ADB:Schleiermacher, Friedrich
Kant und S. eingenommenen kritischen Standpunkt in der Theologie entschiedener durchgebildet: aber sie vermochten nicht, diese seine ganze Position zu erschüttern.
Schleiermacher: Friedrich Daniel Ernst S. Eigenart und Erziehung ordneten in S. eine seltene Denkkraft und das Vermögen künstlerischen Auffassens und Gestaltens dem Willen unter, das seelische Innere menschlich befriedigend und darum auch religiös zu gestalten. Hierdurch ist er innerhalb der großen transscendental-philosophischen Bewegung Deutschlands als Theolog, Philosoph und Alterthumsforscher ein bedeutsames ursprünglich wirkendes Element geworden, dessen Einfluß heute in England, dem europäischen Norden und Amerika so gut als bei uns wirkt. Indem er die seinem Zeitalter zugänglichen religiösen Erfahrungen unter dem kritischen Gesichtspunkt der Transscendentalphilosophie auffaßte, analysirte und dogmatisch, ethisch, kirchlich-praktisch darstellte, wurde er der Reformator der Theologie des Protestantismus. Die nachfolgenden Formationen dieser Theologie haben die religiösen Erfahrungen vielseitiger und massiver erfaßt, sie haben den vonJugendjahre und erste Bildung (1768–1796). Friedrich Daniel Ernst S. stammte aus einer seit mehreren Generationen von starken religiösen Impulsen bewegten Familie. Er ist am 21. November 1768 in Breslau geboren. Sein Vater war reformirter Feldprediger in Schlesien. Auch die Mutter kam aus einer geistlichen Familie; sie war die jüngste Tochter eines Hofpredigers Stubenrauch, ihr Bruder Professor der Theologie in Halle, die ganze Familie mit den Spaldings und Sacks, der Aristokratie der reformirten Prediger, eng befreundet. Da seine Eltern nach Pleß, dann nach Anhalt kamen und ihn dauernd aus dem Hause geben mußten, brachten sie ihn im Frühjahr 1783 zu [423] den Herrnhutern nach Gnadenfrei, wo seine ganze Phantasie vom herrnhutischen Leben erfüllt wurde, und darauf, nach Vollzug der Aufnahme, in das herrnhutische Pädagogium zu Niesky. Von da wurde der Jüngling 1785 mit seinem nächsten Freunde, dem späteren Brüderbischof Albertini, auf das Seminarium der Brüderunität versetzt: eine Art Universität nach dem Zuschnitt der Bedürfnisse und Lebensansichten der Brüdergemeinde, mit strenger anstaltlicher Disciplin. Auf die inneren Erfahrungen der Sünde, der Gnade, der Herzensgemeinschaft mit Christus und den Gläubigen untereinander waren die Lebenszustände und Lebensordnungen gegründet, in welche er hier eintrat. Sie waren ein wenn auch verkümmertes Residuum der großen reformatorischen Bewegungen, wie sie zumal in den deutschen Secten des 16. Jahrhunderts und in den reformirten Kirchen die inneren Erfahrungen zur ausschließenden Geltung gebracht und eine diesen Erfahrungen entsprechende ernstliche Formation des Lebens angestrebt hatten. Man kann sagen, daß S. später diese Gedanken der reformirten Kirchen und der Secten mit den neuen Mitteln der Transcendentalphilosophie, in denkwürdiger Uebereinstimmung mit Kant’s Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, fortgeführt hat. Zunächst machte sich damals aber den Freunden in Barby, Beyer, Okely, Albertini, denen von außen die Jenaer Litteraturzeitung und die von ihr vertretene Transscendentalphilosophie, sowie die Producte der schönen Litteratur zukamen, der Gegensatz zwischen der Enge ihrer Existenz und den weiten Gedanken und menschlich freien Lebensformen der Zeit fühlbar. Beyer, Okely und dann S. geriethen mit der Gemeinde und ihrer Anstalt in Conflict und schieden aus ihr aus. Schon im Sommer 1786, damals sechzehnjährig, faßte S. den Entschluß, aus der herrnhutischen Anstalt und Lebensgemeinschaft zu treten. Am Geburtstag seines Vaters, 21. Januar 1787, theilte er ihm mit, daß er den Glauben an die Gottheit Christi und dessen stellvertretenden Tod nicht mehr theile; er bat, ihn, wenn auch in größter pecuniärer Enge, zu Halle studiren zu lassen. Der Vater zürnte, aber gestattete, was schon infolge des Conflictes des Jünglings mit den Leitern des Seminars nicht mehr zu hindern war. Im Mai 1787 verließ S. Barby.
Er studirte nun vom Sommersemester 1787 ab in dem Barby benachbarten Halle Theologie. Noch lebte damals in Halle Semler (geb. 1725, † 1791), der Begründer der deutschen Bibelkritik; aber S. fand dessen echte Fortsetzer Michaelis und Eichhorn nicht in Halle und blieb dort den orientalischen und urchristlichen Forschungen fern; so mußte er leider später für seine kritischen Arbeiten des Fundamentes der orientalischen Sprachen und alttestamentlichen Studien entbehren. Und wenn er durch die streitbare Wolffische Schule des damaligen Halle, besonders durch Eberhard, in die große philosophische Debatte der Zeit über Kant’s transscendentalen Idealismus eingeführt wurde, so gereichte dem Jüngling die durch die Halleschen Einflüsse bedingte polemische Stellung Kant gegenüber durchaus nicht zum Segen. Dagegen hat Eberhard die Continuität der Philosophie seit Plato und Aristoteles ihm zum Bewußtsein gebracht (Eberhard’s allgemeine Geschichte der Philosophie, 1788). Aus den Einwirkungen Eberhard’s entstand ihm auf der Universität der Plan und Beginn einer Uebersetzung der Nikomachischen Ethik, von welcher im Nachlaß sich noch die Uebersetzung des 8. und 9. Buches mit Anmerkungen aus dieser Studentenzeit finden (Mein Leben Schleiermacher’s, Denkmale S. 3 f.), und nachdem er eben Halle verlassen, sandte er am 22. Juli 1789 Eberhard einen Aufsatz „über das Verhältniß der aristotelischen Theorie von den Pflichten zu der unsrigen“. So begründete sich, auch durch die Vorlesungen des jugendlichen Fr. A. Wolf mitbelebt, sein Verhältniß zur platonisch-aristotelischen Philosophie. Die religiösen [424] und gemüthlichen Probleme von Barby wurden durch die Freundschaft mit dem dortigen Genossen, dem Schweden Gustav v. Brinkmann, der ihm im Herbst 1785 nach Halle vorausgegangen war und der ihn nun dort in die geselligen Verhältnisse einführte, rege erhalten. An diesen sandte er am 16. September 1787 eine (verlorene) Arbeit über die Religion; gleichzeitig mit den aristotelischen Studien entstanden Briefe über die Schwärmerei und den Skepticismus, die erhalten sind (a. a. O. S. 4). Und in Halle entstand die 50 Octavseiten umfassende abgeschlossene Abhandlung über das höchste Gut (a. a. O. S. 6 ff.). In dieser wird schon, wie später in der Kritik der Sittenlehre, das höchste Gut als der Inbegriff dessen, was durch die ethische Idee hervorgebracht werden kann, erkannt, das Glück in dieses sittliche Thun selbst verlegt und Kant’s Schluß vermittelst des Glückseligkeitstriebes auf eine transscendente Weltordnung abgewiesen. Diese Schrift war für philosophische Rhapsodien bestimmt. Andere mehr populär-philosophische Entwürfe waren in Arbeit (S. 5 f.). So verließ S. im Frühjahr 1789 Halle in einer vollen schriftstellerischen Thätigkeit, welche die drei großen Themata seiner Lebensarbeit umfaßte.
Vom 26. Mai 1789 bis April 1790 war er nun bei seinem Oheim, dem trefflichen, aufgeklärten Prediger Stubenrauch in dem bei Frankfurt an der Oder gelegenen märkischen Landstädtchen Drossen. Dort arbeitete er Gespräche über die Freiheit aus, welche gegenüber Kant die in der Leibniz’schen Schule geltende innere Determination des Willens rechtfertigen sollten. Das dritte und letzte derselben ist vorhanden (a. a. O. S. 19). Dann machte er in Berlin während des Sommers 1790 sein theologisches Examen. Hierauf ist er dritthalb Jahre vom 22. October 1790 bis zum Juni 1793 in Schlobitten bei dem Grafen Dohna Hauslehrer der jüngeren drei Söhne gewesen; besonders unterrichtete er Ludwig Dohna, der später als einer der Begründer der preußischen Landwehr sich auszeichnete. Immer hat ihm in dem Gefühl des Lebens, den Erfahrungen, die es einschließt, der Thätigkeit, welche es ermöglicht, auch der Kern und das Material dessen gelegen, was wir metaphysisch und religiös wissen können. So wurde ihm damals der Eintritt in diesen ländlichen Kreis menschlich durchgebildeter Individualitäten ein unvergleichlicher Gewinn. „Im fremden Hause ging der Sinn mir auf für ein schönes gemeinschaftliches Dasein, ich sah, wie Freiheit erst veredelt und gestaltet die zarten Geheimnisse der Menschheit“ (Monol.¹ 108). Auch verband ihn von dieser Zeit ab mit dem ältesten Sohne des Grafen, Alexander, dem nachmals für Preußens Befreiung einflußreich thätigen Minister, eine auf großes gegenseitiges Vertrauen begründete und für Schleiermacher’s späteres politisches Wirken wichtige Freundschaft. In dieser schönen Epoche entstanden die aus dem Plan der Gespräche über die Freiheit erwachsenen Bruchstücke einer Rhapsodie über die Freiheit des Willens (a. a. O. S. 21–46). Die Kritik der Weltansicht Kant’s ging in dieser Schrift von dem Problem der transscendenten Weltordnung einen Schritt rückwärts den Gründen dieser Weltansicht entgegen. Sie stellte die Frage, welche Voraussetzungen über die Freiheit des Willens den Forderungen unseres sittlichen Wesens genugthun (a. a. O. S. 24), und noch heute ist sie eine der gründlichsten Beantwortungen derselben im Sinne einer inneren Determination des Willens (a. a. O. S. 21). So erwuchs damals Schleiermacher’s Lehre von der Nothwendigkeit in den Vorgängen des Willens und von der Unanwendbarkeit der Straf- und Gerechtigkeitsbegriffe auf bie Weltordnung: sie entstand aus der damaligen Philosophie der inneren Erfahrungen, vielleicht von Shaftesbury beeinflußt, aber gar nicht von Spinoza oder der Romantik (Mein Leben Schleiermacher’s, S. 139). Die Schrift blieb unvollendet; wahrscheinlich war sie im Sommer 1792 durch eine andere über den Werth des Lebens aus seinem Interesse verdrängt worden (über sie [425] näher Denkm. S. 46 f., Auszug S. 47–63). In dieser ist er nun zum tiefsten Grunde seiner Differenz mit Kant’s Moralphilosophie durchgedrungen. Er stellt der Kant’schen Formel des Moralgesetzes in freien Betrachtungen seine Anschauung vom Werthe des menschlichen Daseins gegenüber. „Was das Bewußtsein Deines Wesens Dir zu werden und zu sein gebieten, das bleibt Dir geboten, was auch ein höheres Wesen außer Dir wollen mag.“ Und zwar sieht er in der Einheit unserer Erkenntniß mit den Kräften des Begehrens die Form der ethischen Thätigkeit, welche jeden Daseinsmoment erfüllen, mit Glück und Freude ausstatten und in sich alle menschlichen Impulse aufnehmen kann. Die unmittelbare Kundgebung dieser Einheit ist ihm das sittliche Gefühl. Das schöne Fragment ist der erste Entwurf der Monologen, vielfach denselben überraschend verwandt: es enthält zugleich den Keim seines Princips einer bildenden Ethik im Gegensatz zu den einschränkenden Moralprincipien.
Nach vorübergehender Thätigkeit als Mitglied des von Gedike geleiteten Seminars für gelehrte Schulen während des Winters 1793/4 ist dann S. vom April 1794 ab zwei Jahre hindurch in Landsberg an der Warthe, ein paar Meilen von Drossen, Adjunct des Schwagers von Stubenrauch, des Predigers Schumann, gewesen. Hier bildete sich, nach Versuchen in Schlobitten, die ihm eigene, durch die leidenden Augen ihm nahegelegte Methode von Kanzelberedsamkeit aus, innerlich bis auf den einzelnen Gedanken, ja das prägnante Wort seine Predigten durchzubilden, sie aber nur nachträglich für den Druck aufzuschreiben. Ebenso entstand deren Form: strenge Gliederung eines Ganzen, breiter Fluß der Perioden, gleichmäßig sich über alle Theile des Ganzen ergießende Wärme der Stimmung ohne überraschende Effecte, ohne rhetorische Figuren oder glänzende Bilder. Indem er die besten unter diesen Predigten nachträglich aufschrieb und sorgfältig für den Druck durcharbeitete, entstand in dieser Epoche auch eine Reihe von Predigten, welche ebenfalls damals nicht zum Druck gelangten (Predigten, Bd. VII, herausgeg. v. Sydow, vgl. Mein Leben Schleiermacher’s, S. 142 ff.). Zugleich übersetzte er damals mit Sack Predigten von Blair, Professor der Beredsamkeit in Edinburg. Dies war seine erste gedruckte Arbeit, ihr folgte 1798 die Uebersetzung der Predigten von Fawcett und noch 1802 ein weiterer Band der Predigten von Blair. Zugleich fallen in die Zeit zwischen den bisher erwähnten Schriften und der 1796 beginnenden neuen Entwicklung Aufzeichnungen, welche Schleiermacher’s erste Beschäftigung mit Spinoza bei Gelegenheit Jacobi’s bezeugen. Dieselben heben hervor, daß die Metaphysik Spinoza’s gerade so gut die Grenzen unserer Erkenntniß überschreitet, als die transscendente Weltordnung Kant’s, und finden auch schon eine Lücke der Spinoza’schen Metaphysik darin, daß dieselbe für das principium individui keine Stelle hat. Diese stille Thätigkeit Schleiermacher’s in Landsberg endigte, als im Sommer 1795 der Prediger Schumann starb und ihm der Oheim Stubenrauch im Amte nachfolgte.
Die Epoche der anschaulichen Darstellung seiner Weltansicht (1796–1802). S. wurde nun zum Prediger an der Charité in Berlin ernannt, und er ist vom Herbst 1796 ab sechs Jahre hindurch in der Stellung des reformirten Geistlichen dieser Anstalt verblieben. Den Reformirten gehörte in Berlin nur der Dom und die Parochialkirche, zehn andere Kirchen waren ihnen mit den Lutheranern gemeinsam. Unter diesen befand sich die der Charité, und so war der Kirchendienst an dieser zwischen dem lutherischen Anstaltsgeistlichen Prahmer und S. vertheilt. – Die Beziehungen der Familie Stubenrauch zu den Sack’s und Spalding’s wiesen ihn auf diesen Lebenskreis. Samuel Gottfried Sack, damals ein hoher Fünfziger, war der Leiter des reformirten Kirchenwesens; der Propst Spalding, bereits ein Achtziger, hatte nach dem Erscheinen des Wöllnerschen Religionsedicts seine Aemter niedergelegt, war aber noch der geistige Mittelpunkt [426] eines großen Familienkreises. Besonders nahe schloß sich S. an dessen Sohn, den Professor Spalding am Köllnischen Gymnasium, einen angesehenen Philologen, an. Andrerseits vermittelten Brinkmann und Alexander Dohna die Beziehungen zu Henriette Herz und Friedrich Schlegel. So kam S. in persönliche Berührung mit den damaligen Leitern der Bewegung, welche auf der Grundlage von Goethe und Kant eine neue Philosophie, Kunst und historische Wissenschaft anstrebten. Diese Personen und deren Lebenshaltung befanden sich im Gegensatz zu der maßvollen und von großen politischen Gesichtspunkten geleiteten Aufklärung der Fridericianischen Zeit, wie sie die Spalding und Sack mit sittlicher Würde vertraten. So sind nach wenigen Jahren für S. Schwierigkeiten entsprungen, die seine lange Entfernung aus Berlin zur Folge hatten.
Die neue Bewegung wird in der Regel als Romantik bezeichnet. Der Name grenzt allzuscharf die beiden Schlegel, Tieck, Novalis, Wackenroder, Schelling, Solger von den anderen Personen der jüngeren Generation ab, in denen dieselben Grundzüge in milderen Mischungen auftreten. Dieses neue Geschlecht wendet sich gegen die Metaphysik und Theologie der Transscendenz und gegen die Trennung des Sinnlichen vom Sittlichen. Hierin ist es dem französisch-englischen Naturalismus, Positivismus und Materialismus verwandt, aber in der Grundconception des Lebens steht es diesem mit deutschem Tiefsinn gegenüber. Es vertritt die Immanenz des Ideals oder der göttlichen Vernunft in der Weltwirklichkeit. Es verbindet aber, näher angesehen, einzelne sehr positive und eigene Züge miteinander: ein neues Ideal des Lebens, daneben in diesem Leben selber und in der Dichtung die Emancipation der Phantasie und der von ihr getragenen Stimmung, in der Philosophie einen idealen lebendigen Monismus, in den Geisteswissenschaften den Fortschritt von den natürlichen Systemen zu einem geschichtlichen Standpunkt. Gemischt mit anderen Ideenmassen treten solche Grundzüge auch bei Hegel, den Grimms, Savigny etc. auf wie bei S.
Mit dem Ende des Jahres 1797 zog Friedrich Schlegel zu S. in dessen Zimmer in der Charité: so eng war nun ihre Verbindung. S. verhielt sich zuerst dem frühreifen, jüngeren Freunde gegenüber empfangend. Unter der warmen Sonne jener Tage und des neuen Lebenskreises reiften nun rasch von den Entwürfen und Gedankenmassen der vorigen Epoche die zwei einfachgrößten, langsamer ein dritter unter seinen älteren Plänen. Die Darstellung seines Lebensideals in den Monologen und seiner religiösen Ansicht in den Reden über Religion bildeten sich gleichzeitig, 1798–1800, und sich gegenseitig ergänzend aus, dagegen fand seine Streitschrift gegen das Moralsystem Kant’s und seiner Schule etwas später als Kritik der Sittenlehre ihren Abschluß, 1803.
Als Friedrich Schlegel im Herbst 1797 die nähere Bekanntschaft Schleiermacher’s machte, sah er bei diesem „Rhapsodieen“ (Name einer Schrift Shaftesbury’s und Titel einer früher von S. geplanten): unmittelbare Ergüsse seines innersten sittlichen Lebens, in denen sich ihm damals ganz unwillkürlich, ohne sein Zuthun, sein Lebensideal aussprach. Ein Theil derselben erschien nun in den vielberufenen Fragmenten von Friedrich Schlegel im zweiten Hefte des Athenäum (1798, I, 2, S. 1–146. Der Antheil Schleiermacher’s untersucht von Sigwart, Programm von Blaubeuren 1861, von mir in den Denkmalen S. 74–87). Von den neun Bogen der Fragmente gehörte etwa einer S. an, und es ist mir möglich gewesen, seinen Antheil im ganzen zu bestimmen. Während sich in diesen Fragmenten die Monologen vorbereiteten, macht sich im Sommer 1798 in seinen wissenschaftlichen Tagebüchern die Beschäftigung mit den Reden über Religion zuerst bemerkbar. Diesem Plane gab er [427] sich bald so gänzlich hin, daß vom 8. November 1798 bis zum folgenden 15. Februar sein ganzer Briefwechsel stockt. Als er Mitte des Februar einige Monate als Vertreter des Hofpredigers Bamberger nach Potsdam geschickt wurde, waren die beiden seine Grundanschauung enthaltenden ersten Reden (Apologie, über das Wesen der Religion) beinahe fertig; dann hat er in Potsdam vom 15. Februar bis zum 15. April die drei anderen geschrieben (über die Bildung zur Religion, über das Gesellige in der Religion oder über Kirche und Priesterthum und über Religionen). Die erste Ausgabe (1798) hat eine starke Ueberarbeitung in der zweiten (1806) erfahren; die dritte (1821) hat dann die Erläuterungen hinzugefügt (über die dauernde Bedeutung der ersten Ausgabe mein Leben Schleiermacher’s I, 379, kritische Edition derselben dann von Pünjer 1879).
Die Reden über Religion sind neben der Glaubenslehre Schleiermacher’s einflußreichstes Werk. „Als Mensch rede ich zu Euch von den heiligen Mysterien der Menschheit, von dem, was in mir war, als ich noch in jugendlicher Schwärmerei das Unbekannte suchte. Daß ich rede, ist die innere unwiderstehliche Nothwendigkeit meiner Natur, es ist ein göttlicher Beruf, es ist das, was meine Stelle im Universum bestimmt und mich zu dem Wesen macht, welches ich bin.“ 1. Die Religion ist nach den Reden weder Metaphysik noch Moral oder eine Mischung beider, sondern Anschauung und Gefühl des Universums. Indem die religiöse Anschauung in dem einzelnen, uns von außen bestimmenden Vorgang ein Handeln des Universums auf uns erfaßt, vollzieht sich eine Berührung des Gemüths mit dem Unendlichen. Diese ist zwar in sich ein einfacher Vorgang, derselbe kommt aber zum deutlicheren Bewußtsein nur durch eine Zerlegung in Anschauung und Gefühl. Der Kern der Religion ist aber nach Schleiermacher’s Schilderung ihrer einzelnen Anschauungen und Gefühle überall das unmittelbare Bewußtsein von der Immanenz des Unendlichen in dem Endlichen (Shaftesbury, Hemsterhuys, Spinoza, Goethe und Herder). 2. Die Dogmen sind nicht Religion, sondern Abstraction aus ihr und Reflexion über sie. Sie sind also nicht die Religion, obwol sie aus ihr nothwendig und unvermeidlich entspringen. Wenn in der Regel der Glaube an Gott und eine persönliche Fortdauer als Kern der Religion angesehen wird, so ist er vielmehr nicht einmal ein nothwendiger Bestandtheil derselben. 3. S. setzt nun diese Auffassung der Religion mit dem kirchlichen Ideal der Brüdergemeinde in Beziehung. Die Religiösen leben in einer unsichtbaren Gemeinschaft, die vorhandenen Kirchen dagegen sind aus dem Bedürfniß entstanden, zur Religion zu erziehen. Das Bedürfniß mußte zur Gründung kleiner Gemeinschaften führen, und nur die Einmischung des Staates hat diese naturgemäße Form der Kirchenbildung verhindert. Jetzt muß aber die Trennung der Kirche vom Staat herbeigeführt werden. 5. Jede Einzelreligion ist ein Individuum. Sie entspringt, indem der Wille eine Einzelanschauung des Universums heraushebt und zum Mittelpunkte macht. Die Grundanschauung des Christenthums ist der Gegensatz des Unendlichen und des Endlichen und seine Vermittlung. Der wahre Christ kann dem nicht wehren wollen, daß neue Formen der Anschauung des Universums, also neue Religionen hervortreten.
Denselben Gegenstand als diese Reden behandelten gleichzeitig mit ihnen die Predigten (erste Sammlung 1801) und die Briefe bei Gelegenheit des Sendschreibens jüdischer Hausväter (1799). Während die Reden das Wesen der Religion so rein als möglich erfassen wollen, und darum abstract erfassen müssen: leben die Predigten unbefangen in jener Verbindung zwischen der religiösen Anschauung, dem sittlichen Leben und der Bildung der Ideen, wie sie in der christlichen Frömmigkeit besteht (Dogmatik I¹, S. 68 ff.: das Christenthum als ethische [428] oder teleologische Religion; vgl. über dies Verhältniß Otto Ritschl, Schleiermacher’s Stellung zum Christenthum in seinen Reden, 1888; und meine Rec. im Archiv für Geschichte der Philosophie III, 1, 141 ff.).
Ende desselben Jahres schrieb S. in nicht ganz vier Wochen die Monologen (1800). In ihnen empfingen die alten Entwürfe „Ueber den Werth des Lebens“, „Ethische Rhapsodien“, „Selbstanschauungen“ ihre abgeschlossene Form, und sein Plan eines Romans, in welchem er wie Jacobi seine „religiösen Anschauungen“ über Liebe, Ehe und Freundschaft darlegen wollte, wurde in einer anderen künstlerischen Form verwirklicht. Die Monologen erschienen gleichzeitig mit Fichte’s Bestimmung des Menschen. Beide Werke vertraten den transscendentalen Idealismus der Epoche. Das Werk Schleiermacher’s hat das Fichte’s überdauert: es spricht den transscendentalen Idealismus in einer besonderen und höchst wirksamen Gestalt aus. Das im Handeln als schöpferische Einheit des ganzen Lebens wirksame Selbst oder Ich, wie es die Transscendentalphilosophie lehrt, wird hier als über die Zeit und den Wechsel erhabener Individualwille bestimmt. – Nach Vollendung der Monologe schrieb S., da die Angriffe auf die Lucinde, den Roman seines Freundes Friedrich Schlegel, sich mehrten, die vielbesprochenen vertrauten Briefe über die Lucinde, anonym, 1800. Sie waren ein Freundschaftsdienst für den hartbedrängten Verfasser des wirklich schlechten Buches, enthielten indeß einige dauernd von S. vertretene Gedanken seiner bildenden Ethik. Zur selben Zeit arbeitete er an moralischen Dialogen, von welchen der über das Anständige im Nachlaß sich fand (Aus Schleiermacher’s Leben Bd. IV, von Jonas und Dilthey, S. 503 ff.). Die Fragmente, die Lucindenbriefe und der Dialog streben eine Philosophie des Lebens, der Liebe und Ehe, der Freundschaft und Geselligkeit an, für welche aber der einseitig individualistische und hyperästhetische Kreis, in welchem damals S. lebte, weder normale Erfahrungen noch ein gesundes Empfinden darbot.
Entsprangen doch eben aus diesem ästhetisch kränklichen Individualismus Verwicklungen im Leben der Freunde Schleiermacher’s, in deren Verlauf dieselben aus ihrer natürlichen Lage herausgedrängt wurden. Es wäre ihr Beruf gewesen, als Schriftsteller in Berlin das neue geistige Leben Deutschlands zu vertreten, ihm hier einen socialen Mittelpunkt in einer Großstadt zu schaffen. Insbesondere besaßen die Schlegel alle Eigenschaften echter Schriftsteller. Es war ihr aus selbstgeschaffenen Lebensschwierigkeiten entstandenes Verhängniß, daß sie nun zeitlebens der Heimathlosigkeit verfielen und ihre Schriftstellerei von ihrem natürlichen Boden sich löste. Auch S. wurde durch den Eindruck der Reden, der Lucindenbriefe, durch sein Verhältniß zu Friedrich Schlegel und durch andere persönlichste Lebensverwicklungen dazu bestimmt, im Frühling 1802 eine Stelle als Hofprediger zu Stolpe in Hinterpommern anzunehmen.
Schleiermacher in Stolpe; seine kritischen Arbeiten in ihrem Einfluß auf die höhere Philologie und auf die Vorbereitung seines Systems (1802–1804). Ende Mai 1802 kam S. in Stolpe an, wo er bis zu seiner Berufung nach Halle, im Herbst 1804, verblieb. Als er im April die Schwester in Gnadenfrei besuchte, fühlte er, „daß er nach Allem wieder ein Herrnhuter geworden, nur von einer höheren Ordnung“. Aus den Erfahrungen im Predigtamt erwuchsen ihm in Stolpe die zwei „unvorgreiflichen Gutachten in Sachen des protestantischen Kirchenwesens, zunächst in Beziehung auf den preußischen Staat“, 1804. Der erste von beiden Aufsätzen war schon früher einmal niedetgeschrieben worden und wurde nur umgearbeitet (Brfw. 3, 361); er trat für die Union der reformirten und lutherischen Confession ein; sie sollte ohne Unificirung in dogmatischer oder ritualer Beziehung durch die Erklärung [429] herbeigeführt werden, „daß es überall weder in bürgerlicher noch in kirchlicher Hinsicht für eine Veränderung solle gehalten werden, wenn, wer bisher nach dem einen Ritus und bei einer Gemeinde der einen Confession communicirt habe, in Zukunft bei einer Gemeinde der anderen und nach anderem Ritus communicire“ (S. W. I, 5, 73). Der andere neue, im Herbst 1803 geschriebene Aufsatz erstrebte eine Reform des gottesdienstlichen Lebens im herrnhutischen Sinne, Pflege von Kirchengesang und Kirchenmusik, Vermehrung der Feste, Kindergottesdienste, Standespredigten, und eine Steigerung der Thätigkeit des Geistlichen an, welche mit ihrem Predigtamt künftig andere Leistungen, z. B. in den Städten obrigkeitliche Amtsthätigkeit, verbinden sollten.
Ferner hatte er nach Stolpe die Arbeit an einer Uebersetzung des Plato mitgebracht. Die Platoübersetzung Schleiermacher’s ist die Uebertragung der neuen Methode der ästhetischen Auslegung und Kritik auf die strenge Philologie. Die Kritik der früheren großen Philologen war vorzugsweise von grammatischen, metrischen, logischen und sachlichen Erwägungen geleitet. In Winckelmann und Herder entsteht nun die neue Richtung, die dann Friedrich Schlegel in der Litteraturgeschichte geltend macht. Jedes litterarische Werk ist ein Ganzes, dessen innere Form den Keimpunkt seiner Gestaltung und seines Nachverständnisses enthält. Jeder Schriftsteller ist ein Ganzes, in welchem ein innerer Zusammenhang die Abfolge der einzelnen Werke regiert und das Verständniß seines schriftstellerischen Charakters ermöglicht. Von da entsteht dann der umfassendere Zusammenhang einer Schule, endlich der Litteratur eines Volkes. Dieser ästhetischen Auslegung und Kritik kam nun S. in seiner Lehre von der Individualität fördernd entgegen. War diese Auslegung bisher von Friedrich Schlegel besonders in seinem von Winckelmann geleiteten Bruchstück der griechischen Litteraturgeschichte und in seinen Arbeiten über Lessing, Boccaccio, Goethe angewandt worden: so sollte sie nun von ihm und S. gemeinsam am platonischen Dialog, der am meisten räthselhaften und complicirten Form des Alterthums, und an der Aufgabe, Echtheit, Zeit und Zusammenhang dieser Dialoge zu finden, der schier verzweifeltsten Aufgabe der Kritik neben dem Homer, erprobt werden. Unter den älteren Bearbeitungen spricht zwar Tennemann (System der platon. Philosophie 1792. 5. I, 86) von dem „Gang, welchen die Entwicklung seines philosophischen Geistes nahm“, aber weder ist er auf den inneren Zusammenhang der Dialoge untereinander gerichtet, noch weiß er die Composition der Dialoge und ihre Beziehungen aufeinander zu benutzen, um tiefere Aufschlüsse über Plato’s Philosophie zu gewinnen. Nur die ersten Schritte zur Lösung der neuen Aufgabe thaten indeß Friedrich Schlegel und S. gemeinsam: die Lösung in strenger philologischer Arbeit fiel S. zu, den hierbei insbesondere sein Freund, der Philologe Heindorf, unterstützte.
Schon ein paar Tage nach Vollendung der Reden hatte Fr. Schlegel, der ἐργοδιώκτης Schleiermacher’s, diesem zuerst den Vorschlag einer gemeinsamen Uebersetzung des Plato gemacht. S. hatte denselben mit Begeisterung (Brfw. I, 227) ergriffen. Er warf sich nach Beendigung der Monologen mit aller Anstrengung auf die Vorbereitungen und arbeitete damals viel mit Fr. Schlegel gemeinsam (Brfw. I, 279). Beiden erschien als die Aufgabe, Plato als philosophischen Künstler darzustellen; sahen sie doch in der Verbindung von Kunst und Erkenntniß das Wesen des Philosophen (Kritik der Sittenlehre, Vorr. S. V) und in Plato daher den Typus der Philosophie. Aber in der philologischen Technik konnten nicht leicht zwei Männer verschiedener voneinander sein. Nicht ohne Ironie spricht S. von Schlegel’s Manier, den Plato nur so immer wieder von vorn bis hinten durchzulesen (Brfw. I, 364). Demselben blieben dann hiervon nur starke, aber unbestimmte allgemeine Eindrücke zurück (vgl. A. W. Schlegel an Windischmann G. W. V, 385, [430] über des Bruders Operationen mit „hypostatirten Begriffen“: ein solcher war ihm die platonische Form). Nun hatte Schlegel bereits im Frühling 1800 mit dem Verleger Frommann einen Contract geschlossen, nach welchem der erste Band schon Ostern 1801 erscheinen sollte. Er wollte aber durchaus, im Widerspruch mit S., die zeitliche Ordnung der Hauptdialoge zu Grunde legen. Die Hauptdialoge bilden nach ihm einen Zusammenhang, in welchem Stufengang oder Entwicklung des platonischen Denkens sichtbar wird (eine „instructive Suite“), Phädrus ist unter den großen Dialogen der früheste (Brfw. III, 255, Schleiermacher’s Zweifel daran III, 252). Wie hätte Friedrich Schlegel in solcher Geschwindigkeit, unter ihm aufgenöthigtem litterarischen Gelderwerb, mit seiner genialischen, doch unsicheren Technik Plato’s Entwicklungsgeschichte feststellen und Dialog auf Dialog übertragen sollen? Zuerst am 8. Dec. 1800 übersandte er S. den „ganzen Complexus seiner Hypothesen“, das „Schema der Chronologie der platonischen Werke“ (III, 274). „Meine Theorie der Anordnung ist der erste bedeutende und wichtige Schritt, um das Verstehen des Plato möglich zu machen, das erste, was kritisch hätte geschehen müssen und was seit seinem Tode immer vernachlässigt worden ist“ (Brfw. III, 295). Schlegel hat in der Anfangsstellung des Phädrus, die er damals schon als entscheidend für das Verständniß ansah und in der Zusammenordnung von Phädrus, Protagoras, Parmenides als den drei Hauptdialogen der ersten Epoche Schleiermacher’s Ansicht anticipirt. Wie griff er aber fehl, wenn er den Parmenides vor den Protagoras stellte, den Theages als echt ansah, dagegen die Gesetze und die Apologie verwarf! Und bei erneuerter Lectüre gerieth er geradezu in’s Bodenlose. Hauptdialoge I: Phädrus, Parmenides, Protagoras; II: Theätet, Gorgias, Sophistes, Politikus; III: Republik Philebus, Timäus und Kritias. Außer der Reihe zu Epoche I Phädon, zu Epoche II Kratylus, unbestimmt Symposion. Aber vom Parmenides die Hälfte verloren, der Philebus unvollendet oder ebenfalls verstümmelt, Gorgias und Kratylus unvollständig, der Timäus in der zweiten größeren Hälfte neuplatonisch, Meno und Euthydem unecht! Von dem außerordentlich fruchtbaren kritischen Mittel, das im aristotelischen Kanon der platonischen Dialoge liegt, hatte er noch keine Ahnung. Auch die innere Construction des platonischen Dialogs, wie sie S. entdeckt hat, kannte er noch nicht. Daher er die hierauf gegründete Eintheilung der platonischen Werke ebenfalls noch nicht besaß. Seine Kritik ist auf Sand gebaut und daher in beständiger Schiebung. S. dagegen ging nicht vom litterarhistorischen Interesse aus, sondern von der Intention, durch methodisches Studium der Werke Plato’s sich der Philosophie desselben zu bemächtigen. Der Kern und Werth seiner Arbeit liegt in der Erkenntniß der Composition des platonischen Dialogs, der Beziehungen dieser Dialoge aufeinander und schließlich der innersten Natur des platonischen Philosophirens. So wollte er auch zunächst mit Verzicht auf eine chronologische Ordnung durch Uebersetzung und Erläuterungen ein strenges Verständniß der einzelnen Dialoge herbeiführen (Brfw. III, 226 u. a. a. O.). Er hatte die langsam gründliche Art zu lesen, die vielleicht dem wahren Philologen überhaupt eignet, die aber jedenfalls mit seiner Philologie eins war. Durch regelmäßige Platolectüre mit Heindorf und intimsten Verkehr über ihre beiderseitige Platoarbeit ward er in die platonische Textkritik neu eingeführt (Brfw. III, 258. 261). So gründlich vertiefte er sich, daß Sammlungen zu einem Wörterbuch der alten Philosophie entstanden (Brfw. III, 261). Indem er von Schlegel’s Anordnung ausging, erkannte er bald, daß Protagoras vor Parmenides zu setzen sei (Brfw. III, 273). Allmählich entstand seine eigene Anordnung. Im Sommer 1803 übernahm er endlich, da Schlegel nicht zum Uebersetzen gelangte, in Reimer’s Verlag die Uebersetzung des ganzen Plato allein, begann im November des Jahres die epochemachende allgemeine [431] Einleitung zu schreiben; Ostermesse 1804 erschien der erste Band. Das Werk ist nicht ganz zu Ende gelangt; es schloß mit dem Staate und insbesondere Timäus und Gesetze sind nicht mehr übertragen. Plato’s Werke von S. I 1. 2. II 1. 2. 3. 1804–1809. 2. Aufl. 1817–1827. III 1. 1828.
S. hat die Composition des platonischen Dialogs enträthselt. Deren erster Grundzug entspringt daraus, daß die Philosophie hier noch Leben, Gespräch, Mittheilung ist, erst in zweiter Linie schriftliche Aufzeichnung; der Dialog will daher die Gedanken im Anderen erzeugen. Der zweite Grundzug der Composition entspringt aus der Art, wie in diesem System Alles mit Allem zusammenhängt; daher verknüpft der einzelne Dialog in sich scheinbar heterogene Untersuchungen und steht mit allen anderen Dialogen in Beziehungen. So entspringt eine Composition, in welcher Inhalt und Form gleichsam nur die Attribute derselben Substanz des Werkes sind. Die weiteren Eigenschaften dieser Composition schildert die Einleitung meisterhaft, I², 20. 41. – Ebenso bilden die einzelnen Werke vermittelst der in ihnen kunstvoll angedeuteten Beziehungen ein Ganzes. S. trennt Absicht und Kunst in diesem Zusammenhang durchschnittlich nicht von der inneren Entwicklung des Autors. Denn diesem unbewußt dichtet in ihm der künstlerische Geist ein schönes, tief durchdachtes Ganze von Werken. Dies ergiebt sich daraus, daß die Grundconception Plato’s schon am Beginn seiner Schriftstellerei im Phädrus da ist und sonach die folgenden Schriften nur methodisch diese entwickeln. – Und zwar vollzieht sich diese Entwicklung in drei Stufen. 1. Elementaruntersuchungen über die Prinzipien, hier entwickeln sich die ersten Ahnungen von der Dialektik als der Technik der Philosophie, von den Ideen als ihrem Gegenstande, sonach von der Möglichkeit und den Bedingungen des Wissens. Daher werden diese Dialoge in allen folgenden vorausgesetzt. Die Hauptwerke dieser Stufe sind Phädrus, Protagoras, Parmenides; an sie schließen sich Lysis, Laches, Charmides, Euthyphro an. 2. Zwischen diesen elementarischen und den constructiven Werken stehen diejenigen, welche nur von der Anwendbarkeit jener Principien in den realen Wissenschaften der Ethik und Physik handeln. Ihre besondere Form bezeichnet S. als die indirecte. Die Hauptwerke dieser Stufe sind Theätet, Sophistes, Politikos, Phädon, Philebos; an diese schließen sich als Nebenwerke Gorgias, Menon, Euthydemos, Kratylos und Symposion. 3. Die constructiven Dialoge bezeichnen die Reife des platonischen Geistes, sie geben zusammenhängende Darstellungen auf der Unterlage der Arbeiten der ersten und zweiten Stufe, in welchen Theoretisches und Praktisches durchaus eins ist. Die Hauptwerke dieser höchsten Stufe sind Politik, Timäos und Kritias; an sie schließen sich die Gesetze als Nebenwerk. Dieser methodischen Anordnung der Werke entspricht nun im Ganzen deren zeitliche Folge.
S. bemerkt selber über seine Arbeit mitten in ihr (14. December 1803, Brfw. IV, 89): „Das Einzige, worin ich es vielleicht zu etwas hätte bringen können, ist die Philologie im höheren Sinne, allein diese höhere Philologie hat keine andere Basis als die niedrige. Hier fehlt es mir nun noch sehr, und ich werde mich daher nie an etwas Großes wagen können, sondern nur an solche Einzelheiten wie den Platon; wiewohl auch hier der Zweifel bleiben wird, daß auf dem Gebiete der niedrigen Philologie noch Entdeckungen gemacht werden können, die das ganze Gebäude der höheren Kritik, das ich aufzuführen gedenke, untergraben.“ In der That hat die Ausbeutung politischer Anspielungen, litterarischer Beziehungen und stilistischer Unterschiede die Resultate Schleiermacher’s vielfach in Frage gestellt; die Auffindung tiefgreifender inhaltlicher Differenzen zwischen den Dialogen hat seinen Grundgedanken modificirt; aber seiner Arbeit und ihr allein bleibt das Verdienst, das Wiederverständniß Plato’s herbeigeführt zu haben, wie dies Boeckh so schön anerkannt hat.
[432] Das Studium Plato’s verknüpfte sich ihm damals mit der Kenntnißnahme der naturphilosophischen Schriften jener Tage, und so begannen aus der anschaulichen Darstellung seiner Weltansicht in Reden und Monologen sich leitende philosophische Begriffe zu bilden. Taine (l’idéalisme anglais S. 72 ff.) hat mit Recht hervorgehoben, daß die deutsche philosophische Bewegung jener Tage durch die Fähigkeit wirkte, allgemeine Begriffe aufzufinden; was vorher ein Haufe von Thatsachen war, der Geist von Zeitaltern und ganzen Civilisationen, die Erscheinungen der Poesie oder Religion, wurde in ein System gesetzlicher Beziehungen umgewandelt; so wurde der Sinn von Dogmen, die Bedeutung von poetischen Werken, Speculationen, Lebensordnungen verständlich gemacht. S. versuchte nun mit der von ihm festgehaltenen kritischen Methode und Vorsicht Kant’s diese weltumspannenden Gesichtspunkte zu verknüpfen. Er hat die Methode Kant’s festgehalten: er analysirt die Thatsachen des Bewußtseins; insbesondere Wissen, sittliches Handeln, religiöses Gefühl führen auf Bedingungen als ihre Voraussetzungen zurück, welche deren begrifflich nicht erkennbare Unterlage bilden. So war ihm auch Plato’s Dialektik Rückgang von den Thatsachen unseres höheren Bewußtseins zu deren objectiver Bedingung: den Ideen, als in welchen Sein und Erkennen eins sind. Plato löste nach ihm die sophistische Verknüpfung der Erkenntniß mit der Wahrnehmung, des Guten mit dem Angenehmen auf und schloß von der Erkenntniß und dem Guten zurück auf das Urbildliche als ihre Bedingung, in welchem Sein und Erkennen dasselbe ist (Schleiermacher’s s. W. Abth. 3, Bd. 4, Th. 1, 1839; Geschichte der Philosophie S. 99 ff., bes. 104). Und an Schelling erkannte er in der Rec. der Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums (April 1804, abgedr. von mir Briefw. IV, 579 ff.) an, wie aus der im Urwissen enthaltenen Identität des Idealen und Realen vier Gebiete der Wissenschaften des Wirklichen abgeleitet werden: reale und ideale Erscheinungen, aufgefaßt in historischem und in speculativem Verfahren. Fand er nun den schwachen Punkt Schelling’s im Unvermögen seiner Principien, eine Ethik zu begründen (Kritik der Sittenl. S. 487 f.), im Gegensatz zu dem ethisch tiefsinnigen Plato (ebendas. S. 44 ff.), so entstand ihm hieraus seine Aufgabe, durch Anwendung der angegebenen Methode die Principien tiefer und religiöser zu bestimmen und von ihnen aus eine Ethik aufzustellen. So war ihm Ethik das Begreifen der geschichtlich socialen Welt unter dem Gesichtspunkte der Anlage und Entwicklung des Höheren in derselben. Der umfassendste und höchste Gesichtspunkt, unter welchem je Sittenlehre aufgefaßt worden ist. Und zwar gedachte er, aufbauend durch ethische Dialoge in Plato’s Geiste zu wirken, polemisch griff er in die philosophische Bewegung ein mit der Kritik der Sittenlehre, welche neben dem ersten Bande des Plato in Stolpe geschrieben wurde und im Herbst 1803 erschien.
Der Plan einer Kritik der Sittenlehre tritt schon 1798 auf. Entsprechend der damaligen anschaulichen Erkenntniß seines Lebensideals wollte S. in ihr die volle ganze Menschheit zur Geltung bringen gegenüber der abstracten Moral Kant’s und Fichte’s, nach welcher die Triebe durch das Gesetz der Vernunft eingeschränkt, gezähmt, nicht gestaltet werden sollen. Die Schrift sollte durch Witz, Leidenschaft, Polemik wirken; in der Behandlung von Kant und Fichte haben sich im gedruckten Werke noch Spuren dieser ersten Manier erhalten. Doch wuchs der Plan schon 1800 zu dem eines größeren besonderen Werkes aus, und diese Schrift sollte nun nach einer Mittheilung Schleiermacher’s vom 11. Juni 1801 die systematische Darstellung der Moral vorbereiten (Brfw. I, 279). Am 6. September 1802 entwarf er den ganzen Plan einer Kritik und begann mit der Eintragung der schon gesammelten Materialien in Hefte für die einzelnen Abschnitte. Er wollte der Kritik nicht seine [433] eigenen moralischen Grundsätze zu Grunde legen, sondern die Systeme nur einer Prüfung in Bezug auf ihre wissenschaftliche Form und Vollständigkeit unterwerfen; selbst ein so kritisches Genie wie Friedrich Schlegel sollte aus ihr die eigene Moral Schleiermacher’s nicht errathen (Brfw. I, 326 ff.). Als bloße Auflösung wissenschaftlicher Formeln sollte sie auch im Stil zur Strenge und Einfachheit der mathematischen Analyse zurückgeführt werden (Kritik Vorr. 9. Vgl. Briefw. IV, 79: Synthesis von Aristoteles und Dionys von Halikarnaß). Diesen Plan hat er nun zu Stolpe in der schwersten Zeit seines Lebens bis zum 21. August 1803 ausgeführt, körperlich von dem Klima und der ungesunden Wohnung sehr angegriffen, dazu vereinsamt, auch mit Arbeit überhäuft durch die Uebersetzung des Plato. Diese Freudlosigkeit lastet auf dem Werk, und die formelhafte Strenge erschien schon den ersten Lesern als unerträgliche Abstrusität (Grundlinien einer Kritik der bisherigen Sittenlehre, entworfen von S., 1803).
Eine bestimmte Idee der Ethik liegt indessen der Kritik der Sittenlehre zu Grunde. Sie ist oben im Zusammenhang der deutschen philosophischen Bewegung jener Tage bestimmt worden, wird aber in ihrem großartigen Sinne vielleicht einem heutigen Leser am besten durch ihre Verwandtschaft mit dem ethischen Grundgedanken Herbert Spencer’s verständlich. Ist doch die deutsche Naturphilosophie, auf deren Stamme Schleiermacher’s Ethik erwuchs, in der pantheistischen Entwicklungslehre Herbert Spencer’s nur weit fruchtbarer an einem ungeheuren Material durchgebildet worden. Für beide Philosophen ist die Sittlichkeit nur Blüthe und schönste Entfaltung des Naturwirkens, welches in gesetzlicher Determination immer höhere und zweckmäßigere Gestalten des Lebens hervorbringt. Daher ist ihnen die Sittlichkeit gar nicht verschieden von der Lebensfreude und Lebenssteigerung, welche aus dem vollkommenen und zweckmäßigen Wirken der psychophysischen Functionen des Menschen, entsprechend seiner Structur, entspringt. Diese Verwandtschaft tritt besonders deutlich in der schönsten ethischen Abhandlung Schleiermacher’s: „Ueber den Unterschied zwischen Natur- und Sittengesetz“, 1825, hervor. „Vegetation und Animalisation zeigen in jeder ihrer verschiedenen Formen ein abgeschlossenes Ganze, dessen Begriff das Gesetz ist für ein System von Functionen in ihrer zeitlichen Entwicklung.“ Jedes solche Gesetz bestimmt die Individuen einer Art oder Gattung: sie entstehen nach ihm und ihr Dasein verläuft demselben gemäß. Auch ist in diesem Naturgesetz ein Sollen ebensogut als im Sittengesetz enthalten; Mißgeburt, Krankheiten verhalten sich zu diesem Naturgesetz ganz wie das Unsittliche und Gesetzwidrige zum Sittengesetz (S. W. Abth. III. Bd. 2. S. 412 f.). Sonach umfaßt der sittliche Proceß das ganze Leben der Gesellschaft; aber darin steht nun S. sehr hinter Herbert Spencer zurück: die bildende Kraft des sittlichen Processes wird von ihm nicht empirisch nach ihren Causalverhältnissen studirt, sondern nach Plato’s und Schelling’s Art in einer Ordnung von Begriffen dargestellt, durch welche schematisch das Gebiet des sittlichen Lebens umschrieben wird. Die Kritik der Sittenlehre untersucht nun, ob die wissenschaftliche Form der Systeme widerspruchslos und vollständig die sittliche Wirklichkeit abbilde; denn jedes reale System kann im Denken nur durch ein System dargestellt werden (Grundlinien S. 349). So prüft sie im ersten Buch die höchsten Grundsätze der Sittenlehre nach ihrer Ableitung aus der ersten Philosophie, ihren Formeln und deren Tauglichkeit, im zweiten die sittlichen Begriffe, zunächst die formalen der Pflicht, der Tugend und des Gutes, dann die einzelnen realen, und im dritten die ethischen Systeme nach der Vollständigkeit ihres Inhaltes und nach der Vollkommenheit ihrer Form. Die freudige, das Sinnenleben adelnde und das ganze reiche Menschenleben gestaltende Sittlichkeit [434] triumphirt hier über die bloße Einschränkung der Triebe in einer ascetischen Moral, und Kant’s und Fichte’s Sittenlehre mit ihrer Unterdrückung des Trieblebens sind hier zwar nicht ohne Einseitigkeit, aber gründlich zerstört worden. Dagegen ist die Behandlung der englisch-französischen Moralisten unzureichend; die deutsche speculative Schule wußte mit so großen Moralschriftstellern als Turgot, Condorcet, Hume und Adam Smith nichts anzufangen. Die Bedeutung der zwei großen metaphysisch constructiven Moralisten Plato und Spinoza, denen sich S., als den beiden Repräsentanten einer aus den tiefsten Principien bildenden Ethik, besonders verwandt fühlte, wird an allen Theilen ihrer Systeme glänzend erwiesen. Aristoteles steht ihm im Schatten des Plato und Leibniz in dem des Spinoza. Der auffälligste Mangel in der Würdigung der moralischen Systeme tritt darin hervor, daß die Bedeutung der Stoiker gerade für die Ausbildung der praktisch wirksamen moralischen Begriffe und Sätze nicht anerkannt wird. Trotz solcher Mängel sind diese Grundlinien die bedeutendste kritische Leistung auf dem Gebiet der Sittenlehre. Und wenn Strauß über das Werk urtheilt, bei einer historischen Ordnung der Kritik würde diese „am Ende ebenso reich an ethischen Bestimmungen dagestanden, als die Schleiermacher’s arm dasteht“: so weiß man im Gegentheil leider gut genug, daß eine Kritik, für welche die einzelnen Systeme Momente des geschichtlichen Processes sind, schließlich nichts in der Hand behält: „als den letzten schaalen Augenblick“, der ja dann auch bestimmt ist, sich als bloßes Moment eines künftigen zu erweisen. Wohl aber ist die sachliche Anordnung der Kritik bei S. darum unzureichend, weil die Systeme nur aus dem ästhetischen Gesichtspunkt ihrer systematischen Vollendung in den verschiedenen Abtheilungen geprüft werden. Im Gegensatz hierzu würde eine heutige Kritik die systematische Prüfung der Fortschritte in der Untersuchung der allgemeingültigen moralischen Thatsachen, Elemente und Normen von der geschichtlichen Würdigung der Epochen des moralischen Bewußtseins und der an diese angeschlossenen Moralsysteme zu trennen haben.
Halle; Eintritt in die wissenschaftliche Theologie. Entwurf des ethischen Systems (1804–1807). S. war des Stolpeschen Exils müde, zumal auch seine Gesundheit litt. Durch Vermittlung des Theologen Paulus erhielt er Anfang 1804 vom Kurfürsten Maximilian Joseph II. von Baiern eine Anfrage, ob er als Professor der Theologie für die Fächer der theologischen Sittenlehre und praktischen Theologie nach Würzburg gehen wollte. Es galt damals, in dem katholischen Lande für die Aufklärung eine Stätte zu bereiten. Zwar hatte S. sehr gerechtfertigte Sorge in Bezug auf die dortige Collegialität, zumal auch Schelling berufen war. Auch entsagte er der Kanzel ungern. Aber seine Lage drang ihm die Zustimmung zu der Anfrage auf. Um so mehr erfreute ihn, als nach der am 24. April 1804 erfolgten Ernennung in Würzburg ihm nun die nachgesuchte Entlassung aus dem preußischen Dienste am 6. Mai 1804 vom König verweigert und er zu Michaelis 1804 nach Halle als Universitätsprediger und außerordentlicher Professor berufen wurde. Am 31. August 1804 verließ er Stolpe und reiste über Landsberg und Berlin nach Halle, wo er am 12. October 1804 ankam. In der theologischen Facultät herrschten der moderantistische Rationalismus von Niemeyer und Nösselt und der verschämte Supranaturalismus von Knapp. Ward S. auch freundlich empfangen, so verhehlte doch weder Eberhard seine Bedenken gegen den „offenbaren Atheisten“, noch vermochten die Rationalisten sich in seine herrnhutische Mystik zu finden. So wurde denn auch die Herstellung des akademischen Gottesdienstes nur lau betrieben und noch Anfang 1806 waren die Schwierigkeiten nicht überwunden. Als damals nach Bremen der Ruf in ein Predigtamt an S. gelangte, benutzte er diesen, [435] seine Lage zu klären; er knüpfte sein Verbleiben an den Eintritt in die theologische Facultät als Ordinarius derselben und die endliche Einrichtung des akademischen Gottesdienstes. Beides wurde bewilligt. Doch hat er in seiner akademischen Kirche nur vier oder fünfmal gepredigt; dann zerstörte der Krieg auch diese Einrichtung. Ebenso bot ihm seine häusliche Existenz keine Befriedigung. Es entschied sich, während er in Halle war, daß Eleonore Grunow die Gewissensbedenken nicht überwinden konnte, die sie gegen die Auflösung ihrer unwürdigen Ehe und die Vereinigung mit S. hegte. Für Alles mußte er in der ihm ganz neuen Freude an seinen Vorlesungen einen Ersatz finden. In diesen Vorlesungen erlangte nun sein System als Philosophie und Theologie eine feste Gestalt, und hierin lag die große Bedeutung der in Halle verlebten Jahre. Die Arbeit am Plato ging weiter, 1805 erschien schon der zweite Band desselben und noch in demselben Jahre der dritte. Schon im Sommer 1805 schuf er in seiner Vorlesung über Hermeneutik eine Theorie der Auslegung, wie sie der neuen, von ästhetischen Gesichtspunkten geleiteten Philologie entsprach und an Plato von ihm geübt worden war. In seines Schülers Böckh nunmehr gedruckter Vorlesung über Encyclopädie der Philologie hat später diese Hermeneutik und Kritik Schleiermacher’s eine reife Durchführung und Fortbildung erfahren. Im Wintersemester 1805/6 begann er dann in seinen Vorlesungen die an Plato’s Dialogen entwickelte Methode auf die Briefe des Paulus zu übertragen. Arbeitete er so unermüdlich auf dem Gebiete seiner höheren Philologie und schuf sich so auch für die Theologie eine historische Grundlage, so las er zugleich im Winter 1804/5 philosophische Ethik und theologische Encyclopädie, 1805/6 Dogmatik, im Sommer 1806 christliche Sittenlehre. Im Druck veröffentlichte er von Halle aus neben den Platobänden und gewichtigen Recensionen, insbesondere der über Fichte’s Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters (Jen. Litteraturzeitung 1807, abgedruckt Briefw. IV, 624 ff.), die Weihnachtsfeier, dann die umgearbeitete zweite Ausgabe der Reden und eine neue Auflage der Predigten, zuletzt im Mai 1807 das kritische Sendschreiben an Gaß über den sogenannten ersten Brief des Paulus an Timotheus.
Nun entfaltete sich auf der Grundlage der Kritik der Sittenlehre in den Vorlesungen Schleiermacher’s Ethik. Nach deren ältester Fassung leitet die Physik aus der Natur den Menschen ab, die Ethik beginnt umgekehrt im Geistigen und Freien und begreift hieraus die Welt; so liegt beider gemeinsame Voraussetzung in der Einheit der Gegensätze; in dieser ist das Thatsächliche, Dingliche eins mit den Ideen und der Vernunft. Und überall in allem Wirklichen finden wir nun Belebtsein des Körperlichen und Dinglichen von diesem Geistigen, sonach Gegenwart des Ewigen und Unendlichen in der endlichen Erscheinung. Alles Erkennen erfaßt diese Vernunft im Endlichen und alles sittliche Handeln verwirklicht sie darin. Und zwar verklärt der sittliche Proceß alle Regungen der menschlichen Brust von den sinnlichen Trieben aufwärts zur Schönheit und gestaltet sie zu Bestandtheilen des vollendet Menschlichen. – Mit der philosophischen Speculation ist aber in dieser Halleschen Zeit noch der christliche Glaubensgehalt auf’s engste verbunden. In der ersten Predigtsammlung erscheint das christliche Leben als das erhöhte befreite menschliche Gefühls- und Gesinnungsleben überhaupt. Das Christenthum umfaßt alle Regungen der erhöhten und geheiligten Menschlichkeit. So erinnert die zweite Auflage der Reden Brinckmann, dem sie gewidmet ist „an jene Zeit, wo wir jene Harmonie mit der Welt in uns hervorzurufen anfingen, welche unser innerstes Gefühl uns weissagend zum Ziel setzte und welche das Leben nach allen Seiten immer vollkommener ausdrücken soll. Derselbe innere Gesang, Du weißt es, war es auch, der in diesen Reden, wie in manchem Anderen, was ich [436] öffentlich gesprochen, sich mittheilen wollte“. Ein Denkmal dieser Epoche seiner Auffassung des Christenthums ist nun die „Weihnachtsfeier“. Das Schriftchen entstand während der Weihnachtszeit 1805–1806 in kaum drei Wochen, durch eine plötzliche Inspiration. Sein Gegenstand ist Schönheit und Glück der christlichen Gefühlswelt, wie das Fest der heiligen Nacht sie ausspricht. Daher beginnt es mit dem Zustandsbilde der durch das Christenthum erhöhten und vollendeten Existenz; nun strebt die Reflexion, diesen erhöhten Zustand auf seinen Ursprung in Christus zurückzuführen, um dann wieder im Gefühl dieses erhöhten christlichen Lebens unterzugehen. „Der sprachlose Gegenstand erzeugt in mir eine sprachlose Freude, die meinige kann wie ein Kind nur lächeln und jauchzen.“ Die Rede von Leonhard vertritt die kritische Seite der theologischen Reflexion. Sie erklärt aus dem Mythos die Hauptbestandtheile der evangelischen Geschichte und erkennt den Herd dieses Mythos im christlichen Gemeindeleben; spricht doch S. noch in der Dogmatik von „dem Bilde Christi, welches als eine Gesammtthat und als ein Gesammtbesitz in der Gemeinde besteht“. So anticipirt diese Rede David Strauß; nur daß hier schon Schleiermacher’s tiefes Aperçu hervortritt, nach welchem er die Wirksamkeit des mythenbildenden Vermögens mit dem Cultus, den Festen, den Gesängen verbunden sieht. Die Rede von Ernst dagegen vertritt schon Schleiermacher’s Glaubenslehre, deren Reflexion über die christlichen Erfahrungen und ihren Schluß aus denselben auf ihre geschichtliche Bedingung in Christus. Der Zwiespalt, in dem unser Leben beginnt, kann nur aufgehoben werden durch einen unsündlichen und vollkommenen Anfang des christlichen Gemeindelebens, in welchem ein solcher Zwiespalt niemals war. In der Rede Eduard’s tritt dann noch ein drittes Moment der theologischen Reflexion uns entgegen, das damals von Schelling, Daub u. A. vertreten war, von S. später fallen gelassen wurde: die christliche Speculation. Wie diese geschichtlich mit dem Platonismus verwuchs, so ist sie auch in S. durch Plato bedingt, der sich hier mit dem neuen ästhetischen Humanismus berührt. Christenthum und Speculation haben in verschiedener Form denselben Gehalt, in verschiedener Schale denselben Kern: das Urbild des Menschen, das Ideal der Menschheit. Die in unserer Erde wirkende Vernunft verkörpert sich in der endlichen, beschränkten sinnlichen Natur als Mensch und jedes Individuum ist ein Gedanke dieser ewigen Vernunft. In der Kirche gelangt die Menschheit zum Selbstbewußtsein über diesen ihren höheren Charakter, wie er von Gott aus angesehen sich darstellt. Die Kirche aber ist selber geschichtlich nur aus einem Anfangspunkte verständlich, in welchem sich der Geist nach Weise unserer Erde ursprünglich zum Selbstbewußtsein gestaltete und von dem aus nun dies Selbstbewußtsein in der Kirche die Menschheit immer vollständiger durchdringt. Dieser Anfangspunkt ist der Mensch an sich, die vollendete Erscheinung der Menschheitsidee in einem Exemplar, und darum der Fleisch gewordene Logos des Johannes. Wir stehen hier an der Wiege der Schleiermacher’schen Lehre vom urbildlichen Christus und gewahren, wie sie schon im Ursprung den Widerspruch zwischen der transscendenten Natur der platonischen Idee sowie der Parusie dieser Idee an allen Punkten der Gattung und der Behauptung ihrer geschichtlichen Verwirklichung in Einem Exemplar an sich trägt.
Mit dem Sendschreiben an Gaß über den ersten Timotheusbrief, 1807, eroberte sich S. mit einem Schlage eine hervorragende Stellung in der wissenschaftlichen Theologie. Die Arbeit erwuchs aus seinen Vorlesungen über die paulinischen Briefe. Wie er im Plato von der inneren Form des platonischen Dialoges ausgegangen war, so war seine Exegese des Paulus auf die Erkenntniß der inneren Form des paulinischen Briefes gerichtet (Briefwechsel mit Gaß [437] S. 21). „Den Apostel Paulus hoffe ich nun bald so gut zu verstehen, als den Plato selbst“ (vgl. S. 51). Gegenüber der Ansicht, „die neutestamentlichen Schriftsteller wären nun alle so, schlecht und unzusammenhängend, und von einem Styl könne gar nicht die Rede sein“, macht er den festen Sprachkreis des Paulus, die lebendige, geniale Composition des paulinischen Briefs und dessen stylistischen Charakter zum ersten Male geltend (im Sendschreiben s. W. Abth. I, Bd. 2, S. 317 f.) Wie er die Stufen platonischer Composition unterschieden hatte, so entwirft er die charakteristischen Züge der Hauptclassen paulinischer Briefe (ebendas. S. 275 ff.) Und nun zeigt er, wie an diesen Maßstäben gemessen, der Sprachkreis des Briefes sich als abweichend vom paulinischen, seine Composition als äußerliche Zusammenstoppelung ohne das innere geniale Leben des paulinischen Briefes und die eingewebten historischen Data als entlehnt, entstellt, mit den wirklichen historischen Bedingungen in Widerstreit erweisen. So stellte er ein erstes Muster innerer Kritik einer neutestamentlichen Schrift auf. Das Unvermögen äußerer Zeugnisse, diese Schrift zu schützen, erweist er sonnenklar (ebendas. S. 227 ff.) Das Ziel seiner Untersuchung ist heute veraltet. Wir wissen jetzt, daß die drei Pastoralbriefe unächt sind. Wo er sich auf die zwei anderen Pastoralbriefe stützt, um von hier aus den ersten Timotheusbrief anzugreifen, ist sonach auch seine Beweisführung hinfällig (ebendas. bes. S. 254 ff.); aber Strauß überschätzt gar sehr die Bedeutung dieser von den anderen Pastoralbriefen ausgehenden Argumentation für Methode und Ergebniß der Schrift (Strauß’s Charakteristiken 1839 S. 46 f.), deren heute noch fortwirkende Bedeutung in dem genialen Studium der Composition dieser ältesten christlichen Sendschreiben liegt.
Als S. dieses Sendschreiben im Winter 1806/7 schrieb, war schon die Universität Halle in Auflösung. Schon ehe die Katastrophe von Jena eintrat, war durch die großen politischen Vorgänge ein energisches Staatsbewußtsein in S. hervorgerufen, welches sich mit seiner im Herrenhuterthum und dem neuen Idealismus entwickelten Einsicht in die Realität und dem Selbstwerth der Gemeinschaften verband. Oesterreich war nun niedergeworfen. Der Rheinbund bereitete sich vor. „Glauben Sie mir“, schrieb S. schon am 20. Juni 1806 prophetisch (Brfw. II, 64), „es steht bevor früher oder später ein allgemeiner Kampf, dessen Gegenstand unsere Gesinnung, unsere Religion, unsere Geistesbildung nicht weniger sein werden, als unsere äußere Freiheit und äußeren Güter, ein Kampf, den die Könige mit ihren gedungenen Heeren nicht kämpfen werden“. Der Gedanke des Vaterlandes fand nun in seinem Leben die feste Stelle neben Wissenschaft, Religion und Freundschaft. In seiner Predigt September 1806: wie sehr es die Würde des Menschen erhöht, wenn er mit ganzer Seele an der bürgerlichen Vereinigung hängt, bekämpfte er die Ansicht vom bürgerlichen Verein als einer kunstreichen Maschine, die zum Besten des einzelnen da ist (Predigten I, 228). Auch außer diesem patriotischen Wirken auf der Kanzel der Ulrichskirche zu Halle hatte S. im September 1806, während Napoleon seine große Armee nordwärts schob, die Absicht, „ein politisches Wort laut zu reden“ (Briefw. II, 67). Am Schlusse der damals ausgegebenen neuen Ausgabe der Reden weissagte er, Deutschland werde gegen den romanisch-katholischen Imperator „aufstehen mit Riesenkraft“. Nach der Schlacht von Jena und Auerstädt, in den furchtbaren Octobertagen, zogen damals vier Tage hindurch französische Armeemassen plündernd durch Halle; S. verlor den Humor nicht, während er, Steffens und Gaß in seiner Wohnung Uhren, Oberhemden und ein paar übrige Thaler hergaben. Bei den jungen Professoren war wenig zu plündern. Die Universität wurde geschlossen, die Studentenschaft ausgewiesen. Mit der [438] Familie Steffens und seiner Schwester Nanny zusammen lebte er nun zu Halle in einer Dürftigkeit, die ihrem fröhlichen Jugendmuth nicht schwer zu tragen war, ohne Wein, fast ohne Fleisch und Holz. Er war bereit, wenn Napoleon den Protestantismus angreife, seinem Berufe gemäß auch das Märtyrerthum nicht zu scheuen (Briefw. II, 76). Einen neuen Ruf nach Bremen lehnte er ab; „ich bin entschlossen, so lange ich noch in Halle Brot und Salz auftreiben kann, zu bleiben“ (Briefw. IV, 128).
In dieser Lage und Geistesverfassung wurde er der erste große politische Prediger unseres Volkes seit dem Zeitalter Luther’s. Die herrliche Predigt am Neujahrsstage 1807, „was wir fürchten sollen und was nicht“ erhob später den Freiherrn v. Stein, als er in der Nacht vom 5. Januar 1807 proscribirt auf seinem einsamen Schlitten der Grenze zueilte (gesammelt in der zweiten Predigtsammlung 1808). Den Sommer 1807 hindurch war er mit Urlaub in Berlin, er hielt dort über die Geschichte der griechischen Philosophie Vorlesungen, und man weiß aus Niebuhr’s Leben, welchen starken Eindruck dieselben machten. Während dieser Zeit ging im Tilsiter Frieden vom Juli 1807 Halle dem preußischen Staate verloren. Sein erstes Wort über diesen Frieden auf der Kanzel war der bittere „heilsame Rat, zu haben, als hätten wir nicht“. S. wollte nicht unter französischer Herrschaft leben. Auch wurde bereits die Verlegung der Universität Halle nach Berlin erwogen und S. für Berlin in Aussicht genommen. Er kam im Herbst 1807 noch einmal nach Halle zurück, dort seine Angelegenheiten zu ordnen. Die dortige Kanzel war ihm durch die Verordnung des Kirchengebets für den König von Westfalen verschlossen.
Berlin und die Erfüllung seines Lebensideals im Wirken in Familie und Staat, Wissenschaft und Kirche, als den Hauptkreisen dem moralischen Welt. 1808–1819. Im December 1807 siedelte S. auf immer nach Berlin über. Er lebte da zuerst als privatisirender Gelehrter und in keinem glänzenden Zustande der Finanzen. Wie immer in solchen Zeiten unerfreulicher Muße herrschte bei ihm wieder die Philologie. Im Sommer 1807 war der vierte Band des Plato fertig geworden. Wol empfand er selber, wie in seiner genauen, formstrengen Nachbildung die Süßigkeit und lässige Anmuth Plato’s, besonders des Symposion nicht zum Ausdruck gekommen war, aber die Bedeutung seines großen Werkes gelangte unter den Philologen immer mehr zum Verständniß, besonders seit der glänzenden Recension seines Schülers Boeckh in den Heidelberger Jahrbüchern (I. 5, S. 81 ff.). Die Vorlesung über Geschichte der griechischen Philosophie im Sommer 1807 war als erste Verbindung philologischer Interpretation und Kritik mit philosophischer Construction enthusiastisch im vornehmen Kreise der Niebuhr, Buttmann, Spalding aufgenommen worden (Briefw. IV, 146). Seit Frühling 1808 arbeitete er für Wolf’s Museum der Alterthumswissenschaft die dort im ersten Bande 1808 gedruckte meisterhafte Abhandlung aus: Herakleitos, der Dunkle von Ephesos, dargestellt aus den Trümmern seines Werkes und den Zeugnissen der Alten. Dann kam 1809 der fünfte Band des Plato; mit der 1828 nach langer Pause erschienenen Uebersetzung des Staats brach nunmehr das Werk ab. In der Linie des Heraklit lagen mehrere in der Akademie gelesene Abhandlungen, über Anaximandros 1811, Diogenes von Apollonia 1811, Hippon 1820, über den Werth des Sokrates als Philosophen 1815, über die ethischen Werke des Aristoteles 1817, und die Scholien zur nikomachischen Ethik 1816. Diese Arbeiten wirkten mit der Philologie Fr. A. Wolf’s und der entwicklungsgeschichtlichen Betrachtungsweise Hegel’s zusammen, und so erwuchs einer der fruchtbarsten Zweige deutscher geschichtlicher Arbeit, das Studium der griechisch-römischen Philosophie und Wissenschaft. S. [439] regte in der Berliner Akademie der Wissenschaften bedeutende Arbeiten in dieser Richtung an, die noch heute fortgehen.
Für S. war immer Leben mehr als Forschen und Denken, und seine seltene menschliche Größe und Reinheit überragt alle seine thatsächlichen Leistungen. Jetzt begann in Berlin, noch unter französischer Fremdherrschaft, das Ideal seines Lebens sich zu verwirklichen. „Komme ich noch irgend, wenn auch nur vorübergehend, in eine Thätigkeit für den Staat hinein, dann weiß ich mir wirklich nichts mehr zu wünschen. Wissenschaft und Kirche, Staat und Hauswesen, – weiter giebt es nichts für den Menschen auf der Welt, und ich gehörte unter die wenigen Glücklichen, die alles genossen hätten. Freilich ist es nur in dieser neuesten Zeit, wo die Menschen alles trennen und scheiden, daß eine solche Vereinigung selten ist; sonst war jeder tüchtige Mensch wacker in allem, und so muß es auch werden und unsere ganze Bemühung geht darauf, daß es so werde“ (Briefw. II, S. 191). Diesem Ideal entsprechend gewann er in den verschiedenen Sphären der sittlichen Welt nach einander einen festen Wirkungskreis. Zuerst gründete er sich trotz der Unsicherheit der Zeiten sein Haus. Schien ihm lange Zeit mit Eleonore Grunow die Hoffnung auf häusliches Glück geschwunden, so schuf er sich nun dieses auf einem Wege, welcher ganz seiner für andere wirkenden, ringsum Kraft, Thätigkeit und Liebe ausstrahlenden Natur entsprach. Unter den neuen Freunden, welche ihm nach dem Absterben der Beziehungen zu den Romantikern durch feste redliche Tüchtigkeit und warmes Herz das Bedürfniß der Freundschaft befriedigten, waren die ihm nächsten der Buchhändler Georg Reimer in Berlin, der Prediger und Professor Joachim Christian Gaß, der S. zuerst 1803 in Stettin begegnete, dann seit 1808 mit ihm in Berlin vereint war und von 1811 ab bei Regierung und Universität in Breslau wirkte, endlich der junge Geistliche Ehrenfried v. Willich auf Rügen. S. hatte ihn 1801 kennen gelernt, auch Willich’s junge Frau Henriette (geb. v. Mühlenfels) hatte sich mit warmherzigem Enthusiasmus an ihn angeschlossen, und als nun im Frühling 1807 der jugendliche Gatte ihr entrissen wurde und sie mit der schweren, ja ihr kaum lösbaren Aufgabe der Erziehung ihrer Kinder zurückblieb, hatte sich S. im Sommer 1808 auf der Insel Rügen mit ihr verlobt, und sie dann im April des nächsten Jahres 1809 heimgeführt. Sie schenkte ihm mehrere Töchter, unter denen die edle Gemahlin des bekannten Ministers Grafen Schwerin auch weiteren Kreisen bekannt geworden ist, und einen hochbegabten Sohn, der als Knabe starb.
Als S. aus Rügen als Verlobter an einem Augustabend zurückkehrte und Berlin wieder vor ihm lag, da freute er sich, die Dreifaltigkeitskirche unter dem Ersten, was er deutlich unterscheiden konnte, zu gewahren und tröstlich lag sie ihm als schönes Ziel vor Augen. Sein kirchlicher Beruf war nun der zweite Lebenskreis, in welchem er zu freudig idealem Wirken gelangte. 1808 ernannte ihn der König durch ein Handbillet zum Prediger an der Dreifaltigkeitskirche, wo lutherische und reformirte Prediger zusammen wirkten (Heinrici, Twesten S. 204), und am 11. Juni 1809 konnte er, nach abgelaufenem Gnadenjahr, sein Amt antreten. Durch ihn wurde die Kanzel der Dreifaltigkeitskirche die erste des evangelischen Deutschland. Der Mittelpunkt seiner Predigt war das erhöhte, freudige Leben der christlichen Gemeinschaft, die ideale Gestaltung aller sittlichen Verhältnisse in Gottes Reiche und das persönliche Verhältniß des Christen zum Erlöser als dem menschlichen Urbild und Ideal. Wenn er die erhobene Schönheit des christlichen Lebens schilderte, brach er wohl zuweilen in Thränen aus. Auf dieser Kanzel hat er die Predigten über den christlichen Hausstand gehalten (1818, gedruckt 1820–1825), welche die sittlich-tiefsinnigste Darstellung unseres christlich-deutschen Familienlebens sind. Auf derselben Kanzel [440] hat er die politischen Ereignisse seiner Tage mit den höchsten sittlichen Betrachtungen begleitet und seine Predigten zum Gedächtniß der Königin Louise, die Neujahrspredigt von 1813, die Predigt vom 28. März desselben Jahres bei der Verkündigung des Aufrufs: An Mein Volk! haben sich lange im Gedächtniß der Menschen erhalten. In der Zeit der Karlsbader Beschlüsse und der Demagogenjagd hat dann die Dreifaltigkeitskirche unter ihren Andächtigen Polizeispione gesehen, die regelmäßig über Schleiermacher’s Predigten zu berichten hatten (Siegfried Lommatzsch, Geschichte der Dreifaltigkeitskirche zu Berlin, 1889).
Als Prediger an der Dreifaltigkeitskirche hatte S. auch einen festen Boden für sein Wirken in den großen kirchlichen Fragen, welche seit der Auflösung des älteren preußischen Verwaltungssystems auftraten. Durch das Publicandum vom 16. December 1808 wurden die Consistorien und kirchlichen Centralbehörden, wie sie bis dahin bestanden hatten, aufgehoben. Im Ministerium des Innern wurde eine Section für Cultus und öffentlichen Unterricht eingerichtet. Wie seitdem die Arbeit, ein neues System der preußischen Verwaltung zu gestalten, lange Jahre in Anspruch nahm, so hat es vieler Jahre bedurft, eine Kirchenordnung zu schaffen, welche den Bedürfnissen des Gemeindelebens besser genügte und sich doch zugleich in das staatliche Verwaltungssystem ohne Widerspruch einordnen ließ. Auch für diese Frage wurde zunächst das Zurückstellen der versprochenen staatlichen Repräsentativverfassung verhängnißvoll. Denn von hier aus mußte nach dem Zusammenhang menschlicher Dinge auch die kirchliche Repräsentation verdächtig werden. Zugleich aber sind vom König infolge seiner persönlichen religiösen und kirchlichen Stellung neben den heilsamsten Einwirkungen auch schädliche ausgegangen. Die Fragen, welche zu lösen standen, waren die einheitliche Verfassungs- und Verwaltungsordnung der Kirche und – untrennbar damit verbunden – ein Grad von Vereinigung der protestantischen Confessionen, der eine solche einheitliche Ordnung ermöglichte. Forderten beide Reformen einander, so konnten doch nur ordnungsmäßige Organe der Gemeinden, also deren Repräsentation in Synoden, diese der Union zuführen. Da nun aber die Abneigung gegen jede Art von Repräsentation dieses Verfahren hemmte, fiel dem landesherrlichen Kirchenregimente ein überwiegender Einfluß zu, die Bewegung in den Gemeinden selber erlosch, und Maßregeln wurden ergriffen, welche die Rechte der Gemeinden nicht genugsam achteten und sich daher rächen mußten. Zudem aber mischte nun der König in diesen Gang der Sache die Herstellung und Ausführung einer neuen liturgischen Ordnung, niedergelegt in einer Agende, durch welche eine uniforme Ordnung des Cultus und auch der Lehre den Gemeinden aufgedrungen wurde. Durch sie wurden Cultus und Lehrgehalt der herbeizuführenden Union von vornherein von oben geregelt. Durch die Art ihrer Einführung wurden die Rechte der Gemeinden verletzt. In den so entstehenden Wirren wäre Schleiermacher’s Platz in der Kirchenleitung gewesen. Ihn in diese aufzunehmen, konnte sich der König zu keiner Zeit entschließen. Aber wie von selber trat der gewaltige Prediger der Dreifaltigkeitskirche an die Spitze der Berliner Geistlichen. Sein Programm war von den Reden und Gutachten her Selbständigkeit der Kirche in ihren inneren Angelegenheiten, Aufbau ihrer Verfassung auf die Rechte der Gemeinden, auf Presbyterien, Provinzialsynoden und Generalsynode, andererseits ausschließliche Einordnung der theologischen Facultäten in den Universitätszusammenhang, sonach in die Gliederung des wissenschaftlichen Unterrichtswesens, und dadurch festgegründet: dieser Facultäten Lehrfreiheit. Aber mit der ihm eigenen kirchlichen Weisheit suchte er diese Forderungen mit der von oben die Kirche regierenden Consistorialordnung und mit dem Summepiskopat des Königs in Einklang zu setzen. So hat er viel Gutes erreicht, manches Schädliche gehindert, vor allem aber mit der überlegenen [441] Anschauungskraft des religiösen Genies dem weiteren Gang des Aufbaues unserer Kirchenordnung im Ganzen die Wege gewiesen.
Zunächst begann sein kirchliches Wirken mit dem auf Stein’s Veranlassung ihm 1808 ertheilten Auftrag zu einem Entwurf für eine neue Kirchenordnung der preußischen Monarchie. Dieser Entwurf (mitgetheilt in Dove’s Zeitschrift für Kirchenrecht I, 326 ff.) verlangte gegenüber der bisherigen Behandlung der Kirche als Staatsinstitut eine völlige Erneuerung des ganzen kirchlichen Gemeinschaftslebens in Bezug auf: 1. die Bildung der Gemeinden, 2. die Zusammensetzung der Synoden, 3. die Einsetzung von Bischöfen und Capiteln, 4. das Verhältniß der Staatsgewalt zur Kirchenregierung. Er enthält dabei Elemente, in denen S. sich den Ideen der leitenden Personen accommodirte oder die er doch später wieder aufgab. Die Rechte eines Gemeindegliedes sind daran gebunden, daß „dasselbe zweimal jährlich in den Communicantenlisten der Gemeinde aufgezeichnet stehe“. Das provinziale Kirchenregiment soll nach diesem Entwurf durch einen Bischof mit seinem Capitel geübt werden und die oberste Kirchenleitung soll nach ihm in den Händen der Staatsregierung verbleiben. Andererseits tritt schon dieser Entwurf für eine der kirchlichen vorausgehende und die Gültigkeit der Ehe ausschließlich constituirende bürgerliche Eheschließung ein und erstrebt die Selbständigkeit der Kirche in ihren inneren Angelegenheiten sowie die theologische Lehrfreiheit. Der Entwurf verfiel den Acten. Erst ein am 16. Januar 1812 von der Geistlichen- und Schuldeputation Schlesiens eingereichter Entwurf einer Synodalordnung, den Gaß verfaßt hatte, brachte die Sache wieder vorübergehend in Fluß. Zunächst circulirte derselbe bei den anderen Provinzialregierungen. Als deren Gutachten eingegangen waren, schlug Nicolovius als Rath der geistlichen Abtheilung am 29. Juli 1812 vor, die Sache nun in der Section des öffentlichen Unterrichts zur Sprache zu bringen und dem dieser Section angehörigen S. vorzulegen. Auf diesem Umweg kam die Sache in Schleiermacher’s Hand, was auch schon Gaß erbeten hatte (dieser Verlauf aus den ungedruckten Acten). In diesem Zusammenhang entstand ein neues Gutachten Schleiermacher’s über eine Synodalordnung für die protestantische Geistlichkeit in sämmtlichen Provinzen (handschriftlich erhalten von Schleiermacher’s eigener Hand). In diesem Gutachten wird besonders entwickelt, was die herzustellenden Synoden für die Ausbildung der Candidaten, die theologische und sittliche Bildung der Geistlichen und ihr gemeinsames Wirken, sowie für die damals so dringende Aufgabe eines verbesserten Elementarunterrichts leisten könnten. Die Betonung der Bedeutung der Synoden in dieser Rücksicht entsprach dem Gesichtspunkt der Unterrichtsverwaltung, den S. geltend zu machen hatte. Schleiermacher’s Gutachten fand zwar in der geistlichen Abtheilung durchweg Anerkennung, aber die großen Ereignisse von 1813 verschlangen auch diese Verhandlungen. Als dann nach dem Kriege 1814 eine Versammlung von 22 Superintendenten der Kurmark im Juni 1814 den König um eine kirchliche Verfassung zu bitten wagte, erfolgte nun ein erster Schritt. Doch in wie verhängnißvoller Richtung!
Eine aus angesehenen Geistlichen, Sack, Ribbeck, Hanstein, Hecker, Offelsmeyer und Eylert, bestehende liturgische Commission wurde eingesetzt, sie wurde aber, trotz ihrer Beziehung zu den Verfassungsbestrebungen jener Superintendentenversammlung, im Publicandum vom 17. September 1814 auf die Herstellung einer Liturgie als ihre Aufgabe verwiesen. Sofort erschien Schleiermacher’s Glückwunschschreiben an die Mitglieder der zur Aufstellung neuer liturgischer Formen ernannten Commission 1814. Dieses stellt das Verschobene zurecht. „Eine neue lebendige Verfassung der Kirche muß gegründet werden, aus welcher das Andere alles von selbst, wie und wann es recht ist, hervorgehen [442] wird“; diese anzuregen und einzuleiten, ist ihm die wirkliche Aufgabe der Commission. Dagegen scheint es ihm nicht gerathen, den fortschreitenden christlichen Geist an den uniformen Buchstaben einer alleinherrschenden Liturgie zu binden. (S. W. Abth. I. Bd. 5, S. 158 ff. bes. 186 f.) Und als im Herbst 1816 die vom König mit seinem Hofbischof Eylert hergestellte Liturgie für die Hof- und Garnisongemeinde von Potsdam und die Garnisonkirche von Berlin erschien, unterwarf wiederum der wahrhaft kirchliche S. diese in der neuen Broschüre „über die Liturgie 1816“ einer vernichtenden Kritik. Noch einmal hob er hervor, daß nur eine kirchliche Repräsentation die schwebende Frage zu lösen befugt und befähigt sei (ebendas. S. 191 ff. bes. 215).
Hand in Hand mit der neuen Liturgie ging die Wiederherstellung der Consistorien (10. April 1815) sowie die Anordnung vom 2. Januar 1817, nach welcher in einer Art von protestantischer Hierarchie auf der Unterlage von Presbyterien aus den Geistlichen jedes Kreises unter Vorsitz des Superintendenten Kreissynoden und aus den Superintendenten der Provinz unter dem Generalsuperintendenten eine Provinzialsynode gebildet werden sollte; nach fünf Jahren sollte eine neue Generalsynode zusammentreten. Auch diesen Ideen trat der unermüdliche Streiter von neuem gegenüber, in der Broschüre über die für die protestantische Kirche des preußischen Staates einzurichtende Synodalverfassung 1817 (ebendas. 219 ff.) Sein Endurtheil über diesen Verfassungsplan war: „Es bleibt dem Entwurf zufolge völlig beim Alten“. Mit vorschauendem Blick strebte er selber eine Verbindung der in unser ganzes Staatswesen eingewurzelten Consistorialverfassung mit der Synodalverfassung an und verlangte die Unabhängigkeit der theologischen Facultäten vom Einfluß der Synoden. Als 1817 die evangelische Berliner Geistlichkeit eine gemeinsame vorbereitende Kreissynode bildete, wählte sie S. zu ihrem Präses. Und als 1819 die Superintendenten zu einer Provinzialsynode zufammentraten, luden sie S. ein, theilzunehmen. Die Synode schlug weltliche Mitglieder der Synoden in gleicher Zahl mit den geistlichen, Ersatz der Consistorien durch freigewählte Ausschüsse der Provinzialsynoden und der obersten Kirchenleitung durch einen Ausschuß der Generalsynode vor. Es ist nicht festgestellt, wie viel Antheil S. an der Aufstellung dieser weitgehenden Forderungen hatte; jedenfalls stimmte er ihnen zu. So sehr hatte der Verlauf der Dinge ihn und viele Geistliche dem kirchlichen Regimente gegenüber verbittert. Doch von diesem verhängnißvollen Jahr 1819 ab war die ganze Kirchenverfassung in den Acten begraben. Man begreift das, da S. selber wie sein Freund Gaß in einer Synodalverfassung auch eine wirkende Kraft für das staatliche Verfassungsleben sah. Aber für das religiöse und kirchliche Leben unseres Volkes in der nun folgenden Zeit so großer Erschütterungen der religiösen Vorstellungen war es ein großes Uebel.
Schleiermacher’s Wirken für die Union war der Höhepunkt seiner ganzen kirchlichen Thätigkeit. Aus der edlen evangelischen Gesinnung des Königs war ihm seit den Tagen des Religionsunterrichts bei dem ehrwürdigen Sack die Sehnsucht entsprungen, die Vereinigung der lutherischen mit der reformirten Kirche herbeizuführen. Nun erklärte der König am 27. September 1817 den Consistorien, daß er am Reformationsfeste das Abendmahl gemeinsam mit den Lutheranern genießen werde, sprach die Hoffnung aus, daß das bei seinen Unterthanen Nachfolge finden werde und überließ der Weisheit der Geistlichen, Synoden und Consistorien, die Form dieser Vereinigung zu finden. S. war Präses der ersten vereinten Berliner Synode und Verfasser der Erklärung, in welcher diese sich den Gemeinden über die bevorstehende gemeinschaftliche Communion am Reformationsfeste aussprach. Nach derselben sollte diese Feier weder liturgische noch dogmatische Uniformität herbeiführen (s. W. Abth. I. Bd. 5. S. 295 ff.). [443] Am 31. October nahmen in der Nicolaikirche 63 Berliner Geistliche, alle theologischen Doctoren und Professoren der Universität und viele hohe Staatsbeamte gemeinsam das Abendmahl: vor dem Altar reichten sich die theologischen Collegen, der reformirte S. und der lutherische Marheineke die Hand. Und S. hat dann auch die litterarische Vertheidigung der Union geführt, als in Holstein der lutherische Prediger Claus Harms in den 95 Thesen die Union als „Verirrung“, die moderne Theologie als „Abfall vom alten Glauben“ anklagte und in Sachsen der Oberhofprediger v. Ammon, der „Dresdener Papst“, in seiner „bitteren Arznei für die Glaubensschwäche der Zeit“, Luther und seinen vollen Abendmahlsglauben gegen die mit der Union eindringende Verführung zum Indifferentismus vertheidigen zu müssen vorgab. Schleiermacher’s Streitschrift „an Herrn Oberhofprediger Ammon über seine Prüfung der Harms’schen Sätze 1818“ ist neben der gegen Schmalz die am meisten persönliche. Sie hat Ammon als theologische Persönlichkeit vernichtet. Mit offener, ehrlicher Leidenschaft: denn tief hatte den alten Reformirten die unwahre und unwissende Verdächtigung seiner Confessionsgenossen verletzt. Eine Fluth von Streitschriften folgte, doch begnügte sich S., 1819 in der Abhandlung: „Ueber den eigenthümlichen Werth und das bindende Ansehen symbolischer Bücher“ zu zeigen, wie diese die freie Schriftforschung nicht binden dürften, sondern nur den Werth historischer Urkunden des altprotestantischen Glaubens besäßen (s. W. Abth. I, Bd. 5, 423 ff.). Bei der Dreifaltigkeitskirche selber ist nach Einverständniß von Marheineke und S. am 6. December 1820 von den Pastoren und dem Kirchencollegium die Vollziehung einer Union vorgeschlagen worden, und am Palmsonntag 1822 konnte zur besonderen Freude des Königs das Fest der Vereinigung gefeiert werden (Bericht der gottesdienstlichen Feier mit Schleiermacher’s Predigt 1822). Nun konnte auch unter Schleiermacher’s langwährender Mitwirkung in Berlin ein gutes gemeinsames Gesangbuch zum Abschluß gelangen. (Ueber das Berliner Gesangbuch 1830 ebendas. S. 629 ff.) Unter den Confirmanden, welche die Union S. in der Dreifaltigkeitskirche zuführte, befand sich 1830 auch Bismarck.
Das dritte Lebensgebiet, in dem S. nun zu wirken begann, war der Staat, und wie er ganz zum öffentlichen Leben geboren war, schien seine Brust sich im politischen Wirken zu erweitern. Für die Ueberwindung des Individualismus der gebildeten Classen durch den Gedanken, daß die staatliche und nationale Gemeinschaft etwas Reales und für sich Werthvolles sei, haben S., Fichte, Hegel und Niebuhr neben den großen Staatsmännern und Militärs das Meiste gethan. Neben die politischen Predigten, welche S. im Februar 1808 auch in einer Sammlung veröffentlichte, trat vom Sommer 1808 ab seine Mitwirkung in einer freien Verbindung preußischer Patrioten, welche ohne Organisation und feste Abgrenzung der Mitglieder gegen die französische Herrschaft zusammenwirkte. An ihrer Spitze stand Graf Chazot, die Seele der Verbindung war Eichhorn, der spätere Unterrichtsminister. Diese Verbindung war keineswegs eine geheime Gesellschaft, das Urtheil über sie ist von dem über einen preußischen Krieg 1808 oder 1809 abhängig: denn Stein, Scharnhorst, Gneisenau mußten für einen solchen Krieg auf den mitwirkenden Geist der Nation, ja auf vorbereitende Maßregeln rechnen, und sie haben darauf gerechnet (Stein, Darst. der Lage von Europa 11. August 1808). Im Auftrag dieser Verbindung unternahm S. im August und September des Jahres 1808 eine Reise nach Königsberg, um über die Vorbereitungen zum Krieg mit den in der Regierung befindlichen Befürwortern des Krieges dort persönlich zu verhandeln. Er conferirte mit Stein, Gneisenau, Scharnhorst und ward von der Königin und der Prinzeß Wilhelm empfangen. Unmittelbar danach finden wir ihn auf einer geheimen Zusammenkunft [444] von Patrioten in Dessau. Im November wurde er vor den Marschall Davoust beschieden und verwarnt. Auch stand dann die Patriotenverbindung in Beziehung zu den norddeutschen Aufständen von 1809 (das Nähere in meinem Aufsatz über Schleiermacher’s politische Gesinnung und Wirksamkeit, Preuß. Jahrbücher 1862, S. 234–277).
Zu derselben Zeit aber wurde nun auch S. eine bedeutende Wirksamkeit in der Staatsregierung selber zutheil. Er nahm unter Humboldt in der Unterrichtsabtheilung hervorragenden Antheil an der ersten Einrichtung der Berliner Universität, an der Gestaltung des modernen Gymnasiums, an der Reform der Volksschulen nach Pestalozzi’s Methode. Als dann die Erhebung von 1813 herannahte, haben seine Predigten und seine patriotische Thätigkeit auch diese mit vorbereitet und begleitet. Damals theilte er wie Fichte die Uebungen des Landsturmes. Er unterstützte Niebuhr bei dem von diesem redigirten Preußischen Correspondenten, dem Organe der Patriotenpartei und übernahm selbst nach Niebuhr’s Fortgang die Redaction. Ein von ihm verfaßter Artikel über den Waffenstillstand vom Juli 1813 brachte ärgerliche Händel mit der Censur (Briefw. 4, 413 ff.) und einen persönlichen Verweis von Schuckmann. Nach dem Kriege hat man die Abneigung des Königs gegen das nicht auf regulärem Verwaltungswege Geschehene benutzt. Die Broschüre von Schmalz über politische Vereine 1815 streute unbestimmte, unfaßbare Verdächtigungen aus, doch erwiesen die Antworten von Niebuhr und S. (An den Geheimerath Schmalz. Auch eine Recension. S. W. Abth. III, Bd. 1, S. 645 ff.) deren gänzliche Gegenstandslosigkeit. Mochte es zweifelhaft sein, ob 1808, 1809, 1811 die Patrioten wie Stein, Gneisenau, Scharnhorst, S. mit ihrer Kriegspolitik oder der König mit seiner Politik des Abwartens Recht gehabt hatten, jedenfalls war diese Patriotenpartei nie ein geheimer Bund gewesen und hatte mit dem Tugendbund nichts zu schaffen. Dennoch benutzte nach der Schmalziade der Minister des Innern, Schuckmann, ein argwöhnischer Bureaukrat, jederzeit der entschiedenste Gegner Schleiermacher’s, dessen Wahl zum Secretär der philosophischen Classe der Akademie (1814), ihn unter dem Vorwand seiner Ueberhäufung mit Geschäften aus dem Unterrichtsdepartement hinaus zu manövriren.
Der vierte Lebenskreis, in den sich Schleiermacher’s Wirken erstreckte, war die Wissenschaft. Seit seiner schönen Schrift über die Universitäten (1808), welche das geflügelte Wort enthielt, der Staat brauche nicht einige Männer lediglich dazu zu besolden, damit sie sich des Privilegiums erfreuen, die Wohlthat der Druckerei ignoriren zu dürfen, nahm er an der Gründung der Berliner Universität sowohl einen persönlichen und freien als einen amtlichen Antheil. Nachdem im Frühjahr 1809 Humboldt das Unterrichtsministerium übernommen hatte, durfte S. als Director der Berliner wissenschaftlichen Deputation, als Mitglied der Unterrichtssection, als Theilnehmer an der Commission für die Herstellung der Berliner Universität, nicht am wenigsten als persönlicher Berather Humboldt’s in vielen Berufungsangelegenheiten eine eingreifende Einwirkung auf alle Unterrichtsangelegenheiten, besonders aber auf die Begründung der Berliner Universität (1810) üben. Er bereitete aber auch durch Vorlesungen vor der Eröffnung diese vor. So las er im Sommer 1807 über griechische Philosophie, dann im Winter 1808/9 Darstellung und speculative Kritik der christlichen Glaubenslehre, für ein über die Theologen hinausreichendes Publicum (Briefw. IV, 167), und Staatslehre. Diese letztere neue Vorlesung entsprang aus dem unwiderstehlichen Bedürfniß, das politische Wirken, in dem er stand und das ihn umgab, sich gegenständlich zu machen; schon seit October 1808 arbeitetete das Nachdenken hierüber in ihm. Dann las er im folgenden Winter 1809/10 christliche Sittenlehre. Der Plan entstand, auf Grund der bisherigen Vorlesungen seine [445] theologischen Ansichten in Lehrbüchern niederzulegen. Eine Encyclopädie sollte den Anfang bilden und ist in demselben Jahre erschienen. (Kurze Darstellung des theologischen Studiums zum Behuf einleitender Vorlesungen. 1810. Zweite umgearbeitete Ausgabe 1830.) Dogmatik und christliche Ethik sollten folgen. Auch schrieb er schon im Winter 1812/13 neben den Vorlesungen an diesen beiden Compendien. Der damals entstandene Grundriß der Ethik ist von Schweizer richtig als für eine künftige Herausgabe bestimmt bezeichnet worden (Schweizer: Heft C, von Twesten vollständig veröffentlicht). Fertig gearbeitet wurde vom Compendium die Einleitung und ein Theil der Güterlehre, wol bis 1816 (Twesten S. 1–93). – Im Herbst 1810 wurde nun die Universität eröffnet, mit 256 Zuhörern, die dann im Sommer auf 198 sanken. S. und de Wette bildeten die theologische Facultät, denn der schon berufene Marheineke trat sein Amt erst 1811 an. Im ersten Semester las S. zwei theologische Vorlesungen (Briefw. mit Gaß, S. 88), eine derselben handelte über Lucas, und schon damals hoffte er, von der Kritik dieses Evangeliums werde ein großes Licht über den Kanon (a. a. O. S. 87) ausgehen. Philosophische Collegien gedachte er damals so lange nicht zu lesen, als Fichte, mit dem er sich nicht verstand, einziger Professor der Philosophie sei. Dann machte es jedoch in der Ausbildung seines philosophischen Systems Epoche, als er trotzdem im Sommer 1811 zum ersten Male seine Grundlegung der Philosophie: die Dialektik las (vor 60 Zuhörern). Lange hatte er sich damit getragen, von seiner Ethik auf deren philosophisches Fundament zurückzugehen. Nach dieser Zeit that er noch einmal einen Ruck in dem Entwurfe seines philosophischen Systems, als er im Sommer 1818 zum ersten Male Psychologie las (die am stärksten besetzte Vorlesung bis dahin, 130 Zuhörer). Schade, daß S. nicht früher zuerst diese Vorlesung in Angriff genommen hat, da sie dann mehr Einfluß auf sein System, auch auf das theologische, gewonnen hätte.
Zum Druck ist in dieser Epoche Weniges gelangt. Nach seiner Art suchte S. seine systematischen Werke in Verbindung mit den Vorlesungen allmählich auszubilden. Da hielt er denn im Schreiben mit diesen eine Zeit lang Schritt, bis ihm der Athem ausging. So versuchte er im Winter 1814/15 für das Compendium über die Dialektik nach jeder Vorlesung die entsprechenden Paragraphen niederzuschreiben. Das schon mehr gereifte ethische Compendium förderte er daneben schneller und hoffte es im selben Winter 1814/15 zu vollenden (Gaß 121), auch gelangte die Ausarbeitung im Sommer 1815 bis tief in die Güterlehre hinein (Briefw. IV, 208), kam aber dann ins Stocken, und blieb wol seit 1816 ganz liegen. Als S. Twesten 1816 besuchte, in leidendem Gesundheitszustande, fürchtete er, die Ethik nicht vollenden zu können; er sprach den Wunsch aus, Twesten möge sich dann des Werkes annehmen. Ferner entstanden aus der politischen Vorlesung 1814 die Abhandlungen „über die Begriffe der verschiedenen Staatsformen“ sowie „über den Beruf des Staates zur Erziehung“. Und nachdem S. die theologische Encyclopädie mehrmals gelesen, wurde das Compendium derselben 1810 geschrieben („Kurze Darstellung des theologischen Studiums zum Gebrauche für Vorlesungen“. Berlin 1810).
Die wenigen Bogen der Encyclopädie enthalten in classischer Prägnanz eine neue Auffassung der Theologie; gleichsam das Programm der theologischen Thätigkeit Schleiermacher’s in Berlin. Sie vertreten im Gegensatz gegen die natürliche Theologie den geschichtlichen Standpunkt, welcher in der christlichen Gemeinschaft eine zusammengesetzte oder moralische Persönlichkeit erblickt, die sich so wenig als die Eigenthümlichkeit eines einzelnen Menschen construiren läßt (a. a. O., § 32). Die Theologie ist keine rationale Wissenschaft, sondern der Inbegriff derjenigen Kenntnisse und Kunstregeln, ohne deren Besitz und Gebrauch [446] eine zusammenstimmende Leitung dieser moralischen Persönlichkeit, d. h. der christlichen Kirche, also ein christliches Kirchenregiment nicht möglich ist (a. a. O. § 5). Sonach besteht die Theologie aus einem philosophischen, historischen und praktischen Theil, aber ihr eigentlicher Körper ist die historische Theologie, und dieser hängt durch die philosophische Theologie nach rückwärts mit der eigentlichen philosophischen Wissenschaft als der Grundlage zusammen, durch die praktische vorwärts mit dem christlichen thätigen Leben. Die philosophische Grundwissenschaft der Theologie ist die Ethik; aus dieser entspringt die Religionsphilosophie neben der Aesthetik, der Staatslehre. Aber das ist nun gleich von diesem ersten Entwurf ab der schwache Punkt der neuen Theologie Schleiermacher’s, wie freilich jeder späteren, daß sie nicht wirklich auf ächte Religionswissenschaft d. h. Verknüpfung der vergleichenden geschichtlichen Erforschung der Religionen mit Psychologie und Anthropologie gegründet ist, sondern diese grundlegende Wissenschaft ersetzt wird durch die beiden Zweige der philosophischen Theologie: Apologetik und Polemik. So wurde schließlich in der Encyclopädie die ganze Theologie auf ein Aneinanderhalten der von der Ethik entwickelten Idee der Religion mit den geschichtlichen Arten und Stufen derselben, insbesondere aber mit dem Christenthum aufgebaut, und auch die ethischen, religionsphilosophischen und apologetischen Lehnsätze der späteren Glaubenslehre führen wenig hierüber hinaus. Aus der so entstehenden Insufficienz der philosophischen Theologie ergab sich dann die vielbesprochene Paradoxie, daß er Glaubens- und Sittenlehre gänzlich in die historische Theologie verwies und neben die kirchliche Statistik stellte.
Wie die Encyklopädie so erwuchs ihm in diesen Jahren auch der kritische Versuch über die Schriften des Lucas (I. Theil 1817, enthält das Evangelium, mehr ist nicht erschienen) allmählich aus seinen exegetischen Vorlesungen über die Evangelien, und im Winter 1816/17 arbeitete er das Buch im Zusammenhang mit der Vorlesung über Lucas aus. Es wurde von S. selber als sein Hauptwerk in der biblischen Kritik betrachtet; ein zweiter Theil desselben sollte die Apostelgeschichte behandeln, der dritte die Hypothese sprachlich begründen (Briefw. IV, 218, Gaß 128, 139 f.). Es steht noch unter der Voraussetzung der Schriftlichkeit der Evangelienproduction; denn erst ein Jahr darauf veröffentlichte Gieseler die epochemachende Hypothese von einem mündlichen Urevangelium (über Entstehung und Schicksale der schriftlichen Evangelien 1818). Mit genialer Kraft der Veranschaulichung von Hypothesen hat es die Annahme Eichhorn’s von einem schriftlichen Urevangelium wie die Hugs von der Benutzung eines Evangelisten durch den anderen in ihrer Ungeschichtlichkeit ausgewiesen. Die neue Annahme selber kann am besten mit Lachmann’s Zerlegung der Nibelungen in Lieder (1816) verglichen werden. Sie benutzt ästhetische Kriterien, wie stilistische Ungleichheiten oder Fugen oder auch solche Uebergänge vom Besonderen zum Allgemeinen, welche auf Abschlüsse deuten, um vier Massen und innerhalb derselben dann kleinere Schriftganze zu unterscheiden. Solche Einzelschriften entstanden nach dieser kritischen Theorie in der nachapostolischen Zeit aus dem Bedürfniß gläubiger Christen, Ausführlicheres über Christus zu erfahren. Wurde nun dieses Bedürfniß durch die mündliche Ueberlieferung hauptsächlich befriedigt, so entstanden doch auch Aufzeichnungen. Die einen von ihnen suchten die Lehrreden aufzubewahren, andere überlieferten Wundergeschichten oder die Kunde von Christi letzten Tagen, von seiner Auferstehung, manche mochten alles zusammenstellen, dessen sie habhaft werden konnten. S. nimmt nun von allen drei synoptischen Evangelien an und sucht es am Lucas eingehend zu erweisen, daß sie im nachapostolischen Zeitalter aus solchen Einzelschriften zusammengesetzt und geformt worden seien, und zwar das Lucasevangelium mit vieler Einsicht und [447] kritischem Takte. Ein solches Ganze geringen Umfangs hat er gleich im ersten Capitel überzeugend nachgewiesen und den Charakter dieses ursprünglich aramäisch verfaßten, judaisirenden kleinen Kunstwerkes mit genialem Blicke bestimmt. Und nun greift hier die höchst bedeutende Abhandlung über die Zeugnisse des Papias von unseren beiden ersten Evangelien 1832 ein, welche aus dem äußeren Zeugniß des Papias bei Eusebius als Kern des Matthäus ebenfalls eine besondere Sammlung, Lehrreden Christi, aufzeigt, wenn auch der Sinn des ἡρμήνευσε von ihm so wenig als einem späteren noch mit Sicherheit festgestellt werden konnte. Es bleibt von seiner Ansicht die Würdigung der mündlichen Tradition, das Verständniß für das Naive, aus dem Gemeindeleben und dem Cultus religiös lebendig Erwachsene der Evangelienbildung, der Nachweis der Mannichfaltigkeit der litterarischen Formen. Dagegen kann seine Hypothese im einzelnen die besondere Art von Uebereinstimmung zwischen den Synoptikern nicht erklären. Dabei bleibt Manches in seinen feinsinnigen Beobachtungen über Lucas doch auch unter der Annahme haltbar, daß die einzelnen von ihm gesonderten Stücke durch Lucas aus dem Zusammenhang von Evangelien herausgenommen worden seien. Erkennt nun S. in den drei ersten Evangelien den Einfluß dichterischer Produktionen auf die Gestaltung der Kindheitsgeschichte, eine mündlich fortgepflanzte Urchristologie, „nämlich einen gemeinsamen Typus des Erweises der höheren Würde Jesu mit Bezug auf alttestamentliche Stellen“, sowie den nachapostolischen Ursprung der Synoptiker an, so hat er dagegen, obwol Bretschneider’s Probabilien vorlagen, an der Echtheit des Johannesevangeliums festgehalten.
Lange hatte S. bereits in seinen Vorlesungen seine Dogmatik fortgebildet. So begann er nun im Winter 1818/19 an dieser zu schreiben. Und gerade daß vom Jahre 1819 ab sein öffentliches Wirken sich überall gehemmt fand, ist dann diesem Werke zugute gekommen.
Die Reaction. Abschluß des Hauptwerkes. Ende. Das System in den Vorlesungen. 1819–1834. Das Jahr 1819 bezeichnet bekanntlich eine verhängnißvolle Wendung im preußischen Staatsleben. Die Erwartung der Repräsentativverfassung und die Sehnsucht, die nationale Zerrissenheit und Ohnmacht zu überwinden, hatten im Wartburgfest, auf den Turnplätzen, in den studentischen Verbindungen sich geäußert und das nach seiner Zusammensetzung zunächst von der Revolution bedrohte Oesterreich schürte listig den Verdacht. Nun wurde am 23. März Kotzebue von Sand, dem Mitglied der Jenaer Burschenschaft, ermordet; die bestürzten Regierungen antworteten in den Karlsbader Bundesbeschlüssen, der Mainzer Commission, den Demagogenuntersuchungen. Hierdurch wurde den schwebenden Fragen einer Repräsentativverfassung und einer freieren Organisation der Kirche, zumal aber dem fatalen Agendenstreit ein widriges Element gegenseitigen Mißtrauens beigemischt, das wie Gift wirkte. Dies alles aber geschah, während doch des Königs redlicher Wille und ein musterhaftes Beamtenthum erfolgreich an der Entwicklung unserer modernen Verwaltung, der Einordnung der neuen Provinzen in den Staat und der Vorbereitung unserer nationalen Einheit durch die Anbahnung einer Zollvereinigung thätig waren. S. trat nun damals als Führer einer besonnenen, die Verhältnisse im ganzen richtig abwägenden Opposition hervor. War die Monarchie in jenen Tagen durch die vor allem im Beamtenthum, der Justiz, der Universität sich äußernde, öffentliche Meinung begrenzt und geregelt, so hat S. auf die öffentliche Meinung in Berlin, besonders in den kirchlichen Angelegenheiten, wie kein anderer gewirkt. Treue Freunde, wie sein Schwager Ernst Moritz Arndt, Reimer, Gaß, Buttmann, Spalding, Nicolovius umgaben ihn. [448] Für das Urtheil über die Stellung der Opposition giebt das Wort des späteren Kaisers Wilhelm I. vom 31. März 1824 einen Maßstab: „Hätte die Nation gewußt, daß nach elf Jahren von einer damals zu erreichenden und wirklich erreichten Stufe des Glanzes, Ruhmes und Ansehens nichts als die Erinnerung und keine Realität übrig bleiben werde: wer hätte damals wohl alles aufgeopfert solchen Resultates halber?“ Ganz besonders hart traf nun die Demagogenverfolgung die Universitäten. De Wette’s Trostbrief an Sand’s Mutter, dessen Irrthum aus der subjectiven idealistischen Moral der Fries’schen Schule hervorgegangen war, wurde durch seine Absetzung allzu hart bestraft; S. stand fest zu dem eng befreundeten Collegen; er und andere Freunde sicherten ihm für das erste Jahr das Gehalt. Haussuchungen nach Briefschaften trafen den trefflichen Freund Reimer und den herrlichen, tapferen Ernst Moritz Arndt. Dann wurde am 18. Januar 1823 S. selber über einige seiner in Arndt’s Papieren gefundenen Aeußerungen vernommen (Actenstücke im Briefw. IV, 430–443). Ein unbesonnenes Wort darin über den König schmerzte ihn selber, und er hat sich über dasselbe schön in einem damaligen Schriftstücke ausgesprochen (a. a. O. S. 439 ff.). Die Untersuchung blieb liegen; S. war aber auf entscheidende Maßregeln gegen ihn gerüstet.
Und nun erfolgte der Agendenstreit. Nachdem die vom König herbeigeführte neue Gestalt der Liturgie bei den Militärgemeinden und dann am Dom vorgeschrieben worden war, wurde jetzt die abschließende Agende 1822 den Consistorien zur Einführung empfohlen. Nur etwa der sechszehnte Theil der Geistlichkeit erklärte sich zur Annahme bereit. Augusti’s Eintreten für das von Constantin und Karl dem Großen geübte liturgische Recht der Könige verletzte jedes gesunde Gefühl. Andrerseits that allmählich der politische Druck auf Geistliche und Candidaten seine Wirkung. So schmolz die Zahl der ablehnenden Geistlichen zusammen, S. aber, etwas verspätet, trat nun kraftvoll für das selbstständige Recht der Gemeinden in Cultus und Lehre ein. (Ueber das liturgische Recht evangelischer Landesfürsten. Ein theologisches Bedenken von Pacificus Sincerus. 1824.) Vor allem erwies er, daß das formale Recht des Landesherrn ihn nicht der sittlichen Pflicht enthebt, die Ueberzeugung der Geistlichen und Gemeinden bei liturgischen Maßregeln zu respectiren. Damals forderte Kamptz, der Chef der Polizei und Schleiermacher’s alter Feind, dessen Bestrafung, und die Absetzung des größten Theologen seit Luther’s Tagen wurde ernsthaft erwogen. Marheineke, Schleiermacher’s College in der Facultät und an der Dreifaltigkeitskirche, vertheidigte die Uebertragung der oberbischöflichen Gewalt an den Landesherrn im Reformationszeitalter als das wunderbare Werk der Vorsehung, das Staat und Kirche unauflöslich verbinde. Der Oberhofprediger v. Ammon in Dresden trat für die harten staatskirchlichen Grundsätze des alten Sachsen ein. Am würdigsten und mildesten vertheidigte der König selber sein Werk in der Schrift: Luther in Beziehung auf die preußische Kirchenagende. S. unterwarf nunmehr in der Unerschrockenheit seiner Berufstreue die Schrift des Königs der Kritik (Gespräch zweier selbst überlegender evangelischer Christen über die Schrift: Luther in Bezug auf die neue preußische Agende. Ein letztes Wort oder ein erstes. 1827). Zugleich protestirte er zusammen mit 11 anderen namhaften Berliner Geistlichen bei dem Consistorium gegen die Einführung der Liturgie in ihren Kirchen. Ein lebhafter amtlicher Schriftenwechsel, dazwischen auch ein Versuch des Königs, durch einen seiner Vertrauten in mündlicher Verständigung sich mit S. zu benehmen, führte, obwohl ein Disciplinarverfahren gegen die „12 Apostel“ eingeleitet worden war, doch schließlich bei dem maßvollen einsichtigen König dahin, daß er in Bezug auf die Agende durch nachträgliche Bestimmungen [449] freieren Spielraum gewährte: nun schloß S. auf dieser Grundlage seinen Frieden mit dem königlichen Kirchenregiment und die Agende wurde in allen Kirchen Berlins eingeführt (Briefw. IV. 443–488).
Die Kämpfe gingen so allmählich zu Ende. Der König bezeigte S. bei mehreren Gelegenheiten Wohlwollen und Vertrauen; als die Altlutheraner in Schlesien Schwierigkeiten bereiteten, bediente sich die Regierung seines Rathes und seiner Mitwirkung (Briefw, IV, 488–500). Seine große Stellung als Reformator der Theologie war durch das Erscheinen der christlichen Glaubenslehre unerschütterlich festgestellt (erste Aufl. 1821–22. zweite 1830). Seit 1818 war er mit der Abfassung derselben beschäftigt gewesen. Wie sie nun nach dem Vollzug der Union hervortrat, trug sie mit Recht ihren Titel: der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt; sie war die erste Glaubenslehre der unirten Kirche. Ihren Standpunkt bezeichnet das Anselm’sche Motto: „ich glaube, um zu erkennen, denn wer nicht im Glauben steht, macht keine Erfahrung, und wer nicht Erfahrung hat, erkennt nicht“. Keiner seiner Zeitgenossen oder Nachfolger hat die Wissenschaft seiner Zeit so beherrscht, daß er den tiefen Punkt zu finden vermochte, an welchem sie mit dem Glauben übereinkommt, wie er. Er hatte die Glaubenslehre vorbereitet in der Abhandlung über die Lehre von der Erwählung (1819), und er schloß an sie die Abhandlung über den Gegensatz zwischen der sabellianischen und athanasianischen Vorstellung von der Trinität (1822), vor allem die zwei weitblickenden Sendschreiben über seine Glaubenslehre an Lücke (1829). Er sieht hier voraus, daß die fortschreitende Naturwissenschaft und die historische Kritik die Aufgabe der Vertheidigung des Christenthums der nächsten Generation noch in ganz anderer Weise erschweren würde; freilich einerseits seine Ueberzeugung von der Echtheit des Johannesevangeliums, andererseits sein wissenschaftliches Einvernehmen mit der Naturphilosophie ließen ihn die Tragweite dieser Angriffe doch noch unterschätzen. Hatte sich lange um ihn eine Schule gebildet, so gelangte diese nun allmählich an allen Universitäten zur Herrschaft und hielt das Gegengewicht gegen die von Hengstenberg geleitete Orthodoxie. Der letzte größte Schmerz seines Lebens war es, als im Herbst 1829 sein einziger 9jähriger Sohn, Nathanael, dem Scharlachfieber erlag. Er vermochte selbst am Grabe zu reden. (Predigten Band IV gegen Ende). Aber dieser Verlust blieb ihm immer gegenwärtig. Man fand, sein Wesen sei seitdem milder, wie von einer höheren Weihe erfüllt. Er selber folgte dem Sohn nach kurzem Krankenlager am 12. Februar 1834.
Den vollständigen Zusammenhang des Systems von S. hatten bis dahin nur seine unzähligen Zuhörer besessen: anderen Kreisen wurde er erst durch die Veröffentlichung dieser Vorlesungen in den von seinen Schülern herausgegebenen Werken zugänglich. Das System der Philosophie wird in der theilweise sehr beachtenswerthen Geschichte der Philosophie (herausgegeben von Ritter 1839) vorbereitet und baut sich, wie Plato’s Speculation, auf der Grundlage der Dialektik (herausgegeben von Jonas, 1838) als Physik (von ihm nicht bearbeitet) und Ethik (von S. einzelne Abhandlungen veröffentlicht, dann die Vorlesungen selber herausgegeben von Schweizer 1835, kürzer und kritisch genauer mit schöner Einleitung von Twesten 1841) auf. Der Ethik entspricht auf Seiten der Empirie die Kunde vom Menschen, nach seiner seelischen Seite angesehen (Psychologie, herausgeg, von George 1862) und die Geschichtskunde (nicht bearbeitet). Aus der Ethik entspringen die Staatslehre, die Pädagogik, die Aesthetik (alle drei aus Vorlesungen herausgeg.) neben anderen von ihm nicht bearbeiteten Theorien. Das System als Theologie ist im Grundriß [450] in seiner von ihm veröffentlichten Encyclopädie des theologischen Studiums enthalten. Den Mittelpunkt desselben bilden die von ihm veröffentlichte Glaubenslehre und die aus seinen Vorlesungen von Jonas herausgegebene Christliche Sittenlehre (1843). Historisch begründende wie praktisch anwendende Vorlesungen sind veröffentlicht, unter ihnen besonders bemerkenswerth seine Hermeneutik und Kritik (herausgegeben von Lücke 1838) und sein Leben Jesu (herausgegeben von Rütenik 1864).
Das philosophisch-theologische System Schleiermacher’s gehört der deutschen Gruppe derjenigen Systeme an, welche im Gegensatz gegen die Aufklärung und deren natürliche Moral, ihr Naturrecht sowie ihre natürliche Theologie, die geschichtliche Natur des Menschen und der von ihm geschaffenen Culturformen und Verbände, die den Einzelnen beherrschende, einen Selbstwerth bildende Realität der großen social-geschichtlichen Schöpfungen, wie Religion, Wissenschaft, Poesie und Staat zur Erkenntniß brachten und so im Menschen des 19. Jahrhunderts ein stärkeres Gefühl socialer, nationaler und kirchlicher Zusammengehörigkeit, eine geschichtlich begründete Achtung vor den großen Gestalten des Glaubens und des Staatslebens entwickelten. Goethe, Schelling, Hegel, die Romantiker und die historische Schule, Coleridge und Carlyle, Maine de Biran und Guizot werden von demselben Zuge vorwärts getrieben. Die übersinnliche, wunderbar in die Sinnenwelt hineinwirkende Weltordnung des Mittelalters wie der Individualismus und das auf ihn gebaute natürliche System waren von Wissenschaft und Leben aufgelöst. Auf der Grundlage der modernen Wissenschaft suchte man nun einen umfassenden, den Sinn des Lebens aufschließenden Zusammenhang, welchem das Individuum eingeordnet sei. Der Art, wie ein Organismus entsteht, wie in der Gesellschaft die Theile eines Ganzen sich gegenseitig bestimmen und zusammen ein Sinnvolles hervorbringen, spürte man nach. In der Natur verfolgte man das Problem des Organischen; in die Geschichte suchte man einen tieferen Einblick aus dem Begriff der Entwicklung zu gewinnen; in der Gesellschaft forschte man nach dem Verständniß der socialen Einheit. In dieser großen Bewegung lagen für S. seine Voraussetzungen und seine Aufgabe.
Die Structur des philosophischen Systems von S. überwindet allein von den modernen transcendentalphilosophischen Darstellungen den Gegensatz der subjectiven Methode von Kant und Fichte und der aus dieser großen Bewegung entsprungenen objectiven Methode von Schelling und Hegel.
Den Ausgangspunkt der Dialektik Schleiermacher’s bildet wie den der Vernunftkritik Kant’s die Analysis der Thatsachen des Bewußtseins. Wie Kant trennt S. die Sinnlichkeit (organische Function), die in der Empfindung den chaotischen Stoff der Erkenntniß liefert, und den Verstand (intellectuelle Function), welcher dies Mannichfaltige zur Einheit verknüpft. In jedem Denken oder Wahrnehmen ist nach S., wie auch nach Kant, beides verbunden. Und wie bei Kant ist in der Sinnlichkeit uns das Reale und in der Vernunft das Ideale gegeben. Nun aber trennt sich S. von Kant und geht mit Plato, Aristoteles und Schelling. Die Idee des Wissens fordert die Uebereinstimmung nicht nur der Denkenden miteinander, sondern mit dem Sein. Diese Einheit von Denken und Sein ist im Selbstbewußtsein stets persönlich gegeben. Als Einheit des Realen, das die Sinne afficirt und des Idealen, das im Denken Einheit setzt und Gegensätze ordnet, ist sie die Voraussetzung alles Wissens, kann jedoch weder in Begriff noch in Urtheil wirklich gedacht werden. Wie das Wissen solchergestalt auf die absolute Identität als seine Voraussetzung führt, so enthält auch das Wollen die Sicherheit in sich, daß unser Thun außer uns hinausgeht und daß das äußere Sein das ideale Gepräge unsers Willens aufnimmt. S. führt [451] dies ebenfalls auf die transscendentale Identität des Realen und Idealen zurück. Auf dieser Sicherheit des Gewissens beruht nach ihm bei den meisten Menschen der Glaube viel mehr, als auf der Gewißheit des Verstandes. Auch in diesem Satze hat S. einen Gedanken von Kant aufgenommen und er hat denselben nur im Sinne der Alten durch die Voraussetzung der Einheit von Sein und Erkennen in Gott ergänzt. Bildet Gott so die nothwendige Voraussetzung des Denkens und Wollens, so ist er im Gefühl allein unmittelbar gegeben. Dieses steht im Uebergang vom Denken zum Wollen und ist deren relative Identität. Von der aufnehmenden Sinnesthätigkeit sowie der verarbeitenden Denkthätigkeit führt uns das Gefühl in seinen niederen und höheren Stufen hinüber in die ausströmende spontane Thätigkeit des Wollens. In diesem Gefühl oder subjectiven Bewußtsein ist uns nun zunächst das Selbst gegeben. Dieses findet sich aber in seinen Zuständen von seiner Umgebung bestimmt, sonach in einer Wechselwirkung seiner Freiheit (Freiheitsgefühl) mit den bewegenden Kräften der Welt; und darüber hinaus ist dann in uns „ein Bewußtsein schlechthiniger Abhängigkeit, es ist das Bewußtsein, daß auch unsere ganze Selbstthätigkeit von anderwärts her ist“. Und nun zeigt sich: in diesem Gefühl schlechthiniger Abhängigkeit „sind wir uns unser als in Beziehung mit Gott bewußt“ und dies ist „das gemeinsame Wesen aller noch so verschiedenen Aeußerungen der Frömmigkeit“. So ist uns Gott als der transcendentale Grund der Welt im Gefühl und zwar auf der höchsten Stufe des Selbstbewußtseins gegeben. (Dial. § 215 A. S. 151 ff., Psychol. S. 162 ff., Glaubenslehre § 3, I, 6 ff.) Diese berühmte Lehre Schleiermacher’s hatte das unsterbliche Verdienst, das Recht der religiösen Erfahrung wissenschaftlich zur Geltung zu bringen. Jedoch hat sie das unmittelbare Gegebensein Gottes im Gefühle von den Willensthatsachen, die mitwirken und den Denkprocessen, die auf Gott als Voraussetzung zurückführen, in falscher Abstraction losgelöst. In Wirklichkeit entsteht aus den Erfahrungen des Gemüths das Bewußtsein Gottes nur vermittelst überall mitwirkender Denkprocesse. Indem die Religion auch mannichfache Willensvorgänge verwerthet, ist sie in ihrem tiefsten Kern historisch. Schleiermacher’s individuelle Formen der Religion sind das nicht. Durch Schl.’s Dial. beeinflußt: Trendelenburg, Ueberweg, Sigwart.
Das in den dargestellten Bestimmungen Schleiermacher’s umschriebene Gottesbewußtsein ist augenscheinlich nicht das der geschichtlichen Religionen, sondern der Religion sofern sie mit den Anforderungen der Wissenschaft, wie diese S. bestimmt, im Einvernehmen ist. Der Weltgrund, welcher für die Anforderungen der Idee des Wissens die zureichende Voraussetzung sein soll, muß mit allen Gliedern der Welt durch eine lückenlose Verkettung von Grund und Folge, Ursachen und Wirkungen verbunden sein. So mußte S. die Begriffe von einem göttlichen Willen, von Freiheit, Schöpfung und Wunder in strengem Verstande ersetzen durch einen göttlichen Weltgrund, in welchem alles Einzelne causal bedingt ist, der also das Gesetz dieses Einzelnen ist und es immanent in sich befaßt. Diesen Determinismus fanden wir schon in Schleiermacher’s erster Epoche und Shaftesbury, Herder, Schelling, Spinoza haben ihn wol gefestigt, doch nicht verursacht. Derselbe entspringt vielmehr aus dem Streben des Naturerkennens, dem Satze vom Grunde die ganze Wirklichkeit bis in deren letzten Grund zu unterwerfen. So entstehen folgende Formeln. Dial. § 216 ff.: „wir wissen nur um das Sein Gottes in uns und in den Dingen, nicht außer der Welt oder an sich“; § 224 f. „nothwendiges Zusammensein von Gott und Welt“. Schöpfung und Welterhaltung sind nur Formeln der schlechthinigen Abhängigkeit (Glaubenslehre § 36 ff. 1² 182 ff.). Hier zeigt sich von neuem, wie Schleiermacher’s Dialektik zu einem Ideal des Gottesbewußtseins in seinem [452] völligen Einklang mit den höchsten Forderungen des Naturerkennens führt, aber nicht zu Grundlagen eines geschichtlichen Verständnisses der Religion.
Das Erkennen der Welt zerfällt nun im Anschluß an Schelling, wie wir eben sahen, in Naturkunde und Naturwissenschaft, Geschichtskunde und Sittenlehre (Twesten, S. 18, § 59 ff.). S. sieht im Einverständniß mit der modernen Entwicklungslehre in der Natur und Geschichte Differenzirung und Steigerung, im Wirklichen überall Leib und Seele, Reales und Ideales, Natur und Vernunft untrennbar verbunden. Ein bildendes Princip, Vernunft, wirkt in der Natur in einer aufsteigenden Stufenfolge als Mechanismus und Chemismus, Vegetation, Animalisation, endlich als Form menschlichen Daseins. So ist auch das sittliche Handeln also Handeln der Vernunft auf die Natur, als fortschreitende Durchdringung der Natur mit der Vernunft, nur die Fortsetzung des Wirkens der Bildungskraft in den Formen der Natur, sonach nothwendig und alle Erscheinungen des Lebens umfassend wie diese. Die moderne Entwicklungslehre trennt sich erst darin von S., daß sie nur eine auf Causalerkenntniß gerichtete Wissenschaft kennt, während S. mit seinen deutschen Zeitgenossen Erfahrungserkenntniß und Speculation auseinander reißt und in seiner ethischen Speculation nur eine mit genialem, architektonischem Verstande entworfene, schematische Gliederung des menschlich geschichtlichen Lebens giebt. Die Gesichtspunkte in der Moral, welche er vorfand: Pflichtenlehre, Tugendlehre und Güterlehre, ordnet er so, daß jede derselben das ganze sittliche Gebiet umspannt. Die Güterlehre construirt die Totalität der vom Vernunfthandeln hervorgebrachten Einigung der Vernunft mit der Natur; die Tugendlehre construirt die Arten, wie die Vernunft als Kraft der menschlichen Natur einwohnt; die Pflichtenlehre construirt das sittliche Handeln in Bezug auf sein Gesetz. Und zwar gliedert sich das Handeln der Vernunft auf die Natur vermöge der von S. angewandten Methode der sich kreuzenden Gegensätze, als organisirendes und symbolisirendes, identisches oder individuelles in vier Gebiete: Verkehr, Eigenthum, Denken und Gefühl; ihnen entsprechen die ethischen Verhältnisse: Recht, Geselligkeit, Glaube und Offenbarung; so entstehen die ethischen Organismen: Staat, gesellige Gemeinschaft, Schule und Kirche. Der Gedanke einer bildenden Ethik im Gegensatz zur beschränkenden, die Erkenntniß der Bedeutung der Individualität, die Einsicht in die reale Existenz der großen Cultursysteme und ihren Selbstwerth, sowie in die Gemeinschaftlichkeit aller sittlich werthvollen Thätigkeiten, sonach der sociale Standpunkt in der Sittenlehre sind bleibende Ergebnisse dieser Sittenlehre. Aber die dem ästhetischen Auffassen entsprechende schematische Darstellung trennt die Formen der geistigen Welt abstract von einander. So erfaßt sie zwar richtig die relative Selbständigkeit der Religion und Kirche, läßt aber deren Zusammenhang mit dem geschichtlichen Proceß nicht erkennen.
Schleiermacher’s System der Theologie ist durch die geniale Vereinigung des Standpunktes der kritischen Philosophie mit den Conceptionen der historischen Schule epochemachend. An die Stelle objectiv-gültiger Aussagen über Gott und die übersinnliche Welt tritt in diesem System der im Bewußtsein stattfindende Vorgang der Religion und geschichtliche Erkenntniß ihrer Formen. Das in der Dialektik entwickelte Ideal des religiösen Wissens gibt der Dogmatik die Kriterien des Gottesbewußtseins, die Ethik bestimmt dann näher das Wesen der Religion sowie der religiösen Gemeinschaft, und sie macht in diesem Wesen auch den Grund der geschichtlichen Formen sichtbar. So ist Schleiermacher’s Philosophie das Fundament seiner Theologie, sowohl nach ihren großen Fortschritten, als nach ihren Mängeln.
Wie Kant das Gebäude der philosophischen Metaphysik zerstörte, so hat [453] S., dieser Kant der Theologie, die theologische Metaphysik mit ihren Gegensätzen von Rationalismus, Supranaturalismus etc. aufgelöst. Die Dogmatik ist keiner objectiv gültigen Urtheile über die übersinnlichen Gegenstände fähig, sondern die Aussagen des christlichen Bewußtseins, deren Darstellung und Zergliederung bilden ihren ausschließlichen Gegenstand. Denn das schließende Denken führt von den Thatsachen des Wissens und sittlichen Wollens nur zur Voraussetzung des Weltgrundes, die in keinem Begriff oder Urtheil vollzogen werden kann, und das unmittelbare Bewußtsein besitzt die Gottheit nur in der subjectiven Form des Gefühls. Der Mittelpunkt seiner Theologie ist also Phänomenologie des religiösen Bewußtseins. Und zwar hat S. als Meister den ganzen Zusammenhang, welcher von der Bestimmung der Natur des religiösen Bewußtseins in Dialektik und Ethik hinführt zu den christlichen Aussagen und Handlungen, umfaßt und beherrscht; erstreckte sich doch seine Meisterschaft über Philosophie, Philologie und Theologie. (Für Philologie in ihrer Anwendung auf Theologie vergl. die geniale Hermeneutik und Kritik, herausgegeben von Lücke 1838.)
Die Wurzel dieser Theologie liegt in der großen Erkenntniß, welche die französisch-englische Schule nicht beseitigen wird: die Religion ist eine nothwendige Function des Menschen. Nach den Bedingungen, unter welchen der Mensch lebt, ist der religiöse Proceß die unentbehrliche Vollendung des menschlichen Daseins. Denn wie er im Denken, Fühlen und Wollen allseitig abhängig, determinirt und bedingt ist, ist ihm nur in Gott und einer menschlichen Weltordnung der feste Grund und die Garantie eines höheren Lebens gegeben. Dies ist der Fundamentalsatz aller Theologie, und S. hat denselben allseitiger und besonnener als irgend ein früherer erwiesen. S. hat dann während seines ganzen Lebens immer neu das Wesen dieser religiösen Function des Menschen zu bestimmen gesucht. Religion ist nicht Dogma. S. ging neben Kant vom Dogma auf die Religion zurück. Er wies in den Reden über Religion der Dialektik und Dogmatik den Werth der unmittelbaren Erfahrungen für den religiösen Proceß in wissenschaftlicher Analyse nach. Doch hat er hierbei, wie wir sahen, die Mitwirkung der Denkvorgänge vernachlässigt. Besonders genau hat er in der Ethik aus dem Gefühl als der symbolisirenden Thätigkeit im Charakter der Individualität den religiösen Vorgang abgeleitet. Aber die falsche schematische Sonderung der psychischen Functionen sowie der ihnen entsprechenden Lebensgebiete zerreißt hier, wie wir auch schon sahen, den Zusammenhang des symbolisirenden mit dem organisirenden Thun, der Religion mit dem Willen und seinem Wirken für das Reich Gottes, während doch die Predigten und die Bestimmung des Christenthums als teleologischer Religion in der Glaubenslehre diese Verbindung besitzen. Und S. hat die im religiösen Proceß gelegene kirchenbildende Macht geltend gemacht. Hierdurch wirkte er mächtig. Sprach doch ein Satz der Ethik, der aus der herrenhutischen Lebenserfahrung erwuchs und den wir in seinem politischen Wirken sich entwickeln sahen, ganz allgemein aus: Alle sittlich werthvollen Thätigkeiten leben sich in Gemeinschaften aus. Und in derselben allgemeinen Fassung erklärte die Dogmatik: „das fromme Selbstbewußtsein wird, wie jedes wesentliche Element der menschlichen Natur, in seiner Entwicklung nothwendig Gemeinschaft“ (Glaubenslehre § 6).
Zwar ist nach Schleiermacher’s philosophischen Principien Religion das Gefühl, das all’ unser Thun und unsere Schicksale in Gott gegründet sind, der Sieg der göttlichen Vernunft in der Welt sich unaufhaltsam verwirklicht, wir selber aber uns in unserem Handeln freudig als das Organ dieser göttlichen Vernunft ansehen dürfen. „Es giebt keine gesunde Empfindung, die nicht fromm wäre“. Diese Religion äußert sich in der Kunst, wie das Wissen in der [454] Sprache (Ethik, Schweiz. § II 155, S. 247). Aber S. weist nun als einer der Pfadfinder der historischen Schule zugleich das geschichtliche Wesen und die geschichtliche Begrenzung jeder wirklichen Religion nach. In der Tiefe der undurchdringlichen Individualität wurzelt das religiöse Gefühl. Es ist Vernunft, als sich aussprechend in Individuis, sich offenbarend in ihrem unübertragbaren und doch zusammengehörenden Gehalt (Ethik, Schweiz. § 183 ff.); daher trennt sich die Religion in wurzelhaft verschiedene kirchliche Gemeinschaften, in gesonderte Arten und Stufen (a. a. O. § 287 ff. Glaubenslehre § 6). Eine allgemeine oder Vernunftreligion ist unwirklich, Abstraction. Wir sahen freilich oben, wie S. sich nun der in der historischen Schule – durch Jacob Grimm, Bopp u. a. – gelösten Aufgabe entzieht, eine empirische vergleichende Wissenschaft seines Gebietes herbeizuführen. Wohl erkennt er an, daß sich auf die Ethik eine Religionsphilosophie als „wissenschaftliche Geschichtskunde“ von der „Gesammtheit aller Kirchengemeinschaften nach Verwandschaften und Abstufungen“ gründen muß. Doch entlehnt die Glaubenslehre einer solchen möglichen Wissenschaft nur die Unterscheidung der Stufen von Fetischismus, Polytheismus, Monotheismus, innerhalb der letzteren Stufe der drei großen monotheistischen Gemeinschaften, vor allem aber die innere und tiefe Unterscheidung der ästhetischen Religionen, die das Sittliche dem Natürlichen unterordnen, von den teleologischen, in denen das Natürliche dem Sittlichen unterworfen ist. Hätte S. wenigstens diese Einsicht in die active teleologische Natur des Christenthums an der ursprünglichen Lehre Jesu vom Reiche Gottes durchgeführt, so hätte sich der Gehalt seiner willensstarken Person, seiner Predigten und seines ethischen Princips in die Glaubenslehre wirklich ergossen. Anstatt dessen bestimmt S. weiter unter den teleologisch-monotheistischen Religionen dem Christenthum seinen Ort durch das artbildende Merkmal, „daß alles in ihm bezogen wird auf die durch Jesum von Nazareth vollbrachte Erlösung“. Diese ungeschichtliche Begriffsbestimmung des Christenthums ist durch die oben an der Weihnachtsfeier dargelegte Beziehung zwischen der Realität des Urbildes der Menschheit in Christus und dem Proceß der durch die lebendige Kraft dieser Person bewirkten sittlich-religiösen Vollendung in der Gemeinschaft bedingt. Der Stifter dieser Religion bildet unterschieden von Mose und Muhamed den idealen Inhalt derselben.
Der historische Theil der Theologie hat nach S. zunächst auf Grund der Auslegung der biblischen Schriften ein Leben Jesu hinzustellen, welches diese Vorbildlichkeit desselben sichtbar macht. Wenn Strauß Schleiermacher’s Leben Jesu (herausg. Von Rütenik) einer einschneidenden Kritik unterzog (Christus des Glaubens g. Schr. V, 1 ff.) und seine Bedingtheit von der Voraussetzung der Urbildlichkeit Jesu erwies, so hat dann das von ihm gegebene Leben Jesu die Unmöglichkeit eines voraussetzungslosen und rein geschichtlichen Lebensbildes gezeigt. Ferner hat die historische Theologie die Entfaltung der christlichen Gemeinschaft als Kirchengeschichte aufzuzeigen und auch daß hat S. in einer Vorlesung gethan. Endlich bildete den Abschluß der historischen Theologie für eine gegebene Zeit der christlichen Gemeinschaft und für den gegebenen Lebenskreis der evangelischen Kirche die christliche Glaubens- und Sittenlehre, wie sie S. nebeneinander und in Beziehung aufeinander bearbeitet hat. Sie stellen zusammen dasselbe christliche Leben dar, betrachtet von zwei verschiedenen Seiten; daher auch S. sehr erwog, ob ihre Trennung berechtigt sei. Die Glaubenslehre, auf die wir uns hier einschränken (christl. Sitte, Vorles. herausg. von Jonas 1843, Darstellung bei Bender, Schleiermacher’s Theologie II, 546 ff.), hat einen Maßstab der Gültigkeit für die einzelnen Lehren in deren nothwendigem Zusammenhang mit dem Wesen des Christenthums, aufgefaßt unter den Bedingungen [455] des wissenschaftlichen Denkens. Und mit den Anforderungen an das wissenschaftliche Denken verbindet sich in Schleiermacher’s dogmatischem System eine zweite damit zusammenhängende, aber doch weitergehende Voraussetzung, nämlich das bildende Wirken des göttlichen Weltgrundes in allem Einzelnen und die in diesem Weltgrund bedingte nothwendige Verkettung aller Erscheinungen des Weltganzen. Schöpfung und menschliche Freiheit, Engel und Teufel, göttliche Strafgerechtigkeit, Dreieinigkeit, alle nicht auf die Macht des Geistigen über die Natur zurückführbaren Wunder etc. werden, unter vorsichtiger Schonung des kirchlichen Sprachgebrauchs, als im Widerspruch mit diesen Forderungen an wissenschaftliches Denken, aufgelöst. Dagegen hat S. die todte Alternative des im 18. Jahrh. herrschenden Deismus zwischen einzelnen Eingriffen eines der Weltmaschine nachhelfenden Gottes und der Leugnung göttlichen Wirkens in der Religionsgeschichte für die Theologie aufgehoben. Die tiefsinnige Lehre vom Wirken Gottes in allem Einzeldasein, welche ja bei der christlichen Dogmenbildung selber wirksam war, ermöglichte ihm, die Offenbarung, gewisse Wunder, das Auftreten des Urbildlichen und Vollkommenen in Christus, sowie die Prädestination zur Ueberraschung der damals im Gegensatz des Rationalismus und Supranaturalismus befangenen Theologie in ihrer Geltung zu vertheidigen. Insbesondere wurde ihm der Glaube an die Realisirung des Urbildes in Christus durch sein Princip der Steigerung der Vernunft innerhalb der Natur ermöglicht; wie ernsthaft er dies Princip auch in der Theologie durchführte, zeigt sich darin, daß er eine weitere Perfectibilität des Christenthums in den Zusammenhang seiner Glaubenslehre aufnahm. Zugleich ergab sich aus diesem Princip einer fortschreitenden Durchdringung der Welt mit dem Geiste Gottes, daß ihm, wie Schelling, Offenbarung ein über das Christenthum hinausreichender religiöser Vorgang ist. Das ist von den Reden ab sein weittragender, von Schelling, der diese verehrend studirt hatte, fortgebildeter Gedanke. In diesem allem liegt ein positiver Kern der modernen Theologie, der unvergänglich ist. Ebenso einschneidend wirkt nun aber seine vom Ideal des religiösen Wissens und von den Bestimmungen über das Wesen des Christenthums aus die Dogmen abgrenzende und das nicht Zugehörige ausschließende Methode der dogmatischen Kritik. Auch hier freilich wird die Willensseite der Religion nicht ausreichend zur Geltung gebracht, und der Satz: „Das im Christenthum so bedeutende, ja alles unter sich fassende Bild eines Reiches Gottes ist nur der allgemeine Ausdruck davon, daß im Christenthum aller Schmerz und alle Freude nur insofern fromm sind, als sie auf die Thätigkeit im Reiche Gottes bezogen sind“ (Glaubenslehre § 9) ist weder in Bezug auf die Sünde noch auf die Erlösung in seinen Folgen entwickelt. So faßt S. die Sünde nur als Hemmung oder Unvermögen auf. Jedoch überschreitet er, vermittelst seiner Einsicht in die Bedeutung der Gemeinschaft, in dem Satze, daß die Sünde „ein durchaus Gemeinschaftliches, in jedem das Werk aller und in allen das Werk eines jeden sei“, durchaus die von Augustin vorgezeichneten, allzu engen Linien der Kirchenlehre. Ebenso hat er der Lehre von der Erlösung und Versöhnung durch den Gesichtspunkt des Ideals, der anziehenden Kraft desselben und der Aufnahme des Gläubigen in die diesem Ideal eigenthümliche und von ihm ausstrahlende Seligkeit mit dem Geiste des Zeitalters in Beziehung gesetzt. Zwar hat er auch hier das Willenselement des Wirkens für das Reich Gottes und des Lebens unter dessen Gesetz nicht neben dem ästhetischen zureichend gewürdigt. Aber er hat doch die Dogmen von der Strafgerechtigkeit Gottes und von dem stellvertretenden Leiden von seinen Sätzen über die Erlösung her einer vernichtenden Kritik unterworfen. Hierbei ist sehr merkwürdig, wie in dieser Lehre vom Urbild der Menschheit in Christus Kant und S., wie auch sonst in der Religionslehre, in einem Verwandtschafts- [456] und Ergänzungsverhältniß stehen. Beide construiren die christliche Glaubenslehre aus dem Gegensatz der allgemeinen Sündhaftigkeit und der Heilswirkung durch Christus, in welchem das Urbild der Menschheit, das moralische Gesetz derselben beschlossen ist.
So hat Schleiermacher’s Glaubenslehre epochemachend eben so sehr durch die Rechtfertigung der innigsten Frömmigkeit als durch die schärfste Kritik veralteter Dogmen gewirkt. Einseitige, große Begabungen machten sich nach und vor ihm in der Glaubenslehre geltend: in dem Gleichgewicht der Kräfte, in dem erwogenen Maß bei aller Energie der religiösen Lebenshaltung, wie diese nur einer Natur von seltener Reinheit möglich waren, liegt das Unvergleichliche seines Wesens und seiner Wirkungen.
- Aus der sehr großen Litteratur hebe ich als besonders nützlich hervor: Aus Schleiermacher’s Leben in Briefen Bd. I: Von Schleiermacher’s Kindheit bis zu seiner Anstellung in Halle, October 1804, Berlin 1858, 2. Aufl. 1860. Bd. II: Bis an sein Lebensende den 12. Februar 1834, ebd. 1858, 2. Aufl. 1860. Bd. III: Schleiermacher’s Briefwechsel mit Freunden bis zu seiner Uebersiedelung nach Halle, namentlich Friedrich und August Wilhelm Schlegel, ebd. 1861. Bd. IV: Schleiermacher’s Briefe an Brinckmann, Briefwechsel mit seinen Freunden von 1806–1834. – Denkschriften, Dialog über das Anständige, Recensionen ebd. 1863. – Die Briefe von und an J. Chr. Gaß hat dessen Sohn W. Gaß unter Beifügung einer biographischen Vorrede, Berlin 1852, herausgegeben. – W. Dilthey, Das Leben Schleiermacher’s, Berlin 1870. – Dan. Schenkel, F. Schleiermacher, ein Charakterbild, Elberfeld 1868. – Wilh. Bender, Schleiermacher’s Theologie mit ihren philosophischen Grundlagen, Nördlingen 1876. – Zu Schleiermacher’s Philosophie, zunächst die Darstellungen in den Geschichten der Philosophie, bei Zeller, Geschichte der deutschen Philosophie, 1873, S. 753 ff. (Die beste Darstellung.) – Ueberweg, Grundriß der Geschichte der Philosophie III, 340. – Erdmann in der ausführlichen Geschichte der neueren Philosophie und Grundriß II³, 458 ff. – Windelband, neuere Philosophie, 1878, II, 282 ff. – Falckenberg, neuere Philosophie, 1886. – Von Einzelschriften: Schaller, Vorlesungen über S. 1844. – E. Zeller, S. in Vorträge u. Abhdlgn. I, 178–201. – Karl Schwarz, Vortrag über S., 1861. – Twesten, zur Erinnerung an S., 1869. – Sigwart, zum Gedächtniß Schleiermacher’s, kleine Schriften I, 221–255. – Weißenborn, Vorlesungen über Schleiermacher’s Dialektik und Dogmatik, 1847/49. – Sigwart, über die Bedeutung der Erkenntnißlehre und der psychol. Voraussetzungen Schleiermacher’s für die Grundbegriffe seiner Glaubenslehre, in den Jahrb. für deutsche Theologie, herausgegeben von Liebner, Dorner, Ehrenfeuchter, Landerer, Palmer und Weizsäcker, Bd. II, 1857. S. 267–327 und 829–864 (womit Dorner’s Entgegnung ebd. S. 499 zu vergleichen ist). – Lipsius, über Schleiermacher’s Dialektik, Zeitschr. f. wissenschaftliche Theologie XII, 1869, 1–62, 113–154. – Bruno Weiß, Untersuchungen über Schleiermacher’s Dialektik in Zeitschr. für Philosophie und philosoph. Kr., Bd. 73, 1878, S. 1–31, Bd. 74, 1879, S. 30–93, Bd. 75, 1879, S. 250 bis 280. – Vorländer, Schleiermacher’s Sittenlehre, 1851. – Hartenstein, de ethices a S. propositae fundamento, Lips. 1837. – Braniß über Schleiermacher’s Glaubenslehre, 1824. – Rosenkranz, Kritik der Schleiermacher’schen Glaubenslehre, 1834. – David Friedr. Strauß, S. und Daub, Halle’sche Jahrbücher, 1839; – Charakteristiken, 1839. – Albrecht Ritschl, Schleiermacher’s Reden über Religion, 1875; – Derselbe, Christliche Lehre von der Rechtfertigung und Versöhnung, I². 484 ff., sowie die Darstellungen in der [457] Geschichte der Dogmatik von Gaß, der Geschichte der protestantischen Theologie von Dorner.