Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Ehe im Recht der Papyri
Band S VII (1940) S. 169
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Ehe im Rechte der Papyri.

Der Bearbeiter des Art. Φερνή, O. Schultheß, berücksichtigt nur die homerische Zeit und das griechische Recht bis Alexander. Auch Walter Erdmann Die Ehe im alten Griechenland, München 1934, hat die Papyri fast gar nicht herangezogen, so daß sein gutes Buch über die griechische E. lückenhaft ist. Dies zeigt am besten ein Blick in die beste Behandlung der griechischen E.-Probleme, welche J. Partsch hinterlassen hat, Mitt. aus der Freiburger Papyrussammlung 3: Jurist. Urkunden der Ptolemäerzeit, bearb. von J. Partsch. Hrsg. von U. Wilcken Abh. Akad. Heidelb. 1927, 15ff. In den Papyrusurkunden sind vor allen Dingen eine große Anzahl E.-Verträge erhalten, also E.-Akten, welche als wertvolle neue Quellen neben die attischen Gerichtsreden über E.-Angelegenheiten getreten sind. Es sind hauptsächlich die folgenden:

P. Eleph. 1 = Mitteis-Wilcken Grundzüge II nr. 283 (311/310v)
P. Giess. 2 (173 v. Chr.) ἔκδοσις, Pflichten von Mann und Frau, Mitgift
Mitteis-Wilcken II nr. 284 (2. Jhdt. v. Chr.), BGU 1283 (216/15)
P. Freiburg 29. 30
P. Tebt. 104, eine ὁμολογία γάμου
P. Paris 15 (Mitteis-Wilcken II nr. 280), erklärt von Partsch zu P. Freib. 30, S. 19f.
Συγχωρήσεις, auch συν. περὶ γάμου, nur diese in Alexandrien in Gebrauch.

Diese Urkunden enthalten zuerst die Hauptbestandteile des griechischen Verlöbnisses und E.-Vertrages (ἐγγύησις): [170]

1. die ἔκδοσις, die Übergabe des Mädchens aus der Hand des Vaters oder κύριος, welche bald durch die Selbsthingabe des Mädchens ersetzt wird,
2. die προῖξ, dazu eine Reihe von Zusätzen.

Dann aber setzte eine reichere Entwicklung der E.-Urkunde ein, wie schon die drei Typen der E.-Kontrakte zeigen:

1. die συγγραφὴ συνοικεσίου
2. ὀμολογία γάμου (συγγραφὴ τροφῖτις) P Z I 118 = συγγ. ὀμολογίας)
3. συγχώρησις,

vgl. Fr. Bozza, Il matrimonio nel diritto dei papiri dell’ epoca Tolemaica, Aegyptus 1934, vgl. Il matrimonio nel diritto attico, Ann. Seminar, giuridico, Catania 1934. Huvardas Beitr. zum griech.und gräko-ägypt. Eherecht der ptolemäischen und frühen Kaiserzeit, Leipziger Rechtswiss. Studien 64 (1931) 22f. Vinc. Arangio-Ruiz Persone e famiglia nel diritto dei papiri, Milano 1930, 61f. Edgerton Notes on Egypt. marriage chiefly in the Ptol. period, Stud. in ancient oriental civilisation I 1, Chicago 1931.

Danach war der Hergang bei der E.-Schließung der, daß die künftigen E.-Leute eine Abrede über die Begründung der E., ὁμολογία γάμου, treffen, die Mitgift vereinbaren und meist die Errichtung einer besonderen συγγραφὴ συνοικεσίου versprechen, vgl. P. Freib. 30, 1 θέσθω δὲ [καὶ τὴν περὶ γάμου συγγραφὴν ἀφ’ ἧς ἂν προεἴπῃ Εἰρήνη ἐν ἡμέραις] χρηματιζο[ύσαις πέντε . . .]. Errichtet werden soll diese Urkunde vor den ἱεροθύται, also vor Priestern oder auch Notaren, vgl. P. Freib. 30, 10 [ἐπὶ τῶν πραγμα]τευομένων τὰς γαμικὰς σ[υγγραφὰς]. Diese Syngraphe soll nach BGU 1050 die Mitgiftquittung, die anderen üblichen Klauseln und Bestimmungen über den Tod beider Gatten enthalten, und dasselbe fordern die angeführten zwei Freiburger Homologien, nämlich P. Freib. 29 die Vereinbarung über die Mitgift und P. Freib. 30 neben der Mitgift Bestimmungen über die Beerbung der Gatten. Also war ein besonderer Zweck der Syngraphe Synoikesiu die Vereinbarung, welches Recht die Frau im Falle, daß sie kinderlos den Mann überlebt, an dem Vermögen des Mannes hat. Daneben aber erwähnen beide Urkunden eine Einreichung der Urkunden im Demosion von Krokodilou Polis, der Metropolis, also eine Meldung, wohl zum Zwecke der Veröffentlichung in einem E.-Register wie in Mykonos.

Weitere Einzelheiten der Verträge sind: Pflichten des Mannes, Versorgung der Frau mit Kleidung, Nahrung, Erhaltung der Habe, Schutz der Frau vor Mißhandlung und ein gemeinsamer Wohnsitz, eheliche Treue, keine Schädigung des gemeinsamen Vermögens.

Die Bestimmungen über die Pflichten der E.-Gatten sind das Rückgrat der Syngraphe Synoikesiu, deren Hauptzweck der Schutz der moralischen Rechte der Frau ist.

Auch das Recht der Verfügung über die gemeinsame Habe wird der Frau zusammen mit dem Manne verliehen, also nicht Gütergemeinschaft, sondern nur Verfügungsgemeinschaft, so Pap. Tebt. 104, 5.

Es gab also vertragliche Bestimmungen, nach denen die Nupturienten zunächst auf Grund einer [171] Homologia das eheliche Leben aufnahmen, aber verabredeten, daß erst nach Ablauf eines Jahres zwischen ihnen die Syngraphe Synoikesiu abgeschlossen werden sollte. Das ist der Fall des P. Paris. 13, UPZ I 123, der in der Frage des ägyptischen Agraphos-Gamos eine Rolle spielt trotz des griechischen Namens und der griechischen Vertragsklauseln. Er zeigt aber nach Partschs überzeugender Erklärung, wie sich die griechischen Notare mit dem landesüblichen ἄγραφος γάμος im 2. Jhdt. abfanden.

In Alexandreia und Umgegend entsprach der συγγραφὴ ὁμολογίας die συγχώρησις (BGU 1050–1052 u. 1096–1103), in der ebenfalls für die Zukunft ein zweiter definitiver E.-Vertrag in Aussicht gestellt wird. Der Erklärung über den E.-Schluß (συγχωροῦσι . . . .συνεληλυθέναι ἀλλήλοις πρὸς γάμον) folgt die Quittung über die Mitgift, dann Pflichten des Mannes und der Frau und Klausel über die zu schließende συγγραφή.

Es ist demnach im ptolemäischen Ägypten die ἐγγύησις beibehalten, teils unter diesem Namen, z. B. P. Magdola ἔντευξις 23, teils unter anderem Namen (Belege vgl. Bozza).

Dazu aber hat man in dem Kolonialland, wo die Personen sich wenig kannten und die Organisation der Kolonien im Werden war, den Übergang vom mündlichen zum schriftlichen Verfahren bei dem E.-Schluß als notwendig erkannt. So ist das E.-Recht durchaus dem griechischen Recht entlehnt (Bozza), zeigt aber eine starke Weiterentwicklung, in der auch altägyptische demotische Rechtsgedanken zu erkennen sind, vgl. das Kapitel I: Vom enchorischen Eherecht bei Mitteis II 1, 200ff.

Die gräko-ägyptischen E.-Kontrakte der Kaiserzeit sind von Mitteis Kap. III behandelt, ebenso das E.-Recht der byzantinischen Papyri. Von der Mitgift insbesondere handelt er in Kap. IV. Die φερνή bildet das Rückgrat aller ägyptischen E.-Verträge. Sie wird gegeben von der Braut oder dem Brautvater, aber auch von der Mutter. Bei der Auflösung der E. gibt sie der Mann stets heraus, und zwar auch die in natura vorhandenen Gegenstände, denn die προῖκες sind ἀλλότριαι καὶ οὐ τῶν τυχόντων ἀνδρῶν (Edikt des Tib. Iulius Alexander).

Die Frau hat kein Verfügungsrecht über die φερνή, wohl aber über die παράφερνα, das Vorbehaltsgut, wie Toilettengegenstände u. a., deren Inventare oft erhalten sind.

Die Mitgift und ihre Rückgabe, gesichert durch die Exekutivklausel und das Recht der πρωτοπραξία. Auch Spezialpfandrecht für Dotalforderungen oder Generalhypothek nachweisbar. Die Mitgift gilt als Erbabfindung der Tochter durch die ganze römische Zeit. Belege bei Mitteis II 1, 224. Auch die ἕδνα, die Brautgeschenke der homerischen Zeit, sind in spätrömischer Zeit (4. Jhdt. n. Chr.) noch stark in Gebrauch. Mitteis II 1, 225.

Nachträge und Berichtigungen

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Band R (1980) S. 103
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