ADB:De Wette, Martin Leberecht

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Artikel „De Wette, Wilhelm Martin Leberecht“ von Heinrich Holtzmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 101–105, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:De_Wette,_Martin_Leberecht&oldid=- (Version vom 7. Dezember 2024, 05:57 Uhr UTC)
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De Wette: Wilhelm Martin Leberecht D. W., ein protestantischer Theologe ersten Ranges, geb. zu Ulla bei Weimar 12. Jan. 1780, † 16. Juni 1843, der Sohn eines sächsischen Pfarrers, bezog, vorgebildet seit 1792 auf der Schule zu Buttstädt, seit 1796 auf dem Gymnasium zu Weimar, 1799 die Universität zu Jena, um sich dem Studium der Theologie zu widmen. Hatte er schon in Weimar Herder kennen gelernt, dessen ästhetisirende Theologie D. W. später in der Weise von Fries weiter bildete, so theilten ihm in Jena Griesbach und Paulus jene kritische Richtung mit, in deren Verfolgung später seine glänzendsten Leistungen liegen sollten. Dieselben wurden in vielversprechender Weise eingeleitet durch die „Beiträge zur Einleitung in das Alte Testament“ (2 Bde., 1806, 1807), welche im Zusammenhang mit einer ähnlichen, auf dem Boden der classischen Philologie, Alterthumswissenschaft und Mythologie zur Geltung kommenden Richtung den mythischen Schlüssel zur Erklärung der biblischen Geschichte in Anwendung brachten und neue Aufschlüsse über die allmähliche Entstehung und Composition des Pentateuchs und der Chronikbücher ertheilten. Auch in ihrer durch die kritische Zersetzung hindurchgegangenen Gestalt blieben ihm übrigens die biblischen Bücher und Geschichten ein Heiligthum, das zu würdigen freilich nur demjenigen aufbehalten sei, welcher Sinn hat für „die Poesie der Geschichte“ oder die „ideal-symbolische Bedeutung der Wunder“, wie sich D. W. später gern ausdrückte. Solche Anschauungen und Bestrebungen schieden den jungen Gelehrten ebenso bestimmt von den herrschenden Schulen des Antirealismus und der Orthodoxie, als sie ihn mit der von den Heidelbergern Creuzer und Daub vertretenen romantischen Richtung innerhalb der damaligen Gelehrtenrepublik in Berührung setzten. Seit 1807 ist er nicht nur Mitarbeiter der genannten Professoren in den „Studien“, sondern auch ihr unmittelbarer College. Als Professor der Theologie veröffentlichte er seinen „Commentar über die Psalmen“ (1811), welcher nachher noch viermal (zuletzt von G. Baur 1856) erschienen ist und, da er durch die kühne Kritik vermeintlicher messianischer Psalmen, durch Opposition gegen die davidischen Ueberschriften und überhaupt durch den kühlen Ton ausschließlich wissenschaftlicher Behandlung, den Frommen zum Anstoß gereichte, vom Verfasser selbst später mit einem Nachtrag „Ueber die erbauliche Erklärung der Psalmen“ (1837, 2. Aufl. 1856) versehen wurde. Schon das Jahr 1810 führte den bereits ehrenvoll bekannt gewordenen Theologen an die neugestiftete Universität Berlin, wo er sich mit Schleiermacher in dem Bestreben begegnete, eine Theologie herbeizuführen, welche, über die Gegensätze und Gemeinplätze des Rationalismus und Supranaturalismus hinausgreifend, im Stande sei, den Anforderungen der Wissenschaft und des Glaubens in gleicher Weise zu genügen. Hier arbeitete er nicht blos sein „Lehrbuch der hebräisch-jüdischen Archäologie“ (1814, 4. Aufl. von Räbiger) aus, sondern führte auch die im Verein mit Augusti begonnene, dann selbständig in die Hand genommene Uebersetzung des Alten Testamentes (1809–11) zu Ende; ja er verließ bereits das kritische und exegetische Gebiet, um in seiner Abhandlung „De morte Jesu [102] Christi expiatoria“ (1813, vgl. seine Opuscula, 1830) die orthodoxe Versöhnungslehre zu bekämpfen und Jesu Tod als ein Opfer im menschlich idealen Sinne darzustellen. Gleichzeitig erschien der erste Theil seines „Lehrbuches der christlichen Dogmatik“, welche die biblische Dogmatik enthielt (1813), und dem später ein zweiter, die kirchliche Dogmatik darstellender nachfolgte (1816, dritte Ausgabe beider Bände 1831–1840). Am bezeichnendsten für seinen theologischen Standpunkt ist übrigens die trefflich geschriebene kleine Schrift „Ueber Religion und Theologie“ (1815, 2. Aufl. 1821), die als „Erläuterung zu seinem Lehrbuch der Dogmatik“ auftrat. Man sieht daraus, wie sein religionsphilosophischer Standpunkt sich durchweg unter dem Einflusse seines Heidelberger Freundes J. J. Fries festgestellt hatte. Diesem rühmt D. W. noch in seinem Nachrufe nach, von ihm habe er gelernt, wie die Religion im Gefühle liege und mit der Kunst verwandt sei. Ungenügend – werden wir, wie von Fries, so auch von D. W. belehrt – sei die Stufe der Erkenntniß des blos mechanischen Zusammenhangs der Dinge, weil dadurch das Bewußtsein unserer Freiheit und unseres ewigen Werthes nicht gedeckt erscheint. Sobald aber einmal die Objectivität der sinnlichen Wahrnehmung erschöpft ist, bleibt kein anderer Ausgangspunkt für ein tiefer dringendes Erkennen mehr übrig als die im menschlichen Selbstbewußtsein sich verkündigenden sittlichen Aufgaben. Die Idee der Freiheit, unter der wir handeln, erzeugt mithin eine höher greifende Betrachtungsweise der Dinge aus Ideen, welche nicht von der sinnlichen Anschauung begleitet und nicht aus ihr entsprungen sind, wie umgekehrt auch der zeitliche Zusammenhang der Dinge aus ihnen nicht erklärt werden kann. Sie sind lediglich Gegenstände des Glaubens, in der Religion auf ursprüngliche Weise wirksam, wahrzunehmen aber mit dem Gefühl. „In der Schönheit und Erhabenheit der Natur und des geistigen Menschenlebens tritt der religiösen Ahnung die Erscheinung des wahren Seins und des ewigen Zweckes der Dinge entgegen.“ Es ist mit einem Worte die ästhetische Welt, wie sie sich dem Gefühle offenbart, aus deren Zusammenhang die Geheimnisse der Religion hier ihre Erklärung finden sollen, und nur dies unterscheidet D. W. von Fries, daß jener im Gegensatze zu diesem an der Unentrathsamkeit einer begrifflich formulirten, öffentlichen Religionslehre festhielt. Dieselbe werde aber immer rein ästhetische Bestandtheile, Andeutungen des Ueberschwänglichen enthalten und in dieser Richtung an die Symbolik der Bau- und Bildwerke, der Dichtung und des Gesanges, der heiligen Feste und Gebräuche erinnern.

Auch darin war D. W. je länger je inniger mit Schleiermacher verbunden, daß beide voll lebendigster Theilnahme am öffentlichen Leben den großen und gemeinsamen Interessen der Zeit nachgingen und an der sittlichen Hebung der Nation arbeiteten. In seiner Schrift „Die neue Kirche, oder Verstand und Glaube im Bunde“ (1815), besonders aber in den „Theologischen Aufsätzen zur christlichen Belehrung und Ermahnung“ (1819) hat D. W. den Begriff der „Sünde wider den heiligen Geist“ geradezu als Widerstreben gegen die besseren und guten Regungen des Zeitgeistes bestimmt. Mochten schon solche Bemühungen nicht eben dazu beitragen, ihn in Regierungskreisen zu empfehlen, so führte sein Verhalten in der unglückseligen Angelegenheit Sand’s bald zu einer Katastrophe. D. W. hatte bei einer Reise durch das Fichtelgebirge einst gastliche Aufnahme im Hause der Frau Justizräthin Sand in Wunsiedel gefunden und auch den Sohn flüchtig kennen gelernt. Ergriffen von dem Unglücke der Mutter richtete er am 31. März 1819 einen Brief an sie, worin er die That als eine „ungesetzliche“, ja „unsittliche und der sittlichen Gesetzgebung zuwiderlaufende“ bezeichnete, dagegen der Gesinnung des Thäters gegen das verdammende Urtheil des „großen Haufens“ seine Anerkennung spendete und sogar bekannte: [103] „So wie die That geschehen ist durch diesen reinen und frommen Jüngling, mit diesem Glauben, mit dieser Zuversicht, ist sie ein schönes Zeichen der Zeit.“ Eine Abschrift dieses Briefes kam dem König zu Gesicht, der dem Verfasser durch den Minister v. Altenstein zu wissen thun ließ, daß hierdurch seine Stelle als öffentlicher Lehrer der Theologie und der christlichen Moral unhaltbar geworden sei. D. W. zwar war der Meinung, er sei über eine so vertraulich geschehene Aeußerung „nur Gott und seinem Gewissen verantwortlich“; selbst der akademische Senat legte Fürsprache ein. Umsonst! Am 2. Oct. 1819 erhielt er seine Entlassung, worin er sich, wie er dem König schrieb, mit dem Bewußtsein, „neun Jahre lang bei einem stillen, unbescholtenen Lebenswandel, mit redlichem Willen das ihm anvertraute Amt verwaltet zu haben“, fügte, indem er zugleich die ihm angebotene Geldentschädigung ablehnte. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß Theologen wie Schleiermacher, Hoßbach u. A. sich seiner mit persönlicher Gefahr angenommen haben, während Hegel, gegen dessen Berufung nach Berlin freilich D. W. einst protestirt hatte, das Einschreiten gegen ihn völlig in der Ordnung fand.

Der Gemaßregelte ließ sich nunmehr in Weimar nieder, beschäftigt nicht blos mit Schriftstellerei, sondern gelegentlich auch mit Predigten, was er bisher versäumt hatte. Eben war er im Begriff, eine Predigerstelle in Braunschweig zu erstreben, als ein Ruf an die theologische Facultät nach Basel an ihn erging. Er folgte diesem (1822) und blieb, trotz mehrfach sich eröffnender Möglichkeit, in sein Vaterland zurückzukehren, dieser seiner zweiten Heimath, wo ihm Kinder und Enkel heranwuchsen, treu bis zu seinem Lebensende. Als akademischer Lehrer wie als Kanzelredner erwarb er sich hier großes Ansehen und ungetheilte Achtung. Schon 1829 ward er in den Erziehungsrath gewählt und mit dem Bürgerrechte begabt. Angriffe wie der 1834 von dem orthodoxen Pfarrer De Valenti ausgegangene vermochten seine Stellung nicht zu erschüttern. Während er der Basler Missionsthätigkeit fern blieb, hat der Gustav-Adolfs-Verein (der „Protestantisch-kirchliche Hülfsverein“ der Schweiz) an ihm von Anfang an ein besonders wirkungskräftiges Organ gefunden. Im übrigen läßt sich nicht leugnen, daß die Basler Luft mit der Zeit ihren Einfluß geltend machte. Nicht blos in praktisch-kirchlichen Fragen wurde D. W. immer positiver und conservativer, wie z. B. seine „Ausschließung des Dr. Rupp von der Hauptversammlung“ (1847) beweist, sondern auch seiner wissenschaftlichen Strenge entriß die allmählich sich verändernde Sachlage vielfache, wenngleich unbewußte Concessionen, so daß er, welcher der von D. F. Strauß im „Leben Jesu“ geübten Kritik noch 1836 weit größere Zugeständnisse als irgend einer der namhafteren älteren Theologen gemacht hatte, sich doch mit der Zeit, seinem eigenen Ausdruck nach, aus den Reihen der „gefährlichen Stürmer“ zurückgedrängt sah in diejenigen der „conservativen Kämpfer“.

Dieses Urtheil gilt selbst bezüglich derjenigen Werke, welche seinen Namen am längsten erhalten werden, des „Lehrbuchs der historisch-kritischen Einleitung in die Bibel Alten und Neuen Testaments“, davon der alttestamentliche Theil schon 1817 (achte Ausgabe von Schrader 1869), der neutestamentliche 1826 (sechste Ausgabe von Meßner und Lünemann 1860) erschien. Während er den ersten dieser Theile selbst mit Recht für das gediegenste seiner Lehrbücher hält, wiewol auch hier seine Kritik gewöhnlich nicht über die Skepsis hinausführt, schwankt sein Urtheil im zweiten von einer Auflage zur andern hin und her, so daß dieses, den jeweiligen Stand der neutestamentlichen Wissenschaften in den dreißiger und vierziger Jahren treu darstellende Werk zum sprechenden Spiegel für die noch jugendlich unbeständige Kritik jener Periode geworden ist. Dem kritischen Zweifel wird durchweg seine volle Berechtigung eingeräumt und [104] versichert, die Kirche könne davon nichts befürchten, wenn der Kritiker völlig vorurtheilslos zu den Urkunden über ihren Ursprung sich verhalte. Aber eben deshalb fällt dieser Kritik mehr nur die formale Aufgabe zu, den Forschungstrieb rege zu erhalten; ihre Untersuchungen sind Uebungsstätten für den gelehrten Scharfsinn der Theologen. Diese aber lehrte der Verfasser an seinem eigenen Beispiel, wie man bei aller kritischen Stimmung zuletzt doch in der Hauptsache bei solchen Ergebnissen anzulangen vermöge, welche den traditionellen Vorstellungen günstig entgegenkommen. Er nahm in Bezug auf den zweiten Thessalonicherbrief und im Grunde auch auf das Johannes-Evangelium seine eigenen Zweifel später wieder zurück; dagegen hielt er die Apokalypse allerdinges um so sicherer für unjohanneisch, den Epheserbrief und die Pastoralbriefe für unpaulinisch, die Petrusbriefe für unpetrinisch – lauter negative Urtheile, die seitens der neueren Wissenschaft glänzende Bestätigung empfangen haben. Schließlich haften solche mit unbestechlichem Wahrheitssinn festgehaltene Verneinungen aber doch immer nur an Einzelheiten und wirken nicht durchschlagend und nachhaltig. Selbständiges hat der Verfasser überhaupt nur bezüglich des Epheserbriefs und der Pastoralbriefe, am wenigsten dagegen bezüglich der Evangelienfrage geleistet. An diese seine neutestamentliche Einleitung reiht sich übrigens in würdigster Weise sein „Kurzgefaßtes exegetisches Handbuch zum Neuen Testament“ (3 Bde. in 11 Theilen, 1836–48, wovon seither einzelne Theile in dritter und vierter Auflage erschienen sind). Wie D. W. zwar nicht wirklich productiv, aber ein unerreichter Meister in der Verarbeitung eines gegebenen Stoffes war, so zeichnen sich diese Lehr- und Handbücher durch gedrängte Kürze und compendiarische Uebersichtlichkeit aufs vortheilhafteste aus. Sie sind geradezu sprüchwörtlich dafür geworden. Leidet auch das exegetische Werk in seinen ersten Ausgaben an erheblichen Mängeln, wie denn der Standpunkt der Evangelienkritik ein völlig haltloser ist, aber selbst der Römerbrief sich nur allmählich vervollkommnete, so darf es sich doch selbst seitens eines F. Ch. Baur des anerkennenden Lobes erfreuen: „Man kann sich mit Hülfe desselben überall im Neuen Testament sehr leicht orientiren. Es gibt eine Zusammenstellung aller erheblichen Erklärungen mit einem Urtheil, das von einem sehr richtigen exegetischen Takt, gründlicher Sprachkenntniß und unbefangener Schriftforschung zeugt.“ (Geschichte der christlichen Kirche, V. S. 418.)

Nächst seinen biblisch-kritischen Arbeiten galt De Wette’s Vorliebe dem Gebiete der Sittenlehre, wie denn die innige Verknüpfung des wissenschaftlichen Factors mit dem praktisch-ethischen überhaupt zu den ihn am meisten bezeichnenden Zügen gehört. Er hat die Ethik nicht weniger als dreimal behandelt, noch in Berlin als „Christliche Sittenlehre“ (3 Bde. 1819–21), in Basel als vor einem gemischten Publicum gehaltene „Vorlesungen über die Sittenlehre“ (2 Bde., 1813 u. 1824), endlich als „Lehrbuch der christlichen Sittenlehre“ (1833). In der That hat er auf diesem Gebiete, indem er die casualistische Methode der Zeit durch einen systematischen Aufbau der Moral auf dem Grunde einer dem Glauben entsprungenen christlichen Gesinnung überwand, bleibendere Erfolge erzielt, als auf demjenigen der Glaubenslehre, wo seine Unterscheidung der verständigen und der ästhetischen Ansicht von den Dogmen der Lehre von einer doppelten Wahrheit ziemlich ähnlich sah und in das religiöse Bewußtsein einen Dualismus verpflanzte, welchem es an der vermittelnden Einheit gebrach (vgl. Baur, S. 216). Den pantheistisch-mystischen Zug Schleiermacher’s theilte er nicht, wie er auch Schelling’s und Hegel’s speculative Religionstheorien entschieden verwarf. Mystik und Speculation sind seine Sache nicht. Gleichwol hat er auch dogmatische Stoffe immer wieder in neue Formen umgegossen, wie seine „Vorlesungen über Religion, ihr Wesen, ihre Erscheinungsformen und ihren [105] Einfluß“ (1827) und sein „Wesen des christlichen Glaubens“ (1846) beweisen. Selbst zur praktischen Anwendung der Resultate der biblischen Wissenschaften hat D. W. reichliche Anleitung gegeben, in Beziehung auf allgemeine Andachtszwecke in dem Werke „Die heilige Schrift des neuen Bundes“ (1825–28), in Beziehung auf Katechetik in der „Biblischen Geschichte als Geschichte der Offenbarung Gottes“ (1846), in Beziehung auf Homiletik in seinen „Predigten“ (4 Sammlungen, 1825–29, neue Ausg. 1833, 46 und 59, wozu noch ein Nachtrag 1849). Am nachhaltigsten aber hat er für Verbreitung biblischen Wissens gewirkt durch seine seit 1831 herausgegebene „Heilige Schrift des Alten und Neuen Testamentes“ (4. Aufl. 1858) – eine Bibelübersetzung, welche lange Zeit über in protestantischen gebildeten Kreisen nächst der lutherischen die gelesenste war. Dem Studium der Reformationsepoche war D. W. schon in einem, vom „Reformationsalmanach“ für 1820 gebrachten Aufsatz „Ueber den sittlichen Geist der Reformation“ nahegetreten; in Weimar hat er dann den Stoff gesammelt zu seiner werthvollen Sammlung „Luther’s Briefe, Sendschreiben und Bedenken“ (5 Bde., 1825–28. Bd. 6 von Seidemann, 1856). Aber selbst das Gebiet künstlerischer Darstellung ist ihm nicht fremd geblieben, wie seine romanartigen zu ihrer Zeit viel gelesenen Werke beweisen: „Theodor oder des Zweiflers Weihe“ (1822, 2. Aufl. 1828 – wogegen Tholuck 1823 die „Wahre Weihe des Zweiflers“ schrieb) und „Heinrich Melchthal oder Bildung und Gemeingeist“ (1829). Nachdem er einen Winter in Rom verbracht hatte, schrieb er noch als hoher Sechziger seine „Gedanken über Malerei und Baukunst“ (1846). Erwägt man noch die zahlreichen kleineren Veröffentlichungen, besonders auch in den von ihm herausgegebenen Zeitschriften – zuerst der „Theologischen Zeitschrift“, in Gemeinschaft mit Schleiermacher und Lücke, dann der „Wissenschaftlichen Zeitschrift“, in Gemeinschaft mit Basler Professoren – so kann man den gänzlich unermüdlichen und so Vieles umfassenden Fleiß des treuen Arbeiters, der dabei ein edler Mensch von reinstem sittlichem Streben war, nur bewundern, wehmüthig zugleich aber auch des letzten Bekenntnisses gedenken, in welchem sich ein gewisses Gefühl des Unbefriedigten selbst einem so rühmlichen Tagewerk gegenüber kund gibt:

     Ich fiel in eine wirre Zeit,
     Die Glaubenseintracht war vernichtet.
     Ich mischte mich mit in den Streit,
     Und ach – ich hab’ ihn nicht geschlichtet.

Vgl. Schenkel, De Wette und die Bedeutung seiner Theologie für unsere Zeit, Schaffhausen 1849. Hagenbach, Leichenrede, 1849. Akademische Gedächtnißrede, 1850. Die theologische Schule Basels und ihre Lehrer, Basel 1860. Herzog’s Real-Encyklopädie, XVIII, S. 61 ff.