RE:Attika 1
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Topographie, Geschichte | |||
Band II,2 (1896) S. 2184–2237 | |||
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Attika.
1) Topographie
[1] Attika, ἡ Ἀττική [2185] (offenbar gleich Ἀκτική von Ἀκτή; so schon die Alten, s. Etym. M. 167, 50. Harpokr. u. Steph. Byz. s. Ἀκτή. Marm. Par. 3ff., vgl. Paus. I 2, 6 Ἀκταία, dazu Strab. IX 397 als angeblich ältere Namen Atthis, Mopsopia, Ionia, Poseidonia), die am weitesten nach Osten vorgeschobene Landschaft Mittelgriechenlands und des hellenischen Festlandes überhaupt. Sie ist eine Halbinsel von der Form ungefähr eines nach Südosten gerichteten Dreiecks, dessen vom Meer bespülte Langseiten bei Cap Sunion (auf der Höhe von Epidauros) zusammentreffen, während seine nördliche Basis, durch die Gebirgszüge des Kithairon, des Parnes und ihre Ausläufer bezeichnet, mit dem megarischen und boiotischen Festlande zusammenhängt. Diese Landgrenze hat eine Länge von ca. 50 km.; von den beiden Wasserseiten des Dreiecks besitzt die östliche etwa 80, die südwestliche etwa 70 km. Ausdehnung (in der Luftlinie; unter Berücksichtigung der reichen Küstenentwickelung wären noch ca. 40 km. hinzuzurechnen). Eine endgültige Ermittelung des Flächeninhaltes von A. wird erst nach Beendigung unseres attischen Kartenwerkes erfolgen können; die jüngsten provisorischen Berechnungen ergaben (bei Beloch Hist. Beitr. z. Bevölkerungslehre. I. Die Bevölk. d. griech.-röm. Welt 1886, 55ff.) 2527 qkm. (einschliesslich Oropos, auf welches etwa 110 qkm. entfallen), mit Salamis und den übrigen Inseln insgesamt ca. 2650 qkm. Nach J. H. Hansen (Über die Bevölkerungsdichtigkeit A.s, Festschrift d. Wilh.-Gymnas. i. Hamburg, 1885, 143) beträgt die Totalsumme 2600 qkm. (d. h. 47 Quadratmeilen), so dass auf 1 km. Küste (s. o.) ca. 14 qkm. Landes (oder auf ½ Meile eine Quadratmeile) kämen.
Massgebend für die Structur der Halbinsel sind die reichen und mannigfaltigen Gebirgssysteme, welche, ungerechnet die Paraliaberge, allein einen Flächenraum von ca. 1000 qkm. einnehmen. An der Nordgrenze streichen in östlicher Richtung zunächst von Westen her der bewaldete Kalksteinrücken des Kithairon (auf Schieferunterlage), durch den Pass von Dryos Kephalai in zwei Hälften (mit 1411 und 1023 m. höchster Erhebung) zerlegt. Von ihm aus schiebt sich als Grenzriegel gegen die Megaris der nach seinen beiden ,Hörnern‘ τὰ Κέρατα (nicht Ἰκάριον ὄρος; Höhe 1090 m.) genannte Bergzug südlich bis ans Meer vor. Die östliche Fortsetzung des Kithairon bildet der Megalo Vuno und die steinige Hochebene von Skurta, dann das zerklüftete Kalksteinmassiv des Parnes (1413 m.) mit seinen Ausläufern und Verzweigungen, die sich (zwischen Oropos und Rhamnus) bis an das euboeische Meer erstrecken. Nicht ohne Vermittlung mit den letzteren durch bereits kristallinische Formationen (Agrieliki, Aphorismos, Berg von Ikaria, vgl. K. v. A. III–IV 33), aber doch mit doppelseitigem Steilabfall und veränderter, von Nordwest nach Südost gerichteter Axe erhebt sich südöstlich von der Hauptmasse des [2186] Parnes der Brilessos oder Pentelikon, der berühmte Marmorberg, welcher von Athen aus einem Giebelfelde nicht unähnlich sieht, doch in Wirklichkeit aus mehreren Abteilungen bis zu 1110 m. Höhe aufgebaut ist (K. v. A. III–VI 32). Geologisch nah verwandt, aber durch eine tiefe und ziemlich breite Depression getrennt (195 m.), dehnt sich südlich davon und in fast genau südlichem Verlauf der Hymettos (nördliche Hälfte bis zu 1027 m., südliche Hälfte 774 und allmählich weiter abfallend) bis zum Meere aus, wo er mit dem Vorgebirg Zoster endigt. Die übrigen ausgedehnteren Bergzüge A.s, sämtlich bedeutend niedriger als die genannten drei Hauptgebirge, erstrecken sich, dem Hymettos mehr oder minder parallel, gleichfalls in ausgeprägt südlicher Richtung. So im Westen, vom Parnes ähnlich absetzend wie der Hymettos vom Pentelikon, der Aigaleos oder Korydallos, durch den Pass von Dafni (130 m.) in eine nördliche und südliche Hälfte zerschnitten (jene bis zu 453, diese zu 468 m. Erhebung), und zwischen diesem und dem Hymettos, dem letzteren näher, die Hügelkette des Anchesmos (jetzt Turkovuni, bis zu 339 m. Höhe), deren Südende bei Athen in dem Lykabettos (277 m.) gipfelt. Östlich vom Hymettos wiederum begleiten die südwärts verlaufende Küste Höhen von 2–400 und mehr Meter Erhebung (Perati, Mavronora u. s w.), die an der Südspitze der Halbinsel in den beiden parallelen Zügen des Lauriongebirges (bis 372 und 356 m.) endigen. Als fernere östliche Parallele kann man noch die langgestreckte Insel Makris (oder Helena; 281 m.) hinzurechnen. Zwischen dem Laurionsystem und dem Hymettos vermitteln längs der südwestlichen Küste noch eine Anzahl teils gestreckterer Bergrücken, wie das Paneion (650 m.) und mehr im Inneren das Merendagebirge, welche beide die Richtung des Pentelikon wiederaufnehmen, teils mehr isolierter Kuppen, wie der Elymbos (Olympos 486 m.), der Hag. Dimitrios (202 m.), der Keramoti (230 m.) u. a. m. Für die Tektonik der meisten dieser östlichen Gebirge A.s ist, zuerst durch österreichische Geologen (vgl. Denkschr. Akad. Wien, math.-naturw. Cl. XL 1880), die bemerkenswerte Thatsache ermittelt worden, dass der Faltenwurf ihrer Gesteinsschichten dem Verlauf der Bergzüge durchaus widerspricht, oft geradezu diametral entgegengesetzt ist. Während nämlich das schon mit dem Othrys und Oeta aus südlicher in östliche Richtung umbiegende Faltensystem der ostgriechischen Gebirge noch im Kithairon und Parnes mit dem Verlauf der Berge selber übereinstimmt, verläuft es im übrigen A. mit neuer Wendung convergierend nach Nordosten, bei südlicher und südöstlicher Richtung der Bergzüge. Die Begrenzung der letzteren also ist durch Bruchlinien bewirkt, welche mehrere Falten quer durchsetzen. Offenbar im Zusammenhange mit diesen Complicationen steht nun die Erscheinung, dass hier überall kristallinische Gesteine, Marmor anstatt des Kalkes, kristallinische Schiefer anstatt der Sandsteine und amorphen Schiefer auftreten. Das Lauriongebirge ist überdies seit altersher berühmt durch seinen Reichtum an Erzen, insbesondere silberhaltigem Bleiglanz, dann Galmei, Brauneisenstein u. s. w. Die Bergkuppen bildet vielfach eruptives Gestein (Gabbro), und selbst Granit tritt hier, ganz vereinzelt [2187] innerhalb des griechischen Festlandes, (bei Plaka) auf.
Zwischen diesen reichgegliederten Gebirgssystemen A.s finden nur vier grössere Ebenen und darunter nur eine vollkommen binnenländische Platz. Letztere, die heute sogenannte Mesógia, ist das von Hymettos, Pentelikon, den östlichen Küstenhöhen, und den sie im Süden mit dem Hymettos verbindenden Bergen umrahmte ,Mittelland‘ (rund auf 12 km. Länge und Breite berechnet; verschieden davon der District der Μεσόγειοι [s. d.], einer alten Kultgenossenschaft, welche oberhalb Athens im Πεδίον sass). Roter pliocäner Thon erfüllt dieses weite und grossenteils noch heute wohlangebaute Binnengebiet. – Die athenische Ebene (τὸ Πεδίον) zieht sich von der südwestlichen Küste aus zwischen Hymettos und Aigaleos ungefähr rechteckig (allerdings nach Norden etwas ansteigend und durchsetzt von dem Anchesmos, einigen Vorbergen des Hymettos und den Hügeln Athens), bei ca. 10 km. durchschnittlicher Breite, ungefähr 22 km. nach Nordnordost bis zu dem Höhengebiet zwischen Parnes und Pentelikon hinauf. Westlich vom Aigaleos ist bis nach Eleusis hin, begrenzt vom Meere, den Ausläufern des Kithairon und des Parnes, die bis zu 12 km. breite, ca. 8 km. tiefe thriasische Ebene (auch τὸ Ῥάριον πεδίον) eingebettet, ein Product vollkommen regelmässiger diluvialer Abschwemmungen von den Bergen her, einst berühmt als fruchtbarer Weizenboden, heute am Küstenrande vielfach versumpft. Die vierte attische Hauptebene, gleichfalls eine Küstenlandschaft, ist das marathonische Gefilde im Nordosten der Halbinsel, umrahmt von Ausläufern des Parnes und des Hymettos, ein vollkommen ebenes Schwemmland von 8 km. Küstenlänge und durchschnittlich 3 km. Tiefe, dessen beide Längsenden (heute wie einst wenigstens im Nordosten) von Sumpfterrain eingenommen werden. Im übrigen weist A. nur kleinere Strandebenen um die Hafenbuchten herum und Thalmulden auf, von denen die bedeutendste noch diejenige im oberen Gebiete des Baches von Marathon (der Charadra) bei Aphidna ist.
In hydrographischer Beziehung ist A. nur sehr dürftig ausgestattet. Keiner der Flüsse erreicht mit perennierendem Wasser das Meer, und die Mehrzahl der Bachbetten (Rhevmata) sind nur Abzugsrinnen der Regengewässer. Als Grenze gegen Megara scheint ein Bach Iapis angesehen worden zu sein. Östlich von Eleusis mündet das Bett des thriasischen Kephisos (jetzt Sarantapotamos), der sich vor seiner Wendung nach Süden aus zwei westöstlichen Hauptarmen, dem nach der Schlucht von Kokkini Kokkinopotamos genannten Bach und dem eigentlichen Sarantapotamos zusammensetzt. Im östlichen Teil der Ebene strebt vom Parnes her ein heute Iannula genanntes grösseres Rhevma dem Meere zu. Entsprechend der Ausdehnung des athenischen Πεδίον ist sein Hauptfluss, der Kephisos, auch weitaus die bedeutendste Wasserader A.s. Die meisten, für seine Richtung nach Südsüdost massgebenden Quellbäche entspringen in dem Berglande, welches Parnes und Pentelikon verbindet; dazu kommt oberhalb noch ein stärkerer Zufluss aus Osten (über das heutige Kephisia), den man mit Unrecht für den eigentlichen Ursprung des Kephisos genommen [2188] hat. In seinem mittleren Laufe mündet gleichfalls auf dem linken Ufer (bei Patisia) ein grösseres, das Nordende der Turkovuni umziehendes Rhevma (jetzt Podoniphti, vgl. K. v. A. II 34. 43), weiter unten, an der Nordgrenze von Athen, ein Bach, in dem man den Kykloboros vermutet hat (K. v. A. II 15, wo ich für den Namen Skiron eintrat). Endlich fliesst im Süden Athens der Ilisos vorüber, um sein Rinnsal im Südwesten ebenfalls mit dem Kephisos zu vereinigen. Der Ilisos besteht aus zwei Quellbächen des westlichen Hymettosgebietes (die südliche Quelle, Kallia oder Kyllupera, s. K. v. A. II 24; der hier vermutete Nebenfluss Eridanos dagegen scheint mit Dörpfeld Athen. Mitt. XIII 211ff. in einem Wasserlauf erkannt werden zu müssen, der vom Fusse des Lykabettos aus die Stadt selber durchzog). Auf dem rechten Kephisosufer ist uns der aus der Gegend des Passes von Dafni herabkommende Bach als Hermos bekannt. Unter den Wasserrissen der südwestlichen Hymettosabdachung mag noch der (zwischen den Dörfern Brahami und Kará hindurchziehende) Vurlopotamos genannt werden.
Aus der heutigen Mesogia winden sich zwei grössere Rhevmata zum östlichen Meere durch. Im Norden bei Raphina das Megalo Rhevma (den angeblichen Namen Balana oder Valanaris vermochte ich nicht zu bestätigen; s. K. v. A. III–VI 2f. 32f.), welches zugleich die Abflüsse des Pentelikon sammelt; sodann südlicher, in seinem unteren Lauf das Thal von Vraona (Brauron) bildend, ein Bach, der gewiss mit dem alten Erasinos identisch ist. Sein Hauptarm kommt von der Wasserscheide, die zwischen dem Merenda- und Panigebirge beim Dorfe Kuvara liegt, und die nach der anderen Seite (Südosten, dann Süden) das in der Bucht von Thorikos mündende, wasserreichere Potami entsendet. Da nach diesem Bache die benachbarten Demen der Potamioi benannt sein werden, trug er vielleicht auch im Altertum den gleichen Namen (vgl. zuletzt Athen. Mitt. XVIII 283ff.).
Die marathonische Ebene endlich durchschneidet der stattliche Bach von Marathona (die alte Charadra von Oinoe). Seine Quellen entstammen dem Gebiet des östlichen Parnes sowie seiner nordöstlichen Ausläufer; ehe er das Gebirge nach Osten zur Küste hin durchbricht, bewässert er mit seinen zahlreichen Zuflüssen die wellige Binnenlandschaft von Aphidna.
Dagegen muss der Siberus (Siverus, Syverus) Atticae flumen, der nach Plinius (n. h. XXXVII 114) eine Gattung von Edelsteinen geführt haben soll, auch heute noch unbestimmt bleiben, selbst wenn damit der Demos Sybridai zusammenhing; sicher war er kein Quellfluss des Kephisos, eher der oben genannte Vurlopotamos; vgl. zuletzt Athen. Mitt. XVII 345ff. XVIII 290.
Schon die Verteilung von Gebirg und Ebene mit ihren spärlichen Wasseradern zeigt, dass A. nicht zu den von Natur gesegneten Landschaften Griechenlands gehört. Die Ackerkrume besteht zum guten Teil nur aus einer dünnen und mageren Verwitterungsschicht der Kalkdecken; fruchtbarer aber auch selten sind die Zersetzungsproducte der kristallinischen Schiefer und namentlich der Thonschiefer (z. B. in der Mesogia). In [2189] diesen besseren Teilen gedeihen Weizen (πυρός, jetzt στάρι) und Gerste (κριθή, jetzt κριθάρι, letztere im Altertum Hauptnahrungsmittel, heute nur Futtergetreide), wenn auch für den einstigen Consum nicht entfernt in ausreichender Menge (Roggen, Hafer und Mais wurden und werden kaum angebaut). Ausgedehnte Flächen (nicht die Berghänge) bedeckt auch heute noch der Weinstock (strauchartig gezogen); der wichtigste Fruchtbaum, dessen Anpflanzungen nächst den Cerealien und Weinfeldern weitaus das grösste nutzbare Areal einnehmen (vgl. Heldreich bei A. Mommsen Griech. Jahreszeiten 597), ist der Ölbaum (Ölwald von Athen!), sodann der Feigenbaum, dessen Früchte im Altertum sogar eines ganz besonderen Rufes genossen. Von der übrigen Flora giebt Heldreich (a. a. O. 521f.) ein sehr vollständiges Bild in staffelförmiger Gruppierung: I. Küstenregion; mit sandigem Strand oder sumpfiger Meeresniederung (Halipedon), bedeckt von Riedgräsern, Asphodelos, Pistacia Lentiscus, auch schon zahlreichen Distelarten, wie die folgenden Brachäcker. II. Region des Flachlandes, oder der Ebenen mit den oben genannten Kulturen und ihrem Unkraut. Schon in diesen beiden Regionen, wie höher hinauf, begegnen wir oft noch in dichten Beständen der so genügsamen Pinus Halepensis oder Aleppokiefer (πεύκη neugr. πεῦκος) mit ihrer kugelförmigen Krone und dem harzreichen Stamme; in einzelnen Gegenden (östlich vom Hymettos, der Ebene von Marathon u. s. w.) der schönen Knoppereiche (Quercus macrolepis); an Stattlichkeit ist mit ihr noch die Silberpappel (Populus alba, λεύκη) zu vergleichen, die an quellenreichen Orten vorkommt, demnächst die Platane, welche mit dem Oleander zusammen für die Vegetation der Rinnsale ganz besonders charakteristisch ist. III. Die Region der Hügel (Phryganahügel, mit ihren Halbsträuchern: Erika, Thymian, Ginster, Wachholder, Lentiscus u. s. w.) und der Vorberge bis zu 2000’ Höhe (der ,Maquis‘), mit ihren meist immergrünen Strauch- und Gebüschwäldern, namentlich um den Pentelikon herum; charakteristisch die Arten des Erdbeerbaums, der Judas- und Johannisbrotbaum, der wilde Öl- und Birnbaum, der Mastixbaum, die Terebinthe, die Myrte u. s. w. Endlich giebt es noch einige den höchsten Bergregionen (über 2000’) eigentümliche Arten, unter denen in den oberen Schluchtwäldern des Parnes eine schöne Edeltanne (Abies Apollinis, ἐλάτη) hervorzuheben ist.
Die Bevölkerung A.s ist heute im Verhältnis zum Altertum ausserordentlich dünn; im Jahr 1879 zählte man 31 000 Einwohner, abgesehen von den Städten Athen und Peiraieus (die zusammengenommen jetzt freilich bereits die Ziffer von 140 000 erreicht haben werden). Für die klassische Zeit, um den Beginn des peloponnesischen Krieges, ergaben die jüngsten Berechnungen von Beloch a. a. O. 57ff. 99 als Gesamtbevölkerung A.s ca. ¼ Million Einwohner: ca. 105 000 vom Bürgerstand, 30 000 Metoeken, 100 000 Sclaven (bezüglich der Zahl der Freien stimmen damit Hansens sehr abweichende Berechnungen a. a. O. S. 149 im Gesamtresultat [123 500] nur mehr zufällig überein). Wir können dieses Ergebnis (für das Landgebiet durchschnittlich 50 Seelen auf den qkm.) blos als Minimalziffer anerkennen, da in mehreren [2190] Posten willkürliche und gewiss zu niedrige Ansätze vorkommen; so in der Reduction der 400 000 Sclaven (Ktesikles bei Athen. VI 272 B, bezw. der 150 000 waffenfähigen, Hypereid. frg. 33) auf insgesamt 100 000; ebenso in der Behandlung der wichtigen Mobilisierungsdata bei Thukydides II 13, wo von den überlieferten 16 000 Besatzungstruppen, überwiegend Metoeken, eine Myriade gestrichen wird (vgl. dagegen die Bemerkungen von J. M. Stahl in seinem Commentar zur 3. Popposchen Thuk.-Ausg. Teubn. 1889, der selber die Stelle durch Athetese des Zusatzes ὄσοι ὁπλῖται ἦσαν überzeugend in Ordnung bringt).
Der natürlichen Gliederung A.s nach Küstenland, Bergland und Ebene entsprachen noch zu Zeiten des Solon und des Peisistratos die auf ihre localen Verhältnisse und Interessen aufgebauten Parteien der Παράλιοι, Διάκριοι und Πεδιεῖς. Die Localverfassung des Kleisthenes, welche wir erst aus der aristotelischen Schrift Ἀθηναίων πολιτεία c. 21 besser verstehen lernten (vgl. Demenordnung 3f.), ging von einer Dreiteilung (παραλία, ἡ μεσόγειος [γῆ] und τὸ περὶ τὸ ἄστυ) aus, in welcher die Diakria teils zur Küste, teils zum Binnenlande gerechnet und ein eigener Stadtbezirk aus der unteren athenischen Ebene mit dazugehöriger Küste geschaffen wurde. Da nun jede der 10 neuerrichteten Phylen mit je einem Drittel (τριττύς) in allen drei Bezirken vertreten war, und diese 30 Trittyen im wesentlichen local geschlossene Unterabteilungen bildeten, zusammengesetzt aus einer (schwankenden) Anzahl benachbarter Gemeinden (δῆμοι), so leuchtet ein, dass die Dementopographie aus dieser Beobachtung bedeutende Vorteile ziehen konnte. Allerdings vermögen wir eine annähernd vollständige Liste der attischen Demen und ihrer Verteilung unter die Phylen erst für das 4. Jhdt. v. Chr. aufzustellen, also ohne sichere Gewähr, dass jede dieser Zuteilungen bereits kleisthenisch sei; ferner können wir nur für eine Anzahl derselben aus anderweitigen Quellen direct ermitteln oder mutmassen, ob die betreffende Gemeinde dem Stadt-, Land- oder Küstenbezirk angehörte. Aber die sicheren Beobachtungen lehren doch hinlänglich, wie gross und überwiegend auch damals noch die örtlichen Zusammenhänge der Trittyen waren, so dass sich daraus für die Fixierung der unbekannteren (und namentlich der kleineren) Gemeinden gewichtige Anhaltspunkte ergeben. Weitere, vielfach erst entscheidende Hülfsmittel liefern Inschriftfunde und das Studium der Örtlichkeit, für welches jetzt die ,Karten von Attika‘, aufgenommen durch Officiere und Beamte des Kgl. preussischen Generalstabes, eine unvergleichliche Grundlage bilden. Alles in allem ist uns so bereits heute ein Einblick in die Siedelungsverhältnisse A.s verstattet, wie wir ihn für keine andere Landschaft Altgriechenlands auch nur annähernd besitzen oder jemals gewinnen werden. Die Zahl der von Kleisthenes selber eingerichteten Demen ist uns nicht bekannt; sicher irrig die Meinung, für welche man sich auf Herodot V 69 glaubte berufen zu können, es wären ursprünglich nur 100, je 10 in jeder Phyle, gewesen (vgl. Demenordnung 4); Strabon IX 396 beziffert dieselben für seine Zeit auf 174; für das 4. Jhdt. können wir deren urkundlich nahezu 150 nachweisen und für die spätere Zeit bis zur Errichtung [2191] der jüngsten Phyle Hadrianis verfolgen, wie neue Demennamen auftreten (vgl. die alphabetische Liste S. 2204f.)
Nachfolgende topographische Übersicht (vgl. die Karte bei S. 2204) nimmt zum Ausgang die attisch-boiotische Grenze, um sodann der Küste von Eleusis bis Oropos unter Einbeziehung der je benachbarten Ebenen (der thriasischen, athenischen, marathonischen) zu folgen. Auf die Binnenlandschaft östlich vom Hymettos wird die Beschreibung von der Mündung des Megalo Rhevma (Demos Araphen) aus zurückgreifen; auf die Diakria, indem sie die Charadra von Oinoe aufwärts verfolgt. Wiewohl den Phylen und Trittyen, als politischen Bezirken, in diesem Artikel eine Sonderbehandlung nicht zukommt, werden sie als topographische Wegweiser im oben angedeuteten Sinne oft zu berücksichtigen sein.
Auf der Kithairon-Parnes-Linie interessieren besonders die Vorkehrungen zum Grenzschutz, bestehend aus grösseren Befestigungen (Demenfestungen), Castellen (Sperrforts) und Türmen (für Verteidigungs- und insbesondere für Signalwesen). Eine instructive Skizze dieser verschiedenen Anlagen giebt Hauptmann Winterberger (Arch. Anz. 1892, 122ff., wo aber Melainai und Panakton meines Erachtens unrichtig angesetzt sind). Während die Gebirgsriegel gegen Megara (von Nordwest nach Südost: Karydi, Patéra, Trikeri oder altgr. Kerata, s. o.) eine sehr starke Naturgrenze bildeten, deren gewundene Pässe mit den einfachsten Mitteln zu verteidigen waren, machten die nördlichen Durchgänge von Boiotien her bedeutenderen fortificatorischen Aufwand nötig. Am Ausgange der den Kithairon durchschneidenden Strasse von Dryos Kephalai (s. o.) lag Eleutherai (jetzt Gyfto-Kastro bei Kasa), mit noch heute vorzüglich erhaltenen Mauern, eine ursprünglich gewiss gegen A. erbaute boiotische Festung. Der Ort wurde nie Demos, sondern gehörte vermutlich zu der weiter südöstlich und freier gelegenen stattlichen Gemeinde Oinoe (Phyle Hippothoontis), von deren Befestigungsring gleichfalls bedeutende Reste erhalten sind (jetzt Myupolis; vgl. zuletzt Demenordnung 32). Oinoe beherrschte zugleich einen von Eleutherai weiter östlich gelegenen Durchgang (heute Πόρταις = Thor, nicht weit an Derveno-Sialesi vorbei nach Drimari führend) zwischen Kithairon und dem nach dem Parnes zu vermittelnden Megalo Vuno. Die Befestigungen des Passes selber sind aber nicht zu verwechseln mit dem südöstlich davon noch an bedeutenden Resten erkennbaren Castell Panakton, welches (beim heutigen Dorfe Kavásala) den Südrand des Hochplateaus von Skurta überragte. In diesem Gebiet, welches attisch-boiotische Grenzconflicte geradezu herausforderte, muss auch der einst vielumstrittene spätere Demos Melainai gelegen haben (nicht bei dem Kloster Hag. Melatios oberhalb Oinoe im Gebirgsabhang; vgl. Demenordnung 37). Weiterhin in der gleichen (östlichen) Richtung sperrt den Gebirgsweg zwischen Megalo Vuno und Parnes das berühmte Castell von Phyle, das wie Eleutherai ursprünglich wohl ebenfalls von Boiotien aus angelegt worden war, wie auch der gleichnamige Demos an dem Territorium der Skurtaebene Anteil gehabt haben mag. An der Endigung des eigentlichen Parnes ferner deckt den Passdurchgang von der [2192] Oropia nach Athen das hochgelegene Castell auf dem Katsimyti (neugriechisch; vgl. die Specialaufnahme in den ,Sieben Karten von Athen‘), zu welchem sich die bedeutende Festung von Dekeleia (bei dem heutigen Tatóï) als rückwärts (nach Athen zu) liegender strategischer Defensivpunkt ähnlich verhält, wie z. B. Oinoe zu Eleutherai und dem befestigten Portaes-Passe.
Der nördliche Zufluss des eleusinischen Kephisos, der Bach von Kokkini, fliesst zunächst in östlicher Richtung nahe südlich an Oinoe vorbei, sodann fast südlich durch enge Bergschluchten, an deren Ausgang in die eleusinische Ebene auf beiden Seiten Reste von Castellen (Kastro Plakotó und Palaeo Kastro) noch heute vorhanden sind. Führte somit von hier aus eine antike Strasse nach Boiotien aufwärts (vermutlich durch ein Nebenrhevma über Panakton, dessen Bedeutung erst dadurch verständlich wird), so bildete dieselbe auch die kürzeste Verbindung zwischen Athen und Theben. Deshalb habe ich mit Rücksicht auf Sophokles Oed. Col. 1060f. an den Eingang dieser Strasse vermutungsweise den Demos Oie (Oineis) gesetzt, zumal da wir uns hier in der Paraliatrittys der entsprechenden Phyle befinden (vgl. Demenordnung 25; Athen. Mitt. XVII 463ff. XVIII 299). Von hier aus dehnt sich nach Osten bis zu einem niedrigen Parallelrücken des Aigaleos, und nach Süden in unmerklicher und vollkommen regelmässiger Senkung ihres fruchtbaren Alluvialbodens zum Meere hin die nach ihren Hauptorten Eleusis und Thria, im eleusinischen Teil auch von Rharos, dem Vater des Triptolemos τὸ Ῥάριον πεδίον oder ἡ Ῥαρία benannte Ebene hin. Eleusis (jetzt Levsina) liegt zumeist nach Westen an der Bucht und dem Ostende eines niedrigen, kahlen Höhenzuges, Thria im Osten und mehr landeinwärts bei dem heutigen Dorfe Kalyvia (Chassiotika Kalyvia). Das weite Gebiet von Eleusis bis zum Kithairon und namentlich die reiche Fruchtebene selber boten unzweifelhaft noch für eine Reihe kleinerer Demen Platz, die mit Eleusis zur Phyle Hippothoontis bezw. mit Thria zur Oineis gehört haben werden. Hierher dürften unter den verfügbaren Namen, wenn auch vorläufig ohne die Möglichkeit einer bestimmteren Fixierung aus der ersteren Phyle etwa Auridai, Amymone und Anakaia (vgl. Demenordnung 33; Athen. Mitt. XVIII 302), aus der letzteren Kothokidai, Hippotomadai, Ptelea gehören. Im südöstlichen Teil der Ebene lieferten die Ῥειτοί das Phänomen flussartig strömenden Salzwassers; es waren mehrere starke Bäche, nicht seeartige Lachen, wie sie sich heute infolge von Versumpfung des Terrains darstellen; die antike (heilige) Strasse hatte daher auch nicht nötig, dieselben, wie man gemeint hat, in nördlichem Bogen zu umgehen (s. K. v. A. II 48. Revue de phil. XVII 161).
Die thriasische Ebene steht mit der athenischen im Süden durch den Pass von Dafni, welcher den Aigaleos quer durchsetzt, im Norden durch die Senkung zwischen diesem Gebirge und dem Parnes in Verbindung. Letztere ist durch eine in ihrer ganzen Ausdehnung (über 4km.) und in ihrer nach Westen gerichteten Frontseite bis über 2 m. Höhe erhaltene Verteidigungsmauer gesperrt (heute ,Dema‘ = Band; vgl. K. v. A. Sect. Pyrgos u. Text II 44ff.), deren Ursprung in die [2193] Zeit der Selbständigkeit von Eleusis zurückgehen muss (ihr gegenüber eine oder mehrere Sperren in der südwestlichen Thalschlucht, vgl. ebd.), während sie im peloponnesischen Kriege keinerlei Rolle mehr spielte. Damals (im J. 431) marschierten die Spartaner unter Archidamos nach einem Gefecht bei den Rheitoi, ,zur Rechten‘ den Aigaleos, durch Kropia nach Acharnai (Thukyd. II 19). Sie bewegten sich also durch den eben genannten Thalweg (die Ortslagen Stephani und Demerdjis, im Westen eingefasst durch den felsigen Parallelzug zum Aigaleos), und somit haben wir Kropia, d. i. das Gebiet des Demos Kropidai nebst seinen Nachbarorten Eupyridai und Pelekes, die zusammen eine Trikomia bildeten und in der Organisation des Kleisthenes zur binnenländischen Trittys der Phyle Leontis gehörten, eben auf dieser Linie und in der Nähe von Acharnai anzusetzen (Demenordnung 19ff., vgl. ebd. und im folgenden über das Hereinragen derselben Trittys in die obere athenische Ebene mit den Demen Aithalidai, Paionidai u. s. w.).
Der Passweg von Dafni bezeichnet den mittleren Teil der ἱερὰ ὁδὸς zwischen Athen und Eleusis (K. v. A. II 47ff.). Wo sich ein directer südöstlicher Bergpfad von den Rheitoi aus und die bequeme Hauptstrasse in ihm wieder vereinigen, befinden sich an der nördlichen Seite die Reste zweier von Pausanias I 37 a. E. erwähnten Anlagen, eines Aphroditeheiligtums mit Peribolos und Nischen nebst Inschriften in der Felswand, und einer Befestigungsanlage (wie es scheint, turmartige Castelle als Wegsperre, zwischen denen die alte Strasse hindurchführte, vgl. die Ansichten und Skizzen Atlas v. Athen Bl. VIII 3 u. S. 20ff.; dazu K. v. A. II 47ff.; neuere Ausgrabungen der griech.-arch. Gesellsch. Δελτ. ἀρχ. 1892, 4ff. und passim). Etwa 1750 m. weiter östlich (doch noch nicht auf der Scheitelfläche des Passes) liegt die alte fränkische Klosterkirche von Dafni, die einer alten und gewiss richtigen Vermutung zufolge an Stelle eines Apollontempels getreten ist (beim Berge Poikilon, Paus. I 37, 6; vgl. K. v. A. II 47; A.-B. nr. 588–592. Δελτ. a. a. O. 37f. 49, wo aber der unter α’ erwähnte Torso = Amer. Journ. of arch. IX Pl. IX nicht gefunden worden ist; s. A.-B. nr. 575).
Mit dem Vorgebirge Amphiale ragt der Aigaleos oder Korydallos am weitesten nach Südwest in das Meer hinaus. Nach der Bucht von Eleusis ist ein anderes Cap, heute Skaramangá, gerichtet, dessen vorgelagerte Inselchen, heute Kyrades, den antiken Namen Χοιράδες bewahrt haben (Lolling Festschrift f. Curtius 8; dazu Lambros Athen. Mitt. XIII 408ff.). Als eine Verlängerung des Aigaleoszuges ist der ganze südöstliche felsige Hauptteil der Insel Salamis zu betrachten, während sich ihre nördliche, von Westen nach Osten gestreckte Hälfte unverkennbar als eine Fortsetzung des Geraneiagebirges darstellt. Daher die wunderliche Gestalt der Insel (jetzt Kulúri d. i. Bretzel [schon Kallimachos]; Grösse ca. 93,5 qkm.). Die Verbindungsstelle der beiden Teile wurde von dem Gebiet der in historischer Zeit nach der attischen Küste zu gegründeten gleichnamigen Stadt (beim heutigen Ambelaki) eingenommen (von der alten, nach Aigina zugewandten Stadt sollen gleichfalls noch Reste vorhanden sein). Am Nordeingang [2194] des bis 2 km. breiten Sundes liegt die Insel Leros (jetzt Nera oder Lero), auch das kleine Arpedóni, in der Mitte Hag. Georgios, mit einem Nachbarriff die alten Pharmakussai, am Ausgange Psyttaleia (jetzt Lipsokutali) und Atalante (jetzt Talando Nisi), also eine auffallende Zahl hier erhaltener antiker Ortsnamen (vgl. Lolling a. a. O.; hinzuzufügen wäre noch Selinia, ein Küstenstrich südlich Ambelaki, offenbar gleich Σειληνίαι, Aischyl. Pers. 303 u. Schol.). Über die Meerenge als Local der Seeschlacht von Salamis vgl. zuletzt noch Lolling Athen. Mitt. I 132ff. Löschcke Jahrb. f. kl. Phil. 1877, 25ff. Breitung ebd. 1884, 859ff. Busolt ebd. 1887, 39ff.; Griech. Gesch. II¹ 170ff. Goodwin Papers of the american school at Athens I 239f. Welzhofer Hist. Taschenb. XII 1892.
Auch weiter östlich, bereits dem Gestade der athenischen Ebene gegenüber, war einst eine selbständige Insel vorgelagert, die dann, freilich bereits in sehr früher Zeit, durch die pliocänen Abschwemmungen vom Festlande aus mit diesem verbunden worden ist. Darauf deutet schon der Name der Halbinsel: Peiraieus, mit seiner nordöstlichen Munichia- und südwestlichen blattförmigen Aktehöhe, tertiären Sandsteinhügeln, deren letzterer namentlich ein treffliches Baumaterial lieferte. Zu den drei berühmten verschliessbaren Häfen Munichia (im Westen), Zea, zwischen den beiden Höhen, und östlich, auf der anderen Seite durch die Halbinsel Eetioneia geschlossen, dem grossen Peiraieushafen (vielleicht auch Kantharos genannt) kommen bis zum Korydallos und der Fähre nach Salamis noch einige Buchten, deren entfernteste, nördlich Psyttaleia, der Hafen des Demos Thymoitadai und zugleich der sog. Φωρῶν λιμήν gewesen sein wird (K. v. A. II 8. 12); dazwischen noch die Buchten von Trapezona und Krommydaru, letztere der alte Κωφὸς λιμήν (K. v. A. I 36ff.). Das dürre, noch heute vielfach sumpfige Terrain nördlich um den Peiraieus herum wird das alte Halipedon gewesen sein (K. v. A. I 36); hier durfte auch der (trotz Etym. M. und Steph. Byz. s. v. als Demos nicht erweisliche) Ort Echelidai mit einem Heiligtum des Echelos und dem alten Hippodrom der Athener gesucht werden. Nach Steph. Byz. s. v. lag er zwischen dem Peiraieus und dem τετράκωμον Ἡράκλειον; wenn letzteres, wie Leake (Demen 26. 212ff.) annahm, identisch ist mit dem Herakleion nahe der Meerenge von Salamis (also im Gebiet von Thymoitadai, vgl. K. v. A. II 10), über welchem Xerxes während der Schlacht sass, so hätten wir einen möglichst nordwestlichen Punkt, nicht die Gegend des unteren Kephisoslaufes anzunehmen, wo kürzlich allerdings ein grosses, auf Echelos und Wagenfahrt bezügliches Votivrelief gefunden wurde (Ἐφημ. ἀρχ. 1893 Taf. 9. 10).
Jene Tetrakomia aber mit gemeinsamem Heraklesheiligtum bestand ausser den schon genannten späteren Demen Thymoitadai und Peiraieus noch aus dem Phaleron und Xypete, letztere Gemeinde wohl zwischen Phaleron und (nördlich) Melite, weil mit dieser in der gleichen Trittys (der Phyle Kekropis); Phaleron an der weiten Bucht östlich von Munichia, der alten athenischen Rhede, die auf der andern Seite durch ein stumpfes Vorgebirge abgeschlossen wird, nach der wahrscheinlicheren Annahme das Cap Kolias mit berühmtem [2195] Aphroditeheiligtum; in der Nähe ausgezeichnete Thonerde für attische Töpferei (s. zuletzt K. v. A. II 2; nach anderer Ansicht ist Kolias mit der kleinen felsigen Halbinsel, fast 5 km. südwestlich, zu identificieren, die heute die Kapelle des Hag. Kosmas trägt). Das genannte Vorgebirge lag wohl schon im Gebiet des von Athen 35 Stadien entfernten, durch einen Säulentempel der Demeter Thesmophoros ausgezeichneten Demos Halimus, während die Küste weiterhin, bis zum Hymettos, von den stattlichen Gemeinden Aixone (mit Markt, Theater, Heiligtümern der Herakliden, Alkmene, Hebe u. s. w.) und der seines ursprünglichen Salzwerkes Halai Aixonides beherrscht wurde; bedeutende Grabanlagen und Gräberfunde sind für diese Gegend charakteristisch.
Von Thymoitadai bis Halimus reichte hier, einen Teil der eigentlichen Paralia mit umfassend, der kleisthenische Stadtbezirk (περὶ τὸ ἄστυ), welcher andererseits noch nördlich über Athen hinausragend einen beträchtlichen Teil des unteren πεδίον zwischen Aigaleos und Hymettos umfasste. Da eine Topographie der Hauptstadt unter Athen gegeben wird, so finde hier nur eine Anführung der einzelnen, mit Sondernamen und Demencharakter ausgestatteten Örtlichkeiten Platz, wie sie in der Abfolge ihrer Phylentrittyen um das städtische Centrum und innerhalb desselben gelagert sind (vgl. die Nebenkärtchen auf der Tafel zur Demenordnung und Athen. Mitt. XVII Taf. XII). Im Mittelpunkte und wohl rings um die Akropolis gelegen, vertrat (mit neugeschaffenen Demosnamen) Kydathenaion die Phyle Pandionis (III). Zur Erechtheis (I) gehörte jenseits des Ilisos bis zum Hymettos reichend, Agryle (καθύπερθεν und ὑπένερθεν) und gewiss auch das kleine Themakos; vielleicht ist auch der bedeutende Demos Euonymia, welcher gewiss in dieser Richtung von der Stadt aus lag, nicht der entsprechenden Paraliatrittys (um Lamptrai und Anagyrus, s. u.), sondern hier (auf Trachones zu) anzuschliessen, zumal da der betreffende städtische Kreis sonst allzu klein erscheint (vgl. zuletzt Athen. Mitt. XVIII 291; gehört hierher auch Sybridai am oberen Vurlopotamos, so dass dieser der Syberus flumen wäre?). An Agryle grenzte (ebenfalls bis zum Hymettos hin) Ankyle (II, Aigeis), und zwar, wie Loeper Athen. Mitt. XVII 351 vielleicht richtiger annimmt, nordöstlich (statt südwestlich) daran, so dass die übrigen Demen der gleichen Phyle und Trittys: Hestiaia, Diomeia (mit dem Heraklesheiligtum Kynosarges), Kollytos, Bate, Kolonos, sich von da aus östlich und nördlich an der Stadt vorbei- und zum Teil hindurchzogen. Im Nordwesten zieht sich vom Innern der Stadt mit dem Kerameikos beginnend, die Trittys der Akamantis (V) zum Kephisos und Aigaleos hin. Nahe dem linken Flussufer kennen wir die Eiresidai, Iphistiadai (hier wohl auch die Porioi und Eiteaioi); auf dem rechten dürfen wir den grösseren Demos Cholargos ansetzen; nach dem Aigaleos zu, nördlich der heiligen Strasse, lag am gleichnamigen Bache Hermos. Den westlichen Platz nahmen die Gemeinden der Oineis (VI), Lakiadai (an der Kephisosbrücke), Epikephisier, Perithoidai, Butadai und vielleicht noch andere ein. Südwestlich schliessen Demen der Hippothoontis (VIII) an [2196] Athen selber mit Keiriadai und Koile an, wozu weiterhin, bis zum Gebirg und Meer, Korydallos (wohl ein echtes Bergdorf; vgl. K. v. A. II 12ff., dazu das merkwürdige ,Heroon‘) und Thymoitadai kamen; auch der Peiraieus (zur Zeit des Kleisthenes noch unbedeutend) gehörte zu derselben Phyle, während Phaleron, die damalige Rhede Athens, eine Trittys (der Aiantis, IX) für sich ausmachte. Das wohl nördlich davon gelegene Xypete bildete mit dem volkreichen, von dieser Seite her in die Stadt hineinragenden Melite den Anteil der Kekropis (VII). So bleibt östlich, nach Agryle hin (wenn wir Ankyle an dessen Nordseite verlegen, s. o.), noch Platz für Demen der ausser Antiochis (X, s. u. Alopeke) allein noch übrig bleibenden vierten Phyle, Leontis. Da zu letzterer Halimus gehörte, welches nach dieser Richtung hin bereits am Meere liegt, so empfiehlt sich die Annahme Loepers (Athen. Mitt. XVII 376ff.), dass zunächst auch Skambonidai, ein halbstädtischer Demos, für den sich mir aus mehreren Gründen früher nordwestliche Lage (neben Oion, Kerameikon und Kerameikos, s. Demenordnung 19) zu ergeben schien, an dem Südrande Athens gelegen haben möge und der Zwischenraum bis Halimus noch von einigen andern Demen der gleichen Phyle z. B. Kettioi besetzt gewesen sei (gegen Heranziehung der Leukonoieis, Cholleidai und besonders der Potamioi s. meine Bemerkungen Athen. Mitt. XVIII 295ff. und vorher 283ff.). Die Phyle Antiochis (X) endlich wird etwas entfernter, im Nordosten der Stadt, vor allem vertreten durch den Demos Alopeke, womit wohl noch einige kleinere Gemeinden zu beiden Seiten der Turkovuni (Krioa, Kolonos, Eitea?) vereinigt waren.
Im mittleren und oberen Teil des Pedion füllen als bedeutendste und bekannteste Ortschaften auf beiden Seiten des Kephisos Acharnai und Kephisia zugleich ganz oder zum grössten Teil die binnenländische Trittys ihrer Phylen (Oineis VI und Erechtheis I) aus. Acharnai, östlich von der Senkung zwischen Parnes und Aigaleos in der Nähe des heutigen Menidi gelegen, muss bei seiner Grösse und seinen reichen Weingeländen bis an den Kephisos gereicht haben; auch das im J. 1879 aufgedeckte ,Kuppelgrab von Menidi‘ (s. die gleichnamige Publication des deutschen arch. Institutes Athen 1880), ca. 25 Minuten südlich von Menidi, wird noch im Gebiet des späteren Demos gelegen haben. Über alte Mauerzüge westlich davon bei Kamateró und die schwachen Spuren einer Festung auf dem Géro Vunó zwischen Kamatero und dem Kuppelgrabe (Beides aus gleicher Epoche wie dieses?) s. K. v. A. II 43f. Nördlich von Acharnai lag am Fusse des Parnes Paionidai (dessen Name sich in Menidi erhalten hat), darüber im Gebirge das Castell Leipsydrion, dessen Reste ich 1887 auf der Höhe Karagufólesa erkannte (vgl. Demenordnung 20. K. v. A. Bl. XX [Sect. Tatoi] am Westrande). Eine Verbindung dieser zur Phyle Leontis (IV) gehörigen Örtlichkeiten mit den westlich und südwestlich belegenen Demen der gleichen Binnenlandtrittys: Kropidai (Eupyridai, Pelekes, der Trikomia s. o. S. 2193) ist meines Erachtens nur von der Gebirgsseite her, nicht den Kephisos entlang möglich (s. o. über die Grenzen von Acharnai; weiteres Athen. Mitt. XVIII 298ff.), so dass wir in denselben Bezirk auch das heutige [2197] Chassia (auf dem Weg nach Phyle vermutlich als alten Demos Aithalidai, s. Demenordnung 20ff.) einbeziehen dürfen. An der Ostseite des Aigaleos ist vielleicht noch Leukonoe unterzubringen (s. Demenordnung 21; ebenso wohl der Ort Phrygia; vgl. K. v. A. II 41). Andererseits bezeichnet von Paionidai aus nach Osten hin der gleichfalls zur Leontis gehörige Demos Hekale einen äussersten und offenbar noch ziemlich entfernten Punkt der genannten Trittys (wenn, wie ich glaube, die langgestreckte, streifenförmige Anordnung, welche dabei herauskommt, keinen Grund gegen die Annahme eines continuierlichen Localzusammenhanges bildet). Denn Hekale lag auf dem Wege von Athen nach Marathon, wie aus der Theseussage hervorgeht (Demenordnung 21ff., wo ich die Örtlichkeit Kukunárti nordöstlich Stamáta ins Auge gefasst habe, und Athen. Mitt. XVIII 297ff.). Damit kommen wir weit hinauf ins östliche obere Quellgebiet des Kephisos und haben allen Grund, den Zwischenraum noch mit einigen anderen verfügbaren Demen gleicher Phyle, wie Cholleidai, Hybadai, bevölkert zu glauben.
Auf dem linken Ufer des Kephisos bildete das an einem quellenreichen Nebenarm anmutig gelegene und noch heute stark bevölkerte Kephisia (I, Erechtheis) ein Trittyencentrum, dem wir von secundären Demen etwa noch Phegus und Pergase, aber schwerlich Sybridai zuteilen können (Demenordnung 13; Athen. Mitt. XVII 313ff. XVIII 289ff. und oben S. 2195). Südlich und westlich gruppierten sich um den Bezirk von Kephisia herum in nicht minder fruchtbarer Landschaft die binnenländischen Demen der Kekropis (s. Demenordnung 30): Athmonon (jetzt Marusi) mit dem berühmten Heiligtum der Artemis Amarysia, südlich bei Chalandri und dem grossen, vom Pentelikon herabkommenden Bache Phlya mit seinen interessanten Erdkulten, westlich davon (bei Chalkomatades) vermutlich Daidalidai, während östlich oder nordöstlich, auf Gargettos zu, Pithos gelegen haben wird. Am Kephisos selber ist durch neuere Funde (A.-B. nr. 514. 615) die Lage von Sypalettos (bei Kukuvaones) hinreichend gesichert; nördlich davon, beim Zusammenfluss mehrerer Hauptadern des Kephisos, muss Trinemeia gelegen haben (nicht östlich oberhalb Kephisia; vgl. zuletzt Athen. Mitt. XVIII 290. 300).
Die erste volkreiche Demengruppe der südöstlich an das Stadtgebiet anschliessenden Paralia, Aixone und Halai Aixonides (s. o.), gehörte als Küstentrittys derselben Phyle (VII, Kekropis) an. Von den inselartigen, durch Abschwemmung und Versandung angewachsenen ,Vorgebirgen‘ (daher die Verbindungsstellen noch jetzt Lagunencharakter aufweisen) ist das nördlichste, Hag. Kosmas bereits oben genannt worden; es folgt Cap Agiá oder Pavlo (auf der K. v. A. Bl. Vari VIII nur ,Punta‘ genannt, vgl. Text III–VI 18) und Cap Kavuras vom Südende des Hymettos nach Westen ausgehend, während das alte Vorgebirge Zoster (mit apollinischer Kultusstätte) nach Süden gerichtet ist. Zwischen Cap Pavlo und Kavuras liegt die Insel Hydrussa (jetzt Prasonisi, auf der Karte irrig; Katramonisia sind kleine Inselchen bei Cap Zoster); südlich von Zoster die grössere Phabra oder Phaura (jetzt Phleva).
Die gerade Strasse, welche von Athen am [2198] Westabhange des Hymettos südlich hinabführt, biegt hinter Halai durch einen bequemen, den letzten Rest des Gebirges abschneidenden, einst mit zahlreichen Terrassengräbern besetzten Pass (eine Probe: Atlas v. Ath. Bl. VIII 4) in östlicher Richtung auf das kleine Dorf Vari ab. Hier, wie wohl auch schon westlicher, ist das Gebiet des bedeutenden Demos Anagyrus anzunehmen, mit dem die Paraliatrittys der Erechtheis (I) beginnt (vgl. K. v. A. III–IV 15); ebenfalls dazu gehört die nordöstlich und östlich benachbarte noch grössere Gemeinde Lamptrai (jetzt Lambrika), die auch einen Teil der Küste inne hatte (a. a. O. 14), während von kleineren Ortschaften derselben Phyle wenigstens noch Kedoi (bei Κῆτσι?) und Pambotadai (östlicher) hier eingestreut lagen (Demenordnung 12ff.). Drei km. nördlich über Vari liegt im Hymettos (ca. 280 m. hoch) die berühmte Nymphengrotte des Archedemos mit ihren Bildwerken, Altären und Inschriften, vgl. K. v. A. III–VI 16; Innenansichten: Atlas v. Athen Bl. VIII 1. 2.
Jenseits, südöstlich des Hag. Dimitriosberges (Sect. Olympos, K. v. A. Bl. XVII; Text III–VI 18ff.) erstreckte sich, im Norden überragt von dem Grat des Pani bis zum Lauriongebiete eine zusammengehörige Gruppe von Demen der Antiochis (X) in der Reihenfolge: Thorai (bei Phinikia), Aigilia (bei Olympos, nördlich von dem gleichnamigen Gebirgsknoten), Anaphlystos, der bedeutendste Demos, einst mit Hafenbefestigung; im Westen begrenzt den Meerbusen das Vorgebirge Astypalaia (jetzt Hag. Nikolaos) und weiter hinaus ins Meer die Insel Elaiussa (jetzt Arsida); bereits im östlichen Bergwerkdistrict, etwa mitten zwischen Anaphlystos und Thorikos, lag Besa (einer Angabe G. Hirschfelds im Geogr. Jahrb. XIV 168 zufolge soll A. Miliarakis Ἑστία 1890, 75 Besa im jetzigen Namen Ἀνάβυσσος – also an der Nordostseite des genannten Meerbusens, ,nachgewiesen‘ haben; dieser ,Nachweis‘ kann nur verfehlt sein), auch die Ergadeis werden, dem Namen nach, schon im Lauriongebiet zu suchen sein; am östlichen Ende des Panigebirges und der Wegebiegung nach Norden: Amphitrope (jetzt Metropisi). Endlich führen die ständigen Zusammenhänge der Prytanenlisten darauf, auch den kleinen Demos Atene eben diesem Bezirke anzugliedern (Demenordnung 38); nur vermag ich darauf hin noch nicht mit Loeper (Athen. Mitt. XVII 335ff., ebenso auch V. von Schoeffer, vgl. Athen. Mitt. XVIII 300ff.) die von Strabon (IX 398) unmittelbar vor Sunion an der Küste bezeugten viel bedeutenderen Ἀζηνεῖς in Ἀτηνεῖς zu verwandeln, obgleich Azenia als Demos der Hippothoontis hier Enclave ist. Denn dasselbe trifft im 4. Jhdt. auch für Thorikos bzw. Potamioi und Deiradiotai, ferner für Probalinthos und vermutlich noch für andere Demen (besonders in gebirgigen Districten, Semachidai? Melainai?) zu. Während wir ferner über Atene für eine der kleineren Ruinenstätten um Olympos und Anavyso (Trapuriá, Phérisa, Mesochori u. a.) zu verfügen alle Veranlassung haben (auch Loeper a. a. O. 422 geht damit über den Bereich des Golfes von Anaphlystos nicht hinaus), kann das Küsten- und Landgebiet des westlichen Teils der Südspitze von A. (K. v. A. Bl. XIV. XV; Text III–VI 31) mit [2199] seinen beiden Buchten Charaka und Legrana und seinen natürlichen Wegeverbindungen mit dem inneren Lauriongebiet (Thalschluchten) nicht ohne grössere Ansiedlung gedacht werden. Porto Charaka nah gegenüber liegt die grössere Insel Gaidaro-Nisi, für welche nur der spätere Name Πατρόκλου χάραξ, nach einer Verschanzung des gegen Antigonos entsandten ägyptischen Flottenführers Patroklos, überliefert ist; da alte Bewohnung derselben erweislich ist (s. Demenordnung 33), so vermag ich nur auf sie den Demosnamen Kopros (= νῆσος τῆς Ἀττικῆς daher ἡ Κόπρος) anzuwenden, und dieser Demos gehörte gleichfalls zur Hippothoonthis, würde sich also mit Azenia aufs beste verbinden.
Die ganze Ostecke der Südspitze A.s nahm der Demos Sunion (IV, Leontis) ein, mit südlicher Hafenbucht, zu der eine teilweise noch wohlerhaltene Kunststrasse (mit Grabdenkmälern) von Norden aus dem inneren Bergdistrict herabführt; östlich das berühmte Vorgebirge Kolonnaes mit der Ruine des (aus dem weissen Marmor von Agrilesa erbauten) Athenatempels, Propylaia, Befestigung (K. v. A. III–VI 29ff.); an der nach Norden umbiegenden Küste mehrere Hafenbuchten (meist alte Ladeplätze für Bergwerkserzeugnisse), Pascha Limani, Panorimo (altgr. Panormos), Ergastiria (Nyktochori, Kypriano) mit den Anlagen der neueren griechischen und französischen Bergwerksgesellschaften, dann Porto Mandri und Vrysaki (oder Franko Limani, vgl. das nördlichere Turko Limani) zu beiden Seiten der Halbinsel Hag. Nikolaos mit antiken Befestigungswerken. Dieselben gehören bereits zum Demos Thorikos (jetzt Theriko), dessen Reste (Theater, Gebäuderuine u. s. w.) sich namentlich am Südfusse der spitzen Höhe Velaturi ausdehnen (nördlich derselben prähistorische Hohlgräber). Auf der Höhe von Sunion bis Thorikos zieht sich der Küste parallel die schmale Insel Makris oder Helena (jetzt Makronisi) hin.
Bei Thorikos mündet von Norden her das in seinem oberen Laufe (Ursprung auf der Wasserscheide zwischen Pani- und Merendagebirge, bei den Dörfern Keratea und Kuvara) nach Osten gewandte, dann südwärts das obere Lauriongebiet durchziehende, meist wasserführende Potami (s. o.), um welches bis zum Meere hin (Hafen Daskalió mit kleiner Felsinsel) die bei Strab. IX 398 a. E. (vgl. Plin. IV 24) nach Sunion und Thorikos, vor Prasiai und Steiria aufgeführten Potamier angesiedelt gewesen sein werden. Sie waren dreifach, in Ποτάμιοι καθύπερθεν, ὑπένερθεν und Ποτάμιοι Δειραδιῶται, geteilt; also lag auch der besondere Demos Deiradiotai benachbart, seine Nähe bei Keratea ist in der That inschriftlich bezeugt (A.-B. nr. 207. 212. Δελτ. 1892, 27, 15). Das Gebiet von Keratea selber gehörte, wie mehrfache Funde gelehrt haben (A.-B. nr. 210ff.; Demenordnung 25) zum Demos Kephale, dem sich nordwestwärts Prospalta (bei Kalyvia Kuvara), Agnus (bei Markopulo), Sphettos (bei Koropi, s. u., Mesogia) u. a. anschlossen (Demenordnung a. a. O.). Die zusammenhängende Reihe von Kephale bis Sphettos gehörte zur fünften Phyle, Akamantis; ebenso die Kyrteidai (oder Kyrtiadai von Κύρτη, κυρτία Fischerreuse, die somit bis ans Meer, etwa bei Kaki Thalassa, nördlich Daskalió zu weisen scheinen), während andererseits die Potamier und Deiradiotai der Phyle nach (IV, [2200] Leontis) mit Sunion zu verbinden und, in dem bergigen Zwischengebiet etwa, die von den Prytanenlisten ständig innerhalb dieser Gruppe aufgeführten Phrearrioi unterzubringen sind. Dann aber erscheint Thorikos, welches wie Kephale u. s. w. wieder zur Akamantis gehört, isoliert, als Enclave wie (oben) Azenia und (unten) Probalinthos (man vergleiche, wie Loeper Athen. Mitt. XVII 333ff. 380ff. 398, die oberen und unteren Potamier zu versetzen, den verbleibenden Rest, die deiradiotischen, mit den Deiradioten selber [dazu die Phrearrier] gegen Strabon und Plinius südlich von Thorikos zusammenzudrängen unternimmt, meine Gegenbemerkungen Athen. Mitt. XVIII 283ff. 296). Das innere Lauriongebiet besteht im wesentlichen aus zwei nordsüdlichen, durch die Schlucht Korphona (altgr. Aulon?) getrennten Hauptzügen, in den Thalmulden massenhafte (jetzt neu verarbeitete) Ablagerungen von Schlacken, Schachte und Minengänge, Metallwäschen und grossartige Cisternen (näheres K. v. A. III–VI 22ff.). Antike Ortsnamen wie Maroneia, ἐπὶ Θρασύλλῳ u. a. sind bis jetzt nicht näher nachweisbar.
An der Küste aufwärts begegnen wir zunächst nördlich von Dionysovuni und Merendagebirge der schönen Bucht von Porto Rafti mit zwei Inselchen am Ausgang, deren grössere das verstümmelte Sitzbild eines Mannes (Kaisers?) trägt, im Volksmund Raftis (= Schneider) genannt. Den Südteil des Meerbusens nahm der Demos Prasiai (jetzt Prasás, der Hafen des Erysichthon und der alten delischen Theorien) ein, mit Festung auf der ins Meer hinausragenden Korónihöhe; nördlich lag Steiria, von wo die ,steirische Strasse‘ durch die heutige Mesogia und an der nördlichen Endigung des Hymettos (bei ,Stavro‘ vorbei) nach Athen führte. Mehr landeinwärts, nordöstlich vom Dorfe Markopulo haben wir den Demos Angele und südlich davon, unter dem Nordfusse des Merendagebirges Myrrinus (mit seinem Kulte der Artemis Kolainis) anzusetzen. Alle diese, auf direct topographischem Wege (Nachweise: K. v. A. III–VI 9ff.; Demenordnung 17ff.) gesicherten Demen gehörten der Phyle Pandionis (III) an und bildeten somit ihre Küstentrittys. Es ist aber nicht möglich, damit auch den Paraliademos der gleichen Phyle, Probalinthos, welcher zur marathonischen Tetrapolis gehörte, örtlich zu verbinden (so Loeper Athen. Mitt. XVII 334. 367ff.; vgl. dagegen XVIII 280ff.). Vielmehr folgte auf unsere Pandionisgruppe in nördlicher Richtung längs der Küste zunächst eine geschlossene Reihe von Gemeinden der Aigeis (II): Philaidai (und Kydantidai? Loeper Athen. Mitt. XVII 360, 2) an Stelle der alten Ortschaft Brauron (jetzt Vraóna) am unteren Lauf des Erasinos mit zwei Thalbefestigungen und dem alten Heiligtum der brauronischen Artemis (K. v. A. III–VI 7ff.); sodann Halai Araphenides (mit dem Brauron verwandten Kult des Artemis Tauropolos), mehr landeinwärts Phegaia (bei Velanidéza mit berühmten Grabstätten); dann am Ausfluss des Megalo Rhevma Araphen und wohl nördlich davon noch Myrrinutte (Athen. Mitt. XVIII 281) und Otryne.
Der obere Lauf des Megalo Rhevma bezeichnet den Nordrand der heutigen attischen Mesogia. In der tiefen Thalschlucht, welche die Zuflüsse mehrerer Quellarme des hier wohlbewaldeten Pentelikon [2201] (von Kalisia, Draphi, Dasomari her) aufnimmt, haben sich bei Pikermi (nordwestlich Passades, keine alte Demenstätte) die berühmten fossilen Knochenreste einer jetzt ausgestorbenen (am meisten mit subtropisch africanischer verwandten) Säugetierfauna gefunden (vgl. über die ersten Entdeckungen, seit 1835, und die Reihe der Ausgrabungen in den roten mergeligen Lehmen und Conglomeraten der Flusssohle jetzt die Übersicht von R. Lepsius Geol. v. Attika 38ff.). Erst weiter westlich, auf Charvati zu, begegnen wir hier den Spuren einer antiken Ortschaft (Ionidai?); weiterhin nahm der grosse Demos Gargettos das Senkungsgebiet zwischen Pentelikon und Hymettos, um Jéraka, ein; der Name ist in dem nördlicher gelegenen Klostergute Garitó erhalten. Im Südosten beherrschte von dem centralen Hügelgebiet von Spata aus die sehr bedeutende Gemeinde Erchia das fruchtbare Flachland (K. v. A. III–VI 4ff.); am Westhange prähistorische Felsgräber, östlich um den flachen Hügel Lappari bedeutende alte Mauerreste; zwischen Spata und Vurva (nordöstlich) eine neuerdings aufgedeckte Grabanlage des 7. und 6. Jhdts. (K. v. A. III–VI 5). Das Gelände am Ostfuss des Hymettos haben wir wiederum an drei Demen ersten Ranges aufzuteilen, und zwar von Norden nach Süden an Pallene, Paiania und Sphettos. Pallene grenzte an Gargettos (s. gegen Brückner Athen. Mitt. XVI 200ff., der Pallene viel weiter südlich an der Stelle von Sphettos sucht, Berl. Phil. Wochenschrift 1892, 2ff. 34ff.), lässt sich aber nicht um die Nordspitze des Hymettos herum auf die Westseite von Gargettos hindurchzwängen, sondern gehört mit dem ,Reich des Pallas‘ dem Ostgebiete an (vgl. Athen. Mitt. XVIII 303, wo Zeile 15 natürlich zu lesen ist ,nach Osten‘, statt ,nach Westen‘). Der Ortsname Balána haftet an einer Gegend südlich etwa von Jéraka (K. v. A. III–VI 36). Ein isolierter Hügel (Palaeomylo 224 m.), mit Resten einer Windmühle, könnte das Heiligtum der Athena Pallenis getragen haben. Die Lage von Paiania (καθύπερθεν und ὑπένερθεν) in der Nähe des heutigen Dorfes Liópesi ist längst, bereits durch L. Ross, aus Inschriftfunden erschlossen worden; über die Lage von Sphettos bei Koropi und die sphettische Strasse, den Bergweg, welcher den nördlichen Hymettos vom südlichen (Anydros) trennt und westlich in das Thal von Pirnari mündet, vgl. Berl. Phil. Wochenschr. a. a. O.; auch Loeper Athen. Mitt. XVII 399, 3. – Andere Demen der Mesogia lassen sich bis heute nur annähernd bestimmen. Sphettos gehörte mit Agnus und Prospalta (s. o.) zum Landbezirk der Akamantis (wie das anschliessende Kephale mit Thorikos zur Paraliatrittys der gleichen Phyle). Hinzufügen können wir der ersteren Gruppe am zuversichtlichsten noch Kikynna (Demenordnung 26ff.; Athen. Mitt. XVIII 298ff.). Zu Paiania, dem Vorort der entsprechenden Trittys der Pandionis, ordnen sich schon nach den Inschriftlisten Konthyle, Oa und die alte ,Zwölfstadt‘ Kytherros (als Demos jedenfalls unbedeutend). Die Lage von Konthyle in diesem Bereich wird weiter bestätigt durch einen Grabschriftfund aus der Gegend von Spata (A.-B. nr. 43; Demenordnung 17). Grabsteine auf Personen aus Oa sind bei Velanideza (angeblich; vgl. Demenordnung [2202] 17ff.), Spata (K. v. A. III–VI 6) und Papangelaki (nordwestlich von Spata; Athen. Mitt. XVII 370ff.) zum Vorschein gekommen, unter denen der letztere, westlichste, Ort der wahren Lage am nächsten sein wird (Spata ist nur Verschleppungscentrum für Antiken). Pallene wiederum ist der bedeutendste Binnenlanddemos der Antiochis (X). Ich habe jedoch (Demenordnung 36ff.; Athen. Mitt. XVIII 303) darauf verzichten müssen, eine vollkommene locale Einheit dieser Trittys nachzuweisen. Denn selbst der nicht zu ferne Demos Pentele (beim heutigen Kloster Mendeli, am Fusse der antiken Marmorbrüche; letztere in Kammern ausgeschnitten, mit antik gepflastertem Schleifwege, darüber eine interessante Höhle) wird durch Gargettos getrennt; Melainai lag an der boiotischen Grenze, beide Demen werden freilich nur bei Steph. Byz. der Antiochis zugeteilt, aber bestimmt widersetzt sich einer räumlichen Verbindung auch Semachidai in der Epakria, ähnlich wie Ikaria ausgezeichnet durch eine Sage von der Einkehr des Dionysos. Nun ist aber auch Ikaria (bei Dionyso) nebst Plotheia (bei Stamáta) und vermutlich Teithrasioi (östlich von Ikaria? vgl. Demenordnung 16) durch das gesamte Pentelikonsystem von Gargettos und Erchia, den Hauptdemen der binnenländischen Aigeistrittys, abgeschnitten, es bleibt daher die Möglichkeit offen, dass gerade bei Demen der gebirgigen Districte (hier wie im Lauriongebiet) das regionale Princip der Trittyenordnung minder streng gewahrt worden sei. Eine sehr bestimmte Ausnahme machte auch, wie wir bereits sahen (vgl. noch Athen. Mitt. XVIII 280ff.; K. v. A. III–VI 40) Probalinthos (III, Pandionis), das wir als Teil der Tetrapolis: Probalinthos, Marathon, Oinoe, Trikorythos, sowie nach anderen Indicien lediglich zwischen der marathonischen Ebene und dem Paraliabezirk der Aigeis (mit Araphen, Halai etc.) anzusetzen vermögen.
Die Ebene von Marathon selber (K. v. A. III–VI 40ff.), zwischen dem Meer und einem Kranz marmorartiger Berge (von Süden nach Nordost: Agrieliki, Kotroni, Stavrokoraki, Drakonera mit dem langen, abschliessenden Vorgebirge Kynosura), hat nur einen bequemen, südlichen, Zugang von der Mesogia aus am Agrieliki und der hier stark versumpften Küste vorbei (der ,kleine Sumpf‘ oder Vrexisa mit der inselartigen Erhebung ,Nisi‘ nahe dem Meeresufer; darauf Reste von Denkmälern, die vielleicht dem Marathonier Herodes Attikos zuzuschreiben sind; s. K. v. A. a. a. O. 44ff.). Am Ausgange der Schlucht von Rapentosa (zwischen Agrieliki und nordwestlich Aphorismos, gegenüber dem Kotroni) überragt die Ebene das alte Kloster von Vrana; nördlich, zwischen Aphorismos und Kotroni in der Richtung auf Ninóï (Oinoe) zu, das Thal von Avlona mit Resten eines statuengeschmückten Thores des Herodes Attikos (Ὁμονοίας ἀθανάτης πυλή u. s. w.; CIA III 403. K. v. A. III–VI 43) und altem Peribolos (Μάνδρα τῆς γραιᾶς im Volksmund). Im unteren wohlbebauten Flachland, mitten zwischen Agrieliki und der Mündung des Baches von Marathona (Charadra), erhebt sich isoliert über 10 m. hoch (ca. 185 m. im Umfang) ein Erdhügel, der Soros; derselbe galt bis in die 80er Jahre hinein für das Grabmal der in der Schlacht von Marathon gefallenen [2203] Athener (dagegen Schliemann Ztschr. f. Ethnol. 1884, 85ff. v. Eschenburg Arch. Anz. IV 35ff. K. v. A. III–VI 46. 51) und wird seit den Ausgrabungen der griech. arch. Gesellschaft im J. 1890 und 1891 (vgl. Δελτ. ἀρχ. 1890, 65ff. 123ff. Athen. Mitt. XVIII 46ff.) von den dortigen Gelehrten wieder mit aller Bestimmtheit dafür gehalten, wiewohl die Fundstücke nicht alle derselben Epoche angehören. Diesen fruchtbaren Teil der Ebene bis nördlich zu dem alten ,Pyrgos‘ genannten Marmorfundament (K. v. A. III–VI 46. 51; hier lag wohl auch das centrale Dionysosheiligtum der Tetrapoliten) nahm mit seinen Öl- und Weingärten der Demos Marathon selber ein, dessen besiedeltes Quartier ich bis Vrana hinauf ausdehne (das eigentliche Schlachtfeld kann nur weiter nordöstlich angenommen werden). Der Demos Oinoe beherrschte das Thal der nach ihm benannten Charadra, in dem jetzt das Hauptdorf Marathona liegt; das fruchtbare Kesselgebiet oberhalb desselben heisst noch heute Ninóï. Beim Eintritt des Baches in die Ebene (bei dem Gute Béi und dem heut zerstörten Seféri) vermutete ich (Demenordnung 35ff.; vgl. Athen. Mitt. XVII 419) die gleichfalls zur Aiantis gehörige kleine Ortschaft Kykala. Am Nordrande des ,grossen Sumpfes‘ unter dem Ostabhange des Stavrokoraki lag bei Kato Suli Trikorythos mit bedeutenden Resten der Akropolisbefestigung (K. v. A. III–VI 49). Von hier aus führte in nordnordöstlicher Richtung am Drakoneraberge vorbei eine ziemlich gerade, mit Grabdenkmälern geschmückte Strasse durch das Thal von Limiko nach Rhamnus mit den Ruinen der Nemesisheiligtümer auf einer Terrasse und der Burg (Ovriókastro) am Meere. Die bedeutenden Reste, auch innerhalb der letzteren, sind neuerdings mehrfach untersucht worden (Athen. Mitt. IV 277. Δελτ. ἀρχ. 1890, 115ff. 149ff. 1891, 116ff.).
Von Vrana aus führen um beide Seiten des Aphorismos Schluchtwege nach Westen, in das Gebiet der Epakria; auf der Südseite des Berges, durch das Thal von Rapentosa nach dem gleichnamigen (verlassenen) Dorfe (Demos Teithrasioi? Demenordnung 15ff.) und, in der Terrassenlandschaft am Nordabhange des Pentelikon, Ikaria (Berl. Phil. Wochenschr. 1887, 770ff.; dann die amerikanischen Ausgrabungen, vgl. Amer. Journ. IV 421ff. V 9ff. 155ff. 461ff.). Nordwestlich benachbart lag Plotheia bei Stamata (A.-B. nr. 372. Amer. Journ. V 423f.), hier mündet der andere, um den Nordabhang des Aphorismos herumführende Bergweg von Vrana, die kürzeste Strasse zugleich aus der marathonischen Ebene nach Kephisia und Athen; ihre nördlichste Biegung bezeichnet die topographisch bemerkenswerte Thalmulde von Kukunarti (s. A.-B. nr. 376. 377; K. v. A. III–VI 57ff.), entweder Hekale (s. o. und Demenordnung 21f.) oder ein Festplatz der Epakrier mit Heiligtümern. Westlich über Stamata hinaus liegt bei Bugiati eine andere antike Demenstätte (der Leontis? Cholleidai?, vgl. K. v. A. III–VI 58; Demenordnung 23). Oion Dekeleikon, von welchem Demos ein Grabstein bei Bugiati eingemauert ist, wird jenseits des Passes von Katifori, näher an Dekeleia (s. o. S. 2192), etwa bei Baffi oder Keramidi zu suchen sein (Demenordnung 32). Zur Trittys von Dekeleia (VIII, [2204] Hippothoontis) gehörte noch nördlich, im Verfolg der nach Tanagra führenden Strasse bei der Wegesbiegung, also offenbar beim heutigen Malakasa, der kleine Demos Sphendale (Herod. IX 15).
Der genannte Passweg von Katifori bildet die natürliche Verbindung zwischen dem Quellgebiet des Kephisos und dem oberen Laufe der Charadra von Oinoe, die hier eine wellige Hochebene mit den Dörfern Kapandriti, Masi, Tsiurka und Liossia durchfliesst. Über dem linken Ufer und dem Einfluss des Baches von Kapandriti erhebt sich die Burg des Vorortes Aphidna (Kotroni, 366 m.) mit Resten der Umfasungsmauer (K. v. A. III–VI 60). Kleinere Ortschaften dieser Gegend, welche sich noch nicht genauer fixieren lassen, waren Thyrgonidai, Titakidai, Perridai. Andererseits liegen auch im bergigen, mittleren Gebiete der Charadra, namentlich im Bereich des nördlichen Zuflusses von Varnava, Spuren alter Ansiedelungen vor: bei Gaitana, am Vereinigungspunkt der Bäche (K. v. A. III–VI 60), dann nördlich bei Kalentzi, eine Ortslage, die ihrer Beschaffenheit nach sehr an Ikaria erinnert, daher vielleicht Semachidai (s. o.; K. v. A. a. a. O. 61; Demenordnung 37); endlich weiter oberhalb Varnava selber (A.-B. nr. 585–88; Demenordnung 39). Östlich zieht an Varnava eine noch an Wegespuren (bei Hag. Theodori, Demenordnung 36) und der Ruine eines Wachtturms erkennbare alte Strasse vorüber, welche aus der Gegend von Grammatiko auf Oropos gerichtet ist und vermutlich die Theorien aus der marathonischen Ebene nach Delphi führte. Nördlich tritt der Berg Zastani hart ans Meer heran, auf der Höhe bedeutende Mauerreste eines Castells (auch eine Inschrift: A.-B. nr. 407). Westlich davon lag an der Küstenebene von Revithia das erst spät als Demos (der Aiantis) angegliederte Psaphis (Athen. Mitt. X 354f.), sodann, über Kalamo hinaus, das lange streitige Gebiet der Oropia. Oropos selber lag an der ,Skala‘ des heutigen Oropo (oder Aletria); südöstlich auf dem Wege nach Kalamo (Gegend Mavrodhilisi) das berühmte, seit 1884 von der griechischen archäologischen Gesellschaft aufgedeckte Amphiareion (Litteratur und Beschreibung s. o. Bd. I S. 1893ff.), ein vollständiger antiker Kurort mit Theater, Hallen, Denkmälern u. s. w. Nordwestlich (20 Stadien östlich von Oropos) lag der vorzugsweise diesem Wallfahrtsort geltende ,heilige Hafen‘ Delphinion (Athen. Mitt. X 350ff.).
Übersicht der topographischen Eigennamen A.s
(unter den besonderen Stichworten ausführlicher behandelt).
I. Die attischen Demen.[2]
1) Acharnai (VI). 2) Acherdus (VIII). 3) Agnus (V). 4. 5) Agryle (I). 6) Aigilia (X). 7) Aithalidai (IV). 8) Aixone (VII). 9) Akyaeis (XI). [2205] 10) Alopeke (X). 11) Amphitrope (X). 12) Amymone (VIII). 13) Anagyrus (I). 14) Anakaia (VIII). 15) Anaphlystos (X). 16) Angele (III). 17. 18) Ankyle (II). 19) Antinoeis (XIII). 20) Aphidna (IX). 21) Apollonia (XII). 22) Araphen (II). 23) Atene (X). 24) Athmonon (VII). 25) Auridai (VIII). 26) Azenia (VIII). 27) Bate (II). 28) Berenikidai (XI). 29) Besa (X). 30) Butadai (VI). 31) Cholargos (V). 32) Cholleidai (IV). 33) Daidalidai (VII). 34) Deiradiotai (IV). 35) Dekeleia (VIII). 36) Diomeia (II). 37) Eiresidai (V). 38) Eiteaioi (V u. X). 39) Elaius (VIII). 40) Eleusis (VIII). 41) Epieikidai (VII). 42) Epikephisia (VI). 43) Erchia (II). 44) Ergadeis (X). 45) Erikeia (II). 45. 46) Eroiadai (VIII u. X). 47) Eunostidai (XI). 48) Euonymia (I). 49) Eupyridai (IV). 50) Gargettos (II). 51) Graës (III). 52) Halai Aixonides (VII). 53) Halai Araphenides (II). 54) Halimus (IV). 55) Hamaxanteia (VIII). 56) Hekale (IV). 57) Hermos (V). 58) Hestiaia (II). 59) Hippotomadai (VI). 60) Hybadai (IV). 61) Hyporeia (XI). 62) Ikaria (II). 63) Ionidai (II). 64) Iphistiadai (V). 65) Kedoi (I). 66) Keiriadai (VIII). 67) Kephale (V). 68) Kephisia (I). 69) Kerameikos (V). 70) Kettioi (IV). 71) Kikynna (V). 72) Koile (VIII). 73) Kollytos (II). 74. 75. 76) Kolonos (II. IV. X). 77) Konthyle (III). 78) Kopros (VIII). 79) Korydallos (VIII). 80) Kothokidai (VI). 81) Krioa (X). 82) Kropidai (IV). 83) Kydantidai (II). 84) Kydathenaion (III). 85) Kykala (IX). 86) Kyrteidai (V). 87) Kytherros (III). 88) Lakiadai (VI). 89. 90) Lamptrai (I). 91) Lekkon (X). 92) Leukonoe (IV). 93) Leukopyra (X). 94) Lusia (VI). 95) Marathon (IX). 96) Melainai (X). 97) Melite (VII). 98) Myrrinus (III). 99) Myrrinutte (II). 100) Oa (III). 101) Oie (VI). 102. 103) Oinoe (VIII u. IX). 104) Oion Dekeleikon (VIII). 105) Oion Kerameikon (IV). 106) Otryne (II). 107. 108) Paiania (III). 109) Paionidai (IV). 110) Pallene (X). 111) Pambotadai (I). 112) Peiraieus (VIII). 113) Pelekes (IV). 114) Pentele (X). 115 a und b) Pergase (I). 116) Perithoidai (VI). 117) Perridai (IX). 118) Phaleros (IX). 119) Phegaia (II u. III). 120) Phegus (I). 121) Philaidai (II). 122) Phlya (VII). 123) Phrearrioi (IV). 124) Phyle (VI). 125) Phyrrinesioi (X). 126) Pithos (VII). 127) Plotheia (II). 128) Poros (V). 129. 130) Potamos (IV). 131) Prasiai (III). 132) Probalinthos (III). 133) Prospalta (V). 134) Psaphis (IX). 135) Ptelea (VI). 136) Rhakidai (IX). 137) Rhamnus (IX). 138) Semachidai (X). 139) Skambonidai (IV). 140) Sphendale (VIII). 141) Sphettos (V). 142) Steiria (III). 143) Sunion (IV). 144) Sybridai (I). 145) Sypalettos (VII). 146) Teithrasioi (II). 147) Themakos (I). 148) Thorai (X). 149) Thorikos (V). 150) Thria (VI). 151) Thymoitadai (VIII). 152) Thyrgonidai (IX). 153) Titakidai (IX). 154) Trikorythos (IX). 155) Trinemeia (VII). 156) Tyrmeidai (VI). 157) Xypete (VII).
II. Andere topographische Eigennamen [Ortslagen (O.). Berge (Bg.). Vorgebirge (Vgb.). Inseln (I.). Häfen (H.). Flüsse (F.). Quellen (Qu.)].
Aigaleos (Bg.). Akte (O.). Amphiale (Vgb.). Amphiareion (O.). Anchesmos (Bg.). Anydros (Bg.). Arpethone (I.). Astypalaia (Vgb.). Atalante (I.). Athen. Aulon (O.). Bothynos (O.). Brauron (O.). Brilessos (Bg.). Charadra (F.). Chastieis (O.). Chelidonia (O.). [2206] Chitone (O.). Choirades (I.). Delphinion (O.). Diakria. Drymos (O.). Echelidai (O.). Eetioneia (Vgb.). Elaiussa (I.). Eleutherai (O.). Enna (O.?). Epakria. Erasinos (F.). Eridanos (F.). Gephyreis (O.?). Graïke (O.). Halipedon (O.). Helene (I.). Harma (Bg.). Hermos (F.). Hyakinthos (Bg.). Hydrussa (I.). Hymettos (Bg.). Hyphormos (H.). Iapis (F.). Ikarion oros (Bg.). Ilisos (F.). Kallia (Qu.). Kallichoron (Qu.). Kantharos (H.). Kephisos (F.). Kerata (Bg.). Kithairon (Bg.). Knoithideus (Bg.). Kolias (Vgb.). Kophos Limen (H.). Koroneia (Vgb.). Korydallos (Bg.). Kykloboros (F.). Kyllu Pera (O.). Kynosura (Vgb.). Laurion. Leipsydrion (O.). Leros (I.). Lykabettos (Bg.). Makaria (Qu.). Makris (I.). Maroneia (O.). Mesogaia. Munichia (Bg. u. H.). Oisia (? O.). Olympos (Bg.). Orychion (O.). Oropos (O.). Panakton (O.). Paneion (Bg.). Panormos (H.). Paralia. Parnes (Bg.). Patroklu Nesos (I.). Pedion. Pentelikon (Bg.). Pharmakussai (I.). Phaura (I.). Phelleus (Bg.). Phoron Limen (H.). Phrygia (O.). Phylakia (O.). Poikilon (Bg.). Psyttaleia (I.). Rharion Pedion. Rheitoi (F.). Salamis (I.). Sikelia (Bg.). Skiron (O. u. F.). Sporgilos (O.). Syberus (F.). Tetrapolis. ἐπὶ Θρασύλλῳ (O.). Zea (H.). Zoster (Vgb.).
Litteratur (vgl. auch die neueren Zusammenstellungen bei Lolling Hellen. Landeskunde u. Topogr. 119ff. Busolt Griech. Gesch. I¹ 371ff. Sittl Klass. Kunstarchäol. 104ff.).
Physikalisches. Neumann u. Partsch Physik. Geogr. v. Grld. 1885 (s. Register ,Attika‘). Im besonderen: Geologie Gaudry Animaux fossiles et géologie de l’Attique 1862. Denkschriften der Wiener Akad. XL (1880) 1–74. Ztschr. d. deutsch. geol. Ges. 1881, 118ff. (Bücking). 454ff. (Neumayr). 1882, 151ff. (Nasse). 1883, 92ff. (Dames). R. Lepsius Geologie v. Attika 1893. Für Klimatologie, Flora, Fauna A. Mommsen Griech. Jahreszeiten 1873–77; bes. erschöpfend die Flora in Heft V 471ff. Th. v. Heldreich Pflanzen der attischen Ebene; für jüngere Litteratur auf allen diesen Gebieten vgl. noch Oberhummer in Bursians Jahresber. LXIV (1890) 358ff. 367ff. 384ff.
Karten von Attika auf Veranlassung des K. D. Archäol. Instituts und mit Unterstützung des K. P. Ministeriums – aufgenommen durch Officiere u. Beamte des K. Pr. grossen Generalstabes, herausgegeben von E. Curtius und J. A. Kaupert. Kartenmasstab 1:25 000; erschienen: Bl. I–XXI (Heft I–VII, 1881–1893); dazu erläuternder Text Heft I 1881 (Athen. u. Umgebung [Curtius]. Peiraieus [v. Alten u. Milchhöfer]). Heft II 1883 (Athen-Peiraieus. Athen-Hymettos. Kephisia. Pyrgos [Milchhöfer]). Heft III–VI 1889 (A. Das südöstliche Attika. B. Das Pentelikongebiet [Milchhöfer]).
Ortskunde, insbesondere Demen. Meursius De populis Atticae (in Gronovs Thesaur. IV 682ff.). The unedited antiquities of Attica (hgg. v. d. engl. Dilettanti) Lond. 1817; übers. von C. Wagner Darmstadt 1829. Stuart and Revett Antiqu. of Athens, London 1762–1816 (Deutsch, Darmstadt 1829–31, darin ein A. behandelnder Abschnitt II 205ff. 305ff.). C. Otfr. Müller Art. ,Attika‘ in Ersch und Grubers Encycl. 1821. W. M. Leake On the Demi of Attica (Transact. of the royal society I 2, London 1829; übersetzt v. Westermann 1840; zweite engl. [2207] Aufl. 1839). Chr. Wordsworth Athens and Attica 1836; dritte Aufl. 1855. L. Ross Die Demen v. A. 1846. C. Hanriot Recherches s. l. topogr. des dèmes de l’Attique 1853. Surmelis Ἀττικὰ ἢ περὶ δήμων Ἀττικῆς 1854. N. Saal De demorum A. per tribus distributione. Coeln 1860. 1867. Bursian Geogr. v. Grld. I 1862, 251ff. H. Kiepert Neuer Atl. v. Hellas 1872 Bl. V u. Vorbericht 3. P. Kastromenos Die Demen v. A., Leipz. 1886. A. Milchhöfer S.-Ber. Akad. Berl. 1887, 41ff. 1095ff.; Antikenbericht, Athen. Mitt. XII 81ff. 277ff. XIII 337ff. (Statistik der Inschriften und Sculpturen nach den Fundstellen geordnet); Untersuchungen über die Demenordnung des Kleisthenes (Anhang z. d. Abhandl. d. Berl. Akad. 1892). Szanto Hermes XXVII 312ff. Loeper Die Trittyen und Demen A.s, Athen. Mitt. XVII 319ff. v. Wilamowitz-Moellendorff Aristoteles und Athen II 145ff. Milchhöfer Zur attischen Localverfassung, Athen. Mitt. XVIII 277ff.
2) Geschichte
Die Geschichte der Landschaft A. fällt zum grössten Teile zusammen mit der Geschichte des Staates und der Stadt Athen. Hier soll nur ein Abriss der äusseren Entwicklung der Landschaft selbst gegeben werden.
Es lassen sich etwa die folgenden grossen Perioden dieser Entwicklung scheiden:
- I. Urgeschichte. Die Entstehung des Staates A. bis 800.
- II. Adelsherrschaft und Volksgemeinde in A. 800–500.
- III. Die Blütezeit 500–322.
- IV. Das hellenistische A. 322–146 v. Chr.
- V. Das römische A. 146 v.–180 n. Chr.
- VI. Verfall Altattikas 180–600 n. Chr.
I. Urgeschichte. Die Entstehung des Staates Attika (bis 800). Die Bevölkerungsverhältnisse des ältesten A.s sind ausserordentlich schwer zu bestimmen. Das überreiche Sagenmaterial, das uns für diese Periode vorliegt, ist eine wertvolle, aber vielfach trügerische und noch nicht hinreichend geklärte Quelle: verschiedene Schichten und Umbildungen liegen vor, die Sagen und mythischen Anknüpfungen einzelner Ansiedlungen und Geschlechter scheinen in die Landessage überzugreifen und sich mit ihr zu vermischen, ohne dass wir, vorläufig wenigstens, im stande sind, überall zuverlässig zu sichten, zu sondern und zu datieren. Das Sagenmaterial kann als beweisend gelten nur insoweit es dem objectiven Thatbestand aus den erhaltenen Resten ältester Kultur (Bauten, Gräbern, Kunstgegenständen) und der Sprache nicht widerspricht. Als weiteres Hülfsmittel bieten sich zur Controle die ältesten Kultuseinrichtungen und -handlungen.
Die gesamte alte Überlieferung bezeichnet die historischen Attiker als Ureinwohner (teilweise als ,Pelasger‘) und nennt als ihren ersten König Kekrops (s. d. und Herod. VIII 44. Thuk. II 15, 1. Philoch. bei Strab. IX 397. Ps.-Apollod. bibl. III 177), dem abgesehen von andern Kulturleistungen die erste Einteilung des Landes in zwölf Städte zugewiesen wird (Philoch. a. O.; vgl. u.). Von ihm bis zu dem Schöpfer des attischen Einheitsstaates Theseus kannten die ältesten und besten Quellen nur noch drei Könige, die zunächst Stadtkönige von Athen sind, in gewisser Beziehung aber schon [2208] als Landeskönige A.s gelten: Erechtheus, Pandion, Aigeus. Alle vier vortheseischen Könige lassen sich bereits in Kleisthenes Phylennamen nachweisen; Erechtheus wird zuerst Il. II 547, Pandion Hesiod. Erga 568 (vgl. Il. XII 372, dazu v. Wilamowitz Hom. Unters. 245, 7) genannt, Aigeus als attischer König zuerst Aischyl. Eumen. 673 K. Herod. I 173; als Theseus Vater Il. I 265, vgl. Hesiod. Aspis 182. Toepffer Aus der Anomia 31. v. Wilamowitz Aristot. u. Athen II 127, 5.
Schon im 5. Jhdt. v. Chr. tritt neben dieser älteren eine jüngere erweiterte Königsliste auf (wahrscheinlich zuerst zusammengefasst durch Akusilaos von Argos, nicht durch Hellanikos, vgl. C. Frick Beiträge z. griech. Chronologie u. Litt.-Gesch., Progr. Höxter 1880, 1ff.; das entscheidende Hellanikosfragment in Schol. Eurip. Orest. 1648 bei v. Wilamowitz Comment. gramm. IV Götting. Ind. 1889, 11), sie lautet: Kekrops, Kranaos, Amphiktion, Erichthonios, Pandion, Erechtheus, Aigeus. Später zugefügt und zwischen Erechtheus und Aigeus eingeschoben sind wohl Kekrops II. und Pandion II.; ausserdem werden vor Kekrops genannt, aber zum Teil bereits von Philochoros frg. 8 (bei Euseb. praep. ev. X 10) als fabelhaft abgelehnt Ogygos, Munichos, Periphas, Kolainos, Porphyrion, Aktaios, Mopsopos. Neben einfach erfundenen Namen sind hier einzelne attische (ausserathenische) Localheroen untergebracht worden (Litteratur bei Hermann-Thumser Gr. St.-A. I⁶ 284 § 52; vgl. besonders Büchsenschütz Die Könige von Athen, Progr. Berlin 1855. Schaefer-Nissen Abriss der Quellenkunde I⁴ 1889, 18f.; dazu v. Wilamowitz Aristot. u. Athen II 126ff.).
In dem schlangenfüssig gedachten und dargestellten Kekrops und der teilweise mit ihm concurrierenden Gestalt des Erechtheus, der mit Poseidon verschmilzt oder als Burgschlange fortlebt, wie in der ganzen an Kekrops und Erechtheus angeknüpften mythischen Königsreihe verkörpert sich nur der die ganze attische Geschichte beherrschende Gedanke von der Autochthonie der Athener (Thuk. I 2, 5. II 36, 1. Herod. I 57. VII 161. VIII 44. Eurip. Erechtheus frg. 362, 7f. Isokr. IV 24. XII 124. Plat. Menex. 237 b. Demosth. XIX 261 u. s. f.). Nur die Namen der Bewohner sollen sich im Lauf der Zeiten geändert haben: Herodot (VIII 44) erwähnt nacheinander Κραναοί (Pelasger), Κεκροπίδαι, Ἀθηναῖοι, Ἴωνες. Daneben wird auch von einem Wechsel des Landesnamens berichtet (Strab. IX 397, vgl. Menand. Rhet. b. Walz Rhet. gr. IX 184. Aristot. b. Herakleid. 1).
Andere glaubwürdigere Überlieferungen führen auf eine Einwanderung der historischen Bewohner A.s und die Verdrängung einer älteren Bevölkerung, bezw. auf eine Vermischung dieser Einwanderer mit der älteren Bevölkerung. Inwieweit sich schon in dem Götterstreit der Athena und des Poseidon um das Land A. die Kämpfe zwischen Einwanderern und Eingesessenen widerspiegeln (Litteratur bei Busolt Griech. Gesch. II² 73, 1), muss dahingestellt bleiben. Auch die Sagen, die den Urkönig Kekrops selbst einwandern lassen (vgl. Immisch bei Roscher Mythol. Lexik. II 1015ff.), können nichts beweisen; sie sind anscheinend [2209] recht jung. Dagegen erscheint Ion (s. d.), der mythische Ahnherr der Heroen der alten attischen Geschlechtsphylen (vgl. u.) und nach Aristoteles (Ἀθ. πολ. 41, 2, vgl. frg. 1) der Begründer des attischen Staates, durchgängig als Einwanderer. Das Gleiche gilt von den Königen Aigeus und Theseus (s. d., vgl. G. Gilbert Die altatt. Komenverf., Jahrb. f. Philol. Suppl. VII 232ff. v. Wilamowitz a. O. II 127f.), denen die Nachkommen der alteingeborenen Herrscher, die Erechtheiden und Pallantiden, feindlich gegenübertreten.
Zu diesen sagenhaften Einkleidungen des Bestandes von zwei Bevölkerungselementen tritt in unseren ältesten und besten Quellen die bestimmte Nachricht, dass ursprünglich in A. Pelasger oder Tyrsener, und zwar in der Auffassung eines stammfremden, jedenfalls von den späteren Attikern verschiedenen Volkes, gesessen hätten (Thuk. IV 109, 4, vgl. Herod. VI 137. Philoch. im Schol. Luk. katapl. 1); an sie erinnerte auch nach der übereinstimmenden Anschauung des Altertums die alte Befestigung der Burg von Athen, das neunthorige Pelasgikon oder Pelargikon (vgl. Paus. descr. arcis Athen. ed. O. Jahn-Michaelis 1880, 34ff.). Die zweite Form war mindestens im 5. Jhdt. v. Chr. die officielle (CIA IV 2, 27b 55ff. Thuk. II 17, 1 nach dem Laurent. C. Aristoph. Vög. 832), und deshalb hat neuerdings Eduard Meyer (Philol. XLVIII 1889, 466ff. = Forschungen z. alt. Gesch. I 1891, 3ff.) jede Beziehung auf die Pelasger und damit die Pelasger in A. überhaupt geleugnet; das ,Storchnest‘ soll der Mauerring nach seinem Aussehen geheissen haben. Nun ist zuzugeben, dass der sprachliche Vorgang, nach dem sich eine jüngere Form Πελαργικόν aus einer älteren Πελασγικόν entwickelt (ρ für σ), sich nach unserer gegenwärtigen Kenntnis des attischen Dialekts mit keinem weiteren Beispiel belegen lässt, aber unmöglich ist er darum nicht (vgl. auch v. Wilamowitz Aristot. u. Athen II 73,4). Ausserdem kann sehr wohl auf die Umbildung die bei den Atthidographen ganz feststehende Meinung, dass die Πελασγοί nach den πελαργοί benannt seien (vgl. Dion. Hal. ant. I 28, 4. Strab. V 221. IX 397. Serv. Aen. VIII 600), eingewirkt haben; möglicherweise hat sie sich schon bei der Formung des delphischen Spruches τὸ Πελαργικὸν ἀργὸν ἄμεινον (Thuk. II 17, 1) geltend gemacht. Auch Meyers Behauptung, dass es sich, wenn bei Herodot. VI 137 von Vertreibung der Pelasger aus A. die Rede sei, nach Herodot. II 51 um späte Zuwanderer, nicht um eine Urbevölkerung handle, ist nicht stichhaltig. Es spukt da bei Herodot nur wieder die Autochthonentheorie der späteren Attiker, die er nicht aufgeben mag. Das Vorhandensein einer vorattischen Urbevölkerung bestätigen vielmehr objectiv die erhaltenen Reste einer alten eigenartigen, nicht unmittelbar mit der späteren attischen verknüpfbaren Kultur: die Spuren einer Königsburg und alter Hausanlagen auf der Akropolis von Athen, die Kuppelgräber von Menidi, Thorikos, Eleusis, die Grabanlagen von Spata, Aphidna, Brauron, die zahlreichen Funde ,mykenischer‘ Vasen teils in den Gräbern, teils auf der athenischen Burg (Litteratur bei Busolt Gr. Gesch. I² 1893, 3f. 15. 18, dazu Berl. philol. Wochenschr. 1893 nr. 47. 1894 nr. 51). Hierzu kommt ferner eine Anzahl [2210] uralter, zum Teil chthonischer Kulte, die vor den einwandernden Attikern vorhanden und von diesen übernommen zu sein scheinen (Litteratur bei Hermann-Thumser 277; dazu Crusius Beitr. z. griech. Mythol. u. Religionsgesch., Progr. Lpz. 1886. Foucart Bull. hell. VII 1883, 398ff. Toepffer Att. Geneal. 102. 171ff. 221). Auch ist zu beachten, dass eine grosse Zahl der attischen Orts- und Örtlichkeitsnamen, voran der Athens, bisher aus dem Griechischen nicht erklärt werden kann.
Welchem Stamme diese vorattische ,pelasgische‘ Bevölkerung angehört hat, ob sie griechisch oder nichtgriechisch war, ist vorläufig nicht mit Sicherheit festzustellen. Zwingend ergeben dagegen die Funde den Schluss, dass sie zu den Vertretern der ,mykenischen Kultur‘ gehörte; mit der Bestimmung der Nationalität der Mykenaeer wird auch die der attischen Pelasger festgelegt. Auf die Beziehungen der attischen Funde zu der auf den Inseln des aegaeischen Meeres verbreiteten Kultur, auf die höchst bemerkenswerte Gleichheit der Suffixe auf -ettos in Mittelgriechenland, besonders in A. (Ardettos, Brilettos, Gargettos, Hymettos, Kettos, Lykabettos, Sphettos, Sypalettos) und -essos in Karien, überhaupt Südwest-Kleinasien hat U. Koehler Athen. Mitt. III 1878, 9 hingewiesen, doch ist auch dadurch keine sichere Entscheidung gegeben. Ausser den ,Pelasgern‘ hat man auch noch andere Völker vor den historischen Attikern in A. angesessen sein lassen: Karer, Leleger, Minyer, Temmiker(?), Thraker, Phoiniker (vgl. G. Gilbert Staats-Altert. I² 107. Wachsmuth Stadt Athen I 392ff.), Dryoper (Toepffer Aus d. Anomia 41ff.), doch beruhen diese Annahmen auf zumeist sehr bestreitbaren Schlüssen, vgl. v. Wilamowitz Aus Kydathen 1880, 145ff. Phoiniker haben vielleicht auf Salamis und in Phaleron Factoreien gehabt (Wachsmuth a. O. 440), Minyer sollen Munichia besiedelt haben (Hellanikos bei Diod. in Schol. Demosth. XVIII 107). Die angeblich thrakische Ansiedelung in Eleusis und Athen kann jetzt als endgültig beseitigt gelten (vgl. Hiller v. Gaertringen De Graecorum fabulis ad Thraces pertinentibus, Berlin 1886, 1ff. Toepffer Att. Geneal. 30ff.). Es ist sehr wohl möglich, dass ausser diesen sehr zweifelhaften Bevölkerungszusätzen auch noch andere uns nicht ausdrücklich genannte in dem ältesten A. vorhanden gewesen sind, doch haben diese wahrscheinlich ebensowenig wie die wohl meist nach Einwanderung der historischen Attiker zugewanderten und zum Teil diesen verwandten einzelnen Geschlechter und Gefolgschaften auf den allgemeinen Charakter der Bevölkerung Einfluss gewonnen, höchstens dass sie einen Sonderkult mitbrachten, der allmählich zum Staatskult wurde, zum mindesten können wir diese Elemente nicht mehr aussondern. Das abseits der grossen Völkerstrasse gelegene Gebiet A.s hat vielleicht von vornherein eine Art von Zufluchtstätte für die in den Kämpfen der Wanderung Vertriebenen gebildet, wie es für die spätere Zeit ausdrücklich überliefert wird (Thuk. I 2, 5. 6, vgl. Aristeid. XIII, Dind. I 173–178. Suid. s. Περιθοῖδαι). So scheinen die Euneiden aus Lemnos nach A. gekommen zu sein (Toepffer Att. Geneal. 181ff.; Rh. Mus. XLV 1890, 374f. Maass Gött. gel. Anz. 1889, 808ff.), ebendaher die Aithaliden? (Maass a. O. [2211] 811 A.), die Gephyraier aus Tanagra (Toepffer Att. Geneal. 293), ebendaher die Eunostiden? und Poimeniden? (Maass a. O. 815f. Toepffer Rh. Mus. XLV 377f.), die Chalkiden aus Euboia? (Toepffer Att. Geneal. 312), die Phytaliden aus Troizen? (Toepffer Att. Geneal. 252ff.), die Androkliden aus Messenien (Toepffer 244ff. und oben Bd. I S. 2145ff.), die Antagoriden aus Kos? (Toepffer 312 und oben Bd. I S. 2338). Sehr zweifelhaft ist dagegen die Zuwanderung der Perithoiden aus Thessalien, angeblich attischer Herakliden aus dem Norden (Maass 812f. 829f. Toepffer Rh. Mus. XLV 383. 379), der Lykomiden aus Boiotien (Busolt Gr. Gesch. II² 69 A). Fälschlich und in tendenziöser Absicht hat auch die spätere attische Überlieferung die Vorfahren der Alkmeoniden, Paioniden, Medontiden aus Messenien nach A. einwandern lassen (Toepffer Att. Geneal. 225ff.), die Philaiden aus Salamis (Toepffer 269ff.).
Die Masse der historischen Attiker, die dem Lande in erster Linie sein Gepräge, seine Kultur, seine Sprache gegeben haben, ist als geschlossenes Volk eingewandert, wann, woher und auf welchem Wege lässt sich mit Bestimmtheit nicht sagen, wahrscheinlich ist, dass die Einwanderung erfolgte am Ausgang des 2. Jahrtausends v. Chr., aus Nordgriechenland, auf dem Seewege, vielleicht über Euboia, oder auf dem Landwege längs der Ostküste. Die Zeit bestimmt sich durch die vor dem Einbruch in A. heimische mykenische Kultur, deren Blüte in die zweite Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. fällt (Nachweise bei Busolt Gr. Gesch. II² 70, 1), der Ausgangspunkt durch die im allgemeinen feststehende Nord-Süd-Richtung der ältesten Wanderungen auf der Balkanhalbinsel, der Weg durch die glaubwürdig zu erschliessenden ersten Sitze der einwandernden Attiker an der Ostküste A.s (Litteratur bei Busolt Gr. Gesch. II² 70, 1, vgl. besonders G. Gilbert Jahrb. f. Philol. Suppl. VII 220ff. Toepffer Att. Geneal. 262; Aus der Anomia 30ff. – nicht überzeugend dagegen E. Meyer Herm. XXVII 1892, 374ff. – G. Kirchner Attica et Peloponnesiaca, Diss. Greifswald 1890, 16).
Diese Attiker gehörten dem ionischen Stamm an wie, abgesehen von den Einwanderungssagen (s. Ion), ihr Dialekt (Litteratur bei Meisterhans Gramm. d. att. Inschr.² 1888. Busolt Gr. Gesch. I² 193), der als religiöse Grundlage des attischen Staatsbürgertums dienende Kult des Apollon Patroos neben dem des Zeus Herkeios (Toepffer Att. Geneal. 6f.) und andere kultliche Zusammenhänge (s. Apaturia, Dionysia, vgl. Busolt Gr. Gesch. I² 71, 1. Tascher Rev. des études gr. IV 1891, 1ff.), die Einteilung in die alten vier ionischen Geschlechtsphylen der Geleontes, Argadeis, Aigikoreis, Hopletes (s. d.) beweisen. Als Urheber dieser Einteilung wie der gesammten specifisch attischen Grundverfassung galt eben Ion (Herod. V 66. Aristot. Ἀθ. πολ. 41, 2, vgl. 8, 3. 21, 1; frg. 1, 3. Strab. VIII 383. Plut. Solon 23. Eurip. Ion 1575–1581, vgl. Busolt I² 279f. Hermann-Thumser 290ff.).
Dass der Name der Ionier und damit der Eponymos Ion wahrscheinlich erst in einer Zeit geschaffen ist, als die Attiker bereits längst in A. sassen, und ihre mythische Königsliste, in die [2212] Ion keine Aufnahme fand, schon geschlossen war, nach der Colonisation Kleinasiens, der ,ionischen Wanderung‘ (E. Meyer Forschungen z. alt. Gesch. I 125ff., vgl. v. Wilamowitz Aristot. u. Athen II 138), widerspricht dieser Auffassung nicht: die Stammesindividualität, die so spät einen bestimmten Namen fand, konnte und, wenn wir die sprachlichen Verhältnisse in Rechnung ziehen, musste bereits vorher bestehen. Als Einteilung für diesen Stamm waren schon auf der Wanderung die vier Phylen vorhanden, wie bei allen ursprünglichen Volksgliederungen der Indogermanen, die wir kennen, auf geschlechtlicher Grundlage ruhend. Nur so lässt es sich verstehen, dass die Spuren davon an den meisten Stellen, wo Ionier sich niederliessen, wiederkehren (vgl. o.). Wenn wir sie an dem einen oder andern Orte nicht nachweisen können, liegt das nur an unserer trümmerhaften Überlieferung. Auch ist zu berücksichtigen, dass im Verlaufe der Wanderungen, in der Mischung des herrschenden und bestimmenden Elements der Ionier mit andern griechischen Völkerschaftselementen natürlich die alten Zusammenhänge verändert und zum Teil gelöst wurden. In A., wo wir die Ionier zuerst sicher sesshaft finden, ist uns die alte Gliederung am reinsten und klarsten erhalten geblieben. Da das bei der ersten Eroberung besetzte Land nicht für den ganzen wandernden Stamm genügte, so gab jede Phyle einen Teil ihrer Männer ab, es bildete sich ein Ableger des Stammes seiner Organisation nach als verkleinertes Abbild des grossen Stammes. Ähnlich ist wohl auch bei den weiteren rein ionischen Ansiedelungen verfahren worden. Wie gross die Anzahl der in A. angesiedelten Familien war, dafür fehlt jede Schätzung. Das Zahlenschema, das uns Aristoteles (Ἀθ. πολ. frg. 3, vgl. Poll. III 52. Xen. mem. III 6, 14, Proklos zu Hesiod. Erga 491. Busolt Gr. Gesch. II² 111, 2) überliefert: jede Phratrie (Trittys) zu 30 Geschlechtern (zusammen 360), jedes Geschlecht zu 30 Männern (zusammen 10 800), verdient vielleicht wenigstens teilweise Glauben, lässt sich aber auf seine Gültigkeit nicht nachprüfen. Überdies handelt es sich hier wohl unzweifelhaft um ,Geschlechter‘ im späteren staatsrechtlichen Sinne (vgl. S. 2220f.), nicht um die ursprünglich einwandernden Familien, obwohl die Übertragung der Gesamtzahl von den einen auf die andern denkbar wäre.
Die wichtigen, vielfach erörterten Fragen nach dem Namen und dem Charakter der Phylen, die zahllosen Hypothesen über ihre Einführung und Verteilung (Litteratur bei Hermann-Thumser 290ff. Busolt II² 98ff.) lassen sich hier nicht im einzelnen behandeln. Die meisten Hypothesen erledigen sich von selbst durch die vorausgehende und nachfolgende Darlegung. Gegen die Vermutung, dass die Phylen erst eine verhältnismässig späte, bewusste Schöpfung und Gliederung des attischen Volkes darstellten (Gilbert Staatsaltert. I² 113: durch Theseus, v. Wilamowitz Aristot. u. Athen II 140ff.: nach der ionischen Colonisation), spricht u. a. besonders der uralte gennetische Charakter und die Verbreitung der Phylen in anderen ionischen Gebieten. Zurückzuweisen ist auch die durch nichts gerechtfertigte Annahme, dass in den Phylen eine Mischung des [2213] neu hinzutretenden ionischen Elements mit drei Abteilungen der Urbevölkerung vorliege. Die Namen haben bisher noch nicht alle eine überzeugende Erklärung gefunden, doch ist die alte nächstliegende Auffassung, dass mit ihnen bestimmte Thätigkeiten bezeichnet würden, der neuen von Maass Gött. gel. Anz. 1889, 806ff. zunächst für die Argadeis und Aigikoreis versuchten Zurückführung auf einen mythischen Stammvater (Argos, Aigis) vorzuziehen. Daraus folgt aber nicht notwendig, dass man in den Phylen mit F. Haase Athen. Stammverfassung, Abh. d. hist. phil. Gesellsch. i. Breslau I 1857, 59ff. Kasten zu sehen hat; dem hat namentlich Philippi Beitr. z. e. Gesch. d. att. Bürgerrechts 1870, 274ff. ganz mit Recht widersprochen; nur wird man vermuten dürfen, dass die Namen für die Wanderung der Ionier oder für einen bestimmten Abschnitt der Wanderung, etwa das erste Zusammensitzen des ionischen Stammes als besonderen Stammes, eine unmittelbar bezeichnende und danach vielleicht eine militärische Bedeutung gehabt haben. Eine locale und administrative Bedeutung haben die Phylen natürlich erst gewinnen können, nachdem die Attiker wirklich vom ganzen Lande Besitz ergriffen hatten. Was uns von der Einteilung A.s in vier Phylen aus vorionischer Zeit berichtet wird (Litteratur bei Hermann-Thumser 287ff.), beruht auf verhältnismässig später Erfindung, für die das attische Autochthonentum massgebend war.
Über die Eroberung des gesamten A. durch die Ionier fehlt uns jede Nachricht, nur vermuten lässt sich, dass sie ganz allmählich und vielfach auf friedlichem Wege erfolgte: die Übernahme der Kulte von der Urbevölkerung, die Bildung der Autochthonenlegende der Attiker (vgl. Herod. I 59. VIII 44) spricht dafür. Die Freien des alten Volkes sind in die ionischen Verbände aufgegangen, vielleicht sogar unmittelbar aufgenommen worden. Möglicherweise giebt uns die Überlieferung von der Hülfe, die bald Ion, bald Xuthos (s. d.) den Athenern gegen die Thraker in Eleusis geleistet haben sollen (Herod. VIII 44. Aristot. Ἀθ. πολ. 3, 2. Strab. VIII 383. Philoch. bei Harpokr. u. Suid. s. βοηδρόμια. Etym. M. s. βοηδρομεῖν und Βοηδρομιών. Paus. I 31, 3), noch den Weg an, auf dem die Ionier zur Ausbreitung ihrer Macht gelangten: der kräftige Wanderstamm wurde von der kultivierten, schwächeren Urbevölkerung in den andauernden Landes- und Nachbarfehden zu Hülfe gerufen und behielt danach die Herrschaft. Andererseits können wir den Nachrichten von den Kämpfen zwischen Aigeus-Theseus und den Pallantiden (Plut. Thes. 13, 3. 5. Philoch. in Schol. Eurip. Hippol. 35), dem Gegensatze zwischen Aigeus und dem Pandioniden Lykos (Herod. I 173), zwischen Theseus und dem Erechtheiden Menestheus (Plut. Thes. 32. 35), der Vertreibung der Pelasger durch die Athener (vgl. o.) entnehmen, dass oft die Waffen zwischen Einwanderern und Eingesessenen entschieden haben, und die alte Bevölkerung vielfach ganz vertrieben worden ist. An anderen Stellen mag sie sich wieder in grösserer Zahl behauptet haben, namentlich in Eleusis.
Die Eroberung A.s durch die Ionier musste natürlich auf ihre ganze Organisation wirken; wie bei allen Stämmen, die von der Wanderschaft [2214] zur Sesshaftigkeit gelangen, trat eine Decentralisation ein. Wenn vorher eine straffe militärische Unterordnung unter den Heerkönig (βασιλεύς) und die Befehlshaber der einzelnen Geschlechtsheerhaufen (φυλοβασιλεῖς) geherrscht hatte, bildeten sich jetzt ähnlich den germanischen Gaugemeinden zahlreiche kleinere Herrschaften (πόλεις) unter Gaufürsten und neben ihnen einzelne freie Geschlechtsdörfer (κῶμαι, vgl. u.). Der Phylenverband erhielt einen localen Charakter und sank zugleich mehr und mehr vom militärischen zum religiösen Verband herab. Nur wenn die gemeinsame Not es forderte, erneuerte man die alte militärische Gliederung von der Wanderschaft, sonst herrschten Sonder- und Localinteressen, nicht selten wohl auch Einzelfehden, der Zustand, wie ihn Thukydides (II 15) beschreibt. Nicht einmal Conubium scheint zwischen allen Gemeinden bestanden zu haben, wenigstens fehlte es noch in später Zeit bei Pallene und Agnus (Plut. Thes. 13). Vielleicht standen hier verschiedene Volkselemente einander gegenüber.
Zahl und Namen der einzelnen Dörfer lassen sich nicht mehr feststellen, nicht einmal Zahl und Namen der einzelnen Herrschaften und Fürstenburgen. Die spätere attische Überlieferung, Philochoros bei Strab. IX 397 (vgl. Marm. Par. 34f. Theophr. char. 26. Charax v. Pergamon bei Steph. Byz. s. Ἀθῆναι), nannte als schon zu Kekrops Zeit vorhanden zwölf Städte, die als Dodekapolis den attischen Staat gebildet hätten: Kekropia, Tetrapolis, Epakria, Dekeleia, Eleusis, Aphidna, Thorikos, Brauron, Kytheros, Sphettos, Kephisia. Die zwölfte Stadt fehlt, man hat dafür mit einem Teil der Hss. gewöhnlich Phaleros eingesetzt; v. Wilamowitz Aristot. u. Athen II 143, 34 ergänzt Munichia. Die abweichende, namentlich von Haase Athen. Stammverf. 67f. und Philippi Beitr. z. e. Gesch. d. att. Bürgerr. 257ff. gebilligte Gruppierung und Benennung der Zwölfstädte im Etym. M. s. ἐπακρία χώρα und bei Suidas s. ἐπακτρία χώρα ist längst mit Recht zurückgewiesen worden (vgl. Hammarstrand Jahrb. f. Philol. Suppl. VI 814f. Gilbert ebd. VII 203f.). Aber auch die echte bei Strabon erhaltene Angabe des Philochoros bietet keine Gewähr historischer Wahrheit. Auffallen muss schon die seltsame geographisch unverständliche Anordnung, ferner dass auch bei möglichst weiter Ausdehnung der einzelnen Stadtgebiete (s. d. Einzelartikel) das Gebiet A.s nicht ganz ausgefüllt wird (s. u.), endlich dass Thukydides und die ältere Überlieferung, wenn sie sich auch mit Philochoros vereinigen lässt, doch von der Zwölfstadt nichts weiss. Deshalb scheint, wie längst erkannt, die philochoreische Nachricht nur eine an die ionische Dodekapolis in Achaia und Kleinasien, an die vorkleisthenischen zwölf Phratrien und Trittyen (s. u.) anknüpfende Tradition zu enthalten, die wieder das Uraltertum und Urioniertum der Attiker bestätigen sollte. Der historische Kern, den wir Philochoros Notiz entnehmen können, ist nur, dass die darin aufgezählten Städte zu den ältesten Gaustaaten bezw. Gauverbänden A.s gehört haben; diese Auffassung wird durch die an verschiedene (Aphidna, Thorikas u. a.) anknüpfenden Sagen bestätigt. Andere alte Gemeinden und Burgen waren, wie wir mit grösserer oder geringerer Wahrscheinlichkeit [2215] erschliessen können: Agnus, Aithalidai, Anagyrus, Anaphlystos, Araphen, Athmonon, Auridai, Butadai, Cholleidai, Daidalidai, Echelidai, Eiresidai, Epieikidai, Eroiadai, Eunostidai, Eupyridai, Gargettos, Hippotomadai, Hybadai, Ionidai, Iphistiadai, Keiriadai, Kettos, Kothokidai, Kropidai, Kydantidai, Kyrteidai, Lakiadai, Leipsydrion?, Marathon, Munichia, Oinoe, Paionidai, Pallene, Pambotadai, Peiraieus, Pelekes, Perithoidai, Perridai, Phaleron, Philaidai, Phlya, Pitthos, Plotheia, Prasiai, Probalinthos, Psaphis, Rhakidai, Rhamnus, Semachidai, Skambonidai, Sybridai, Sypalettos, Thymoitadai, Thyrgonidai, Titakidai, Trikorythos, Tyrmeidai, Xypete (s. d.). Im einzelnen fehlen uns vorläufig wenigstens die Anhaltspunkte, um eine vollständige Liste anlegen zu können, einzelne der angeführten Geschlechtsdörfer mögen auch nicht den ursprünglichen Geschlechtssitz bezeichnen und erst später gegründet sein (Loeper Athen. Mitt. XVII 1892, 396). Dass sich von den kleinen Gemeinden einzelne benachbarte, abgesehen von dem Stammes- und Phylenverband, nach und nach zu engerer Gemeinschaft zusammenschlossen, ist nur natürlich. Dieser Zusammenschluss trug zunächst einen religiösen Charakter, mag aber darüber hinausgehend bisweilen einen politischen angenommen haben, ohne dass wir freilich diesen Charakter, von Eleusis vielleicht abgesehen (s. u.), je bestimmt nachweisen können; denn Namen wie Tetrapolis, Trikomoi beweisen nichts. Die Spuren solcher Verbände sind noch in der späteren Zeit bemerkbar. Obenan steht die ionische Tetrapolis (s. d.), zusammengesetzt aus den Gemeinden Marathon, Probalinthos, Oinoe, Trikorythos (Strab. VIII 374f. 383. X 446. Plut. Thes. 14, 1. Diod. IV 57, 4. Steph. Byz. s. v. Schol. Aristoph. Lys. 285. CIA II 601. 1324, vgl. W. Gurlitt De tetrapoli Attica, Diss. Göttingen 1867) und wahrscheinlich durch einen Apollonkult verbunden. Dazu kommen die um einen Herakleskult gesammelten Tetrakomoi Peiraieus, Phaleron, Xypete, Thymoitadai (Poll. IV 105. Hesych. s. τετράκωμος, Ἡρακλέῖον τετράκωμον. Steph. Byz. s. Ἐχελίδαι), die wahrscheinlich im nordwestlichen Pedion angesessenen Trikomoi Eupyridai, Kropidai, Pelekes (Steph. Byz. s. Εὐπυρίδαι), andere Trikomoi in der Mesogeia (Athen. Mitt. XII 87, 27). Ähnliche Kultverbände stellten wohl dar die Mesogeioi östlich des Hymettos (CIA II 602. 603), die Gemeinde der Athena Pallenis, die späteren Demen Gargettos, Pitthos, Sphettos, Pallene? (Themison bei Athen. VI 235 a, vgl. 234f. Gilbert Jahrb. f. Philol. Suppl. VII 212f.), des Zeus Hekalos (Plut. Thes. 14, 2), die Epakreis, zu denen wahrscheinlich die kleisthenischen Demen Semachidai und Plotheia gehörten (Bekk. Anecd. I 259, vgl. 253. Philoch. bei Steph. Byz. s. Σημαχίδαι. CIA II 570, 30). Die von Gilbert a. O. 211f. vermuteten angeblich politischen Gemeindeverbände Aphidna (s. d.) mit Titakidai (Herod. IX 73) und Perrhidai (Hesych.), und Brauron (s. d.) mit Philaidai (Plut. Sol. 10, 2, vgl. Plat. Hipp. 228 b. Schol. Aristoph. Vög. 873) sind wahrscheinlich aus der späteren Demenorganisation zu erklären (vgl. Milchhöfer o. Bd. I S. 2719f.). Eine starke und umfangreiche Herrschaft muss dagegen früh die Hauptgegnerin des benachbarten Athen, Eleusis [2216] (s. d.), erworben haben, bei dem die wachsende Verehrung seines Kults, das fruchtbare und räumlich abgeschlossene Gebiet die Machtentfaltung förderten. Die grossartigen Befestigungsanlagen auf dem Rücken und in den Pässen des Aigaleosgebirges, von denen noch jetzt stattliche Reste erhalten sind (Milchhöfer Karten von Attika, Text II 1883, 43ff.), beziehen sich wahrscheinlich auf die auch in der Sage erwähnten Grenzfehden zwischen Eleusis und Athen (Thuk. II 15, 1. Isokr. IV 68. XII 193. Plat. Menex. 239 b. Ps.-Apollod. bibl. III 203, vgl. v. Wilamowitz Kydathen 126. Toepffer Att. Geneal. 41ff.).
Der Charakter eines ganz lose verknüpften Bundesstaats, eines κοινόν, ist A. jedenfalls längere Zeit geblieben. Bis in die spätere römische Kaiserzeit erhielten sich Spuren alter Sonderüberlieferung der Demen im Gegensatz zu der hauptstädtisch athenischen (Paus. Ι 14, 7. 31, 5. 38, 2), und einzelne Heroen der alten Landgemeinden wie Kephalos von Thorikos und Dekelos von Dekeleia (s. d.) sind zu grossem Ansehen gelangt. Was die zahlreichen kleinen Herrn schliesslich zur Bildung eines Einheitsstaates A. getrieben hat, wissen wir nicht, wahrscheinlich sind es die auswärtigen Verhältnisse, die Wogen immer neuer Volkshaufen, die gegen die attischen Grenzen heranfluteten, der Druck der die Küsten A.s bedrohenden seemächtigen Völker (s. Minos) gewesen. Sie schufen einen dauernden Kriegszustand und belebten damit aufs neue das alte Heerkönigtum. Andererseits musste bei dem beständigen Krieg das Heerkönigtum sehr bald an eine besonders mächtige Gaufürstenfamilie übergehen, und die für dieses Amt geborenen Fürsten waren die Herren von Athen. Ihr im Centrum A.s gelegenes Gebiet, ihre die grösste Ebene des Landes beherrschende und zugleich für den Verkehr geeignete mächtige Burg bestimmten sie von vornherein zu Landeskönigen, ihre Gemeinde zur Hauptstadt A.s. Nach der gesamten Überlieferung war es der sagenhafte König Theseus (s. d.), der die Einigung des Landes vollzog (Thuk. II 15, 1. 2. Plut. Thes. 24. 25; Litteratur bei Hermann-Thumser 303ff.), an sie erinnerten die einander ergänzenden Feste der Synoikien und Panathenaeen (s. d.).
Der ,theseische Synoikismos‘, die Begründung des Einheitsstaates A., ist nicht als sagenhafte Verkörperung eines langsamen Werdeprocesses, sondern mit Thukydides als ein von irgend einem athenischen Stadtkönig durchgeführter wirklicher staatsrechtlicher Act anzusehen, der die verschiedenen Volks- und Herrschaftselemente endgültig verschmolz, als der Abschluss einer langen, auf dieses Ziel hindrängenden Entwicklung. Alle inneren Kämpfe, von denen die Überlieferung berichtet, soweit sie nicht eine Reaction gegen die vollzogene staatliche Einigung sind, namentlich die Kämpfe zwischen Athen und Eleusis, müssen dem Synoikismos vorausliegen. Wir kennen nur eine endgültige Einung A.s, und die Versuche deren zwei nachzuweisen, eine ohne, eine mit Eleusis (v. Wilamowitz Kydathen 124. 132f.), beruhen lediglich auf Vermutung. Schon damals sind auch wohl eben durch die Einung die Grenzen des politischen Begriffes A. für alle Zeiten festgelegt worden, am Ende des 7. Jhdts. stehen [2217] sie jedenfalls fest (v. Wilamowitz Herm. XII 343 A., vgl. Winterberger Vortrag in der berl. archaeol. Gesellschaft, Juli 1892, Berl. philol. Wochenschr. 1892, 1248). Dieses politische A. umfasst die durch den Parnes und Kithaironrücken nordwärts abgeschlossene Halbinsel; die erst später gewonnenen Gebiete von Oropos, Eleutherai und Salamis gehören nicht dazu (v. Wilamowitz a. O., vgl. u.). Dass man geographisch und ideell auch damals die Grenzen A.s weiter zog und den Asopos als Grenzmarke betrachtete (v. Wilamowitz Herm. XXI 112 nach Il. X 287. Herod. VI 108. Eurip. Her. 1163), ist ganz wohl damit zu vereinigen; thatsächlich lagen Oropos und Eleutherai in einem ethnographisch nicht zu A. zählenden, während der ganzen attischen Geschichte strittigen Gebiet, in der Grenzzone, zu der man die Nordabhänge des Parnes und Kithairon gemacht hatte. Von Megara, das ein Teil der Überlieferung Alt.-A. zuweist (Philoch. u. A. bei Strab. IX 392. Plut. Thes. 25, 3. Paus. I 39, 4 Schol. Aristoph. Wesp. 1223; Lysistr. 58, vgl. v. Wilamowitz Herm. IX 320), ist die Zugehörigkeit sehr zweifelhaft; die darauf deutenden Sagen sind vermutlich erst im 6. Jhdt. v. Chr. entstanden (Brückner Athen. Mitt. XVI 1891, 200ff.).
Die Zeit des theseischen Synoikismos ist ebenfalls nicht genau festzulegen. Die attischen Chronisten setzten ihn in das J. 1259, aber lediglich aus chronologischer Spielerei (vgl. E. Schwartz Abh. Gesellsch. Gött. XL 1894, 55f.). Jedenfalls gehört er spätestens an den Anfang des 1. Jahrtausends v. Chr., in die attische Königszeit. Dem scheint zu widersprechen, dass nach der besonders durch v. Wilamowitz Kydathen 124f. begründeten und jetzt fast ausnahmslos angenommenen Auffassung Eleusis erst im 7. Jhdt. v. Chr. dem Gesamtstaate A. einverleibt worden ist, auch Thorikos soll bis dahin selbständig gewesen sein, aber die für diese Auffassung vorgebrachten Beweise sind nicht zwingend, vielmehr sehr bestreitbar. Ganz neuerdings hat Ed. Meyer Gesch. d. Altertums II 1893, 340f. mit Recht geltend gemacht, dass A., soweit wir geschichtlich hinaufkommen können, als Einheitsstaat erscheint, und dafür auf die Erwähnungen Od. III 278 Σούνιον ἱρὸν ἄκρον Ἀθηνέων. Hymn. Apoll. Del. 30 ὅσσους Κρήτη τ’ ἐντὸς ἔχει καὶ δῆμος Ἀθηνῶν (nicht unmittelbar beweisend ist Od. VII 80 ἵκετο δ’ ἐς Μαραθῶνα καὶ εὐρυάγυιαν Ἀθήνην) verwiesen. Man wird hier wie bei den Versen des Schiffskatalogs (Il. II 546ff. οἳ δ’ ἄρ’ Ἀθήνας εἶχον, ἐυκτίμενον πτολίεθρον κτλ.) über das Alter der Stellen streiten können, die attische Überlieferung der homerischen Gedichte ist zu berücksichtigen, und attische Interpolationen sind nicht ausgeschlossen, aber sie sind für die zuerst angeführten Verse sehr unwahrscheinlich; die Odysseestelle scheint aus einem alten Nostos zu stammen. Dazu kommt, dass die Selbständigkeit von Eleusis und Thorikos für die Abfassungszeit des Demeterhymnos, die v. Wilamowitz aus dem Hymnos selbst erschliesst, durchaus nicht notwendig aus dem Hymnos folgt. In Eleusis, dessen Anschluss an den Synoikismos allerdings ganz zuletzt und unter besonderen Zugeständnissen von seiten Athens erfolgt sein muss (vgl. Paus. I 38, 3. v. Wilamowitz [2218] Aristot. u. Athen II 38f. Robert Herm. XX 377f. Foucart Bull. hell. IV 1880, 233f.), weil es offenbar einer der mächtigsten Gauverbände neben Athen war, dem einzigen Demos A.s, der zeitweise wieder selbständig gewesen ist (403–401. Ende 4. Jhdts. v. Chr.; vgl. u.), der Münzen geschlagen hat, musste sich natürlich das locale Selbstbewusstsein, die Localtradition noch weit stärker erhalten, als in den andern Demen (vgl. o.), und es ist durchaus nichts Wunderbares, dass sich im 7. oder 6. Jhdt. Dichter fanden, die die Zeit der alten Selbständigkeit besangen. Daraus, dass Ion der erste Polemarch genannt wird und angeblich die Athener im Kampfe gegen Eleusis geführt haben soll, folgt noch nicht, dass, als Eleusis zum Anschluss an das geeinte A. genötigt wurde, schon das spätere Amt des Polemarchen bestand. Die Mehrzahl der in Athen geehrten, beim Kult thätigen eleusinischen Geschlechter ist nicht als eine jüngere Entwicklungsphase der eleusinischen Verfassung, sondern als eine Bewahrung der ältesten Verhältnisse zu betrachten: die einzelnen Gaufürsten der eleusinischen Ebene hatten sich um das Heiligtum geschart und geeinigt. Thatsächlich nennt auch der Demeterhymnos (153ff. 473ff.) bei seiner Schilderung der Urverhältnisse mehrere Fürsten. Auch die einzelnen Bestimmungen des Vertrages zwischen Eleusis und Athen, ganz abgesehen davon, dass manche Einzelheit später festgesetzt sein kann, beweisen nichts gegen eine Vereinigung in der Königszeit, ebensowenig die Münzen von Eleusis (Koehler Athen. Mitt. IV 1879, 250ff.), die sämtlich der Mitte des 4. Jhdts. v. Chr. anzugehören scheinen (Head HN 328). Ein, wenn er wirklich vorhanden wäre, sehr zwingender Beweis für den späten Anschluss von Eleusis an Athen, dass der attische Archonteneid den Namen der Demeter noch nicht enthalte, während er im Heliasteneid vorhanden sei (v. Wilamowitz Kydathen 95), entbehrt der urkundlichen Begründung (vgl. Wilh. Hofmann De iurandi apud Athenienses formulis, Diss. Strassburg 1886, 41ff.; dazu Aristot. Ἀθ. πολ. 3, 2).
Der ,theseische Synoikismos‘ hatte zunächst einen rein staatsrechtlichen Charakter: es gab fürderhin nicht mehr einzelne mehr oder weniger selbständige Gaugemeinden und Gauverbände, sondern eine grosse Stadt- und Staatsgemeinde, Athen. An der Spitze stand der frühere König von Athen, neben ihm müssen wir aber als eine Art von Staatsrat die andern Gaufürsten suchen, die schwerlich ihre Souveränetät ohne jede Gegenleistung aufgegeben haben. Dieser Rat bildet vielleicht den Anfang der areopagitischen Bule (s. Ἄρειος πάγος o. S. 628ff.), und durch ihn erfuhr, wie das Altertum schon richtig bemerkte (Aristot. Ἀθ. πολ. 41, 2), das ,theseische‘ Königtum eine gewisse Machtbeschränkung. Ausserdem sind noch andere staatsrechtliche und neben ihnen locale Änderungen auf die Gründung des attischen Einheitsstaates zurückzuführen. Die in der Hauptsache schon vorher geschlossenen Gebiete der vier Phylen müssen jetzt vollständig den Charakter örtlicher Bezirke erhalten haben. A. bekam so seine erste Landordnung. Die neue Hauptstadt Athen wuchs als Sitz der Landesregierung an Bevölkerung und Umfang, einzelne Kulte aus der Landschaft und dem Grenzgebiet, wie die Artemis von Brauron, [2219] der Dionysos von Eleutherai, die eleusinischen Götter erhielten hier Zweigkultstätten. Jetzt konnten sich erst Berufs- und Standesgegensätze schärfer ausbilden, der hohe Adel verliess, um am Regiment teilnehmen zu können, meist seine Burgen und zog nach Athen. Nicht ganz ohne Grund hat man deshalb die Bildung der drei Stände der Eupatridai, Agroikoi (oder Geomoroi oder Georgoi), Demiurgoi (s. d.) auf Theseus zurückgeführt (Plut. Thes. 25, 1. 2). Mit den vier Phylen, mit denen man sie zusammengebracht hat (Haase Athen. Stammverf. 93ff.), haben diese erst im Laufe der folgenden Jahrhunderte voll entwickelten Bevölkerungsklassen nichts zu thun (vgl. Hammarstrand Jahrb. f. Philol. Suppl. VII 821ff.).
Nach aussen hin scheint der enge Zusammenschluss des attischen Volkes dessen Macht gehoben zu haben, wenigstens wird die Befreiung der Athener von der kretischen Zwingherrschaft (s. Minos), die Besiegung der Amazonen (s. Bd. I S. 1759ff.) Theseus zugeschrieben; auch die Megaris soll er erobert haben (Plut. Thes. 25, 3). Im Innern hat es vermutlich nicht an Erschütterungen, an Reactionen nationaler und politischer Art gegen den Einheitsstaat gefehlt. Ob in dem Helenaraube des Theseus und dem von einem Teil der attischen Fürsten unterstützten Tyndarideneinfall (Toepffer Aus der Anomia 36ff.) irgend welches historische Element steckt, ist freilich nicht auszumachen; auch was von Theseus Vertreibung und Menestheus Erhebung berichtet wird (Plut. Thes. 32), lässt keine klare historische Auflösung zu.
Über der auf den Abschluss des Einheitsstaates folgenden Zeit ruht tiefes Dunkel. Die Königsliste bis zur Aufrichtung der Aristokratie lautet Menestheus, Demophon, Oxyntes, Apheidas, Thymoites, Melanthos, Kodros (s. d.), aber es sind zum Teil erfundene, jedenfalls geschichtlich inhaltsleere Namen. Ebensowenig haben die für diese Könige festgesetzten Regierungszeiten irgendwelche Bedeutung (vgl. Büchenschütz Könige v. Ath. 31ff. Clinton F. H. I 59ff. v. Wilamowitz Aristot. u. Athen II 129ff. E. Schwartz Abh. Gött. Ges. XL 15ff. 39f.). Die gesamte attische Königszeit rechnen die Chronographen zu 488 Jahren (vgl. Busolt Gr. Gesch. II² 103, 3, dazu Schwartz a. O.). Dass A. von dem Eroberungszuge der nach und in der Peloponnes vordringenden Dorier nicht unberührt geblieben ist, ist mit Sicherheit anzunehmen, wenn auch die Geschichte von Kodros Opfertode wie die ganze Persönlichkeit des Kodros (s. d.) in das Reich der Erfindung gehört. Auch der Anteil, den A. an der ionischen Colonisation Kleinasiens, der ,ionischen Wanderung‘ genommen hat, lässt sich nicht genauer bestimmen. Die von der athenischen Überlieferung gepriesene Stellung Athens als der Mutterstadt aller kleinasiatisch-ionischen Städte ist eine erst im 6./5. Jhdt. v. Chr. ausgebildete, durch die politischen Verhältnisse dieser Zeit bestimmte Sage (Toepffer Att. Geneal. 231ff. v. Wilamowitz a. O. 129ff. 138).
II. Adelsherrschaft und Volksgemeinde in Attika (800–500 v. Chr.). Der Schleier, der über der Königszeit A.s liegt, breitet sich auch über die Anfänge der Geschlechterherrschaft. Weder [2220] die Zeit noch die Art des Übergangs vom Königtum zur Adelsrepublik steht fest (vgl. Busolt Gr. Gesch. II² 132, 3). Die landläufige Tradition berichtet, dass mit Kodros Sohne Medon die Herrschaft an ein neues Geschlecht übergegangen und ein Wahlkönigtum an Stelle des Erbkönigtums getreten sei, dass nach einander dreizehn sog. lebenslängliche Archonten geherrscht hätten: Medon, Akastos, Archippos, Thersippos, Phorbas, Megakles, Diognetos, Pherekles, Arriphron, Thespieus, Agamestor, Aischylos, Alkmeon (s. d.); sie rechnet für diese die J. 1068–754/3 v. Chr. Dann sollen eine Reihe zehnjähriger Archonten bis zum J. 684/3 v. Chr. gefolgt sein, mit dem das Regiment der jährigen Archonten beginnt (s. o. S. 569ff., Material bei Busolt II² 132, vgl. Toepffer Herm. XXXI 1896, 105ff. Schwartz a. O. 16ff., der als zeitliche Wendepunkte die J. 762/1 und 682/1 nachzuweisen sucht). Auch hier stehen wir noch auf keinem festen chronologischen und historischen Boden, wenn auch die Namen bis auf Medon den Eponymos des auch im Wahl- und Zeitkönigtum zunächst weiterregierenden Herrschergeschlechtes der Medontiden fast alle einen guten geschichtlichen Klang haben und die Aufzeichnung der Regenten vielleicht schon im 8. Jhdt. begonnen hat. Wahrscheinlich ist durch die andauernde Reaction des hohen Adels, der alten Gaufürsten, gegen das Landeskönigtum dieses mehr und mehr beschränkt worden, nach Aristoteles (Ἀθ. πολ. 3) zunächst durch das ursprünglich nur bei Gelegenheit besetzte Amt des Polemarchen, dann des Archon, der wohl als Gesamtvertreter des hohen Adels anzusehen ist, bis schliesslich der Landeskönig zum Oberpriester herabgedrückt wurde und der Adelsvertreter die eigentliche Regierung übernahm; neben ihm blieb der Polemarch bestehen. Die Einsetzung des Thesmothetencollegiums (s. d.) vollendete den Adelsstaat: die Eupatriden und in ihnen die Geschlechter (γένη), die von einem heroisierten Ahnen in männlicher Linie sich ableitenden staatlich anerkannten Familienverbände (Toepffer Att. Geneal. 2ff.) führten die Regierung. Wir kennen die folgenden (die nicht unmittelbar bezeugten sind mit einem * bezeichnet): Aigeirotomoi, *Aithalidai, Alkmeonidai, Amynandridai, Androkleidai, Antagoridai, *Apheidantidai, *Auridai, Bakchiadai, Brytidai, Buzygai, Chalkidai, Charidai, Chimaridai, *Cholleidai, *Daidalidai, Diogenidai, *Echelidai, *Eiresidai, Elasidai, *Epeikidai, *Eroiadai, Eteobutadai, Eumolpidai, Euneidai, *Eunostidai, Eupatridai, *Eupyridai, Gephyraioi, Hesychidai, Heudanemoi, *Hippotomadai, *Hybadai, *Ikarieis, Ionidai, *Iphistiadai, *Keiriadai, Kephalidai, Kephisieis, Kerykes, Koironidai, Kolieis, Kollidai, Koneidai, *Kothokidai, Krokonidai, *Kropidai, *Kydantidai, Kynnidai, *Kyrteidai, *Lakiadai, *Laxadai, Lykomidai, Medontidai, Metionidai, *Oikatai, Paionidai, *Pambotadai, *Pamphidai, *Paroikoi, *Perithoidai, *Perridai, Philaidai, Philleidai, Phoinikes, Phrasidai, Phreorychoi, Phyllidai, Phytalidai, Poimenidai, Praxiergidai, *Psaphidai, *Pyrretiadai, *Rhakidai, Salaminioi, Semachidai, *Skambonidai, Speusandridai, *Sybridai, Thaulonidai, *Thymoitadai, Thyrgonidai, *Timodemidai, Titakidai, *Tyrmeidai, *Zakyadai, Zeuxantidai (Toepffer a. O.; Rh. Mus. XLV 1890, 3ff.). Angeblich sollen insgesamt [2221] 360 Geschlechter ursprünglich bestanden haben (vgl. o. S. 2212). Eine gewisse Bestätigung für die Zahl bietet vielleicht auch das aus 300 Mitgliedern bestehende adelige Ausnahmegericht nach der kylonischen Verschwörung (Plut. Sol. 12, 2); man könnte sich denken, dass daran je ein Mitglied der damals noch vorhandenen Geschlechter teilgenommen hätte. Allerdings mahnt die runde Zahl zu vorsichtigem Schluss.
Der Kreis der Regierenden war durch die Einsetzung der Adelsherrschaft sehr erweitert worden, tatsächlich blieb aber das Regiment bei den vornehmsten und reichsten Geschlechtern (Aristot. Ἀθ. πολ. 2, 1. 3, 6). Dazu wirkte die eben damals auftretende Geldwirtschaft verhängnisvoll auf die ohnehin schwierigen Verhältnisse der attischen Bauernschaft, ganze Geschlechter wie einzelne Geschlechtsgenossen verarmten, viele Altfreie sanken zu besitzlosen abhängigen Tagelöhnern (θῆτες) und Zinsbauern (ἑκτήμοροι, πελάται) herab (Aristot. 2, 2. 3). Ausserdem bildete sich wahrscheinlich durch Zuwanderung nach und nach eine Gemeinde freier Staatsangehöriger, die nicht in die Phratrien und Geschlechter Aufnahme fanden (vgl. Busolt a. O. II² 116, 4) und dadurch von allen Rechten ausgeschlossen waren. Gerade in ihren Kreisen, nicht in den der alteingesessenen Bauern und Gutsbesitzer, mussten neben dem Handwerk Industrie und Handel Fuss fassen, durch die A. zum Wettbewerb in dem im 7. Jhdt. schon stark entwickelten Seeverkehr der Mittelmeerstaaten getrieben wurde. Der Reichtum A.s an vortrefflicher Thonerde hatte früh eine blühende Töpferindustrie (,Dipylonvasen‘) geschaffen, sie vermochte bald in den Vasen einen wichtigen Exportartikel zu liefern. Auch die Anfänger einer ausgebreiteten Öl- und Feigenbaumzucht mögen schon in jene Zeit zurückreichen, wenngleich A. damals überwiegend Getreideland blieb und noch nicht einer so starken Getreideeinfuhr wie später bedurfte. Die Folge dieser wirtschaftlichen Umgestaltungen war ein Vorwärtsdrängen der unteren Stände, der Kleinbauern- und Tagelöhnerschaft wie der Handwerker- und Kaufmannschaft, um einen Anteil an der Regierung zu erlangen. Der Ständekampf begann. Der erste Erfolg des niederen Volkes scheint die Einführung der sog. Naukrarienverfassung (s. Naukraroi) gewesen zu sein, die jedenfalls vor den kylonischen Aufstand (um 630) fällt (Herod. VI 71, vgl. Aristot. Ἀθ. πολ. 4, 2). Sie diente der Ordnung des Landesaufgebots und einer gerechteren, gleichmässigeren Verteilung der Kriegs- und anderer Lasten, über deren frühere Erhebung jede Nachricht fehlt. Das Gebiet der alten vier Geschlechtsphylen wurde in je drei Trittyen (Drittel), die Trittys in je vier Naukrarien geteilt, so dass im ganzen 12 Trittyen und 48 Naukrarien bestanden. Entsprechend gab es 4 Prytanen der Naukraren, 48 Naukraren, ob auch schon 12 Trittyarchen (s. d.) ist nicht überliefert. Jede Naukrarie stellte ein Kriegsschiff und später wenigstens auch zehn (? zwei überliefert) Reiter; die Naukraren waren den Polemarchen unterstellt (Aristot. Ἀθ. πολ. 8, 3. Poll. VIII 108. Bekk. Anecd. I 283, 20. Hesych. s. ναύκλαρος. v. Wilamowitz Aristot. u. Athen II 163, 48). Die Naukrarienverfassung brachte A. seine zweite Landordnung, die sich allerdings der [2222] ersten noch unterordnete und die vier Geschlechtsphylen als Hauptbezirke beibehielt. Die Steuerkassen der Naukrarien verwalteten die Kolakreten (s. d.). An der Steuerleistung waren vermutlich alle freien Staatsangehörigen, nicht nur die Geschlechtsgenossen beteiligt, und damit hängt wohl zusammen die Einrichtung der früher fälschlich als solonisch angesehenen Steuerklassen der Pentakosiomedimnoi, Hippes, Zeugitai, Thetes (vgl. Aristot. Ἀθ. πολ. 4, 3. v. Wilamowitz Aristot. u. Athen I 81f.).
Die wenigen uns bekannten Ereignisse aus dem Ende des 7. Jhdts., der kylonische Aufstand wie die drakontische Verfassungsreform (um 621, s. Drakon) haben anscheinend an der äusseren Gestaltung der Landschaft A. nichts geändert. Drakons Reform bildet nur eine weitere Etappe in dem von den unteren Massen siegreich durchgeführten Ständekampf, sie schafft, abgesehen von der Aufzeichnung des geltenden Landrechts, eine grosse gleichgestellte Bürgerschaft aus allen, die eine Waffenrüstung besitzen (Aristot. Ἀθ. πολ. 4, 2). Die politischen Rechte regeln sich nach der Steuerleistung. Zugleich lassen die von ihm verlangten in Geldwerten ausgedrückten Sätze an schuldenfreiem Vermögen für die einzelnen Beamtenklassen wie die für Versäumnis der Ratssitzungen festgesetzten Geldstrafen ein Anwachsen der Geldwirtschaft und dadurch eine Ausdehnung von Handel und Industrie erkennen (Aristot. Ἀθ. πολ. 4, 2. 3). Eine Bestätigung dafür geben die Monumente, die zahlreich verbreiteten und zum Teil sicher schon dem Ende des 7. Jhdts. angehörigen schwarzfigurigen Vasen (vgl. Solon frg. 13, 49f.). Ausserdem erweist die Ausdehnung des athenischen Handelskreises die Besetzung von Sigeion am grossen pontischen Seeweg in derselben Zeit (Strab. XIII 599ff. Euseb. b. Hieron. z. Ol. 36, 1 Armen. Übers. z. Ol. 43, 3, s. Phrynon, Sigeion). Ob auch Salamis (s. d.) damals oder schon früher vorübergehend durch die Athener in Besitz genommen worden ist, lässt sich nicht feststellen (s. u.). A., das an der grossen Colonisation des 8. und 7. Jhdts. nicht teilgenommen hatte, begann nach und nach die damit begründete Ausbreitung des Hellenentums sich nutzbar zu machen. Es befreite sich zugleich dadurch mehr und mehr von der Vormundschaft der benachbarten älteren Handelsmächte Aigina und Megara, wenn auch aeginaeisches Mass und aeginaeische Münze noch weiter in A. herrschten.
Die Entwicklung A.s vom Ackerbaustaat auf geschlechtlicher Grundlage zum Industrie- und Handelsstaat mit einer mehr und mehr timokratischen Basis führte allmählich zu einer weiteren Umgestaltung der socialen und politischen Verhältnisse. Auch Leute altadeliger Abstammung widmeten sich dem Handel (Solon frg. 13, 7ff. 43ff. Plut. Sol. 2) und hoben damit den gesamten Kaufmannsstand. Andererseits litt die Kleinbauernschaft unter dem wachsenden Kapitalismus und unter dem Niedergang des Getreidebaues, dem die mit der Ausbreitung des Handels ganz natürlich steigende Getreideeinfuhr starke Concurrenz machte; Ölbaum-, Wein- und Feigenbau traten zunehmend an seine Stelle (Plut. Sol. 24, 1), die grösseres Anlagekapital forderten und eine längere Wartezeit bis zu wirklichem Ertrag verlangten. [2223] Unglückliche Kriege mit den Handelsconcurrenten, namentlich mit Megara – wenn Salamis vorher in attischen Händen war, ist es damals wieder verloren gegangen, jedenfalls waren alle Anstrengungen der Athener, die Insel zu gewinnen, umsonst (Sol. frg. 1, vgl. Toepffer Quaest. Pisistrateae 1885, 52, 1) – vollendeten die Verarmung der Bauern, die unter den geltenden harten Schuldgesetzen vielfach ausser dem Gut auch die Freiheit einbüssten (Aristot. Ἀθ. πολ. 2. 5. 12, 4. Solon. frg. 36). Die alten Stände der Eupatriden, Agroikoi und Demiurgen blieben dem Namen nach in Geltung, aber ihre Zusammensetzung änderte sich, u. a. zählten zu ihnen mindestens seit der Naukrarienverfassung auch die nicht Geschlechtsangehörigen, und schliesslich wurden selbst die Namen durch die neuen localen, nach den Hauptsitzen der einzelnen Stände gegebenen der Pediakoi (Erbadel), Paralioi (Kaufmannschaft), Diakrioi (Kleinbauern, Handwerker, Tagelöhner) ersetzt (vgl. Aristot. Ἀθ. πολ. 13, 2. 4. Flut. Sol. 29, 1, allerdings erst für die Zeit unmittelbar nach Solons Gesetzgebung). Die inneren Verhältnisse wurden nach und nach unhaltbar, die Revolution stand vor der Thür (Solon frg. 2. Aristot. Ἀθ. πολ. 5, 2). Einen Schritt zur Besserung bedeutete ein auswärtiger Erfolg, die wahrscheinlich noch an das Ende des 7. Jhdts. fallende Wiedereroberung von Salamis (Busolt II² 217, 2), das, von ganz geringen Unterbrechungen abgesehen, seitdem dauernd mit A. vereinigt blieb, ohne freilich politisch zu A. zu rechnen (es wurde Bürgercolonie). Die wirkliche Heilung wurde angebahnt, als alle Parteien dem Eroberer von Salamis 594/3, Solon, die uneingeschränkte Regierungsgewalt und die Neuordnung des Staates übertrugen. Solons grossartiges Werk setzte sich zusammen aus einer Social- und Wirtschaftsreform (Seisachthie), einer Verfassungsreform, einer Gesetzesreform und einer Münz-, Mass- und Gewichtsreform. Die Seisachthie (s. d.), ein umfassender Schuldenerlass, hob den Bestand der freien Bevölkerung und des freien Besitzes (Solon frg. 36, vgl. Aristot. Ἀθ. πολ. 12, 4); die persönliche Schuldhaft wurde abgeschafft. Die Verfassung verlieh jedem freien Mann Stimmrecht und Urteilsrecht und steigerte dadurch den demokratischen Charakter des Staats; die Bekleidung der Ämter war aber auch weiter an den Ertrag eines bestimmten Grundbesitzes gebunden und bot der Demokratisierung ein Gegengewicht. Die alten Steuerklassen blieben mit Namen und Ertragsgrenzen, nur scheint Solon dem veränderten Wirtschaftsbestand des Landes durch die officielle Anrechnung des Baumfruchtertrages neben dem Halmfruchtertrag beim Steuersatz Rechnung getragen zu haben (Aristot. Ἀθ. πολ. 7, 4. Plut. Sol. 18, 1). Die Münz-, Mass- und Gewichtsreform gab A. eine eigene Münze und zugleich den Anschluss an das grosse Handelsgebiet der euboeischen Städte, die Loslösung von dem megarischen und aeginaeischen. An der Organisation der Landschaft A. wurde anscheinend durch Solon nichts geändert.
Trotz Solons umfassender Reformen kam A. noch nicht gleich zur Ruhe. Wir hören aus den folgenden Jahrzehnten von inneren Streitigkeiten, in denen die alten Parteigegensätze und die Privatfehden der führenden Geschlechter wiederaufloderten, [2224] von neuen Kriegen gegen Aigina und Megara, in denen das attische Gebiet vorübergehend (um 565) durch Megaras Hafenstadt Nisaia eine Erweiterung erfuhr (Herod. I 59, vgl. Aristot. Ἀθ. πολ. 14, 1. Busolt Gr. Gesch. II² 221 Anm.). Andererseits ist damals wohl Sigeion wieder verloren worden (Busolt Gr. Gesch. II² 249, 1). Über die einzelnen Schicksale der Landschaft A. ist sonst nichts bekannt. Eine Zeit friedlicher Entwicklung und voller Eingewöhnung des solonischen Werkes brachte erst die Alleinherrschaft, die im J. 561/60 der Sieger im megarischen Kriege Peisistratos (s. d.) begründete und mit längeren Unterbrechungen, namentlich seit 539/38–528/7, behauptete; seine Söhne haben bis 510 weiterregiert.
Die Peisistratidenherrschaft bedeutet einen entscheidenden Kulturfortschritt auch für die Landschaft A. Neben der Erweiterung des Handelskreises, neben der Begünstigung von Handel und Industrie, von Kunst und Kunsthandwerk hat Peisistratos in kluger staatsmännischer Erkenntnis eine Festigung und Ausgestaltung der heimischen Verhältnisse angestrebt. Die grossen Güter seiner geflüchteten politischen Gegner boten ihm die Mittel, seine zumeist den Kleinbauern, Tagelöhnern, Handwerkern angehörigen Anhänger zu belohnen, zugleich die Bauernschaft zu vermehren und damit die wirtschaftliche Notlage, die in den Wirren der nachsolonischen Zeit wieder aufgetreten war, für längere Zeit vollständig zu beseitigen (Aristot. Ἀθ. πολ. 16, 1–7. 9. Busolt Gr. Gesch. II² 327f.). Eine mässige Bodenertragssteuer von wahrscheinlich 5% (Thuk. VI 54, 5, vgl. Aristot. Ἀθ. πολ. 16, 4. Busolt II² 328, 1) machte den wirtschaftlichen Aufschwung für den Staat nutzbar. Die verschiedenen Vertreibungen und Rückführungen des Peisistratos scheinen für die Landschaft A. keine nachteiligen Folgen gehabt zu haben. Was uns über eine Teuerung in A. aus der Zeit des Ägypterkönigs Amasis (566–526) berichtet wird (Schol. Aristoph. Plut. 178), lässt sich weder nachprüfen noch zeitlich genauer einordnen. Mit der Förderung der Landwirtschaft in A. steht auch die Einsetzung von Dorfrichtern, die Anlage eines geregelten Strassennetzes durch die Peisistratiden in Zusammenhang (Aristot. Ἀθ. πολ. 16, 5. Thuk. VI 54, 7. Herod. II 7. Ps.-Plat. Hipparch. 228 d. 229 a).
Die Herrschaft der Peisistratiden nahm im J. 510 mit der Vertreibung von Peisistratos älterem Sohn Hippias – Hipparchos war bereits 514 aus Privatrache ermordet worden – ein jähes Ende. Die Vertreibung, ein Werk der verbannten athenischen Adeligen, namentlich der Alkmeoniden, erfolgte mit lakedaimonischer Hülfe und führte in den J. 511 und 510 zu Einfällen lakedaimonischer Heere in A. (Herod. V 63ff. Thuk. VI 59, 3. Aristot. Ἀθ. πολ. 19, 5. Aristoph. Lysistr. 1153 m. Schol.), nachdem wahrscheinlich bald nach Hipparchos Ermordung um 513 die Alkmeoniden schon mehrfach vergeblich versucht hatten, sich in A. festzusetzen (Herod. V 62. Aristot. Ἀθ. πολ. 19, 3. 20, 5). Im J. 507 erschien der spartanische König Kleomenes abermals in A., um in die sofort nach Hippias Vertreibung wieder beginnenden Streitigkeiten der Adelsfactionen und der Volksgemeinde für den ihm befreundeten Gegner [2225] der Alkmeoniden, Isagoras, einzugreifen, allerdings ohne dauernden Erfolg und ohne dem Lande irgend welchen Schaden zuzufügen (Herod. V 70. 72. Thuk. I 126, 7. Aristot. Ἀθ. πολ. 20, 2. 3). Das Feld behauptete die durch Solon begründete und unter dem Regiment der Peisistratiden erstarkte Volksgemeinde mit ihrem Führer, dem Alkmeoniden Kleisthenes, dem ähnlich wie einst Solon die Neuordnung des Staates auf Grund der veränderten Verhältnisse übertragen wurde. Kleisthenes ist der Vollender der athenischen Demokratie. Bei seiner politischen Reform, die an Umfang und Grossartigkeit hinter der solonischen zurücksteht, aber an einschneidender Bedeutung ihr mindestens ebenbürtig ist, leitete ihn der Gedanke, mit dem alten Geschlechterstaat vollständig aufzuräumen, die Macht der geschlechtlichen Verbände zu brechen und äusserlich eine kirchliche und politische Gleichstellung aller Bürger durchzusetzen. Er verwirklichte diesen Gedanken in erster Linie durch eine ganz neue Landschafts- und Gemeindeordnung. Die staatsrechtliche Grundlage der Bürgerschaft bildeten künftighin die Dorfgemeinden (δῆμοι, s. d.), von denen Kleisthenes die meisten vorfand, aber in ihrer Mark neu begrenzte; andere schuf er vollständig neu. Die Gesamtzahl steht nicht fest, sicher betrug sie weit über 100 (S. 2204f., die Namen s. S. 2190f.). Das ganze attische Land, soweit es politisch zu A. rechnete (mit Ausschluss von Salamis, Eleutherai, Oropos, s. d.), wurde dann in drei grosse Bezirke, einen Stadt-, Küsten- und Landbezirk geteilt (vgl. o. S. 2190) und jedem zehn an Zusammensetzung und Zahl verschiedene, aber eine örtliche Einheit bildende Demengruppen (τριττύες, Drittel) zugewiesen. Aus den insgesamt 30 Trittyen wurden wieder drei (je eine Stadt-, Küsten-, Landtrittys) zu einer örtlich getrennten, aber politischen Einheit, die Kleisthenes als φυλή bezeichnet und nach einem der attischen Heroen benannte, zusammengefasst (Aristot. Ἀθ. πολ. 21. Herod. V 66, vgl. Kleisthenes). So entstanden die zehn Phylen: Erechtheis, Aigeis, Pandionis, Leontis, Akamantis, Oineis, Kekropis, Hippothontis, Aiantis, Antiochis (s. d.). Die alten vier Phylen blieben als Kultgenossenschaften bestehen, ebenso wie andere vorhandene Kultvereinigungen. Die Phratrien (s. d.) erfuhren durch die von Kleisthenes verfügte Aufnahme sämtlicher bis dahin nicht zu ihnen gehörigen, weil ausserhalb der Geschlechtsverbände stehenden Bürger, eine gründliche Umbildung und wurden zu einer Art von Kirchsprengel. Die Zugehörigkeit zur Phratrie bildete die Voraussetzung für die Zugehörigkeit zum Demos. Die alten Steuer- und Militärbezirke der Naukrarien (s. d.) liess Kleisthenes ebenfalls bestehen, aber lediglich als Flottendistricte, zudem fügte er sie seiner neuen Landschaftsordnung durch Erhöhung ihrer Zahl von 48 auf 50 ein (Kleidem. bei Phot. s. ναυκραρία. Poll. VIII 108. v. Wilamowitz Aristot. u. Athen II 165, 52). Alle übrigen Leistungen der Bürgerschaft verteilten sich nach Phylen und Demen (s. Kleisthenes). Die Zugehörigkeit der verschiedenen Demen zu den einzelnen Phylen ist bekannt (s. d. Verzeichnis S. 2204f.). Über die auch für die Landschaftsgeschichte nicht unwichtige Verteilung der Demen auf die einzelnen Trittyen [2226] und die Lage dieser Trittyen ist die Forschung noch nicht abgeschlossen. Auch die Namen der Trittyen kennen wir nur zum geringsten Teil. Litteratur s. S. 2206f. Besonderes Verdienst um die Aufhellung der Frage hat sich Arthur Milchhöfer erworben, nächst ihm Loeper und v. Wilamowitz. Auf ihren Aufstellungen beruht die umstehende (S. 2227–2230) Liste, die zunächst die sicheren oder nahezu sicheren Ansätze giebt. Die unsicheren, aber vorläufig allgemein angenommenen Bestimmungen sind mit einem ?, die noch unwiderlegten Sonderansichten der verschiedenen Forscher mit einem M., L., W. bezeichnet.
Der durch Kleisthenes neugeordnete attische Staat hatte bald seine Kraft und Festigkeit zu bewähren. Im Frühjahr 506 brachen die Spartaner nach Eleusis ein, die Boioter bei Oinoe und Hysiai, mit ihnen verbündet die Chalkidier von Nordosten. Aber das spartanische Heer zog ab, da ein Teil der Peloponnesier die Beihülfe weigerte, und gegen Boioter und Chalkidier erfochten die Athener einen entscheidenden Sieg (Herod. V 74–77. Schol. Aristoph. Lysistr. 273. CIA I 334. IV 2, 334 a). Der Krieg mit den Thebanern dauerte fort, sie gewannen neue Bundesgenossen in den Aigineten, die die attische Küste bei Phaleron verheerten (Herod. V 81), aber schliesslich scheinen die Athener dauernd die Oberhand gewonnen zu haben. Wahrscheinlich schon gleich nach der Vertreibung der Peisistratiden hatten sie Oropos besetzt (Busolt VI² 405, 2), das seitdem in wechselndem Besitz A.s gewesen ist (s. Oropos) und ihre Einflusssphäre an die alte ideelle Grenze A.s – den Asopos – vorgeschoben (Herod. V 74, vgl. VI 108. IX 15), jetzt, oder auch schon früher, gewannen sie Eleutherai (s. d. Paus. I 38, 8). Beide Gebiete sind aber wie Salamis nicht attisches Bürgerland, sondern unterthäniges Land, das teilweise an Kleruchen vergeben wurde, geworden. Die Durchführung der kleisthenischen Reform zog sich bis zum Ende des 6. Jhdts. hin (Aristot. Ἀθ. πολ. 22, 2). Weitere Schicksale der Landschaft aus dieser Zeit sind nicht bekannt.
III. Die Blütezeit (500–322). Die Gemeindeordnung des Kleisthenes, die dritte Landordnung A.s, hat für die gesamte Folgezeit die Einteilung der Landschaft bestimmt. Wenn zeitweise auch 12 und 13 Phylen eingerichtet worden sind, hat man doch an dem Phylen- und Demenprincip festgehalten. So schliesst Kleisthenes Reform ein gutes Teil der inneren Landschaftsgeschichte, ebenso wie sie der Verfassung für immer ihr Gepräge verleiht, trotz der Veränderungen und Ausgestaltungen der Folgezeit. Über die Bevölkerungszahl, das Volksvermögen A.s in jener Zeit ist uns nichts bekannt. Sicher ist nur auch der gesamte Bewirtschaftungsstand des Landes in den Grundzügen damals vollendet. A. ist überwiegend Gartenland mit Öl-, Wein- und Feigenbau, das bald nur zur Hälfte etwa seinen Getreidebedarf durch eigene Production deckt, daneben wird Viehzucht und Bienenzucht getrieben und Honig ausgeführt, der Bergbau liefert reiche Erträge, ein Land mit hochentwickelter Industrie und ausgebreitetem Handel. Einen grossartigen Aufschwung nahm dieser Handel mit der Begründung der attischen Seemacht durch Themistokles (s. d.) am [2227]
Übersicht der kleisthenischen Demenordnung.
[2229]
[2231] Anfang des 5. Jhdts. Im J. 493/2 begann die Befestigung des neuen Haupthafens von A., des Peiraieus (s. d.), aber erst nach den Perserkriegen 478/7 wurde sie vollendet. In der Zwischenzeit erfolgte 490 der erste Einbruch der Perser, der allerdings nur den äussersten Nordosten berührte und mit der Schlacht von Marathon (s. d.) sein Ende fand. Daneben meldet eine vielleicht hiehergehörige Chroniknotiz, dass unter dem Archon Lakrateides (s. d.) aus der Zeit des Dareios ein furchtbarer Frost A. heimgesucht habe (Philoch. im Schol. Aristoph. Ach. 220). 488/7 entbrannte ein neuer langwieriger Krieg mit Aigina (Busolt Gr. Gesch. II² 644, 3), der die attische Küste nicht unberührt gelassen haben wird. Er bildete 483/2 den nächsten Vorwand für Themistokles berühmtes Flottengesetz. Dann wurde im Herbst 480 A. aufs neue, diesmal gründlicher, von den Persern heimgesucht (Herod. VIII 51–53. 65. 113, vgl. Aristeid. XIV Dind. I 418f.), eine vollständige Verwüstung grösserer attischer Gebiete brachte endlich Mardonios Rückzug aus A. nach Boiotien im Juni 479 (Herod. IX 13. 15, vgl. 3. 4. Thuk. I 89, 3).
Diese materiellen Schäden haben aber ebensowenig wie der Neid seiner Nachbarn das Emporwachsen und Aufblühen Athens zu hindern vermocht. Und trotz der umfassenden Seepolitik, trotz der Vorstandschaft in dem damals (seit 479) eingerichteten Seebunde, die mancherlei neue Stellungen und Beschäftigungen schuf und viele Bürger nach der Hauptstadt zog (Aristot. Ἀθ. πολ. 24, 2), hat die Landschaft ihren im Grunde bäuerlichen Charakter behalten (Thuk. II 14), und die leitenden Männer haben zum Teil diesem Charakter ausdrücklich Rechnung getragen (Aristot. Ἀθ. πολ. 26, 3).
Vom ersten peloponnesischen Kriege (458–445) blieb die Landschaft verschont, erst ganz am Ende 446 erschien für kurze Zeit ein peloponnesisches Heer unter Pleistoanax plündernd in der thriasischen Ebene (Thuk. I 114, 2. Diod. XII 6, 1. CIA II 1675, vgl. U. Koehler Herm. XXIV 1889, 92ff.). Um so härter hatte A. im grossen peloponnesischen Kriege (431–404) zu leiden, da Perikles bewusst das flache Land den Feinden opferte. Über die Bevölkerungszahl des Landes zu jener Zeit s. S. 2189f. Das Volksvermögen, soweit es nicht das Reich Athen, sondern die Landschaft A. betrifft, lässt sich ebensowenig wie früher genauer feststellen. Die ausserordentlichen directen Steuern (εἰσφοραί) sind seit dem Beginn des 5. Jhdts. aufgehoben und erst in der Not des peloponnesischen Krieges wieder hervorgesucht worden. Im Frühjahr 431 erfolgte der erste Einfall der Lakedaimonier, der wesentlich die westlichen und nördlichen Gebiete A.s berührte (Thuk. II 18–23. Diod. XII 42, 6. Plut. Per. 33, 4, vgl. Aristeid. XIX Dind. I 419). Der zweite im Frühjahr 430 verheerte auch Süd- und Ost-A. (Thuk. II 47, 1. 55. 56. Diod. XII 45, 1). Im J. 429 kam es zur Verwüstung von Salamis und zu einem erfolglosen Überfall des Peiraieus (Thuk. II 93. 94. Diod. XII 49). 428 brachen die Lakedaimonier zum dritten (Thuk. III 1. Diod. XII 52), 427 zum viertenmal in A. ein (Thuk. III 26. Diod. XII 55). 426 unterblieb der Einfall (Thuk. III 89, 1), dagegen wurde er [2232] 425 zum fünftenmal wiederaufgenommen (Thuk. IV 2, 1. 8, 1). In den folgenden Jahren bis zum Nikiasfrieden (421) spielte sich der Krieg auf anderen Schauplätzen ab, nur die Einnahme des Grenzcastells Panakton durch die Boioter im J. 422 (Thuk. V 3, 5, vgl. 39, 2. 3. 40, 1. Plut. Nik. 10, 3) berührte A. selbst. Dann brachte seit dem Frühjahr 413 der ,dekeleische Krieg‘ aufs neue Verwüstung und Plünderung über das unglückliche Land (Thuk. VII 19, 1. 27, 3. 28, 2. 4. Diod. XIII 9, 2. 72. 73. Plut. Alk. 23, 2. Xen. hell. I 1, 33. 34). Im Herbst 408 konnte man es wagen, unter dem Schutz von Alkibiades Heer in alter Weise den Festzug nach Eleusis zu führen (Xen. hell. I 5, 20. Plut. Alk. 34), aber die Verödung und Unsicherheit der Landschaft dauerten an. Nach der unglücklichen Schlacht von Aigospotamoi 405 wurde Athen selbst eingeschlossen. Im Frühjahr 404 fiel die Stadt; der Kampf war entschieden.
Der Friede zwischen Sparta und Athen sicherte den Bestand der Landschaft A. für Athen (Xen. hell. II 2, 19f. Diod. XIII 107, 4. Plut. Lys. 14, 7f.). Doch auch jetzt kam das Land nicht zur Ruhe. Die Herrschaft der Dreissig, ihr Sturz und der damit verbundene Bürgerkrieg zogen weitere Verwüstungen nach sich (Xen. hell, II 4, 4. 25–27. 29. 31–34; vgl. Aristot. Ἀθ. πολ. 38, 1. Diod. XIV 32, 6. 33, 1–4. Iust. V 9, 10–15). Und selbst durch den feierlichen Ausgleich der Parteien im Spätsommer 403 wurde die frühere Einheit und Einigkeit der Landschaft noch nicht hergestellt. Den vertriebenen Dreissig und ihrem Anhang hatte man Eleusis einräumen und Eleusis als selbständiges Gemeinwesen neben Athen anerkennen müssen (Xen. hell. II 4, 38. Aristot. Ἀθ. πολ. 39), der seit uralter Zeit ausgeglichene Gegensatz innerhalb der Landschaft schien wiederaufleben zu sollen. Erst nach zwei weiteren Jahren, im J. 401/0 wurde dieser Staat im Staate gewaltsam beseitigt. A. erhielt wieder seine alten politischen Grenzen und die alte Landordnung (Aristot. Ἀθ. πολ. 40, 4. Xen. hell. II 4, 43. Iust. V 10, 8–11; vgl. Plat. Menex. 243 e. Lys. VI 45).
Nach dreissigjährigem Kriege vermochte A. sich nun endlich gründlicher zu erholen. Die Verhältnisse wurden wieder die alten, namentlich bewahrte die Landschaft auch jetzt ihren bäuerlichen Charakter. Immerhin zitterten die inneren Bewegungen der vorausliegenden Zeit noch nach, und bereits 395 begann Athen im Bunde mit Theben, Argos und Korinth den Kampf gegen Sparta von neuem. Der korinthische Krieg (395–386) hat die Landschaft A. selbst wenig berührt, nur die Blokade des Peiraieus von Aigina aus (389–386) hat wohl gelegentlich den Küsten Schaden zugefügt (Xen. hell. V 1, 1. 2. 5. 19–24). Ebenso ist durch die folgenden Kämpfe nach dem Königsfrieden (386), der Athen abermals seine Landschaft garantierte, den thebanisch-spartanischen Krieg (379–362), die Kriege gegen Philipp von Makedonien (s. d.) die Landschaft nicht unmittelbar geschädigt worden. Der unüberlegte Einbruch des Spartaners Sphodrias am Anfang des J. 378 beschränkte sich auf die eleusinische Ebene und auf einen Tag (Xen. hell. V 4, 20. Plut. Ages. 24, 3–6; Pelop. 14. Aristeid. XIX Dind. I 419), und der wechselnde Verlust [2233] und Wiedergewinn von Oropos (s. d.) betraf nur das Grenzgebiet, nicht das politische A.
Das J. 378/7 führte zur Gründung des zweiten attischen Seebundes. Aus diesem Jahr haben wir endlich einmal eine genauere Angabe, die uns einen Rückschluss auf das Volksvermögen in jener Zeit gestattet: das steuerpflichtige Kapital in A. betrug damals 5750 Talente (Polyb. II 62, 7, vgl. Dem. XIV 19); man hat danach das Volksvermögen ausser dem steuerfreien Staatsgut auf 30–40 000 Talente berechnet (Boeckh Staatshaush. I³ 571ff.), aber diese Rechnung scheint unrichtig (Beloch Hermes XX 1885, 237ff. XXII 1887, 371ff., dagegen Fraenkel bei Boeckh a. O. II 121f. Busolt Handb. d. klass. Altertumsw. IV 1². 300, 9); vermutlich bezieht sich Polybios Angabe nicht nur auf das steuerpflichtige Kapital, sondern wirklich auf das eingeschätzte Gesamtvermögen mit Ausschluss des steuerfreien Staatsgutes etc. und des Vermögens der nicht steuerpflichtigen Theten.
Die Friedensschlüsse vom J. 374 und 371 standen auf der Grundlage des Königsfriedens und berücksichtigten nebenbei die neuen Machtverhältnisse Athens. Auch in dem Frieden mit Philipp 338, nach Athens entscheidender Niederlage, blieb ihm sein engster Besitz, in erster Linie A., sogar mit Oropos, gewahrt (Paus. I 25, 3. 34, 1; vgl. VII 10, 5. Diod. XVI 87, 3. Iust. IX 4, 5. Schaefer Demosthenes III² 27). Es folgte Lykurgos glänzende Finanzverwaltung, die sicher auch auf die Landschaft segensreich zurückgewirkt hat. Dagegen hören wir aus dem J. 327/6 von einer grossen Teuerung (Dem. XXXIV 38f. XLII 20. 31, vgl. Schaefer Demosth. III² 295f.). Allerdings war sie wohl wie alle Schwankungen des Getreidepreises in A. seit dem 5. Jhdt. nicht so durch eine schlechte Ernte in der Landschaft wie durch mangelnde Einfuhr veranlasst. Im lamischen Kriege (323–322) landete 322 eine makedonische Abteilung von Euboia aus in A., wurde jedoch rasch zurückgeschlagen (Plut. Phoc. 25, 1; apophthegm. reg. et imp. Phoc. 13). Der Friede vom J. 322 minderte zwar die Vollbürgerschaft durch Festsetzung eines erhöhten Minimalcensus von 2000 Drachmen und entzog dem Land eine ganze Anzahl seiner Bewohner (Diod. XVIII 18, 5. Plut. Phoc. 28, 4), aber die Einheit und der Bestand der Landschaft, die Verfassung Athens blieben auch jetzt gewahrt (Diod. XVIII 56, 6). Nur in einer entscheidenden Abweichung von den früheren Friedensschlüssen zeigte sich die neue Zeit und Athens neue Stellung: die Athener mussten sich dazu verstehen, zum erstenmal eine fremde Besatzung, vorläufig noch nur in der Hafenstadt, dem Peiraieus, zu dulden.
IV. Das hellenistische Attika (322–146). Der gezwungene enge Anschluss Athens an Makedonien verwickelte die Stadt und damit auch die Landschaft bald in die Diadochenkämpfe. Zunächst wurde A. im J. 318 zum Kampfplatz für Kassander und Polyperchon (Paus. I 15, 1. 25, 6; vgl. 35, 2. Diod. XVIII 69. Polyaen. IV 11, 1. CIA II 962), bis sich Athen in der Hauptsache unter denselben Bedingungen wie nach dem lamischen Kriege endgültig an Kassander anschloss (Diod. XVIII 74). Nur wurde jetzt Demetrios von Phaleron (s. d.) als Stadtverweser Kassanders [2234] eingesetzt. Seine zehnjährige Herrschaft hat durch ihre friedliche, geregelte Verwaltung dem Lande wohlgethan. Die Einkünfte wuchsen und sollen 1200 Talente im Jahr eingebracht haben (Duris bei Athen. XII 542c). Die Vollbürgerzahl wurde erhöht durch Herabsetzung des Minimalcensus gegenüber dem nach dem lamischen Kriege verordneten auf 1000 Drachmen. Nach einer durch Demetrios (309/8?) veranstalteten Volkszählung betrug angeblich die Gesamtbevölkerung damals 21 000 Bürger, 10 000 Metoeken, 400 000 Sclaven (Ktesikles bei Athen. VI 272c), doch ist von diesen Zahlen mindestens die der Sklaven zweifelhaft (vgl. Beloch Die Bevölkerung der griech.-röm. Welt 1886, 84ff.). Des Ptolemaios (Antigonos Neffen) vorübergehende Besetzung eines Teils von A. 313/2 (Diod. XIX 78, 3–5) hatte für das Land keine weiteren Folgen.
Im Frühjahr 307 ward Athen durch Demetrios Poliorketes (s. d.) befreit und die Demokratie in alter Form wiederhergestellt. Zum Dank dafür ergingen sich die Athener in den übertriebensten Ehrungen, u. a. nahmen sie Demetrios und seinen Vater unter die Stammheroen des Landes auf und errichteten zwei neue Phylen, Antigonis und Demetrias, die an die erste und zweite Stelle in der officiellen Reihenfolge traten. Es gab nunmehr zwölf Phylen. Die Verschiebungen, die damit in der Gemeindeordnung hervorgerufen wurden, können wir noch nicht vollständig übersehen (vgl. Beloch Jahrb. f. Philol. 1884, 481ff. Philios Ἐφ. ἀρχ. 1887, 177ff. J. E. Kirchner Rh. Mus. XLVII 1892, 550ff.). Nachdem Demetrios 306 für einige Zeit Athen verlassen hatte, musste die Landschaft in dem sog. ,vierjährigen Krieg‘ (306–302) von Kassanders und Polyperchons Truppen zeitweise wieder viel leiden (Plut. Demetr. 22, 4. 23, 1. 2; vgl. Diod. XX 100, 5. Niese Gesch. d. griech. u. maked. Staat. I 333, 1). Um das J. 301 brach Kassander selbst in A. ein, zog aber bald wieder ab (Paus. I 26, 3. X 18, 7; vgl. 34, 3. CIA II 297 = Dittenberger Syll. 136). Dann wurde 295 ein Angriff des Demetrios Poliorketes, von dem sich Athen in der Zwischenzeit losgesagt, abgeschlagen (Plut. Demetr. 33, 1. 2). Kurz darauf erneuerte Demetrios seinen Vorstoss mit mehr Glück. Eleusis und Rhamnus wurden besetzt und Athen belagert (Plut. Demetr. 33, 3. 4. Paus. I 25, 7. Polyaen. IV 7, 5). Athen fiel nach harter Verteidigung 294. In dem darauf folgenden Frieden wurde abermals die Selbständigkeit und Freiheit Athens anerkannt, aber diesmal blieben im Peiraieus, in Eleusis u. s. w., sogar auf dem Museion in der Stadt Demetrios Besatzungen (Plut. Demetr. 34. 51, 1. Paus. I 25, 7). Für die Landschaft wichtiger noch war, dass Demetrios die alte Landordnung durchbrochen und vorübergehend Eleusis wieder eine selbständige Stellung gewährt zu haben scheint (vgl. v. Wilamowitz Antigonos u. Karystos 1881, 201f. 237f. 255ff. Niese a. O. 386). Wenige Jahre später, 287, begannen die Athener mit Erfolg die Befreiung, aber erst nach längeren Kämpfen (bis 283) vermochten sie die Freiheit im alten Umfange wieder zu erringen (Plut. Demetr. 46, 1. 51, 1; Pyrrh. 12, 4. Paus. I 25, 2. 26, 1–3. 29, 13. Vit. X orat. 851 C. CIA II 312. 314 = Dittenberger Syll. 141, 32ff. 143, 35ff., vgl. v. Wilamowitz 256ff. Niese a. O. 378ff. [2235] 386. Wachsmuth Stadt Athen I 619f.). Erneuten Kampf und erneute Verwüstung brachte dann der chremonideische Krieg (266–260?), nach dem Athen unter die Herrschaft des Antigonos Gonatas kam (Paus. I 1, 1. 30, 4. III 6, 4. Polyaen. IV 6, 20. Iust. XXVI 2, 8. 9. Trog. prol. 26. Hegesandros bei Athen. VI 250f. CIA II 379, 7ff. 334 = Dittenberger Syll. 163, 30, vgl. v. Wilamowitz a. O. 219ff.). 225 zog Antigonos seine Stadtbesatzung freiwillig zurück, 229 wurde der Befehlshaber der Peiraieusbesatzung, Diogenes, zum Abzug bewogen. Wieder begann eine kurze Zeit der Freiheit. In sie (noch in die zwanziger Jahre) fällt die Errichtung einer weiteren dreizehnten Phyle (an siebenter Stelle der officiellen Folge), der Ptolemais, so dass zwischen etwa 225 und 200 dreizehn Phylen bestanden. Im J. 200 trat nach Aufhebung der Antigonis und Demetrias dazu die Attalis (Polyb. XVI 25, 9. Liv. XXX 15, 6), und es gab wieder zwölf Phylen (vgl. Beloch und Philios a. O.). Auch die Rückwirkungen dieser Einrichtungen auf die Landschaftsordnung lassen sich in die Einzelheiten hinein noch nicht verfolgen; die zu der neuen Phyle gehörigen Demen, soweit sie bekannt sind, s. unter Attalis, Ptolemais. Wirtschaftlich befand sich das Land während der zweiten Hälfte des 3. Jhdts. in ganz günstigen Verhältnissen (Ps.-Dikaiarch-Herakleides FHG II 284ff.).
Die Errichtung der Attalis war mit anderen Ehren der Dank Athens an Attalos II. von Pergamon für dessen Hülfe gegen Philipp V. von Makedonien, dessen Truppen 201 in A. eingebrochen waren (Polyb. XVI 27, 1. Liv. XXXI 14). Aber im Herbst 200 erschien König Philipp selbst und verwüstete weit und breit das Land bis unmittelbar an die Thore Athens (Liv. XXXI 24, 3–18, vgl. 26, 9. 30, 5–7. Diod. XXVIII 7. Zonar. IX 15). 196 kam es zum Frieden. Aber der wirtschaftliche Notstand, der durch die wechselvollen Ereignisse des 3. Jhdts. veranlasst worden war, wurde noch nicht gehoben. Im Gegenteil, A. hatte durch römische Requisitionen im Kriege gegen Perseus stark zu leiden (Liv. XLIII 6, 2. 3). Im J. 146 ward A. mit dem übrigen Griechenland dem römischen Reiche vorläufig als Schutzstaat einverleibt.
V. Das römische Attika (146 v.–180 n. Chr.). Mit dem Zurücktreten des Staates Athen von seiner politischen Bedeutung, mit der Entwicklung der Stadt Athen zu einer Art geistiger Hauptstadt Griechenlands werden die Nachrichten über die Landschaft A. immer spärlicher, das Hauptinteresse concentriert sich eben auf die Stadt. Die Stadt und ihre nächste Umgebung haben auch die meisten Vorteile von dem starken Fremdenzuzug gehabt, wenn auch in anderen Teilen A.s Verehrer und Freunde Athens ihre Villen aufschlugen. Athen und mit ihm A., das staatsrechtlich auch weiterhin mit ihm identisch bleibt, befand sich während der ganzen römischen Zeit, auch als später Griechenland zur wirklichen Provinz umgestaltet wurde (s. Bd. I S. 190ff.), als civitas libera et foederata in der bevorzugtesten äusseren Stellung. Die Ruhe in dem befriedeten römischen Reiche that der erschöpften Landschaft wohl. Nur aus dem J. 133 wird uns von einer Empörung der Bergwerkssclaven in Süd-A. berichtet, durch die ein Teil des Landes verheert wurde [2236] (Diod. XXXIV 2, 19. Oros. V 9, 5. Poseidon. bei Athen. VI 272 e. f). Eigene Schuld, eine kurzsichtige und thörichte Politik Athens, hat erst am Beginn des 1. Jhdts. v. Chr. wieder längere Verwüstungen und Leiden veranlasst. Im ersten mithradatischen Kriege (88) wurde in erster Linie Athen und der Peiraieus, aber auch die übrige Landschaft durch Sulla schwer heimgesucht (App. Mithr. 30–41. Plut. Sull. 12ff. Dio Cass. frg. 121. Strab. IX 395. Paus. I 20, 4. Suid. s. γεφυρίζων). Sie verarmte und verödete aufs neue (vgl. Corn. Nep. Att. 2, 3. 4. Cic. in Pis. 96). Ein Menschenalter später, als Athen Pompeius Partei genommen hatte, rückte 48 Caesars Legat Fufius Calenus plündernd ein (Caes. b. c. III 55. Dio XLII 14, 1. Plut. Caes. 43). Von dem Entscheidungskampf zwischen Antonius und Octavian (31) wurde A. direct nicht berührt und erfuhr schliesslich wieder das Wohlwollen des Siegers (Plut. Ant. 68, 4). Danach folgt endlich mit der Kaiserzeit eine lange Friedens- und Erholungsperiode, deren sich steigernde Wirkung in den beiden aus dem Beginn und aus der Mitte der Kaiserzeit erhaltenen Beschreibungen A.s von Strabon (IX 391–400) und von Pausanias (I 1–38) deutlich hervortritt. Wohlwollende Gönner, die Kaiser, einzelne reiche Privatleute wie Herodes Attikos (s. d.) sorgen für Stadt und Land. Namentlich Hadrian (117–138) hat Athen seine höchste Gunst zugewandt, und ihm zum Dank ist (131?) wieder eine neue Phyle, zu Adrianis (Paus. I 5, 5, vgl. Hadrianis) errichtet worden.
VI. Verfall Altattikas (180–600 n. Chr.). Der Niedergang des Römerreiches nach Marc Aurel hat auch den Verfall der einzelnen Reichsteile bald nach sich gezogen. Die Anzeichen der neuen Zeit treten schon in Marc Aurels eigener Regierung auf. Im J. 175 brachen die sarmatischen Kostoboken nach Griechenland ein und gelangten bis Eleusis (Paus. X 34, 5. Aristeid. XIX Dind. I 421ff.; vgl. Heberdey Arch.-epigr. Mitt. XIII 1890, 186ff. Philios Bull. hell. XIX 1895, 119ff.). Inwieweit A. von einzelnen Praetendentenkämpfen des 3. Jhdts. berührt worden ist, wissen wir nicht. Auch sonst erfahren wir kaum etwas Bemerkenswertes über die Landschaft aus dieser Zeit. 267 drang wieder ein Herulerhaufe nach A. ein, wurde aber durch die Athener unter Dexippos Führung glücklich zurückgeschlagen (Dexipp. FHG III 680f. Forts. Dios V 226, 8 Dind. Kedrenos I 454 Bonn. Zosim. I 3, 9. Zonar. XII 26. Hist. Aug. Gallien. 13, 8. Synkell. I 720 Bonn. CIA 713). Die diocletianische Reichsordnung scheint in der Landschaft nichts Entscheidendes geändert zu haben. Das furchtbare Erdbeben, das 375 ganz Ostgriechenland verwüstete, verschonte A. (Zosim. IV 18, 3–8). Aber zum drittenmal kam 395 das Elend einer germanischen Invasion über das Land mit Alarichs Zug durch Griechenland nach der Peloponnes (Zosim. V 5, 8. 10–6, 5. Eunap. Maxim, p. 53 Boiss. Claud. in Rufin. II 191. Hieron. ep. 60, 16. Philostorg. XII 2). Den Zustand des Landes in dieser Zeit schildert uns ein Brief des Bischofs Synesios (ep. 136). Die Folgezeit hat den Verfall rasch gefördert: Erdbeben, verheerende Krankheiten, Einfälle slavischer Völker haben im 6. Jhdt. die Landschaft verödet und entvölkert. [2237]
Litteratur der Landschaftsgeschichte Attikas giebt es nicht. Die griechischen Geschichten behandeln die Geschicke der Landschaft nur in den Anfängen ausführlicher, in späteren Perioden beiläufig im grossen Rahmen; die Stadtgeschichten von Athen berücksichtigen vorwiegend die Bau- und Entwicklungsgeschichte der Hauptstadt. Die kurzen Übersichten bei Ersch und Gruber, Smith, Daremberg-Saglio und in der Encyclopaedia Britannica gehen überhaupt nicht auf die Landschaftsgeschichte ein oder kommen nicht in Betracht.
- ↑ Da die antiken geographischen Eigennamen A.s (Gebirge, Flüsse, Demen u. s. w., vgl. die Liste S. 2204–2206) unter ihren Stichworten gesondert behandelt werden, hat dieser Artikel nur mit ihrem gegenseitigen örtlichen Verhältnis im Gesamtbilde der Landschaft zu thun. – Abkürzungen: K. v. A. = Karten von Attika, Textheft I. II. III–VI; Demenordnung = Untersuchungen über die Demenordnung des Kleisthenes, Anhang z. d. Abhandl. Berl. Akad. 1892; A.-B. = Antikenbericht aus Attika (Übersicht der bisher bekannten Denkmäler und Inschriften A.s nach Localen), Athen. Mitt. XII 81ff. nr. 1–142. 277ff. nr. 143–495. XIII 337ff. nr. 496–778.
- ↑ Die (eingeklammerten) Nummern bezeichnen die zehn von Kleisthenes eingerichteten Phylen nach ihrer officiell gewordenen Reihenfolge: (I) Erechtheis. (II) Aigeis. (III) Pandionis. (IV) Leontis. (V) Akamantis. (VI) Oineis. (VII) Kekropis. (VIII) Hippothoontis. (IX) Aiantis. (X) Antiochis. Dazu neugeschaffene Demen: (XI) der Ptolemais; (XII) der Attalis; (XIII) der Hadrianis. Vgl. auch u. S. 2227–2230.