachosien, im östlichen Afghanistan. Mit einem indischen Feldzug des K. ließe sich am ehesten noch eine andere Nachricht in Verbindung setzen, die in dreifacher Überlieferung erhalten ist (Diodor. XVII 81. Arrian. anab. III 27, 4. Curt. VII 3, 1). Danach hätten einst die Ari(m)aspai (s. o. Bd. II S. 821) das Heer des K., das auf einem Feldzug in die Gefahr des Verschmachtens geraten war, durch Zufuhren gerettet und wären deshalb von K. mit Steuerfreiheit begabt und mit dem Titel ,Wohltäter‘ ausgezeichnet worden. Da dieses Volk in der Nachbarschaft der Gedrosier wohnte, wäre es möglich, daß K., wie reichlich zweihundert Jahre später Alexander d. Gr., seinen Rückzug von Indiens Grenzen her durch dieses dürre Land genommen hätte. [1156]

Über den Ausgang des Kyros kannte Herodot. (I 214) verschiedene Überlieferungen. Wertlos ist die Angabe bei Ps.-Lukian. macrob. 14, obwohl sie sich auf die Jahrbücher der Perser und Assyrer, sowie auf Onesikritos (frg. 32) beruft, K. sei im Alter von 100 Jahren aus Verdruß über die ὠμότης seines Sohnes Kambyses gestorben. Geschichtlich wertlos ist auch der Ausgang des Romanes Xenophons, der den hochbetagten K., nachdem er seinen beiden Söhnen und Erben allerlei gute Ermahnungen gegeben und den anwesenden Freunden Lebewohl gesagt hat, den ruhigen Tod eines griechischen Philosophen sterben läßt (Kyr. VIII 7, 2ff. Cic. de leg. II 56; de sen. 30. 79ff.). Die übrigen Berichte stimmen darin überein, daß K. auf einem Feldzug gegen ein barbarisches Volk gefallen sei. Nach der Überlieferung, die Herodot (I 204ff.) für die glaubwürdigste hält, waren es die Massageten, ein den Skythen ähnliches Volk, das jenseits des Araxes, östlich vom Kaspisee wohnte. Wieder ist die Erzählung reichlich ausgeschmückt. K. wirbt um die Hand der Königin Tomyris, die ihn abweist, worauf er den Feldzug eröffnet. Die Massagetin läßt ihn zur Umkehr auffordern und zieht sich dann zurück. K. beruft einen Kriegsrat, in dem auch der alte Kroisos wieder auftritt. Dessen Vorschlag, über den Fluß zu setzen und die Feinde dann durch einen scheinbaren Rückzug zu täuschen, findet Annahme. Er selbst aber wird mit dem Thronerben Kambyses nach Persien zurückgeschickt, ebenso am folgenden Tage Hystaspes, vor dessen Sohn Dareios ein Traumbild den K. gewarnt hatte. Die List gelingt. Die Massageten schlagen die schwache persische Vorhut und dringen in das verlassene Lager ein, wo sie sich an den listigerweise zurückgelassenen üppigen Vorräten von Speise und Wein nach Kräften gütlich tun. Im Schlafe werden sie von den wieder zurückkehrenden Persern überfallen und teils niedergehauen, teils gefangen genommen. Unter den Gefangenen befindet sich der jugendliche Führer, der Königssohn Spargapeises, den seine Mutter von K. unter Drohungen zurückfordert. K. achtet nicht darauf, läßt aber den Jüngling auf seine Bitte von seinen Banden losmachen, worauf dieser aus Scham sich selbst entleibt. In der nächsten Schlacht gewinnen die Massageten die Oberhand, der größere Teil des persischen Heeres kommt um, darunter K., dessen Leichnam Tomyris suchen und mit dem Kopf in einen mit Blut gefüllten Schlauch stecken läßt, um ihn, wie sie vorher versprochen hatte, mit Blut zu sättigen. Diese Erzählung hat im ganzen Altertum einen tiefen Eindruck gemacht. Wiederholungen und Anspielungen finden sich recht häufig (Corn. Nep. de reg. 1, 2. Val. Max. IX 10 ext. 1. Polyaen. VIII 28. Aelian. nat. an. VII 11. Anthol. lat. 858f. Riese. Euseb. Hieron. chron. Hieron. in Zach. 1. Georg. Synk. I 448), wobei Tomyris öfters als Königin der Skythen oder Saken erscheint (Strab. XI 6, 2. Lukian. Char. 13. Arrian. anab. IV 11, 9. V 4, 5. Steph. Byz. s. Μασσαγέται. Frontin. strat. II 5, 5. Iustin. I 8. Oros. II 7. Ammian. Marc. XXIII 6, 7. Ampel. 13. Ambros. ep. 18, 36. Sidon. Apoll. c. 9, 34ff.), bei Iordanes (Get. 10, 61) als Getin oder Gotin. Nur eine Variante zu Herodot ist es, wenn [1157] bei Diodor (II 44, 2) die Skythenkönigin das Heer der Perser niederhauen und K., der in Gefangenschaft gerät, kreuzigen läßt.

Bei Ktesias (p. 133ff. Gilmore) unternimmt K. zuletzt noch einen Feldzug gegen die Derbiker, denen die Inder mit ihren Elefantentruppen beistehen. K. fällt vom Roß und erhält von einem Inder einen Speerstich in den Schenkel. Seine Diener heben ihn auf und tragen ihn ins Lager zurück. Die Schlacht ist blutig, aber unentschieden. Amorges eilt auf die Kunde von dem Geschehenen mit 20 000 sakischen Reitern K. zu Hilfe. In einer neuen blutigen Schlacht fallen 11 000 Perser und 30 000 Derbiker, darunter der König Amoraios und seine beiden Söhne. K. gewinnt das Land, stirbt aber am 3. Tage nach seiner Verwundung, nachdem er noch über seine Nachfolge verfügt hat. Kambyses sendet den Leichnam seines Vaters εἰς Πέρσας zur Bestattung.

Was Berossos von dem Ende des K. erzählt hat, ist uns über Alexander Polyhistor von Eusebios (S. 23 Karst) erhalten worden. Danach hätte sich K. in der Ebene Daas in einen anderen Kampf eingelassen und wäre dort umgekommen. Es steht also fest, daß K. in einem Kampfe an der Nordost- oder Ostgrenze seines Reiches gefallen ist, mögen seine Gegner Massageten (Skythen, Saken), Daer (s. o. Bd. IV S. 1945f.) oder Derbiker (s. o. Bd. V S. 237f.) gewesen sein. Sein Tod ist im Juli, spätestens Anfang August 529 erfolgt. Über das Alter, das K. erreicht hat, besitzen wir noch die, wohl unzuverlässige, Angabe des Dinon (frg. 10), wonach K. mit 40 Jahren den Thron bestiegen und 30 Jahre geherrscht haben soll, so daß er 70 Jahre alt geworden wäre.

Über die letzte Ruhestätte des K. berichtet weder Herodot noch sonst ein Schriftsteller vor Alexander. Nur Ktesias hat die Nachricht, daß Kambyses den Leichnam seines Vaters durch den Eunuchen Bagapates zur Bestattung εἰς Πέρσας bringen ließ. Als aber Alexander der Große im J. 330 durch Pasargadai kam, zeigte man ihm einen Grabbau, der die irdische Hülle des großen K. umschließen sollte. Aristobulos, der in Alexanders Auftrag das Grab zweimal besuchte, hat eine Beschreibung davon gegeben, die sowohl durch Strab. (XV 3, 7) wie durch Arrian. (anab. VI 29) erhalten geblieben ist. Beide Überlieferungen stimmen bis auf unwesentliche Abweichungen überein und ergänzen einander. Das Grab befand sich im königlichen Garten, ein nicht großer πύργος, unten massiv (Arrian.: auf viereckigem Grundriß aus Quadern gebaut), darüber ein überdachtes steinernes Gemach mit auffallend engem Eingang. Drinnen stand ein Tisch mit Bechern, eine goldne Bahre und ein goldner Sarg, dabei viele Kleidungsstücke und mit Gold verzierte Schmuckgegenstände (Arrian beschreibt die Beigaben ausführlicher). Innerhalb des περίβολος, an dem Aufgang (πρὸς τῇ ἀναβάσει), der zum Grabe führt, stand ein kleines Gebäude für die Mager, die seit Kambyses, dem Sohne des K., die Wache hielten. Das Grab trug eine Inschrift (nach Arrian: in persischer Sprache und Schrift); sie lautete: O Mensch, ich bin K. (Arrian noch: Sohn des Kambyses), der den Persern die Herrschaft gewann, Asiens König. Neide mir nun nicht das Denkmal! Arrian setzt hinzu, daß Alexander durch Aristobulos das inzwischen [1158] beraubte Grab wieder in Ordnung bringen ließ. Dabei vermauerte man die Türe und bestrich sie mit Lehm, in dem das königliche Siegel abgedrückt wurde. Plutarchos (Alex. 69) hat einen kürzeren Bericht, nennt die Stadt Pasargadai an dieser Stelle überhaupt nicht, sondern sagt nur ganz allgemein, daß das Grab des K. ἐν Πέρσαις sei (vgl. Ktes. p. 188 Gilmore: Kambyses ἀπέστειλε τὸν τοῦ πατρὸς νεκρὸν διὰ Βαγαπάτου τοῦ εὐνούχον εἰς Πέρσας ταφῆναι). Die Inschrift habe Alexander gelesen und Ἑλληνικοῖς γράμμασιν darunter einmeißeln lassen. Der Wortlaut weicht von dem bei Strabon und Arrianos gegebenen ab: O Mensch, wer du auch seist und woher du auch kommen magst, denn daß du kommen wirst, weiß ich. Ich bin K., der den Persern die Herrschaft gewann. Neide mir nun nicht dieses Stückchen Erde, das meinen Leichnam umhüllt! Keine Beschreibung des Grabes geben Plinius (n. h. VI 116; vgl. Solin. 55, 2) und Curtius (X 1, 30f.). Dagegen hat Strabon noch die Angabe, daß Onesikritos (frg. 31) den Turm als zehnstöckig bezeichne. Die Inschrift sei griechisch in persischen Zeichen: Ἐνθάδ' ἐγὼ κεῖμαι Κ. βασιλεὺς βασιλήων, dazu eine andere, persische, gleichen Inhalts. Schließlich führt Strabon noch den Salaminier Aristos (frg. 1) an, der den Turm zweistöckig und groß nenne. Die Inschrift sei die erwähnte griechische mit persischer Übersetzung. Die fabelhafte Schilderung des Ps.-Kallisthenes (II 18) darf hier übergangen werden. Morier, der Persien bereist hat, hielt 1809 das sog. ,Grab der Mutter Salomos‘ unweit des Dorfes Murghāb, das schon im 16. Jhdt. von Europäern gesehen und seit Morier ungezählte Male abgebildet worden ist, für das Grab des K. Diese Ansicht ist von den meisten Gelehrten angenommen worden, hat aber auch Widerspruch erfahren (zuletzt Weissbach ZDMG XLVIII 653ff. 1894). Durch die Arbeiten Herzfelds, der das Land selbst bereist und die wichtigsten Denkmäler Persiens genau durchforscht hat, ist die Frage sehr gefördert worden (zuerst Klio VIII 36ff., ausführlicher bei Sarre und Herzfeld Iranische Felsreliefs, Berlin 1910, Text S. 166f. Taf. XXIX die beste Abbildung des Bauwerks). Für endgültig entschieden kann ich die Frage noch nicht halten. Der Unterbau des Grabes der Mutter Salomos' besteht aus sechs massiven Plattformen auf rechteckigem, dem Quadrat sich näherndem Grundriß, deren Maße sich nach oben zu verjüngen. Auf der obersten Plattform steht ein kleines Haus, ebenfalls von rechteckigem Grundriß. Das Dach ist beiderseits stark geneigt (mehr als 36°), der Eingang befindet sich an der einen Schmalseite und ist eng und niedrig (78 x 135 cm). Er wurde einst durch zwei Türen verschlossen, die jetzt verschwunden sind. Das Innere des Gemachs (3,16 m lang, 2,18 m breit) ist jetzt vollkommen leer. Das ganze Bauwerk ist von großen steinernen Quadern errichtet und sieht einem babylonischen Stufenturm im kleinen nicht unähnlich (Dombart Der Sakralturm I 33, München 1920). An die unterste Stufe, die 1,67 m hoch ist, war früher auf der Eingangsseite eine kleine Treppe angesetzt, die jetzt zerstört ist. Im übrigen ist das Bauwerk so weit erhalten, daß sich alles Wesentliche noch erkennen läßt. Anders die Umgebung [1159] (vgl. den Plan bei Sarre und Herzfeld S. 169). Von den 28 Säulen, die einst das Gebäude umstanden, sind die meisten noch nachweisbar, aber nur in Resten. Sie schließen ein Quadrat von 30 m Seitenlange ein, innerhalb dessen das ,Grab der Mutter Salomos‘ gleichorientiert, aber exzentrisch liegt. Umgeben war das Ganze von einem 50 m langen und 40 m breiten Rechteck, das ebenso orientiert und von 2,6 m starken Mauern aus ungebrannten Lehmziegeln gebildet war. Gleichlaufend mit der nördlichen Schmalseite war eine zweite, innere Lehmmauer gezogen, die einen 40 m langen, 6,5 m breiten Vorhof abtrennte. Diese Mauern sind sehr zerstört, aber die steinernen Türgewände und Orthostaten stehen noch aufrecht und zeigen die Lage der Tore an. Die beiden Parallelmauern im Norden waren von zwei genau hintereinander liegenden Toren durchbrochen, die West- und Ostmauer hatten je ein Tor; nur an der Südmauer ist keines nachweisbar. Ist nun das ,Grab der Mutter Salomos‘ das von Aristobulos beschriebene Grab des K.? Herzfelds Urteil (173, ähnlich früher Stolze): ,Die Übereinstimmung zwischen seiner‘ [Aristobuls] ,Schilderung des Kyrosgrabes und dem Mešhed i māder i Sulēimān‘ [Grab der Mutter Salomos] ,ist eine so absolute, wie sie selten zwischen Objekt und Beschreibung im Altertum vorkommen dürfte‘ kann ich nicht beitreten. Daß man nach Aristobuls Beschreibung das Grab des K. genau so rekonstruieren müßte wie das ,Grab der Mutter Salomos‘, scheint mir fraglich. Richtig ist, daß die Ruinen von Pasargadai in der Ebene von Murghāb zu suchen sind. Auch bezweifelt niemand, daß das ,Grab der Mutter Salomos‘ ein Grab aus der Achämenidenzeit ist. Daß es einem Angehörigen des Herrscherhauses eigen war, ist mindestens sehr wahrscheinlich. Etwa 2 km südöstlich vom ,Grab der Mutter Salomos‘ steht noch eine Ruine, die von den heutigen Einwohnern ,Gefängnis Salomos‘ genannt wird. Die Art dieses Bauwerks ist trotz seiner starken Zerstörung noch wohl zu erkennen. Es muß der noch jetzt erhaltenen sog. Ka‘abä-i Zerdušt vor dem Felsen von Nakš-i Rustam (Sarre und Herzfeld Taf. I S. 1ff.) sehr ähnlich gewesen sein: ein starker Turm auf quadratischem Grundriß, unten massiv, oben ein Gemach mit niedrigem Eingang enthaltend, zu dem eine steinerne Freitreppe führte. Beide Gebäude wurden früher für Feuertempel gehalten (so noch Sarre 4); daß es achämenidische Grabtürme sind, erkennt auch Herzfeld an (a. O. u. S. 152ff., vgl. Taf. XXVII). Auch diese Gebäude entsprechen der Beschreibung, die Aristobul vom Grabe des K. gibt. Die Inschrift, die sich am Grabe des K. befunden haben soll, wäre freilich am ,Gefängnis Salomos‘ mitsamt ihrer Steinplatte längst verschwunden. Aber daß sie auch an dem im ganzen wohlerhaltenen ,Grabe der Mutter Salomos‘ fehlt, ist doch sehr auffällig. Die früher öfters geäußerte, jetzt noch von Herzfeld vertretene Ansicht, daß sie einst in eine besondere Platte eingegraben war, die über dem Eingang verklammert gewesen wäre, entbehrt der Wahrscheinlichkeit, weil sie unserer Erfahrung mit allen übrigen Achämenideninschriften widerspricht. Auch die Inschriften von Murghāb sind direkt [1160] in steinerne Pfeiler eingemeißelt. Zwischen dem ,Grab der Mutter Salomos‘ und dem ,Gefängnis Salomos‘ finden sich nämlich noch Reste dreier Palastbauten, von denen besonders fünf Pfeiler mit je einer dreisprachigen (altpersisch, elamisch, babylonisch) Keilinschrift: ,Ich (bin) K., der König, der Achämenide‘ Beachtung verdienen. Eines dieser Inschriftexemplare ist seit einigen Jahrzehnten verschwunden. Es befand sich über einem noch erhaltenen Relief (Herzfeld 155ff. Taf. XXVIII), das einen bärtigen Mann mit zwei Paar großen Flügeln, nach rechts blickend und den rechten Arm segnend erhoben, darstellt. Eigentümlich ist sein ägyptisierender Kopfschmuck. Man hat dieses Bild früher für den vergöttlichten K. selbst gehalten. Ich stimme Herzfeld zu, wenn er es als Bild eines Genius deutet, der an einer Türleibung steht und in den anstoßenden Saal blickt. Schwieriger ist aber die Entscheidung, welchem K. diese Palastbauten und Inschriften zuzuteilen seien. Da die gesamte Überlieferung über Pasargadai die Stadt mit dem großen K. verbindet, wird man an sich geneigt sein, sie diesem zuzuschreiben. Dazu kommt, daß der jüngere K., an den man sonst denken müßte, schon in sehr jungen Jahren nach Kleinasien geschickt worden ist, so daß man ihm die Errichtung solcher Bauten nicht zutrauen möchte. Freilich sprechen sehr gewichtige Gründe gegen die Annahme, daß K. II. bereits dreisprachige Inschriften habe setzen lassen, und wenn die Angabe des Dareios I., wonach erst er Inschriften ,auf arisch‘ hätte schreiben lassen, richtig gedeutet ist, dann können diese kurzen dreisprachigen Inschriften von K. mitsamt den Palastbauten von Pasargadai nicht von K. II. herrühren, sondern müssen auf einen jüngeren K. bezogen werden. Eine Entscheidung in dieser Frage wird voraussichtlich erst dann gefällt werden können, wenn es möglich sein wird, das Ruinenfeld von Pasargadai auszugraben, ein Plan, der freilich besonders schwer zu verwirklichen ist, weil sich in der Umgebung des ,Grabes der Mutter Salomos‘ seit längerer Zeit ein muslimischer Friedhof befindet.

Familie des K. Nachfolger des K. wurde sein ältester Sohn Kambuġija (Kambyses II.). Dessen leiblicher Bruder hieß Bardija (Smerdis), ihre Mutter Kassandane, die Tochter des Achämeniden Pharnaspes. Von des K. Töchtern wurden zwei, Atossa und Artystone, nachmals Gattinnen des Dareios I. Atossa als Mutter des Xerxes stellte die Verbindung zwischen den späteren Großkönigen und den alten Königen von Anšan her. Soweit gibt Herodot die Familienverhältnisse des K. an. Wir dürfen seine Angaben für zuverlässig halten, da wenigstens die eine, den Smerdis betreffende, durch die Keilinschriften von Bīsutūn bestätigt wird. Sehr fragwürdig ist, was noch von anderen über die Familie des K. mitgeteilt wird. Ktesias (p. 136 Gilmore) nennt den jüngeren Bruder des Kambyses nicht Smerdis, sondern Tanyoxarkes, Xenophon (Kyr. VIII 7, 11) Tanaoxares. Nach Ktesias hätte K. kurz vor seinem Tode seinen jüngeren Sohn als Herrn über das Land der Baktrer, Choramnier, Parther und Karmaner, nach Xenophon als Satrapen der Meder, Armenier und Kadusier [1161] eingesetzt. Hieran ist so viel glaublich, daß der Bruder des Kambyses eine Provinz oder einige benachbarte Provinzen als Satrap seines großköniglichen Bruders wirklich verwaltet haben mag, obwohl die Bīsutūn-Inschriften davon schweigen. Ob K. auch mit einer Tochter des Astyages, genannt Amytis, deren ersten Gemahl Spitamas man zuvor getötet hatte, vermählt war, bleibt ungewiß, ebenso die Existenz der beiden Stiefsöhne Spitakes, der Satrap der Derbiker, und Megabernes, der Satrap der Barkanier geworden sein soll. Bei Xenophon (Kyr. VIII 5, 28) ist der Schwiegervater des K. sein Onkel Kyaxares, der ungeschichtliche Sohn des Astyages. Doch fügt Xenophon hinzu, daß nach anderen Angaben K. mit einer Schwester seiner Mutter vermählt gewesen sei. Bezweifeln darf man ferner, daß K. einen Sohn Memphis und eine Tochter Meroe gehabt habe, ebenso die Erzählung, daß er eine Schwester mit seinem Helfer Sybares (Hoibares) vermählt habe (Iustin. I 7, 1). Erwähnt sei schließlich noch, daß nach Diod. XXXI 19, 1 die Könige von Kappadokien ihr Geschlecht von einer Schwester des K. ableiteten. Aber der von ihm mitgeteilte Stammbaum ist genealogisch und geschichtlich unmöglich, ersteres deshalb, weil von der Schwester des K. bis zu den sieben Persern (Dareios I. und seine sechs Genossen) im ganzen fünf Generationen gezählt werden, während nur zwei, allerhöchstens drei möglich sind, und zweitens, weil unter den sieben Persern, deren Namen aus der Bīsutūn-Inschrift bekannt sind, sich kein Ἀναφᾶς, den Diodor nennt, befindet. Vgl. Buchholz Beiträge für Wachsmuth 127ff.

Über K. als Bauherr sind verschiedene Nachrichten erhalten, urkundlich allerdings nur aus Babylonien selbst. Die Backsteininschrift stammt aus Warka, dem alten Uruk (Erek, Ὀρχόη), nennt aber K. als Erbauer von Esagila und Ezida, den Haupttempeln in Babylon und Borsippa, denen die babylonischen Könige in erster Linie ihre Fürsorge zuwenden mußten. Auch die Tonzylinder-Inschrift ist eine Bauurkunde, die für das Fundament eines babylonischen Bauwerks, vermutlich eines Tempels, bestimmt war. Leider läßt sich wegen des arg verstümmelten Schlusses nichts Näheres sagen. Die Gründung der Stadt Pasargadai schreibt Anaximenes (fr. 18 bei Steph. Byz. und Eustath. zu Dion. per. 1069, vgl. Curt. V 11) dem K. zu. Sie soll an der Stelle erstanden sein, wo die Entscheidungsschlacht gegen Astyages geschlagen worden war. Über den Mysterienkult und das Vorrecht der Frauen von Pasargadai ist bereits gesprochen worden. Auch die Schatzkammern des K. sollen sich dort befunden haben (Arrian. anab. III 18, 10, vgl. Plin. n. h. XXXIII 51, wo sich nähere Angaben über die Gewichte der Edelmetalle und die wertvollsten Einzelstücke finden). Unsicher ist die Nachricht von der ehernen Säule ἐν τοῖς Περσῶν βασιλείοις, auf der Alexander d. G. die tägliche Speisekarte der Hofhaltung des K. gelesen haben soll (Polyain. IV 32). Die Gründung der Königsburg in Persepolis (Aelian. nat. an. I 592. Itin. Alex. 67) wird wohl zu Unrecht auf K. zurückgeführt. Auf jeden Fall ist die noch erhaltene Terrasse mit den Ruinen Ċihil mınār erst von Dareios erbaut worden. Die domus Cyri in Ecbatanis quam fecit Memnon, die Hyginus [1162] (fab. 223) als fünftes der sieben Weltwunder bezeichnet, gehört wohl ebenso in das Reich der Sage wie τὰ βασίλεια am Tanais mit ihren Wunderdingen (Ps.-Kallisth. III 28). Mit Unrecht schreibt Prokop (de aed. II 11) die Gründung der syrischen Stadt Κύρρος dem K. zu. Beachtenswerter sind die Nachrichten über die Städte, die K. an den nordwestlichen und nordöstlichen Reichsgrenzen gegründet und nach seinem Namen benannt haben soll (Iustin. XII 5, 12: drei Städte am Tanais, d. h. Iaxartes; vgl. die Artikel Κῦρα, Κυρέσχατα, Κυρόπολις). Nach Plinius (n. h. VI 49; vgl. Solin. 49, 4) hätten in Sogdiana Altäre des Liber pater, Hercules, der Semiramis und des K. gestanden. Der Tempel der Diana (Anahita) in dem lydischen Hierokaisareia ist bereits erwähnt worden; die Erinnerung an die Einrichtung dieses Kultus durch K. war noch im J. 22 n. Chr. lebendig (Tac. ann. III 62, 4).

Von K. ist kein Bild erhalten. Das Relief von Murghāb stellt nicht ihn, sondern einen Schutzgeist dar, der freilich ungewöhnlicherweise in den Palast hineinblickt. Ob der Künstler diesem geflügelten Genius die Gesichtszüge eines irdischen Königs verliehen hat, wäre noch zu fragen. Man erinnere sich, daß auf gewissen assyrischen Reliefbildern des Ašurnasirapli II. (z. B. Budge Assyrian sculptures Pl. 33, Lond. 1914) die hinter diesem abgebildeten geflügelten Genien die Gesichtszüge des Königs mit fast photographischer Treue wiederholen. Daß der Genius von Murghāb keine Adlernase hat (Sarre und Herzfeld 155), wird man schwerlich als Gegengrund anführen können, wenn auch Plutarch. apophth. p. 205 Dübner ausdrücklich versichert, daß die Perser Adlernasen liebten, weil K., ihr am meisten verehrter König, eine solche gehabt hätte. Daß K. große körperliche Vorzüge besaß (Herodot. I 112. Xen. Kyr. I 2, 1. Iustin. I 4, 12), ist sehr glaublich. Auch die ihm im Grunde ungünstige Quelle des Nikolaos von Damaskos rühmt doch das feine Benehmen des jungen K. am medischen Hofe, das ihn bei den meisten seiner Vorgesetzen und schließlich beim König selbst in hohe Gunst brachte und seinen Aufstieg ermöglichte. Unser ältester Gewährsmann, Aischylos (Pers. 770ff.), preist K. als εὐδαίμων ἀνήρ, den kein Gott haßte, weil er von Natur εὔφρων war. Erheblich kühler urteilt Herodot über K. Allerdings verschweigt er nicht, daß der zum Manne herangereifte K. unter seinen Altersgenossen der tapferste und beliebteste war (I 123), daß die Perser ihn für unvergleichlich hielten (III 160) und ihn Vater nannten (III 89; vgl. Xen. Kyr. VIII 1, 1. 44. 2, 9. Diodor IV 30, 2. IX 24. Paus. VIII 43, 6. Themist. or. 19 p. 233), aber seine Schilderung des Lebensganges des K. verläuft wie eine Schicksalstragödie, deren Held vom Glücke begünstigt wie kein zweiter sich selbst für einen Auserwählten der Götter hält (I 126), sich mehr als ein Mensch dünkt (I 204) und schließlich scheitert. Herodot spricht es nicht ausdrücklich aus, wie etwa I 32. III 40. VII 46; aber es ist hier wie dort der Neid der Götter, der den unheilvollen Ausgang verschuldet. Xenophons Schilderung ist idealisiert. Man hat längst beobachtet, daß er seinem Helden Züge von anderen Personen – Sokrates, Agesilaos, selbst [1163] dem jüngeren K. – aufgeprägt hat. Aber sein Buch hat noch im Altertum eine starke Wirkung ausgeübt. Cicero (ad fam. IX 25, 1) und der jüngere Scipio haben es gern gelesen, Caesar noch kurz vor seiner Ermordung (Suet. div. Iul. 87). Eine allgemeine Charakteristik des K. gibt Xenophon Kyr. I 2, 1 (danach Suidas s. K.): Φῦναὶ δὲ ὁ Κ. λέγεται καὶ ᾄδεται ἔτι καὶ νῦν ὑπὸ τῶν βαρβάρων εἶδος μὲν κάλλιστος, ψυχὴν δὲ φιλανθρωπότατος καὶ φιλομαθέσταιος καὶ φιλοτιμότατος, ὥστε πάντα μὲν πόνον ἀνατλῆναι, πάντα δὲ κίνδυνον ὑπομεῖναι τοῦ ἐπαινεῖσθαι ἕνεκα. Zu diesen Eigenschaften: Menschenfreundlichkeit, Wißbegierde, Ehrgeiz, Ausdauer und Kühnheit fügt Xenophon im Verlauf seiner Darstellung noch manchen anderen Zug bei, der seinen Helden in möglichst vorteilhaftem Lichte zeigen soll, vor allem Gerechtigkeit und Klugheit in der Behandlung von Freund und Feind, Tapferkeit, durchdringenden Verstand, genaue Kenntnis des Kriegswesens und der Staatsverwaltung, Mäßigkeit, Selbstzucht und Enthaltsamkeit, so daß trotz aller Leutseligkeit und Herablassung die königliche Würde gewahrt bleibt. Xenophon schreibt K. gewisse Erfindungen zu, wie gepanzerte Sichelwagen und Streitrosse (Kyr. VI 1, 27. 50. Arrian. tact. 19, 4) und reitende Post (VIII 6, 1). In welcher Weise die Späteren einzelne Züge, die Xenophon von K. zu berichten weiß, verwerteten und weiter ausspannen, dafür bietet Kyr. V 3, 35ff. ein treffendes Beispiel. Hier ordnet der König eine kriegerische Unternehmung an, gibt jedem der hierzu ausgewählten Offiziere, die er alle bei ihren Namen nennt, eine besondere Aufgabe und setzt seine Umgebung in Verwunderung, ὡς μνημονικῶς ὁ Κ. ὁπόσοις συνέταττε πᾶσιν ὀνομάζων ἐνετέλλετο (§ 46). Daraus wird bei Valerius Max. (VIII 7 ext. 16; vgl. Quintil. inst. XI 2, 50. Plin. n. h. VII 88. Solin. 1, 108. Ammian. Marc. XXIII 6, 7): Cuius utriusque industriae [Namen- und Sprachgedächtnis] laudem duo reges potiti sunt, Cyrus omnium militum suorum nomina, Mitridates duarum et viginti gentium, quae sub regno cius erant, linguas ediscendo, ille ut sine monitore exercitum, salutaret, hic ut quibus imperabat sine interprete alloqui posset. Über die Kindererziehung äußert sich der Xenophontische K. (Kyr. VII 5, 86) sehr verständig, man müsse sich selbst seinen Kindern als bestes Vorbild zeigen. Man würde dann selbst besser werden, und die Kinder würden nicht leicht mißraten, da sie nichts Schändliches sähen und hörten, sondern Tag für Tag gute und edle Beschäftigung hätten. Da nun freilich K.s Sohn und Nachfolger Kambyses doch nicht ganz dem Vorbild seines Vaters entsprach, schloß Platon de leg. (III 694f., zitiert Gell. XIV 3, 4), daß K. zwar ein recht tüchtiger Staatsmann gewesen sein möge, παιδείας δὲ ὀρθῆς οὐκ ἦφθαι τὸ παράπαν; die Erziehung seiner Söhne habe er wegen seiner fortwährenden Feldzüge gar nicht selbst leiten können, sondern den Frauen überlassen müssen, die an Üppigkeit und Wohlleben gewöhnt waren usw. Im allgemeinen sind tadelnde Stimmen gegen K. in der alten Literatur nicht häufig. Auch Platon selbst erkennt an, daß das persische Volk unter K. sich verhältnismäßig großer Freiheit erfreute, die unter Kambyses verloren [1164] ging und unter Dareios nur zum Teil wiederhergestellt wurde. Manche erfolgreiche Kriegslist wurde K. zugeschrieben, manche treffende Äußerung ihm in den Mund gelegt. Polyainos (VI 6, 2ff. VII 8, 2) hat die στρατηγήματα des K. meist aus Herodot, Ktesias und Xenophon schöpfen können, aber nur eines, die Ableitung des Euphrats vor der Eroberung Babylons, ließ sich auf seine Tatsächlichkeit nachprüfen, und das hat sich als ungeschichtlich erwiesen. Wie es sich mit den angeblichen Antworten des K. an die Ionier (Herod. I 141), die Lakedaimonier (ebd. I 152f. Diodor. IX 36) und seine Perser (Herod. IX 122. Plut. apophth. p. 205 Dübner) – von den zahlreichen Stellen bei Xenophon (z. B. VIII 1, 37. Plut. a. a. O.) ganz abgesehen – und den vier Aussprüchen, die Stobaios (Flor. Monac. 138. 210–212) überliefert, verhält, läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Sie machen den Eindruck, gut erfunden zu sein, spiegeln aber auf jeden Fall das Bild des K., wie er in der Vorstellung der Griechen lebte, getreulich wieder. Aristoteles (pol. V 8, 5. 15) rechnete K. zu den Befreiern und Wohltätern der Völker. Sein großer Schüler Alexander d. Gr. schonte die Stadt Kyropolis aus Bewunderung gegen K. und Semiramis, quos et magnitudine animi et claritate rerum longe emicuisse credebat (Curt. VII 6, 20), ehrte die Nachkommen der Ariaspen, der ,Wohltäter‘ des K., diesem zuliebe (Diod. XVII 81. Arrian. anab. III 27, 5), ließ das Grab des K., das erbrochen und beraubt gefunden wurde, wieder ausstatten und versiegeln (Arrian. anab. VI 29, 4) und soll den Geburtstag des K. durch ein Festmahl und Wettkämpfe gefeiert haben (Ps.-Kallisth. II 21). Cicero sagt (Brut. 282), P. Crassus habe diesen beiden Königen nachgeeifert. Er selbst spricht wiederholt mit großer Hochachtung von K. (ad Qu. fr. I 2, 7 ... qui neque Cyrum Xenophontis neque Agesilaum noverint, quorum regum summo in imperio nemo umquam verbum ullum asperius audivit; de rep. I 43 si Cyrus ille Perses iustissimus fuit sapientissimusque ...; c. 44 illi regi ... tolerabili aut si voltis etiam amabili Cyro). Cornelius Nepos (de reg. 1, 2) urteilt: Ex iis vero, qui dominatum imperio tenuerunt, excellentissimi fuerunt, ut nos iudicamus, Persarum Cyrus et Darius Hystaspi filius. Diodor. (IX 22) Κῦρος ... ἀνδρείᾳ καὶ συνέσει καὶ ταῖς ἄλλαις ἀρεταῖς ἐπρώτευε τῶν καθ' αὑτὸν und (c. 24) K. ὥς φασιν οὐ μόνον ἦν κατὰ τὸν πόλεμον ἀνδρεῖος, ἀλλὰ καὶ πρὸς τοὺς ὐποτεταγμένους εὐγνώμων καὶ φιλάνθρωπος. Mit Recht sagt Livius (IX 17, 6) Cyrum quem maximis Graeci laudibus celebrant. Weitere Urteile: Plut. de Is. 24; de adul. 29. Dion Chrys. II 77. Themist. or. 6 p. 81. 8 p. 102. p. 114. 18 p. 225. Prokop. de aed. I 12ff. Kritob. Imbr. I 68, 5. Aur. Vict. de Caes. 40, 13.

Um heute zu einem festen Urteil über K. zu gelangen, hat man alles beiseite zu lassen, was in der Überlieferung über ihn den Verdacht tendenziöser Erfindung erweckt. Was dann noch übrig bleibt, reicht hin, eine in allen Hauptzügen sichere Vorstellung von dieser außergewöhnlichen Persönlichkeit zu vermitteln. Als König eines kleinen Landes, als Vasall des mächtigen Mediens trat K. auf den Schauplatz der [1165] Geschichte. Innerhalb zweier Jahrzehnte gelang es ihm, nicht nur die Oberherrschaft Mediens abzuschütteln, sondern dieses Reich und noch dazu zwei andere, an Bedeutung Medien ebenbürtige Reiche völlig zu erobern. Welche Summe von Mut, Tatkraft und Klugheit muß dieser Mann in sich vereinigt haben, der imstande war, in so kurzer Zeit aus geringen Anfängen heraus eine Großmacht zu schaffen, deren gleichen die Welt vor ihm nicht gesehen hatte! Erst zwei Jahrhunderte später hat ihn der größte Eroberer aller Zeiten übertroffen. Während aber das Weltreich Alexanders nach seinem frühen Tode sogleich wieder auseinanderfiel, hinterließ K. seinem Sohne eine festgefügte Herrschaft, die dieser noch um Ägypten vergrößern konnte. Aber damit ist die Bedeutung des K. noch nicht erschöpft. In seinem Handeln hat er bereits zwei Grundsätze praktisch befolgt, die erst die Theorie des heutigen Völkerrechts als bindend anerkennt: Schonung des ebenbürtigen Gegners, der im ehrlichen Kampf unterlegen ist, und Duldsamkeit fremden Religionen gegenüber. Es ist kein Fall bekannt, daß K. bei der Behandlung von Kriegsgefangenen das Recht des Stärkeren je so gemißbraucht hätte, wie etwa die assyrischen Könige und das sog. heilige Volk vor ihm und zahlreiche andere Völker nach ihm bis auf die allerjüngste Zeit herab. Seine drei Hauptgegner, die Könige von Medien, Lydien und Babylon, die ihm bei seinen Siegen lebendig in die Hände gefallen waren, hat er mit einer für jene Zeit unerhörten Großmut behandelt. Wie weit ihn dabei natürliche Scheu vor zwecklosen Grausamkeiten oder kluge Voraussicht, daß ihm solche Milde die Zuneigung der unterworfenen Völker einbringen müsse, geleitet hat, läßt sich jetzt kaum entscheiden, ist aber auch unerheblich. Das gleiche gilt von seiner Stellungnahme gegenüber fremden Religionen. Über seine eigene Religion haben wir, da von der Kyropädie auch in diesem Punkte abzusehen ist, nur zwei Andeutungen. In Pasargadai soll der siegreiche K. einen Mysterieukult eingeführt haben, der einer dort verehrten, der Athene ähnlichen Göttin galt, und in Hierokaisareia stand ein berühmtes Heiligtum der Artemis, das nach der örtlichen Überlieferung von K. errichtet sein sollte. Beide Göttinnen hält man, und wohl mit Recht, für eine und dieselbe: die persische Anahita (s. den Art. Anaitis o. Bd. I S. 2030f.), die zum Kreise der Ahuramazda-Religion gehört. Hieraus ist zu schließen, daß K., gleich den späteren Achämeniden, Ahuramazda-Verehrer war. Liest man jedoch die Inschrift des K.-Zylinders, so hat man freilich den Eindruck, als ob K. sich zur babylonischen Religion bekehrt hätte. Er besucht die babylonischen Heiligtümer, in deren einem die feierliche Ernennung des Kronprinzen Kambyses zum Unterkönig von Babylon erfolgt, und sorgt für die Erneuerung des Marduk-Tempels Esagila in Babylon und des Nabu-Tempels Ezida in Borsippa. Aber die gleiche Fürsorge erweist K. dem jüdischen Kultus, zu dessen Wiederaufrichtung im Heiligen Lande er die ,babylonische Gefangenschaft' aufhebt, den zurückwandernden Juden die von Nebukadnezar entführten heiligen Gefäße ausfolgen läßt und den Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem befiehlt. In Wirklichkeit wird K. [1166] weit davon entfernt gewesen sein, sich als Marduk- oder Jahweh-Bekenner zu fühlen, wenn er es auch gern gehört haben mag, daß man ihn als den Erwählten Marduks oder Jahwehs pries. Der Grundsatz Cuius regio eius religio, der so schweres Unheil in der Welt angerichtet hat, ist jedenfalls von K. nicht erfunden worden. Vielmehr hat dieser Barbarenkönig mit seiner Milde und Duldsamkeit vor 24 Jahrhunderten ein Beispiel gegeben, dessen Befolgung die Menschheit vor zahllosen Leiden bewahrt haben würde.

Literatur: Lindl Entstehung u. Blüte der altorient. Kulturwelt. Cyrus (Weltgesch. in Karakterbildern), Münster 1903. (Irreführender Titel). Prášek K. der Große (Der alte Orient Jg. XIII H. 3), Lpz. 1912 (Populär, nicht ganz zuverlässig). Hüsing Beiträge z. K. Sage. Berl. 1906. Lessmann Die K.-Sage in Europa. Schulprogr. Charlottenbg. 1906 (beide Schriften mythologisierend).

Nachträge und Berichtigungen

Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Band R (1980) S. 148
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6) K. II. d. Gr., Begründer des pers. Weltreiches im 6. Jh. v. Chr., Sohn des Kambyses I. S IV.