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Sie war ein neues, schönes, kurzes Leben!
Drum besser fort, als hier den Schmerz verschleiern,
Und täglich lächelnd Todtenfeste feiern.
So schön und reich, so herrlich war dies Lieben,
Daß ich entschwundnes Glück verrieth’ und kränkte,
Wenn seinen Namen ich der Neigung schenkte,
Die noch für dich im Herzen mir geblieben.

Maria.
Das kannst du mir so kalt in’s Antlitz sprechen,
Und ohne Scheu, die Seele mir zu brechen?
Maßlos wie einst das Glück an deinem Herzen,
Doch dauernder, vergiltst du mir’s mit Schmerzen.
So sterblich also waren deine Wonnen?
Du hast vergiftet mir das Sonnenlicht,
Die dunkle Nacht, das Menschenangesicht,
Die Luft und jeden Tropfen in den Bronnen,
Den Raum, dem noch die Glieder angehören,
Die Zeit, die doch zu spät mich wird zerstören.

Don Juan.
Man mißt die Liebe nicht nach Tagen, Jahren,
Ein Augenblick hat ewigen Gehalt,

Empfohlene Zitierweise:
Nicolaus Lenau: Nicolaus Lenau’s dichterischer Nachlaß. J. G. Cotta, Stuttgart und Augsburg 1858, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lenau_-_dichterischer_Nachlass,_1858.djvu/63&oldid=- (Version vom 29.12.2022)