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Autor: Nikolaus Lenau
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Titel: Don Juan
Untertitel: Ein dramatisches Gedicht
aus: Nicolaus Lenau’s dichterischer Nachlaß, Seite 1–78
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1844
Erscheinungsdatum: 1858
Verlag: Vorlage:none
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Erscheinungsort: Stuttgart und Augsburg
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Quelle: Commons
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Indexseite
[1]
Don Juan.
Ein dramatisches Gedicht.

[2]

[3]

Don Juan und Don Diego, sein Bruder.

Don Juan.
Willkommen, Bruder, in der Königsstadt!
So willst du auch, der Studien endlich satt,
Freilassend dein verhaltnes Jugendfeuer,
Hier suchen heitre Liebesabenteuer?

Diego.
Der Vater sandte mich, daß ich dich frage,
Wie du hier lebest deine Jugendtage,
Die flüchtigen, die nie zurück dir kehren,
Ob du sie nützest dir zu Ruhm und Ehren?

Don Juan
(lachend).
Spion und Prediger?! ich will mich fügen;
Daß du die Reise nicht umsonst gethan,

[4]

Magst du mir folgen als mein Feldkaplan
Auf meinen lustigen Erobrungszügen.

Diego.
Laß, Bruder, uns das erste Wiedersehen
In eitlen Possen nicht vorübergehen.
O Liebling meines Vaters, sey kein Thor!
Sprich ein erfreulich Wort, was hast du vor?

Don Juan.
Den Zauberkreis, den unermeßlich weiten,
Von vielfach reizend schönen Weiblichkeiten
Möcht’ ich durchziehn im Sturme des Genusses,
Am Mund der Letzten sterben eines Kusses.
O Freund, durch alle Räume möcht’ ich fliegen,
Wo eine Schönheit blüht, hinknie’n vor Jede,
Und, wär’s auch nur für Augenblicke, siegen.
Ja, mit den Zeiten selbst leb’ ich in Fehde.
Wenn ich ein schönes Mädchenkind erblicke,
So muß ich grollen dem Geschicke,
Daß ich und sie nicht wurden Zeitgenossen;
Ich bin ein Greis, bis ihre Blüth’ erschlossen.

[5]

Und schau’ ich eine stattliche Matrone,
Von der noch jetzt entzückte Alte sagen:
„Einst war sie reizend, aller Schönheit Krone!“
So möcht’ ich wandeln in vergangnen Tagen.
Zusammenwerfen möcht’ ich Raum und Zeit,
Die Leidenschaft ist wild und überschwänglich;
Well sie der Durst verzehrt nach Ewigkeit,
Drum seht ihr sie so flüchtig und vergänglich.
Zuweilen auch ist seltsam mir zu Muth,
Als wäre, was mir durch die Adern zieht,
Entfremdet einem höheren Gebiet,
Ein Geist verirrt, verschlagen in mein Blut;
Ein Ferge, der im Strom des Blutes treibt,
Und nirgendwo an einer Stelle bleibt,
Der nie gewinnt den Frieden fester Landung,
Weil ihm entsank sein Ruder in die Brandung.
Hinwiederum verzaubert er mein Blut,
Daß jeder Tropfen pocht in trunkner Wuth;
Es fühlt der Geist, der Alles will umfassen,
Im Einzlen sich verkerkert und verlassen; –
Er ist es, der mich ewig dürsten heißt,
Und mich von Weib zu Weib verderblich reißt.

[6]

Die schönste Frau entzückt mich ohne Dauer,
Der Reize tiefster, bald erschöpfter Bronnen
Verweist den Durst hinweg nach neuen Wonnen,
Besitz erzeugt mir Leere, öde Trauer.

Diego.
Wohin verirrt der Flug sich deiner Sünden!
Kannst du auch nur Ein edles Weib ergründen?
Ein ewiges Gesetz, den Frevel richtend,
Gebeut: willst du dein Erdenloos bestehen,
Mußt du geschlossnen Auges und verzichtend
An manchem Paradies vorübergehen.

Don Juan.
Ein anderes Gesetz mein’ ich zu spüren,
Es heißt mich meiner Manneskraft vertrauen,
Und sprengen kühn des Edens feste Thüren,
Den Cherub an der Pforte niederhauen.

Diego.
O Thor! dir droht die bitterste Verarmung;
Ein Bettler wirst du in den Abgrund schwanken;

[7]

Der Gott der Freuden ist ein Gott der Schranken,
Dies lehrt dich ja die Fessel der Umarmung.

Don Juan.
Das war ad hominem, doch schief geboten;
Es trifft den Leib, die Seele trifft es nicht;
Auch Reinlichkeit ist eines Weisen Pflicht,
Du aber, Freund, philosophirst in Zoten.

Diego.
Das eben ist das Falsche und das Scheele,
Daß sich in einer lüderlichen Seele
Ihr höchstes Gut entadelt und entweiht,
Denn all ihr Thun ist schnöder Widerstreit.

Don Juan.
Schont’ ich in dir den Bruder nicht, den treuen,
Die herbe Rede sollte dich gereuen.

Diego.
Wärst du vom Vater mir nicht anbefohlen,
Spräch’ ich vielleicht: mag ihn der Teufel holen!

[8]

Don Juan.
Du mußt an meine Weise dich gewöhnen.
Ich fliehe Ueberdruß und Lustermattung,
Erhalte frisch im Dienste mich des Schönen,
Die Einzle kränkend, schwärm’ ich für die Gattung.
Der Odem einer Frau, heut Frühlingsduft,
Drückt morgen mich vielleicht wie Kerkerluft.
Wenn wechselnd ich mit meiner Liebe wandre
Im weiten Kreis der schönen Frauen,
Ist meine Lieb’ an jeder eine andre;
Nicht aus Ruinen will ich Tempel bauen.
Ja! Leidenschaft ist immer nur die neue;
Sie läßt sich nicht von der zu jener bringen,
Sie kann nur sterben hier, dort neu entspringen,
Und kennt sie sich, so weiß sie nichts von Reue.
Wie jede Schönheit einzig in der Welt,
So ist es auch die Lieb’, der sie gefällt.
Hinaus und fort nach immer neuen Siegen,
So lang der Jugend Feuerpulse fliegen!

Diego.
So lang sie fliegen! – wenn sie schleichen werden?
Hast du denn eine Jugend nur auf Erden?

[9]

Wenn du es noch ein Weilchen so getrieben,
Glaubst du, die Zeche ward nicht aufgeschrieben?
Wie wird am Zahlungstag zu Muth dir seyn?
Meinst du, man zahlt nach lustigen Gelagen
Die Gläser nur, die man dem Wirth zerschlagen,
Und die gebrochnen Herzen gehen drein?

Don Juan.
Die Gläser und die Herzen, alle Zechen
Hab’ ich bezahlt, wenn meine Augen brechen;
Mein letzter Hauch ist Sühnung und Entgelt,
Denn er verweht mich selbst, und mir die Welt.




[10]



Don Juan und Marcello reiten durch einen Wald, hinter ihnen zwölf Mädchen als Pagen verkleidet.

Marcello.
Wie reitet sich’s durch einen Wald so traut,
Wenn nur die Wipfel noch von Sonne wissen,
Nur noch zuweilen eines Vogels Laut
Verhallt in ahnungsvollen Finsternissen.
Das Auge kann kein Thier des Walds erkunden,
Ein Eichhorn nur erblickt’ ich in den Zweigen,
Es kam behend und still und ist verschwunden,
Die Einsamkeit des Waldes uns zu zeigen.
Und doch, hier lebt des Lebens welche Fülle!
Ein stummes Räthsel, das sich nie verrathen,
Die Pflanze ist sein Bild und seine Hülle,
Und allwärts grünen seine stillen Thaten.

[11]

Die Wurzel holt aus selbstgegrabnen Schachten
Das Mark des Stamms und treibt es himmelwärts,
Ein rastlos Drängen, Schaffen, Schwellen, Trachten
In allen Adern; doch wo ist das Herz?

Don Juan.
Das Herz, in dem die Wesen alle gründen,
Der Born, worein sie sterbend alle münden,
Der Gott der Zeugung ist’s, der Herr der Welt,
Die er, nie satt, in seinen Armen hält.
Nie wird in langer Brautnacht: Weltgeschichte,
Des Gottes Kraft, des Weibes Reiz zu nichte;
Des Lebens Jubeln – ist sein Wonnestöhnen,
Wenn seine Küsse brennen auf der Schönen
Und ihre Blicke heiß die Nacht durchschimmern;
Des Todes Schmerz – der Braut jungfräulich Wimmern. –
Wenn ich des Weibes Blume mir gebrochen,
War ich sein Hauch und seines Herzens Pochen. –
Sieh hier das Kloster, rings vom Wald umschlossen,
Dies Glöcklein ruft zur Hora die Genossen.
Schon ist der Psalmen düstrer Klang zu hören;
Hörst du den wilden Hirsch im Walde röhren?

[12]

Wie mag den armen Mönchen seyn zu Muth,
Wenn der Naturschrei weckt verhaltne Gluth?
O finstrer Wahnsinn! blutendes Entsagen,
Wo rings des Gottes warme Pulse schlagen!
(Zu den Mädchen.)
Ihr Dirnen, seyd des Schwankes nun gewärtig.
Ihr folgt in’s Kloster mir als mein Geleite,
In Pagenkleidern, knapp geschnürt und bärtig,
Das Haar im Wulst, den Degen an der Seite.
Laßt eurem Aufzug gleichen Blick’ und Worte,
Und reitet männlich sittig durch die Pforte.
Erst, wenn wir mit den Mönchen Tafel halten,
Und ich zum Zeichen in die Laute greife,
Dann hat der Schwank zum Ausbruch seine Reife,
Ihr mögt allmählig, was ihr seyd, entfalten.
Wie will ich mich gaudiren an den Pfaffen,
Wenn sie erliegen euren süßen Waffen,
Wenn scherzend ihr Gelübde treibt zu paaren,
Daß helle Flammen aus den Kutten fahren,
Und in des Klosters Taumeln zum Ergetzen
Streng tobt des Abts ohnmächtiges Entsetzen.




[13]



Im Refectorium des Klosters sitzen an der Tafel Don Juan, Marcello und die Mönche, je neben einer Dirne; der Prior ist noch abwesend.

Ein Mönch.
Miserere Domine!
Mich verwirrt des Mägdleins Näh’.

Zweiter Mönch.
Satan in Gestalt des Weibes,
Apage! und heb’ von hinnen
Mir den Irrwisch deines Leibes!
Wehe, wehe, meinen Sinnen!
(Er betet.)

Don Juan.
Mönch, du betest, willst du scheinen,
Doch die Blicke, zuchtvergessen,

[14]

Irren seitwärts unterdessen
Nach dem Busen dieser Kleinen.

Dritter Mönch.
Ich entspringe dem Verliese,
Fahret wohl, ihr dürren Schemen,
Nebelhafte Paradiese!
Will das holde Weib mir nehmen.
(Er küßt sie.)

Eine Dirne.
Traun! mit nichten zu verachten
Dünkt mir so ein Klosterjunge;
Lustberedt ist seine Zunge,
Innig feurig ist sein Schmachten.

Don Juan.
Ja! geübt sind diese Helden
In Entzückung und Ekstasen,
Weil sie oft andächtig rasen
Vor den heiligen Gemälden.
Doppelt feurig brennt die Gluth,

[15]

Wenn sie wird in frohen Tagen
Auf ein Bildniß übertragen,
Das da lebt in Fleisch und Blut.

Vierter Mönch.
O was war der Papst Gregor
Für ein grausamlicher Thor!

Fünfter Mönch.
O was war Gregor der siebte
Für ein Narr, daß er nicht liebte!
(Küßt die Dirne.)

Sechster Mönch.
Cälibat, das Ungeheuer,
Liegt bei uns in düstrer Zelle;
Weib, ich freie dich zur Stelle,
Auf geht mein Gelübd’ in Feuer.
(Küßt sie.)

Der Prior
(in der Thür stehend).
Sündenpest, Gestank der Hölle!
O daß Gottes Zorn in Wettern

[16]

Stromweis auf euch niederquölle,
Euch Verruchte zu zerschmettern!
Hündisch geile Sinnenknechte!
Gott, bewaffne meine Rechte!
Laß vom Baum mich deiner Ehren
Diese Brut herunterkehren,
Böse Würmer, ekle Raupen;
Gib mir deine Flammenstaupen!

Don Juan
(lachend).
Herr, dein Aufruf wird zu Schanden;
Dein Flagellum nimm zu Handen!
Sieh, schon leer ist manche Stelle,
Der und Jener ist entwichen,
Hat sich still davongeschlichen
Mit der Dirne in die Zelle.

Der Prior
(hinausstürzend).
Waffen hol’ ich meinem Zorne;
Seliger Stier, mit deinem Horne!

[17]

Don Juan
(zu Marcello).
Gerathen ist der Schwank, er möge reifen,
Die Nacht ist hell, komm, laß uns weiter streifen.

(Sie treten ab.)

Der Prior
(zurückkehrend).
Leer das Refectorium,
Alle Zellen fest verschlossen,
Ueber Gottes Heiligthum
Ist die Schande ausgegossen.
Weh! gebrandmarkt ewiglich
Ist mein Kloster, bin auch ich.
Während ich hier klagend steh’,
Buhlt es rings in meiner Näh,
Greift der Gräuel immer weiter. –
Horch, die Angeln hör’ ich krachen,
Durch die Pforte jagen Reiter, –
Hu! die Dirnen hör’ ich lachen!
Rüttle, Wuth, an meinen Sinnen,

[18]

Daß ich todt hinstürzen muß,
Oder gib mir den Entschluß,
Gleich mein Strafamt zu beginnen!
Nun wohlan! wohlan, Gesellen!
Habt verriegelt ihr die Zellen
Drinnen mir, will ich dafür
Draußen sperren euch die Thür.
Ha! verriegelt nur die Zelle!
Bald sollt ihr noch anders brennen!
Feuer leg’ ich in die Tennen
Und an jede Zunderstelle.
Fortgetilgt von Gottes Erden
Sollen seine Schänder werden.
Ich, zum Prior auserkoren,
Will mit ihnen seyn verloren.
Ich vollbring’s zu deiner Ehre,
Jesu Christe, miserere!

(Er zündet das Kloster an.)




[19]



Der Wald, wo das Kloster gestanden.

Don Juan
(zu Marcello).
Das Horaglöcklein hat nun ausgegreint –
Das Kloster liegt in Asche, Alles still; –
Das ging zu weit, so hab’ ich’s nicht gemeint.
Wer Böses thut, thut mehr stets als er will,
Weil eine Schaar von boshaft dunkeln Mächten
Schon lauert, ihre Hände drein zu flechten.
Wie mag der Brand im Kloster seyn entstanden?
Ob rettungslos den Tod sie alle fanden?

Marcello.
Die Mönche mit den Dirnen sind entsprungen,
Den Abt zu finden ist noch nicht gelungen.

[20]

Don Juan.
Unheimlich schier ist mir des Waldes Schweigen;
Sein Rauschen auch, es ruft schier aus den Zweigen:
„Ein böser Streich!“ Ich eilte gern von hinnen,
Doch fesselt mich’s, der Unthat nachzusinnen.

Marcello.
Wie traurig liegt der schwarze Trümmerhaufen!
Hier sahn wir jüngst ein muntres Bächlein laufen,
Nun aber schleicht das sonst so helle, rasche,
Sich trüb und traurig sickernd durch die Asche.

Don Juan.
Das Glöcklein schweigt; doch mächtig tönt das Röhren
Des Hirsches, nun fast schauerlich zu hören.

(Sie reiten fort.)




[21]



Garten des Grafen Prospero.

Don Juan und Gräfin Maria.

Don Juan.
Mich wundert’s, wunderschönste aller Frauen,
In einem schönen Garten Euch zu schauen.

Maria
(scherzend).
Mich wundert’s, Herr, lehrt Euch nicht meine Stelle,
Wie gerne Gleiches Gleichem sich geselle.

Don Juan.
Die Rosen müßten schaudern und erbleichen,
Und welk von jedem Strauch die Blätter weichen,
Sobald Ihr, schönste Dame, naht heran,
Verstünde die Natur, was sie gethan.

[22]

Nachdem ihr dieses Götterbild entstand,
Wie mag sie noch mit Niedrem sich befassen,
Wie mag sie nicht die schöpferische Hand
Von Blum’ und Blatt verdrossen sinken lassen?

Maria
(ungläubig lächelnd).
Bin ich die schönste wirklich aller Damen,
Sey der Natur gedankt für schönen Rahmen.
Mich freut es, wenn inmitten all des Schönen
Der hohe Preis der Schönheit mich soll krönen.

Don Juan.
Natur ist blöd und stumpf, sonst könnte nicht
Der Abendwind an Eurem Angesicht
So unbezaubert schnell vorüberstreifen;
Euch würden diese Zweige sonst ergreifen,
Wie mich hinzieht ein namenlos Entzücken,
Euch Kuß und Seele auf die Hand zu drücken.

Maria
(zurücktretend).
Ihr fandet mich in dieser Blumen Mitte

[23]

Einsam; so mögen Euch die Blumen lehren
Und mahnen Euch der ritterlichen Sitte,
Mit mir nur wie mit Blumen zu verkehren.

Don Juan.
Ihr habt an diese Blumen mich verwiesen,
So wähl’ ich meinen Anwalt unter diesen:
Ei! Rose, sprich: beherrschest du dein Drängen,
Den Duft des Herzens in die Luft zu sprengen? –
O Dame, neigt zur Ros’ Euch, athmet ein
In Eure Brust der Blume süßes „Nein!“
Wie wär’ es wohl, wenn dort die Frühlingssonne,
Die jedes Leben zwingt zu Lust und Wonne,
Wenn sie zugleich dem trunknen Frühlingsreigen
Geböte streng, zu starren und zu schweigen?

Maria.
Don Juan, mein Vater naht mit schnellem Schritt
Vom Schlosse her; nehmt dies zur Antwort mit:
In Eurer Rede, die so schmeichelnd flutet,
Hat mich’s wie Frühlingsfächeln angemuthet.

(Don Juan enfernt sich.)




[24]



Prospero und Maria

Prospero.
Die anberaumten Tage sind verflossen,
Du hattest Zeit, das Glück zu überlegen,
Und Muße zu beherzigen den Segen,
Den dir der Himmel beut; bist du entschlossen?

Maria.
Ach, Vater, Alles hab’ ich ernst bedacht
Zu jeder Stund’ des Tages und der Nacht,
Doch unbesiegbar ist des Herzens Bangen
Vor diesem Bündniß, reich an Glanz und Ehren;
Was frommt es, wenn die ungestillten Zähren
In goldnen Schalen werden aufgefangen?

[25]

Prospero.
Es ist der Mann, für den ich dich bestimmt,
Zu gut, als daß er Thränen dir entpresse;
Und trocknen wird die Zeit die eitle Nässe
Des Auges, das in Schwärmereien schwimmt.

Maria.
Er wandelt schon im Niedergang des Lebens
Und schaut der Abendsonne kühle Neige,
Ich wandle noch die hellen Morgensteige,
Den gleichen Schritt versuchten wir vergebens.
Wie Morgenröthe mit dem Abendrothe
Am Himmel nicht zusammen will erscheinen,
So soll auf Erden nach Naturgebote
Die Jugend nicht dem Alter sich vereinen.
So sprach die Aya mir, sie ruh’ in Frieden,
Die Freundin, die zu früh von mir geschieden.
Der Herzog strahlt im Ruhme großer Thaten,
Die auf dem Weg ihm Lust und Lieb’ zertraten;
Er hat ein reiches Leben durchgerungen,
Und ist verdüstert von Erinnerungen.

[26]

Worauf ich sehnend hoff’, er kann es missen,
Er hat es längst von seiner Brust gerissen.
Noch klingt ein Sprüchlein mahnend mir ins Ohr,
Das mir die Aya gerne sagte vor:
„Wenn Hoffnung und Gedächtniß sich umfangen,
So welken bald der Hoffnung rothe Wangen.“
Zu wenig ist für meinen Jugendtraum,
Zu wenig ist für meiner Seele Gluth,
Was er vertrauen will in meine Hut,
Es ist nur seines Lebens goldner Saum.

Prospero.
O thöricht Kind! dein Irrsinn muß sich wenden;
Ja, Träume sind’s, – du hast es selbst gesprochen. –
Wie Schaumesperlen leicht und bald zerbrochen,
An welche du die Zukunft willst verpfänden.
Der Herzog ist wohl ernst, doch milder Sitten,
Hat Ruhm und Glanz im Leben sich erstritten,
Für reiche Habe sorgten seine Ahnen,
Denn Sieg und Segen stand zu ihren Fahnen.
Mein Kind! die Erdengüter achten lerne,
Nicht glaube, daß dem Geist sie fremd und ferne;

[27]

Die höchste Sehnsucht sollen sie nicht stillen,
Doch dienen unsrer Seele als Organ,
Ein andrer Leib, womit sie angethan,
Belebt, beseelt, beherrscht von ihrem Willen.
Wie Göttliches dem Menschen sich gesellt,
So soll durch uns Mensch werden diese Welt.
Die edelste, die reinste auch der Seelen
Wird freudiger und freier sich entfalten,
Wenn Raum ihr ward zu wirken und zu walten;
Mein Kind, du wirst dem Herzog dich vermählen!




[28]



Maskenball.

Don Juan.
Komm, theure Maske, niemand stört uns hier,
Enthülle deinen Anblick mir;
Die Larve fort! sie hat genug gesündigt,
Verhüllend mir dein schönes Angesicht,
Das jedes deiner Glieder süß verspricht,
Und jegliche Bewegung hold verkündigt.
Ich sah entzückt hingleiten deinen Gang,
Der Arme Spiel, ich sah dein leichtes Nicken,
Geberden, dich zu allen Augenblicken
Umschwebend, wie ein stiller Lobgesang.
So kann nur volle Schönheit sich bewegen,
Enthüll’ dem Auge seinen ganzen Segen.

[29]

Die Dame
(sich enthüllend).
Und kann mein Antlitz nicht dein Auge segnen,
Dann sah ich deins zum Unheil mir begegnen.

Don Juan.
O himmlische Gestalt! dich muß ich lieben.

Dame.
Du bist Don Juan, der Zauber wird zerstieben.

Don Juan.
Du kennst mich? nun, bist du so groß wie schön,
So folg’ mir auf des Glückes Gipfelhöh’n.

Dame.
Die Kunde nennt so manche schöne Dame,
Von dir geliebt, und daß sie starb vor Grame.
Daß um dich Schönen weht ein Todesgrauen,
Macht dich vielleicht gefährlicher den Frauen.

Don Juan.
O nenne deinen Namen mir geschwind,
So lang wir noch hier ohne Störer sind.

[30]

Dame.
Des Grafen – – Wittwe, eine Villa
Bewohn’ ich eine Stunde vor Sevilla.

Don Juan.
Dem Meer der Liebe ohne Schwur und Brief
Vertrau’ dich kühn, frag nicht, wie groß? wie tief?
Der Liebe frommt ein ahnendes Verzagen,
Ihr frommt ein heimliches Sichselbstbeweinen,
Noch süßer werden Lippen sich vereinen,
Die noch berechtigt sind: Leb’ wohl! zu sagen.

Dame.
Von welchen Zaubermächten ausgerüstet,
Bist du, o wunderbar gewalt’ger Mann,
Daß ich dem Abgrund nicht entrinnen kann,
Den du mir zeigst, daß michs hinab gelüstet?
(Entfernt sich.)

Zweite Maske.
Ei, schöner Ritter, gut daß ich dich fand;
Schon lange wollt’ ich dir dies Röslein bringen,

[31]

Zu spät nun ists, es welkt’ in meiner Hand;
Du aber bist kein Freund von welken Dingen.

Don Juan.
O gib! sie welkte nicht, ihr frischer Duft
Erquickt die Brust in dieser schwülen Luft;
O sprich! und gib der stummen Blume auch
Den süßen Schall zu ihrem Frühlingshauch.

Maske.
Das Röslein wuchs an einem stillen Orte;
Dort ruht ein Herz, weil’s glaubte deinem Worte.

Don Juan.
Du solltest Rosenduft in Worte bringen,
Und lässest scherzend mir die Dornen klingen.
Auf zarte Bitte kam ein rauher Stich;
Nun mach es wieder gut, enthülle dich!
Du kannst mit deinem Angesicht, dem schönen,
Wohl größres Leid, als solchen Scherz versöhnen.

Maske.
Kein Scherz, dein Liebchen starb vor wenig Tagen,
Sie bat mich, dir noch einen Gruß zu sagen,

[32]

Vergeben hat sie dir den Bruch der Treue,
Der ihr zugleich das weiche Herz gebrochen,
Ihr letztes Wort hat noch den Wunsch gesprochen,
Mit ihr begraben werde deine Reue.
Ich sah sie betend noch die Hände falten,
Vielleicht hat Kummer ihr das Herz erdrückt,
Daß sie nicht war so schön und reich geschmückt,
Um dich in ihren Armen festzuhalten.




[33]



Don Juan und Clara.

Don Juan.
So lieb’ ich dich und deinen Zauberkuß,
Daß sich mein Herz nach Treue sehnen muß;
Es schrickt mein Herz zusammen und erzittert,
Wenn es von ferne seinen Treubruch wittert.
Wahnsinnig seyn und träumend immer meinen,
Daß meine Lippen brennen auf den deinen,
Wie möcht’ ich das! wie gerne möcht’ ich seyn
Die Luft, die deine Brust still athmet ein!
Ach! glichen meine Pulse doch den Wellen,
Die badend um den Götterleib dir quellen,
Die kosend um die schönen Glieder kreisen,
Und süßbetäubt durch sie hinunterreisen!

[34]

Wär’ ich der Lichtstrahl, der aus Abendgluth,
Bis er hinstirbt, auf deinem Antlitz ruht,
Das Mondlicht, das die Frühlingsnacht belehrt,
Wie schön du bist, und sich an dir verklärt!
Wie Abendgluth und Mondeshuldigungen
Hielt ich dich gern bis in den Tod umschlungen,
Doch stirbt vor mir an dir mein Wohlgefallen,
Nach Andern werden meine Pulse wallen,
Die Lichter werden nicht mehr um dich scheinen,
Du wirst im Dunkeln einsam stehn und weinen.

Clara.
Don Juan, fahr wohl! dies war mein letzter Kuß,
Ich warte nicht auf deinen Ueberdruß.
Ich will nicht schaudernd dein Erkalten spüren
Und bettelnd aus der Asche Funken schüren.
Don Juan, fahr’ wohl! doch werd’ ich nimmer weinen,
Wenn du dahin, den ich geliebt wie Keinen.
Ich kannte dich, als mir zum erstenmal
In’s Herz gedrungen deiner Augen Strahl;
Nicht in der Liebe höchsten Augenblicken
Gab ich dem süßen Wahne mich gefangen,

[35]

Daß meine Arme dauernd dich umstricken,
Durch jene Wonne schlich ein leises Bangen.
Ich hab’s gewagt, mein Herz dir aufzuschließen,
Und in den schalen, herben Erdentagen
Rasch eine Stunde Himmel zu genießen;
Die Stunde floh und still will ich’s ertragen.
Ein Himmel war’s, worin ich flüchtig schwebte,
Wenn auch durch meine höchsten Wonnen immer
Die bange Ahndung des Verlustes bebte;
Doch, Juan, fahr’ wohl! doch weinen werd’ ich nimmer
Mein Herz wird die Erinnerung behalten,
Bis über ihm sich starr die Hände falten.
O! keinen frohern Himmel kann es geben,
Als dessen ich genoß im Erdenleben,
Denn jeder Himmel weiß, nicht blöd berückt,
Daß unter ihm in Leid die Hölle zückt.

Don Juan.
So lebe wohl! es sey auch dies empfunden,
Zu scheiden, eh die Reize noch geschwunden;
Unaufgenüchtert soll mein Herz noch rauchen,
Um in den neuen tiefern Rausch zu tauchen.




[36]



Don Juan und Gracioso.

Don Juan.
Ich habe manches Weib mit starken Krallen
Auf’s Lager des Verlangens hingerissen,
Und fühlte nie was von Gewissensbissen,
Wenn sie aus meinem Bett in’s Grab gefallen;
Denn reich vergalt ich ihr in einer Stunde,
Was ich zerschlug, wie Hagel das Getreide,
An blödem Glück, an matter Herzensfreude;
Sie ging nicht stumpf und unerquickt zu Grunde.
Ich hatte sie entrückt dem schnöden Gleise,
Worin sonst Frau’n verkommen sacht und leise;
Sie träumen Liebe, lachen, weinen, beten,
Und haben, welkend mit den Werkeljahren,

[37]

Die hohe See der Wonne nie befahren,
Das Eiland ihrer Sehnsucht nie betreten.
O Tropenland der heißen Liebeskraft!
O Zauberwildniß tiefer Leidenschaft!
Wo vollen Schlags die trunknen Herzen wallen,
Wo, wie der Leu sich auf die Beute schwingt,
Der Liebestrieb hervor urplötzlich springt,
Um das entzückte Opfer anzufallen! –
Nie fühlt’ ich Reue, wenn ich die verlassen,
Die mich auf ewig meinte zu umfassen;
Sie träumte süß, ich ließ es gar geschehen,
Wenn sie mir sprach von Jenseitswiedersehen,
Denn was den Reiz der Schönen noch erhebt,
Was sie zu tieferen Genüssen weiht,
Ist solcher Wahn, ein Duft von Ewigkeit,
Der über einem Frauenherzen schwebt.

Gracioso.
Nun gut! was aber spracht Ihr da von Reue?
Ich kenn’ Euch wohl: Ihr sündigt stets auf’s neue.

Don Juan.
Und doch, seit ich geschaut die fremde Dame,

[38]

Vermischt sich meine Lust mit dunklem Grame,
Ein niegekanntes Sinnen, Selbstverklagen
Beginnt an meinem frohen Muth zu nagen.
Schön ist sie, schön! ihr Reiz so unermessen,
Daß auch die Schönsten, die ich je besessen,
Erinnerungen sonst beglückter Zeiten
Beschämte Schatten mir vorübergleiten.
Doch ist sie auch so hoch und himmlisch rein,
Daß ich – lach’ nicht! – unschuldig möchte seyn.

Gracioso.
Sie wird an Eurem Rufe sich entsetzen.

Don Juan.
O könnt’ ich doch mit ungetrübten Sinnen
Die Gunst der wunderbaren Frau gewinnen,
Mit meines Herzens unberührten Schätzen!
Ich möchte, waschend mich von alten Tagen,
Den Ocean durch meine Seele jagen,
Ich würfe gern die Seele in den Schlund
Vesuvs, zu läutern sie im Feuergrund.

[39]

Gracioso.
Der Sünde süße Wildfrucht ward verzehrt,
Sie schmeckt’ an manchem Strauche zum Entzücken,
Nun plötzlich wird nach andrer Frucht begehrt,
Ihr möchtet vom Spalier der Tugend pflücken.




[40]



Monolog.

Don Juan.
Zum erstenmal bei diesem Weibe
Ist in der Liebe mir zu Muth,
Als sollte meine heiße Gluth
Auslöschen nie in ihrem Götterleibe.
Wie sonst an jeder schönen Brust
Der wilde Brand so bald verraucht’,
Und schnell verlosch, wenn ich getaucht
Hinunter in das Meer der Lust!
Wenn Anna sinnend mich betrachtet,
Daß rings um sie die Welt mir nachtet,
Wird mir in ihres Auges Grund
Noch eine tiefre Wonne kund,

[41]

Als sie erreichen kann ein Kuß,
Und innigster Zusammenschluß,
Geahnte Lust, doch nie umfangen,
Ein ewig Jenseits dem Verlangen.
Und selig scheiternd hängt an Klippen
Der letzte Wunsch an ihren Lippen.
Wenn ich den holden Leib umranke,
Des Himmels Inbegriff und Schranke,
Möcht’ ich vergötternd ihn verderben,
Mit ihr in Eins zusammensterben.




[42]



Maria und Don Juan.

Maria.
Erkaltet ist dein wandelbar Gemüth,
Wo ist das Herz, das einst für mich geglüht?
Bin ich dieselbe nicht wie vor dem Jahr,
Und dein noch inniger als ich es war?

Don Juan.
Du bist so schön und schöner noch vielleicht,
Als da ich dir geraubt den ersten Kuß,
Du warst mir immer hold, darum beschleicht
Mich Wehmuth, daß ich dich verlassen muß.
Doch hin ist hin, der Zauber ist verkommen,
Ich hatte mir die Liebe nicht gegeben,
Und weiß auch nicht, wer sie mir hat genommen,

[43]

Sie war ein neues, schönes, kurzes Leben!
Drum besser fort, als hier den Schmerz verschleiern,
Und täglich lächelnd Todtenfeste feiern.
So schön und reich, so herrlich war dies Lieben,
Daß ich entschwundnes Glück verrieth’ und kränkte,
Wenn seinen Namen ich der Neigung schenkte,
Die noch für dich im Herzen mir geblieben.

Maria.
Das kannst du mir so kalt in’s Antlitz sprechen,
Und ohne Scheu, die Seele mir zu brechen?
Maßlos wie einst das Glück an deinem Herzen,
Doch dauernder, vergiltst du mir’s mit Schmerzen.
So sterblich also waren deine Wonnen?
Du hast vergiftet mir das Sonnenlicht,
Die dunkle Nacht, das Menschenangesicht,
Die Luft und jeden Tropfen in den Bronnen,
Den Raum, dem noch die Glieder angehören,
Die Zeit, die doch zu spät mich wird zerstören.

Don Juan.
Man mißt die Liebe nicht nach Tagen, Jahren,
Ein Augenblick hat ewigen Gehalt,

[44]

Und sein Gedächtniß mögen wir bewahren,
Doch wechseln muß im Leben die Gestalt.
Leb’ wohl und denke meiner ohne Groll,
Weil doch auf Erden nichts bestehen soll.

Maria.
Du armer Mann, trag’ deine Blöße fort!
Als einen Bettler sieht mein Herz dich scheiden,
Das reicher ist in allen seinen Leiden,
Als du mit deinem schlechten, falschen Wort.
Dein Lieben hätte ewigen Gehalt,
Und kann verkümmern doch so schnöd, so bald?
O lüge nicht, in deiner Liebe war
Nichts Ewiges, nichts Menschliches sogar!
Verzweiflungsvolle Scham brennt mir die Wangen,
Daß ich dich Thierischen einst konnt’ umfangen!

Don Juan.
Seh’ ich, daß du beginnst mich herb zu hassen,
So kann ich ohne Bangen dich verlassen.
Den Haß des Weibes trag’ ich ohne Noth,
Den schlimmsten auch, wenn er auf Rache lauert,

[45]

Schon übler ist’s, wenn die Verlassne trauert;
Man grämt vielleicht, man haßt sich nicht zu Tod.
Leb’ wohl, du wirst von mir noch milder denken,
Wenn sich in deiner Brust die Wünsche senken.

Maria.
Fahr’ hin! und ein zerrissnes Menschenleben
Soll dich mit Vorwurf quälend stets umschweben,
Und soll dir um die Seel’ im Todeszagen
Noch weinend seine blut’gen Fetzen schlagen.




[46]


Nacht.

Herzogin Isabella sitzt lesend bei einer Lampe; Don Juan tritt leise ein und wirft sein Barett in die Lampe, daß sie erlischt.

Isabella.
Ich habe lang Euch nicht gesehen,
Es konnt’ in vielen trüben Tagen
Mein leidend Herz sich selbst nur klagen,
Wie Lieb und Sehnsucht Euch vergehen.
Und nun Ihr endlich seyd gekommen,
Habt Ihr den Anblick mir genommen,
Den lang ersehnten, all mein Glück;
Antonio, tretet Ihr zurück?

Don Juan
(flüsternd).
Wenn brausend stürzt in’s Meer der Fluß,

[47]

Und wenn der heiße Flammenguß
Dem Herzen des Vulkans entquollen,
Frag’ sie, ob sie zurücke wollen,
Nicht mich, der ich von dir nur weiche,
Hinweggetragen, eine Leiche.

Isabella.
Was flüsterst du? o sprich doch laut
Zu deiner angelobten Braut;
Erst löschtest du der Lampe Licht
Und raubtest mir dein Angesicht,
Und nun auch deiner Stimme Klang,
Was beides ich entbehrt so lang.

Don Juan.
O laß, da sie so nah dem Ziel,
Der Lieb’ ihr süßes Launenspiel;
Ich will in dieser Nacht einmal
Mit dir mich freuen ganz allein,
Kein Drittes dränge sich herein,
Und wär’s auch nur des Lichts ein Strahl.
Nur flüsternd soll das Wort begleiten

[48]

Der Liebe süße Heimlichkeiten,
Dies scheue Wild aus Edens Wald,
Sonst schrickt es auf und flieht es bald.

Isabella.
Ich will die Lampe wieder zünden,
Dein Antlitz soll die Schrecken bannen,
Die heimlich mir das Herz umspannen,
Als wollten sie mir Unheil künden.

Don Juan.
O nein! es bleibe Nacht umher;
Laß deinen Hauch und Kuß mich trinken,
Nur fühlend will ich ganz versinken
Im stillen dunkeln Wonnemeer.

(Sie fällt in seine Arme.)




[49]


(Später.)

Isabella.
Antonio, morgen schlägt die theure Stunde,
Die uns vereinen soll zum ew’gen Bunde;
Und wenn die Kirche unsre Zukunft weiht,
So heiligt sie wohl auch Vergangenheit?

Don Juan
(laut.)
Sie heilige was dir noch begegnet,
Doch wendet ihres Segens Macht
Sich kaum zurück nach dieser Nacht;
Die wonnereiche hat sich selbst gesegnet.

Isabella.
Ha! welche Stimme! Gott, erbarme
Dich meiner! hilf und wirf mich Arme

[50]

Mit meiner Schmach in’s tiefste Grab,
Daß ich dem Fremden hin mich gab!

Don Juan.
Ich bin Don Juan, der lang geschmachtet
Nach deiner Gunst, verschmäht, verachtet.
Sey ruhig, Weib, und ohne Reue,
Auf Erden gibt es keine Treue.
Was dir geschah, was dich betrübt,
Das wird an jedem Weib verübt,
Die einem Mann sich ganz vereint;
Sie liebt ein Bild der Traumeswelt,
Und wen sie auch im Arme hält,
Ein andrer ist’s als den sie meint.
Dieß ist der Sinnenlüge Fluch:
Verwechseln, täuschen und berücken,
Und selbst gesetzliches Entzücken
Der Eh’ ist doch ein Ehebruch.

[51]


Die Balze.

Wald.

Don Juan und Gracioso reitend.

Don Juan.
Wie tief der Wald den frühen Lenz empfindet,
Wie sich um jeden Ast die Freude windet!
Ein süßer Duft durchströmt die laue Nacht,
Mein Herz ist warm und selig angefacht.
Wohl lieblich zittert heller Sterne Licht
Durch’s zarte junge Laub im Windesbeben,
Doch daß es Welten gäbe, wo das Leben
So wonnig wie auf Erden, glaub’ ich nicht.
Von Würzhauch überströmen Berg’ und Klüfte,
Tief wird die Welt der Liebe sich bewußt;

[52]

Vertausendfachen möcht’ ich meine Brust
Für all die Fülle dieser Frühlingslüfte.

Gracioso.
Ein solch Begehren find’ ich überladen;
Verdopplung aber könnte doch nicht schaden,
Durchbohrt man Euch die eine Brust im Streite,
So hättet Ihr zum Athmen doch die zweite.
Ihr wißt es, Herr, daß nah vorbei wir reisen
Dem Schloß Antonios und seinem Eisen!

Don Juan.
Ich wußt’ es wohl, drum reiten wir bei Nacht,
Fern sind wir, bis Antonio erwacht.

Gracioso.
Er wohnt mit Isabella, dem Gemahl,
In diesem unliebsamen, wilden Thal.

Don Juan.
Geloben mußt’ er seiner Frau mit Schwüren,
Nicht weiter durch die Welt mir nachzuspüren.

[53]

Gracioso.
Doch will ein Zufall euch zusammentragen,
So müßt Ihr sterben oder ihn erschlagen.
Ich weiß nicht, ob es allzuviel Verstand,
Daß Ihr Euch setzt dem Zufall auf die Hand.

Don Juan.
Wenn du dich fürchtest, gib dem Roß die Sporen,
Den Zaum der Zunge, feigster aller Thoren!

Gracioso.
Es dämmert schon der Morgen und wir haben
Ein gutes Stück des Waldes noch zu traben;
Daß er so viele Bäume haben muß!
Herr Jesu Christ! habt Ihr gehört den Schuß?

Don Juan.
Noch nicht; dort schleicht ein Jäger durch die Föhren,
Wirst bald, doch nicht auf dich, ihn schießen hören.
Ein Jäger – es ist März – wohl Hahnenbalzen;
Ich möchte gern dem Wicht die Jagd versalzen.

[54]

Gracioso.
Hat nicht Antonio ein kurz Gesicht?

Don Juan.
Mein tapfrer Mann, das eben weiß ich nicht.

Gracioso.
Mich däucht ein kurzes; liebt er sonst die Jagd?

Don Juan.
Mein Held, darum hab’ ich noch nie gefragt.

Gracioso.
Warum, o Herr, wollt Ihr die Jagd versalzen?
Auch weiß ich nicht: was ist das für ein Balzen?

Don Juan.
Um dir die Angst, mein Junge, zu zerstreuen,
Lass’ ich die kleine Müh’ mich nicht gereuen.
Auf einer Eiche sitzt der Auerhahn
Und balzt, das heißt, er lockt sein Weib heran.
Er lauscht, ob sie noch nicht erscheinen will,

[55]

Da steht der schlau geduckte Jäger still.
Er lockt und ist geblendet und betäubt
Vom Sturm der Lust, der sein Gefieder sträubt.
So lang der wilde Vogel scharf und dringend
Sein Lieb beschwört, so sieht und hört er nichts
Vom Feind, gespannten Rohres und Gesichts
In Sätzen hurtig an die Eiche springend.
Ein Schuß, da stürzt und rauscht entseelt vom Ast
Des Waldes lenz- und liebestrunkner Gast.
Ein solcher Schuß dünkt Frevel mir, verübt
Am holden Lenz; mich däucht, es muß ihn schmerzen,
Wenn ihm auch nur in eines Vogels Herzen
Sein flüchtiges Beglücken wird getrübt.
Ich will dem Jäger seine Jagd verderben,
Der Auerhahn soll heute noch nicht sterben.

Gracioso.
Wie Euch so eines Vogels Sterbetag
Weit mehr als Euer eigner kümmern mag!

Don Juan.
Du hältst mein Roß, ich springe an den Ort,
Und scheuche rettend den Verliebten fort.




[56]


Andere Gegend des Waldes.

Antonio. Don Juan.

(Antonio winkt dem Herannahenden vergebens, stehen zu bleiben.)

Don Juan
(laut rufend).
Es lebe die Wollust! laß den Hahn am Leben!

Antonio.
Er lebe! lebe hoch! dem ich’s verdanke,
Daß ich den Tod nun dir, Don Juan, kann geben!
(Er schießt auf Don Juan und fehlt.)

Don Juan.
Wer treffen will, seh’ zu, daß er nicht schwanke.
Der Tod hat diesmal wenig angegriffen;

[57]

Als er an meinem Ohr vorüberstrich,
So nah und hörbar sausend, hat er dich,
Dich schlechten Schützen vor mir ausgepfiffen.

Antonio.
Wohlan, verruchter Sünder, zieh’ die Waffe,
Daß ich nicht wehrlos dich hinunter schaffe;
Don Juan, ich lasse dich zur Hölle wandern,
Wo du nicht gelten kannst für einen Andern,
Wie dieß in meinem Himmel dir gelungen,
In den du frech und frevelnd eingedrungen.

Don Juan.
Weil einer, scheint es, sterben muß von beiden,
So mag es denn, du Narr, das Schwert entscheiden.

Antonio
(fällt).
Ich sterbe gern – ich sucht’ es zu vergessen,
Doch immer hat der Wurm genagt, gefressen,
Den du, mein Feind, mit unerhörter Tücke
In’s Herz gesetzt hast meinem Erdenglücke.
(Er stirbt.)




[58]


Kirchhof. Mondnacht.

Don Juan und Catalinon wandeln zwischen den Gräbern.

Catalinon.
Langweilig schauerlich ist dieser Ort;
Kommt heim! dort ist es lust’ger auf mein Wort!
Dort duften Blumen auf gedecktem Tische,
Verheißungsvoll die Braten und die Fische.
In den verschlossenen Bouteillen wohnen
Die muntern Genien aus fremden Zonen,
Wie schöne Nonnen in krystallnen Zellen,
Voll Sehnsucht nach den durstigen Gesellen.
Der Spielmann stimmt bereits die helle Geige,
Und gehen Schmaus, Musik und Trunk zur Neige,
Dann winken Euch zur süßesten der Freuden
Mit rothgeglühten Reizen schöne Damen.

[59]

Kommt heim! laßt uns die Stunde nicht vergeuden;
Was habt ihr mit den Todten hier zu kramen?

Don Juan.
Wenn ich an Lust mich heiß und müd genossen,
Und mich zu schwül das Leben hält umschlossen,
Dann mach’ ich gerne Kirchhofpromenade;
Das wirkt wie eine Seelenlimonade.
Ich lese kühle Mährchen auf den Steinen,
Vom Marmor rieseln noch die Thränenquellen
Melodisch in der Reime Wasserfällen,
Die längst vom trocknen Auge nicht mehr weinen.
Ich höre längst verhallte Seufzer wehen,
Hier prahlt der Schmerz im Stein, nicht zu vergehen,
Und mit den Rosen um die Urne winden
Die Träume sich von einem Wiederfinden.
So kühlen mit ironischem Geplauder
Die Gräber mir manchmal die heißen Sinne;
Und daß zur Lust ich neue Lust gewinne,
Nehm’ ich hier einen Trunk vom Todesschauder.
Doch will’s auch damit nicht mehr recht gelingen,
Die Freude kann nicht mehr wie einst hinbrausen;

[60]

Sind lahm schon oder mausern ihre Schwingen?
Weiß nicht, doch fühl’ ich oft ein stilles Grausen. –
Wie dieser Grabschrift goldne Zeilen sagen,
So liegt allhier ein Mann, den ich erschlagen.
Ei! wie geschwätzig ist das Epitaph!
Es wünscht dem Todten einen süßen Schlaf,
Bis auferstehe seine Erdenhülle,
Auch preist es seine seltne Tugendfülle;
Zum Schlusse prophezeit die letzte Zeile,
Daß Gottes Zorn den Mörder noch ereile.
Nun, wenn die Strafe so gewiß mich trifft,
Als ihn die Auferstehung – lügt die Schrift. –
Hier ist des Mannes Standbild auch zu schauen –
Bald hätt’ ich’s übersehn – in Stein gehauen.
(Die Statue betrachtend.)
Wie seltsam steht das ernste Mondenlicht
Auf dieses Mannes albernem Gesicht!
Sein Antlitz, das von Grabgewürm zernagte,
Muß lang der Stein noch tragen, der geplagte.
Viel dummes Zeug, anstatt sich zu verstecken,
So bald’s verlebt, auf ewig dem Beschauer,
Stiehlt noch vom Stein schmarotzend sich die Dauer,

[61]

Die Nase in die Nachwelt frech zu strecken.
Du Steingebild! mir imponirst du nicht!
Du Todter, warst einst Gouverneur und Wicht,
Jetzt bist du nichts, und bist was du gewesen.
Die Drohung deiner Grabschrift wird verlacht,
Kein Hahn kräht, daß ich sonder Federlesen
Dein lautes Nichts zum stillen Nichts gemacht.
Doch bist du was, so zeige mir’s, erscheine
Heut Mitternacht in meinem Haus und heize
Dein kaltes Herz an schöner Dirnen Reize,
Am Glas vom langentbehrten Erdenweine!
Nun, kommst du? – ha! mir war im Augenblicke,
Als ob die steinerne Gestalt mir nicke.
Sahst du’s?

Catalinon.
  Ich nicht; kommt, laßt von dem Getreibe,
Sonst macht noch Langweil’, daß ich ganz hier bleibe.




[62]


Erleuchteter Saal im Hause Don Juans.

Don Juan, Marcello und mehrere geputzte Frauenzimmer sitzen um eine Tafel, auf welcher die Reste eines reichen Mahles sichtbar sind. Musikanten spielen.

Don Juan.
Laßt ab, ihr Geiger, mich verletzt das Lärmen.
Gut Nacht, ihr Mädchen! aus ist’s mit dem Schwärmen.
(Zu Marcello.)
Der Gast vom Kirchhof, scheint es, kennt Manieren;
Wenn ich gewisse Zeichen recht verstehe,
So ist er da, ich spüre seine Nähe
In einem tiefen wunderlichen Frieren.

Marcello.
Mein Freund, dich traf zu kühl die Abendluft,
Es weht ja nie gesund um eine Gruft.

[63]

Don Juan
(zu Catalinon).
Gib Jeder zehn Dublonen zum Entgelt,
Daß heute mir die schönste nicht gefällt.
Gold ist noch da; ich hätte nicht gedacht,
Daß unerschöpflicher mein Reichthum wäre,
Als meine Lust, als meiner Sinne Macht,
Nun bin ich doch besiegt vom Weiberheere.
In’s Welke hat sich’s Leben mir entfärbt,
Ja selbst sein Preis, das Gold scheint abgeblichen.
Der frohe Juan ist aus der Welt entwichen,
Der traurige Juan hat ihn beerbt.
Verrückt’res hat die Erde nie getreten,
Als Stoiker und darbende Asketen.
Das Beste wäre kein Bedürfniß fühlen?
Das Beste ist Verlangens Gluth zu kühlen.
O dürsten wie das Windspiel, Meil’ auf Meile
Das Wild verfolgend in erhitzter Eile,
O hungern möcht’ ich wie der Wolf im Schnee,
Und dann den frischen Bach, das junge Reh!
Ha! wie der Hirsch, wenn Triebe ihn durchfeuern,
Des Schlafs vergißt, nicht hat der Weide Acht,

[64]

Nur umschweift nach verliebten Abenteuern,
Des Walds glücksel’ger Lump bei Tag und Nacht!
Ich tauschte lieber mit dem Hirsch die Stelle,
Als mit dem Klosterbruder in der Zelle.
Was aber frommt die beste Wissenschaft?
Verrathen hat mich meine eigne Kraft,
Das Feuer meines Blutes ist verlodert,
Ich fühle mich schon gleichsam angemodert.

Marcello.
Was liegt daran? ward eine Freude matt,
Blüht eine andre auf an ihrer statt.

Don Juan.
Ja! andre Freuden gibt es, kahle, fahle,
Verkrochnes, neckend zwergisches Gelichter,
Im Schacht der Brust beim Schein der Grubenlichter
Den Schatz aufbeutend statt im Sonnenstrahle.
Mir aber schien die Liebe nur kein Thor;
Die Selbstvertiefung wollte nie behagen,
Statt in mich selbst zu graben, zog ich vor
Keck in die Welt ein derbes Loch zu schlagen.

[65]

Ja! andre Götter sind der Welt gewogen,
Als denen ich des heitern Cults gepflogen;
Sie wurden meiner Jugend auch gegeben,
Doch fanden sie bei mir kein rechtes Leben;
Bald sind die Kühlgesinnten siech, beklommen,
In meinem Tropenwetter umgekommen.

Marcello.
Im Dienst der Liebe bleibt nur ungeprellt,
Wer noch in ihrem Rausch zur Grube fällt.

Don Juan.
Dies Wort hast du aus meiner Brust gesprochen.
In einem rasch entschiednen Zweigefecht
Zu fallen wäre mir nun eben recht.
O käm’ ein Todfeind jetzt hereingebrochen!

Marcello.
Wozu der Feind? was mir die Schulter drückt,
Das werf’ ich ab und harre nicht des Zweiten,
Der mir die Bürde erst vom Halse rückt;
Wer sterben will, was braucht der noch zu streiten?

[66]

Don Juan.
Der Todesstoß muß mich von außen treffen,
Krankheit, Gewalt – nur sey’s ein Gegenüber;
Ich gebe selbst mir keinen Nasenstüber,
Geschweige daß ich wollt’ mein Schicksal äffen.
Wie ächte Wollust nur selbander lodert,
So werden Zwei zum rechten Tod erfodert.
Die Lust war meine Gottheit und ich werde
An ihr nicht freveln, scheidend von der Erde;
Nicht eigne Hand soll meine Tage kürzen,
Vom Schwerte meines Feindes möcht’ ich stürzen.
Und jauchzt der Zorn ob seinem Todesstreiche,
Dann fällt der Lust zum Opfer meine Leiche.

Marcello.
Komm, Freund, laß trinken uns noch eine Flasche
Burgunderweins, daß er den Gräberstaub
Aus deiner Kehle dir hinunterwasche.
Tratst du im Frühling nie auf dürres Laub?
Und sahst du nicht frisch angeblüht die Aeste,
Indeß den Fuß umrauschten Winterreste?

[67]

Der Wald war müd geworden und entschlafen,
Bis weckend ihn des Frühlings Mächte trafen.
Auch du bist müd, nur brauchst du kürzre Nacht,
Und morgen schon bist lustig du erwacht.

Don Juan.
Schenk’ ein; doch plag’ dich nicht in schlechten Bildern
Den Wandel meines Lebens abzuschildern.
Stoß an! der wiedergrüne Wald soll leben!
Die Vögel, die verliebt im Laube schweben!
Der Bach, aus dem das Wild Erquickung trinkt!
Das Moos, worauf Umarmung heimlich sinkt!
Sie sollen leben, lieben und genießen!
Mir aber wird kein frisches Grün mehr sprießen.

Marcello.
Schwermüth’ge Grillen sind’s; – in wenig Stunden,
Ich bin’s gewiß, wird deine Kraft gefunden.

Don Juan.
Von Schwermuth weiß ich nichts, mein Freund, ich hasse
Am Mann das Klagendweiche, Thränennasse.

[68]

Es war ein schöner Sturm, der mich getrieben,
Er hat vertobt, und Stille ist geblieben.
Scheintodt ist alles Wünschen, alles Hoffen;
Vielleicht ein Blitz aus Höh’n, die ich verachtet,
Hat tödtlich meine Liebeskraft getroffen,
Und plötzlich ward die Welt mir wüst, umnachtet;
Vielleicht auch nicht; – der Brennstoff ist verzehrt,
Und kalt und dunkel ward es auf dem Herd.
Einst über einer Heid’ in dunkler Nacht
Sah ich den Himmel glühn in rother Pracht,
Als flammt’ in Lüften hoch ein Meteor,
Und als ich näher käm, war’s brennend Rohr;
Und als die Binsengluth in Asche fiel,
War schwarz der Himmel, aus das Farbenspiel.
So ist vielleicht der Liebe Zauberei
Nur Himmelswiderschein vom Erdenbrand,
Und wenn der Stoff verzehrt in Asche schwand,
Ist auch das Rosenspiel der Nacht vorbei.

Marcello.
Einst hört’ ich anders dich die Liebe schildern;
Denkst du des Rittes noch zur Abendstunde,

[69]

Wo plötzlich im einsamen Waldesgrunde
Dein Herz ergriff ein seliges Verwildern?
Wie du in schöner Schwärmerei entbranntest,
Die Lieb’ den Gluthhauch eines Gottes nanntest?

Don Juan.
Auch das war nur Aufknistern heller Funken,
Ein hoher Schein des Brands, der nun versunken.

(Es wird an das Thor des Hauses gepocht; von außen Lärmen von Frauen und Kindern.)

Eine weibliche Stimme
(ruft).
Macht auf! um Einlaß pocht Gerechtigkeit!
Macht auf! geschwind! verwaiste Unschuld schreit;
Verführte Weiber wollen ein zu Hauf!
Laßt ein, sonst brechen wir die Thüre auf!

Don Juan
(ruft durch’s Fenster hinaus).
Ha! welche ungeschlachte Lumpenhorde!
Sucht ihr in meinem Hause Raub und Morde?

[70]

Herein! ich brauch’ die Knechte nur zu wecken,
Daß sie euch allesammt gleich todt hinstrecken.
(Er winkt Catalinon zu öffnen.)

Don Pedro
(eintretend mit einer Schaar von Weibern und Kindern spricht zu diesen).
Nicht lärmet, sonst verlaß ich Eure Sache,
Und selbst entbiet’ ich gegen euch die Wache!
(Zu Don Juan.)
Don Juan, ich bin Don Pedro de Ulloa,
Der Sohn bin ich Gonzalo’s de Ulloa,
Des Großcomthurs des Calatravaordens,
Und steh’ vor Euch in Sachen Eures Mordens,
In Sachen des Verführens und Verlassens;
Ich sühne, hilft mir Gott, in dieser Stunde
Des Vaters Tod und manches Herzens Wunde;
Ihr seyd ein Mann des ewigen Erblassens.
Noch Kind, als Ihr den Vater mir erschlagen,
Mußt’ ich die Rache schmerzlich lang vertagen,
Doch macht’ ich mir in ihrem Dienst zu schaffen,
Bis meine Glieder wuchsen in die Waffen.

[71]

Ich säumte nicht, so weit Gerüchte führen,
Den Thaten Eurer Sünde nachzuspüren,
Und manches arme Weib hab’ ich gefunden,
Das Gram und Noth und Schmach durch Euch empfunden.
(Auf die Kinder weisend.)
Die Kinder folgten mir aus fernen Gauen,
Um ihren Vater einmal doch zu schauen;
Sie tragen Eurer edlen Züge Spuren,
Nicht Eurer Liebe, die sie nie erfuhren.
Die einen konnten mit der Mutter wandern,
Und zu den Müttern der verwaisten andern,
Don Juan, wird Euch hinsenden dieses Schwert,
Das lange schon nach Eurem Blut begehrt.
Erst mögen diese Frauen mit Euch rechten,
Dann seyd gefordert Ihr mit mir zu fechten.

Don Juan.
Catalinon, wir werden bald getrennt;
Verdiene dir nun meinen letzten Dank,
Nimm diesen Schlüssel, öffne meinen Schrank
Und hole mir daraus mein Testament.
Auch bringe mir die Liste der Verführten,

[72]

Die dich zu mitleidvoller Vorsicht rührten,
Daß du genau verzeichnet ihre Namen,
Auch wann und wo sie mir zu Falle kamen.

Constanze.
Don Juan, Ihr seyd noch jetzt der schönste Mann;
O daß ich Euch noch einmal schauen kann,
Und daß ich kann mein Kind mit Euch vergleichen!
Es trägt der schönsten Stunde schönstes Zeichen.

Blanka.
Ja! er ist schön; wohl mir, daß ich ihn sehe!
Es mildert mir der Reue bittres Wehe,
Es kleinert mir die Größe meiner Sünden,
Daß hassend ich ihn noch so schön muß finden.

Theodore.
Wie ruhig blickt der Räuber meiner Tugend,
Wie heiter blickt der Mörder meiner Jugend!

Ines.
O eile, von Don Pedros Hand zu sterben,
Wenn dich nicht soll dein eignes Kind verderben!

[73]

Der Bube da wächst auf und er gedeiht
Von meinen tausend Flüchen über dich,
Womit ich säugend meine Brust bestrich,
Womit ich jeden Bissen ihm bestreut.

Catalinon
(mit den Papieren kommend, zu Don Juan)
Hier, die Papiere, Herr, die Ihr geheischt!
(Zu Ines.)
Hat diese Hexe immer so gekreischt?
Dämpfst du nicht deine Stimme zum Geflüster,
So streich’ ich deinen Namen vom Register.

Don Juan
(die Kinder betrachtend).
Ei! tücht’ge Rangen sind es, wackre Sprossen,
Die hinter mir so zahlreich aufgeschossen!
Ihr seyd ein heitrer Scheideblick der Welt,
Der mir fast wärmend in die Seele fällt.
Seyd lustig, Kinder, wenn ich bin begraben,
Sollt ihr von mir nicht nur die Züge haben.

[74]

Marcello.
Sie sind ein heller Ruf zurück in’s Leben;
Laß dir das Himmelszeichen nicht entschweben!

Don Juan
(zu Don Pedro).
Ich leg’ in Eure ritterlichen Hände
Mein Testament, vollzieht’s nach meinem Ende.
So sehr ich auch das Sparen stets vergaß,
Blieb doch von Gütern mir ein Uebermaß.
Für jeden Namen, den die Liste nennt,
Steht ein Legat in diesem Testament,
Und jedes von so reichlichem Betrag,
Daß Weib und Kind vollauf es nähren mag.
Damit kein Zweifel dies Verzeichniß trifft,
Gab ich ihm auch Sigill und Unterschrift.
Catalinon versäumt’ ich nicht, den Alten,
Er kann fortan sich selbst den Diener halten.
(Betrachtet das Verzeichniß.)

Catalinon
(mit unterdrücktem Weinen).
Was treibt mein Herr nur wiederum für Possen!

[75]

Er thut als sollt’ er bleiben im Duelle,
Und doch erliegt sein Feind auf alle Fälle,
Seh’ seine stolzen Aeuglein schon geschlossen.
Wer schlagen will Don Juan, den großen Fechter,
Das muß ein Andrer seyn als so ein schlechter
Und ungereimter Gegner de Ulloa,
Söhnlein des Don Gonzalo de Ulloa,
Als so ein Unbart mit weißsammtnem Kinne,
Mit Pfaffenwitz und Beinen einer Spinne,
Mit einer Stimm’, als ob Cicaden sängen,
So stangendürr gestreckt und galgenschlank,
Daß Unsereins, wär’s eben leberkrank
Und desperat, sich könnt’ an ihm erhängen.

Don Juan
(das Verzeichniß lesend, für sich).
Erinnerungen, einst geliebte Damen!
Bis auf die letzte Blüthe abgedorrt,
Einst Himmelsklang, was nun ein schales Wort;
Wie schnell die Dinge welken und die Namen!
Erinnerung läßt mich noch einmal wandern
Von einer dieser Holden hin zur andern. –
Sinnvoller Brauch, den Göttern alle Jahre

[76]

Die Erstlinge zu opfern am Altare;
Wie lieblich ist das erste Grün der Blätter,
Der erste Duft und Sang im Frühlingswetter!
Wie wonnevoll zur See am fernen Rand
Der erste Blick auf das ersehnte Land!
Am hellsten blühn des Ruhmes erste Kränze,
Am süßesten berauscht der erste Kuß;
Wenn jenseits noch ein Himmel ist, so muß
Auch er am schönsten seyn an seiner Grenze
Drum war der Liebe Süßestes zu nennen
Der erste Anhauch neuer Leidenschaft;
Die Wehmuth, daß sich alte Zauber trennen,
Erhöht des neuen Glückes Reiz und Kraft.
O daß versiegen muß der reichste Bronnen!
O könnten sterben wir in jeder Lust,
Und neu geboren, mit verjüngter Brust,
Entgegenstürzen immer neuen Wonnen!
(Zu Don Pedro.)
Wollt Ihr die Schrift vertreten und erfüllen?

Don Pedro.
Auf Ritterwort! um der Verlassnen willen.

[77]

Don Juan
(ihm die Schrift überreichend).
Wohlan! nun zeigt, ob Euch die Fechtkunst eigen;
Daß Ihr ein Stümper seyd, will ich Euch zeigen.

(Sie fechten.)

Don Juan.
Fürwahr, Ihr seyd, wofür ich Euch gehalten;
Schon dreimal konnt’ ich leicht das Herz Euch spalten,
Das rachevolle, doch so schlecht geschützte,
Wenn ich den Degen ernstlicher benützte.
Hier habt Ihr eins – nun wieder eins – hier wieder!
Ihr blutet schön auf meine Diele nieder;
Ich hab’ Euch angezapft an manchen Stellen,
Doch bohr’ ich spielend Euch nur seichte Quellen.
Don Pedro, traun! nie fühlt’ ich sichrer mich,
Als gegenüber Eurem Degenstich;
Zweikampf mit Euch nenn’ ich ein Sorgenfrei,
Ja! ein Asyl ist Eure Fechterei!

Don Pedro.
Gib mir den Tod, nicht dieses Blutgeträufel,
Nicht schmähe mich, du grundverfluchter Mann!

[78]

Im Kampf besiegen kann dich nur der Teufel,
Stoß’ zu, daß ich dich nicht mehr schauen kann!

Don Juan.
Mein Todfeind ist in meine Faust gegeben;
Doch dies auch langweilt, wie das ganze Leben.

(Er wirft den Degen weg; Don Pedro ersticht ihn.)