ADB:Luise (Königin von Preußen)

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Artikel „Luise, Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz, Königin von Preußen“ von Paul Bailleu in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 815–825, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Luise_(K%C3%B6nigin_von_Preu%C3%9Fen)&oldid=- (Version vom 14. Oktober 2024, 20:55 Uhr UTC)
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Band 19 (1884), S. 815–825 (Quelle).
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Luise *): Auguste Wilhelmine Amalie Luise, Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz, Königin von Preußen, wurde am 10. März 1776 zu Hannover, wo der Vater als Feldmarschall der hannoverschen Haustruppen residirte, als sechstes Kind des Prinzen Karl Ludwig Friedrich von Mecklenburg-Strelitz geboren. Die Mutter, eine Prinzessin Friederike Caroline Luise von Hessen-Darmstadt, starb bereits im J. 1782, nachdem sie noch einer Tochter (Friederike) und einem Sohne das Leben gegeben hatte. Zwei Jahre später vermählte [816] sich Prinz Karl mit der Schwester der Verstorbenen, Charlotte Wilhelmine Christiane, die jedoch schon im J. 1785 nach der Geburt eines Sohnes verschied. Bald darauf siedelte der Prinz nach Darmstadt über, wo L. unter der Obhut der Großmutter heranwuchs. Ihre Erziehung hatte noch bei Lebzeiten der Mutter ein Fräulein v. Wolzogen geleitet; jetzt wurde eine Schweizerin, Fräulein Gelieux, damit betraut, der L. immer eine dankbare Erinnerung bewahrt hat. Die geistige Bildung, die sie von ihr empfing, war der Hofsitte des 18. Jahrhunderts gemäß eine wesentlich französische; doch verstand es die Erzieherin die natürlichen Anlagen der jungen Prinzessin, ihren reinen und edlen Sinn und ihr tief religiöses Gemüth, in der glücklichsten Weise zu entwickeln. Häufige Reisen, bei denen die vielverzweigte und zahlreiche Verwandtschaft der hessischen und mecklenburgischen Häuser besucht wurde, unterbrachen das einförmige Hofleben in dem stillen Darmstadt. Mit der Großmutter reiste L. nach Straßburg, wo das Münster bestiegen wurde, dann rheinabwärts nach den Niederlanden, deren sie später bei dem Lesen von Schiller’s Abfall der Niederlande gern gedachte. Besonders häufig aber sah man die Prinzessin in Frankfurt a. M., wo eine ältere Schwester Therese mit dem Fürsten Karl Alexander von Thurn und Taxis vermählt war. Hier verweilte sie 1790 während der Festlichkeiten bei der Krönung Kaiser Leopolds, und wieder zwei Jahre später bei der Krönung Franz II., wobei Metternich, wie er in seiner Autobiographie erzählt, den von der kaiserlichen Wahlbotschaft gegebenen Festball mit ihr eröffnete. Auch in dem Hause von Goethe’s Mutter hat die jugendliche Prinzessin, wenn die Ueberlieferung richtig ist, oft und unbefangen verkehrt. In Frankfurt a. M. war es auch, wo L., von dem Besuche bei einer anderen Schwester Charlotte von Sachsen-Hildburghausen mit der Großmutter und der jüngeren Schwester Friederike zurückkehrend, mit dem König Friedrich Wilhelm II. von Preußen und dem Kronprinzen, ihrem späteren Gemahle, zuerst zusammentraf. Hören wir die eine naive Bewunderung verrathenden Worte, in denen der König selbst die erste Begegnung geschildert hat (Schreiben vom 21. und 22. März 1793): „Seit meinem letzten Briefe habe gar keine Zeit zum Schreiben gehabt; wir haben in lauter Fêten gelebt, die besonders durch die Anwesenheit hoher Fremden veranlaßt wurden, nämlich der Prinzeß George von Darmstadt und ihren beider herrlichen Kindeskinder, der Töchter des Prinzen Karl von Mecklenburg. Wie ich die beiden Engel zum ersten Mal sah, es war am Eingang der Komödie, so war ich so frappirt von ihrer Schönheit, daß ich ganz außer mir war, als die Großmutter sie mir präsentirte. Ich wünschte sehr, daß meine Söhne sie sehen möchten und sich in sie verlieben. Den anderen Tag ließen sie sich auf einem Ball präsentiren und waren ganz von ihnen enchantirt. Ich machte mein möglichstes, daß sie sich öfter sahen und sich recht kennen lernten. Die beiden Engel sind, soviel ich sehen kann, so gut als schön. Nun war die Liebe da, und es wurde kurz und gut resolvirt, sie zu heirathen. Sie gaben sich das Jawort und die Versprechung wird bald vor sich gehen, vermuthlich in Mannheim. Der älteste heirathet die älteste und der jüngste die jüngste.“ Am 18. März hat der König für seine Söhne Friedrich Wilhelm und Ludwig um die Hand der Prinzessinnen Luise und Friederike geworben; die Großmutter willigte ein, ebenso der durch Courier aus Strelitz herbeigerufene Vater, und am 24. April konnte die Verlobung, die durch das Ausbleiben der Ringe etwas verzögert wurde, in Darmstadt festlich begangen werden. „Ich kann Ihnen nicht sagen, wie glücklich ich mich durch die Wahl fühle, die ich getroffen habe“, schrieb der Kronprinz damals an seine Mutter. Wenn er sich anfangs mehr durch die äußere Schönheit der Prinzessin mochte angezogen fühlen, so empfand er zu seiner Freude mit jedem Tage mehr, daß auch ihre Charaktere in Tiefe des Gemüths und echter Religiosität trefflich harmonirten. Sobald es die kriegerischen Ereignisse, die ihn während des J. 1793 [817] noch am Rhein festhielten, irgend gestatteten, besuchte er von Bodenheim und von Marienborn aus die Prinzessin in Darmstadt, in dessen Umgegend unter Führung der Großmutter dann Ausflüge unternommen wurden. Einige Male, im Mai und Juli, kamen auch die Prinzessinnen in das preußische Lager, „himmlische Erscheinungen inmitten des Kriegsgetümmels“, wie Goethe sie geschildert hat. Gegen Ende des Jahres kehrte der Kronprinz, der zuletzt das Belagerungscorps vor Landau commandirt hatte, nach Berlin zurück, wohin der König bereits vorangegangen war. Um die Mitte December verließ auch die Prinzessin mit Großmutter und Schwester Darmstadt und kam am 21. December in Potsdam an, empfangen von dem Kronprinzen und seinem Bruder. Am folgenden Tage fand der feierliche Einzug in Berlin statt, am Weihnachtsabend im weißen Saale die Vermählung. Alle Berichte der Zeitgenossen sind einmüthig in der Schilderung des hinreißenden Eindrucks, den die Schönheit und Liebenswürdigkeit der 17jährigen Kronprinzessin vom ersten Augenblick ihres Erscheinens an in Berlin hervorrief. „Die Ankunft dieser engelschönen Fürstin“, so schreibt Fouqué, „verbreitete über jene Tage einen erhabenen Lichtglanz. Alle Herzen flogen ihr entgegen und ihre Anmuth und Herzensgüte ließ keinen unbeglückt.“ Schwerer war es der Prinzessin, an dem Hofe Friedrich Wilhelms II. selbst, der, wie man weiß, von zweifelhaften Elementen nicht völlig frei war, eine nach allen Seiten hin feste und sichere Stellung zu gewinnen. Die übergroße Lebhaftigkeit ihres Wesens, eine zu rasche und willige Empfänglichkeit für die neuen Eindrücke und neuen Erscheinungen, die ihr entgegentraten, scheinen anfangs nicht selten und nicht blos bei der strengen Oberhofmeisterin, der Gräfin Voß, Anstoß erregt und Mißdeutungen veranlaßt zu haben. Indem sie jedoch mehr und mehr alle fremden Einwirkungen fern hielt und sich der Leitung ihres Gemahls allein überließ, erwarb sie sich die Festigkeit des Inneren und die Sicherheit nach Außen, die sie ihr ganzes Leben ausgezeichnet haben. Sie lernte sich in den Charakter Friedrich Wilhelms hineinzuleben, und, den Eigenheiten seines äußeren Verhaltens nachgebend, das Innere seines Wesens zu erfassen, das in wahrer Herzensgüte und Frömmigkeit mit ihrem eigenen Inneren im vollkommenen Einklang war. An der Seite des Gatten, den sie als ihren besten Freund bezeichnete und durch den sie besser geworden zu sein laut bekannte, begann dann für sie ein Leben voll Liebe und Glückseligkeit. Am 10. März 1794, ihrem ersten Geburtstage in Berlin, empfing sie von König Friedrich Wilhelm II., der seiner Schwiegertochter immer die innigste Verehrung gewidmet hat, das Schloß zu Oranienburg als Geschenk. Es war ihr eine um so willkommenere Gabe, da sie die Gattin des großen Kurfürsten, die oranische Luise, von der die Stadt den Namen führte, vor allen Frauen des Hohenzollernhauses am meisten bewunderte. Hier in Oranienburg und in Potsdam, seltener in Berlin, verlebte die Prinzessin die ersten Jahre ihrer Ehe, deren Glück nur durch die Theilnahme des Kronprinzen an dem Feldzuge in Polen (1794) unterbrochen wurde. Nachdem sie am 7. October 1794 von einer todten Prinzessin entbunden worden, gebar sie am 15. October 1795 einen Sohn, den späteren König Friedrich Wilhelm IV., und am 22. März 1797 ihren zweiten Sohn, Wilhelm, dem eine Zukunft voll ungeahnter Größe bestimmt sein sollte. Im Juli 1796 wurde dem Vater in Strelitz ein Besuch abgestattet und dabei auch der Landsitz der Oberhofmeisterin Groß-Giewitz besichtigt. Im nächsten Jahre folgte der Kronprinz mit seiner Gemahlin einer Einladung des Königs nach Pyrmont, wo auch der Geburtstag des Kronprinzen gefeiert wurde. Nach der Rückreise, die über Hannover, Braunschweig und Magdeburg führte, siedelten Beide für längere Zeit nach Paretz bei Potsdam über, welches der Kronprinz einige Zeit vorher angekauft hatte, da [818] ihm der Aufenthalt in dem großen Schlosse zu Oranienburg wenig zusagte. Von gleicher Liebe für die Reize des Landlebens erfüllt, hat das fürstliche Paar die sorgenfreiesten und heitersten Stunden in der Stille und Zurückgezogenheit dieses abgelegenen kleinen Landgutes verlebt, wo Friedrich Wilhelm als „Schulze“ und L. als „gnädige Frau von Paretz“ walteten. Bei den Erntefesten, zu denen auch aus der Nachbarschaft die ländliche Bevölkerung zahlreich sich versammelte, verschmähte L. selbst es nicht, sich in die Reihen der Tanzenden zu mischen. – Die häusliche Glückseligkeit und die Innigkeit des Zusammenlebens wurde auch dadurch nicht gestört, daß mit dem Tode Friedrich Wilhelms II. am 16. November 1797 das junge Paar den preußischen Thron bestieg. Man bewohnte nach wie vor gemeinsam im Winter das kronprinzliche Palais in Berlin, im Sommer Charlottenburg, Potsdam und besonders Paretz, welches der Lieblingsaufenthalt war und blieb. L. selbst erblickte in dem eingetretenen Wandel vor Allem die Möglichkeit, ihre Wohlthaten in reichlicherem Maße zu spenden als sie es vorher vermocht hatte. Man kennt die Erzählungen, welche ihre Herzensgüte und ihre huldvolle Milde in zahlreichen Beispielen rühmen; man weiß, daß noch mehr als das Gesprochene oder Gegebene die Art wie sie zu sprechen und zu geben pflegte, alle Herzen für sie einnahm. Wurde schon die Kronprinzessin allgemein bewundert und geliebt, so sah sich die Königin vollends überall von begeisterter Verehrung umgeben. Die Reinheit ihres Herzens, die sich in dem seelenvollen Blicke ihrer blauen Augen widerspiegelte, die lautere Frömmigkeit ihrer Seele, die heitere und glückliche Unbefangenheit ihres ganzen Wesens, dazu die Schönheit der Gestalt, die besonders in der Bewegung und in lebhaftem Gespräch anmuthig hervortrat, überhaupt der glückliche Einklang des inneren Wesens und der äußeren Erscheinung erweckten gleiche Bewunderung und Liebe bei allen, die das Glück hatten sich ihr zu nähern. Unter der Fülle von Berichten, die von dem gewinnenden Zauber ihrer Erscheinung zu erzählen wissen, mag es gestattet sein zwei Zeugnisse von Fremden hier anzuführen, die noch wenig bekannt sind. Der General Segur, der mit Duroc 1803 nach Berlin kam und die Ehre hatte der Königin vorgestellt zu werden, schreibt über diese Audienz in seinen Memoiren: „Ich glaube noch diese Fürstin vor mir zu sehen, wie sie hingegossen war auf ein reiches Sopha, neben ihr ein goldener Dreifuß, einen Schleier von orientalischem Purpur um die elegante und anmuthige Taille. In dem Ton ihrer Stimme lag eine so harmonische Sanftheit, in ihren Worten etwas so liebenswürdig und rührend Hinreißendes, in ihrer Haltung so viel Reiz und Majestät, daß ich einige Augenblicke völlig betroffen mich einer jener Erscheinungen gegenüber glaubte, deren berückende und bezaubernde Bilder uns die fabelhaften Erzählungen der alten Zeiten geschildert haben.“ Eine andere Darstellung findet sich in einem Briefe, den der Secretär der englischen Gesandtschaft in Berlin am 24. Februar 1803 seinen Schwestern geschrieben hat. Darin heißt es: „In der Berliner Gesellschaft, besonders unter den jüngeren Leuten, herrscht ein Gefühl ritterlicher Ergebenheit gegen die Königin, und ein sonniges Lächeln oder ein Blick ihrer hell lachenden Augen ist eine Gunstbezeugung, nach der man eifrig trachtet. Wenige Frauen sind mit so viel Lieblichkeit begabt als sie und sie ist ebenso liebenswürdig und anmuthig als sie schön ist; sie ist voll Lebhaftigkeit und geht mit Geist und Freude auf jedes Vergnügen ein. Doch ich muß inne halten, oder ihr werdet denken, daß mir der Kopf verdreht ist, wie es schon so viele Köpfe sind, durch die Schönheit und Anmuth der Königin Luise von Preußen“ (Diaries and letters of G. Jackson, London 1872).

Die gewinnende Liebenswürdigkeit der Königin, die von der Bevölkerung überall durch eine begeisterte und laute Verehrung erwidert wurde, trat am glänzendsten hervor bei den häufigen Reisen, auf denen sie den König begleitete. [819] Die erste derselben war die Huldigungsreise, die im J. 1798 nach Pommern, Ostpreußen und Schlesien unternommen wurde. Am 25. Mai fuhr man von Berlin über Stargard, wo Revue gehalten wurde, nach Danzig, welches der Königin einen glänzenden Empfang bereitete. Von hier aus ging es nach Königsberg: alles strömte hier zusammen, um die Königin zu sehen, welche sich nur ungern von der Stadt trennte, in der ihr von allen Seiten die lebhaftesten und natürlichsten Beweise liebevoller Verehrung entgegengebracht wurden. Auch in Warschau, das eben erst dem preußischen Staate einverleibt war, dieselbe Aufnahme: nicht die Gräfin Voß allein bezeugt, daß L. hier förmlich angebetet worden sei, auch die französischen Agenten berichten, daß es „der hinreißenden Schönheit und Anmuth“ der Königin gelungen sei, über die widerwillige Abneigung der Polen zu triumphiren. (Bericht Parandier’s an das Directorium, 28. Juni 1798.) Nachdem noch in Breslau die Huldigung Schlesiens entgegengenommen war, kam das königliche Paar Ende Juni wieder in Charlottenburg an, der König ermüdet von den Obliegenheiten der Repräsentation, die seinen Neigungen so wenig entsprach, die Königin glücklich über die begeisterte Aufnahme, die sie allenthalben gefunden und die sie mit einer aus dem Herzen strömenden Leutseligkeit erwidert hatte. Im nächsten Sommer galt die Reise dem westlichen Theile des preußischen Staates; längere Zeit verweilte das königliche Paar in Westfalen, wo bei Petershagen die zum Schutze der norddeutschen Neutralität zusammengezogenen Truppen besichtigt und zugleich politische Berathungen von hoher Wichtigkeit gepflogen wurden. Dann besuchte man Cassel und Eisenach und die fränkischen Provinzen, für welche die Königin eine besondere Vorliebe faßte. Auch auf dieser Reise fühlte sich die Königin zufrieden und glücklich im Genusse der Schönheiten der Natur und in der aufrichtigen Freude über den ihr bereiteten Empfang, während sich der König, den die politische Lage Preußens inmitten der kämpfenden Weltmächte unausgesetzt beschäftigte, noch zurückhaltender und verschlossener zeigte als gewöhnlich. Im August des folgenden Jahres wurde das Riesengebirge in Schlesien bereist; an einem schönen heiteren Augustmorgen erstieg man die Schneekoppe, die Königin zu Pferde in einem Amazonenanzug, strahlend in Glück und Schönheit. Den Augenblick, wo sie auf dem Gipfel anlangte, umgeben von einer bewundernden Volksmenge, hat die Königin immer für einen der seligsten ihres Lebens gehalten: „es war ihr“, so pflegte sie zu sagen, „als sei sie, erhoben über die Erde, Gott näher.“ Der Sommer des Jahres 1801 wurde ruhig in Charlottenburg verlebt, nur im Herbst begleitete die Königin ihren Gemahl zu den bei Magdeburg stattfindenden Manövern. Bedeutungsvoller, zugleich persönlich für das königliche Paar und politisch für den preußischen Staat, war die Reise, die im J. 1802 nach Ostpreußen unternommen wurde. Während des Aufenthaltes in Memel, wo in gewohnter Weise die Manöver stattfanden, denen die Königin zu Pferde beizuwohnen pflegte, traf auch Kaiser Alexander von Rußland zu einem Besuche ein, der zwischen dem preußischen Königshause und der russischen Kaiserfamilie eine Verbindung herzlicher und inniger Vertraulichkeit anknüpfte. Die Königin war „schöner als je“, wie uns ihre Oberhofmeisterin berichtet: es konnte nicht ausbleiben und alle Zeugen der Zusammenkunft bestätigen es, daß ihre Erscheinung auf Kaiser Alexander einen lebhaften und dauernden Eindruck hervorbrachte. Aber auch Kaiser Alexander, ein schöner Mann von einer weichen Liebenswürdigkeit des Charakters, gefiel am preußischen Hofe ungemein, und als man sich trennte, war alles in Thränen. Bestimmte politische Verabredungen waren nicht getroffen worden: aber zwischen dem preußischen Königspaar und dem Kaiser Alexander war eine Freundschaft begründet, die allen Wechsel der politischen Ereignisse überdauert hat. Im Mai 1803, in dem Augenblick, wo ein französisches Heer das Kurfürstenthum [820] Hannover besetzte, reisten König und Königin zu den Manövern nach Cörbelitz bei Magdeburg, dann durch die Entschädigungsprovinzen Erfurt etc. über Ansbach nach Wilhelmsbad, wo man mit der Schwester des Königs, der Kurprinzessin Auguste von Hessen-Cassel, einige Wochen verlebte. Im Sommer 1805 besuchte das königliche Paar noch einmal die fränkischen Markgrafschaften, die in Anhänglichkeit und Ergebenheit für das preußische Königshaus von keiner der alten Provinzen übertroffen wurden. In dem Baireuther Oberlande, in dem kleinen Badeorte Sichersreuth (Alexandersbad), inmitten einer reizenden Gebirgsgegend, verlebte man heitere und glückliche Stunden. Täglich wurden zu Pferde Ausflüge in die benachbarten Berge unternommen, an denen auch die jüngere Schwester der Königin, die Prinzessin Solms, und Hardenberg, der Minister der fränkischen Markgrafschaften, theilnahmen. Auch der preußische Gesandte in Paris, Lucchesini, hatte sich eingefunden; er kann seiner Frau nicht genug rühmen, wie alles herbeiströme, „angezogen durch die Freundlichkeit des Königs und die bezaubernde Schönheit der Königin“. Es waren die letzten sorgenlosen Tage der Königin: kaum nach Berlin zurückgekehrt, sah sie sich durch die Macht unerwarteter Ereignisse in das Getriebe der Politik hineingerissen, von dem sie sich bisher völlig ferngehalten hatte.

In dem großen Gegensatz, der damals die Mächte des Festlandes theilte und der auf dem Schlachtfelde von Austerlitz ausgekämpft wurde, hatte die Königin bisher, wie der preußische Staat, man kann sagen eine neutrale Haltung behauptet. Wenn sie und ihr Gemahl mit dem Kaiser von Rußland in herzlicher Freundschaft sich verbunden fühlten, so hatte sie doch auch mit der Kaiserin Josephine Geschenke getauscht, prächtige Kleider von ihr entgegengenommen und Vasen der Berliner Porzellanmanufactur mit Ansichten von Malmaison dafür als Gegengabe dargebracht. Für Kaiser Napoleon selbst freilich, dessen Emporkommen anfangs in Berlin mit aufrichtiger Genugthuung begleitet wurde, hatte sie seit der Erschießung Enghien’s eine gewisse Abneigung empfunden; sie hätte damals gern, wie dies an den Höfen von Petersburg und Stockholm geschah, für den unglücklichen Prinzen Trauer angelegt, und nur die von den Räthen des Königs geltend gemachten politischen Bedenken hatten sie davon zurückgehalten. Von entscheidender Bedeutung für die Haltung der Königin wurden aber die Vorfälle, die im October 1805 auf die preußische Politik einwirkten. Die rücksichtslose Verletzung des preußischen Gebietes in Ansbach durch die Franzosen, die auch den so außerordentlich friedliebenden König dermaßen empörte, daß er die Vertreter Napoleons am liebsten sogleich aus Berlin entfernt hätte, und die Anwesenheit Kaiser Alexanders in Potsdam, der den Gedanken eines universalen Kampfes gegen die Uebermacht Napoleons mit feuriger Beredtsamkeit verfocht, brachten in der Königin einen Umschwung hervor, der mit jedem Tage sichtbarer hervortrat. Zufrieden in dem Genuß einer glücklichen Häuslichkeit, dahinlebend in sorgloser und selbstgenugsamer Abgeschlossenheit von den Kämpfen der Welt, war sie von ganzem Herzen einverstanden gewesen mit ihrem Gemahl, der in der auswärtigen Politik Preußens nur ein Mittel zur Erhaltung oder Herstellung des Friedens erblickte. Bisher mehr liebende Gattin und Mutter, wurde sie jetzt erst wahrhaft die Königin von Preußen, insofern sie der Regierung und Politik des Staates einen bestimmteren und thatkräftigeren Charakter zu geben suchte. Man könnte nicht sagen, daß sie mit einer inneren Neigung und freudigen Geistes sich dem Antheil an den Staatsgeschäften zugewandt hätte. Die Octobertage, während deren sich die Wendung der preußischen Politik gegen Frankreich vollzog, hatte sie mit dem König in Paretz verlebt, wo auch der Geburtstag des zehnjährigen Kronprinzen und sein Eintritt in die Armee gefeiert wurden. Aber sie fühlte sich nicht wohl in dem Augenblicke [821] der Entscheidung und wäre gern nach Strelitz geeilt, um sich zu zerstreuen. Erst allmählich, dann aber mit voller Entschiedenheit, trat sie auf die Seite derjenigen, welche man wol als die Kriegspartei am preußischen Hofe bezeichnen durfte. Sie theilte die populäre Abneigung gegen Haugwitz, der – so faßte man es auf – durch die Unterzeichnung der Verträge von Schönbrunn und Paris den Beitritt Preußens zur Coalition hintertrieb und dafür eine Allianz mit Frankreich abschloß, und zeichnete mit sichtlicher Vorliebe Hardenberg aus, der für den Vertreter einer entschieden antifranzösischen Politik angesehen wurde. Seine Entfernung aus dem Ministerium, die Napoleon gleichsam als Pfand der durch Haugwitz wiederhergestellten Freundschaft begehrte, erfüllte sie mit tiefstem Bedauern. Inständig hat sie ihn gebeten, den Dienst des Königs nicht zu verlassen; es sei ihr, so schrieb sie ihm, ein Trost, die Geschäfte in den Händen des achtungswerthesten und reinsten Mannes zu wissen, der da lebe. Ueberhaupt aber empfand sie auf das Schmerzlichste den plötzlichen Uebergang von der Verbindung mit Alexander und den hohen Erwartungen, die sich daran geknüpft hatten, zu der Allianz mit Frankreich, die zugleich eine gewisse Abhängigkeit von Napoleon in sich zu schließen schien. „Die Königin“, so schreibt am 12. April 1806 ein Diplomat in Berlin, „soll bei diesem Gange der politischen Angelegenheiten unaussprechlich leiden und besonders den Verlust Ansbachs nicht verschmerzen können; der Gram soll an ihrer Gesundheit nagen.“ Uebrigens fuhr sie fort von den Staatsangelegenheiten Kenntniß zu nehmen, wie sie denn selbst über die in tiefstem Geheimniß gepflogenen Unterhandlungen mit Rußland unterrichtet wurde, und blieb in Verbindung mit den Männern, die eine Aenderung der Regierungsformen und zugleich der auswärtigen Politik beabsichtigten. Der hohe und edle Sinn, den sie in den Wandlungen der letzten Monate gezeigt hatte, erweckte in den Leitern dieser Bewegung die Hoffnung, daß es durch ihre Mitwirkung gelingen werde, den erstrebten Umschwung in Preußen zu vollziehen. Sie war es, der Stein zuerst jene berühmte Denkschrift überreichte, in welcher die Mängel der preußischen Cabinetsregierung mit scharfer und einschneidender Kritik dargestellt wurden. Die Tendenz derselben hat sie gebilligt, wiewol sie an der Stärke einiger Ausdrücke Anstoß nahm. Gleichzeitig aber gewann sie doch auch die Ueberzeugung, daß sie die Politik des Grafen Haugwitz, der ihr mit Unrecht als ein Freund der Franzosen erschienen war, falsch beurtheilt hatte; sie schenkte ihm ihr Vertrauen wieder und suchte ihn mit seinen Gegnern, namentlich mit Hardenberg, auszusöhnen. Im Juni 1806 ging sie auf den Rath der Aerzte, denen der zarte Zustand ihrer Gesundheit schon seit Jahren ernste Besorgnisse einflößte, zum Gebrauche der Bäder nach Pyrmont, wo sie mit Vater und Bruder etwa 6 Wochen zubrachte und sich in der erfreulichsten Weise erholte. Blücher, der wie alle energischen Naturen bei ihr in hoher Achtung stand und der ihr seinerseits mit schwärmerischer Verehrung ergeben war, hat sie hier in Pyrmont gesehen; er fand sie „sehr heiter und wohl“; sie sagte ihm, daß ihr „die Reise und das Bad sehr wohl thäten“. Gegen Ende Juli reiste sie zurück, um am 3. August an der Feier des Geburtstages ihres Gemahls in Charlottenburg theilnehmen zu können. Nur wenige Tage später veranlaßten die aus allen Theilen Deutschlands eintreffenden Nachrichten über die Bewegungen der französischen Truppen an den Grenzen Sachsens und Westfalens, welche mit dem Plane der Rückgabe Hannovers an England in Verbindung zu stehen schienen, den Grafen Haugwitz, dem Könige gleichfalls die Vornahme militärischer Rüstungen zu empfehlen. Der König ging darauf ein: unter dem 9. August wurden die Befehle erlassen, welche den größten Theil der preußischen Armee in die Waffen riefen. Es versteht sich, daß die Königin an diesem Entschlusse, aus welchem der Krieg von 1806 entsprang, einen unmittelbaren Antheil [822] nicht gehabt hat, so sehr sie seit einem Jahre von der Unvermeidlichkeit des Krieges mit Frankreich überzeugt war. Dagegen ist hauptsächlich von ihr die Anregung zu jener Eingabe ausgegangen, in welcher die Prinzen des königlichen Hauses zusammen mit hervorragenden Staatsmännern und Generalen den König um die Entfernung von Haugwitz, Lombard und Beyme ersuchten. In dem kriegerischen Getümmel, welches im August und September 1806 die preußische Hauptstadt erfüllte, zeigte sich die Königin wiederholt den ins Feld rückenden Truppen; sie erschien in den Farben des berühmten Dragonerregimentes Ansbach-Bayreuth, welches der König ihr vor Kurzem verliehen hatte. Am 21. Septbr. verließ sie mit ihrem Gemahl Charlottenburg und erreichte in Naumburg das Hauptquartier des Heeres, das sich unter dem Oberbefehl des Herzogs von Braunschweig in Thüringen zusammengezogen hatte. Am 4. Octbr. reiste sie über Weimar nach Erfurt, wo sie mit Gentz eine Unterredung hatte, bei der er zugleich die Tiefe ihres Gefühls und die Schärfe ihres Verstandes bewunderte; am 10. kehrte sie nach Weimar zurück, um es am 14., dem Tage der unglücklichen Schlacht von Jena und Auerstädt, wieder zu verlassen. Ueber Heiligenstadt, Braunschweig und Tangermünde eilte sie mit einem kleinen Gefolge nach Berlin; in Brandenburg, am 17., scheint sie die Nachricht von dem Verluste der Schlacht erhalten zu haben. Nach kurzem Aufenthalt in Berlin reiste sie über Stettin nach Küstrin, wo sie mit dem König wieder zusammentraf, und weiter nach Graudenz, Osterode, Ortelsburg, bis sie am 9. December, erschöpft und kränkelnd, in Königsberg anlangte. Das vernichtende Unglück, das mit so unerwartet raschen Schlägen über Preußen hereinbrach, hatte die Königin in ihrem tiefsten Innern getroffen, ohne doch ihre hochsinnige Standhaftigkeit brechen zu können. Die von allen Seiten eintreffenden Unglücksbotschaften stählten vielmehr ihren bisher so weichen Charakter; in der allgemeinen Verzagtheit bewies sie einen Heldenmuth und eine Seelengröße, die an die Haltung Maria Theresias in den ersten so unglücklichen Jahren ihrer Regierung erinnern. Aus dem reinen Born ihrer religiösen Ueberzeugungen, die ihr nicht gestatteten, an einen dauernden Sieg des Unrechtes zu glauben, schöpfte sie die Zuversicht und das Vertrauen, mit dem sie auch die zagenden Gemüther ihrer Umgebung zu beleben und aufrecht zu erhalten wußte. Ihre innerste Ueberzeugung war, daß der preußische Staat sich durch Standhaftigkeit und Beharrlichkeit über sein Unglück erheben und einer besseren Zukunft würdig zeigen müsse. Von Separat-Verhandlungen und Verträgen mit Frankreich, die nur Unehre über Preußen bringen würden, wollte sie nichts hören; nur in der treuen Verbindung mit Rußland und in der Fortsetzung des Kampfes gegen Napoleon sah sie für Preußen die Möglichkeit einer Rettung. Auch jene entsetzlichen Tage im Januar 1807, in denen sie im Sturm- und Schneegestöber über die Kurische Nehrung von Königsberg nach Memel flüchten mußte, vermochten den Heldensinn und die gottergebene Zuversicht der königlichen Frau nicht zu erschüttern. Bei den Verhandlungen, die nach der Schlacht von Eylau durch Napoleon angeknüpft wurden, wirkte sie für die Zurückweisung der französischen Anträge und ermuthigte den König zu standhaftem Ausharren. Mit besonderer Freude begrüßte sie es, daß jetzt Hardenberg, der ganz mit ihr einverstanden war, wieder zu den Geschäften herangezogen wurde. Einen Augenblick schien es in der That, als ob noch eine günstige Wendung in dem ungleichen Kampfe möglich wäre. Im Anfang April, kurz nach der Ankunft Kaiser Alexanders, konnte die Königin Memel wieder verlassen und nach Königsberg zurückkehren. Allein das siegreiche Andringen der französischen Truppen nöthigte sie schon im Anfang Juni von neuem zur Flucht nach Memel, und am 14. Juni zerstörte die Schlacht von Friedland alle die Hoffnungen, an denen sie mit [823] gläubigem Vertrauen noch immer festgehalten hatte. Aber auch nach diesem schweren Schlage, der durch den Abfall Rußlands zu Frankreich noch gesteigert wurde, und nach dem Aufgeben aller ihrer Hoffnungen bewahrte die Königin den inneren Frieden und jene heitere Ruhe ihres Gemüths, denen sie in den berühmten Briefen an ihren Vater einen so ergreifenden Ausdruck gegeben hat. Sie verstand sich selbst dazu, wie Kalckreuth empfohlen hatte, auf eine Zusammenkunft mit Napoleon einzugehen, so viel Ueberwindung ihr auch dies Opfer kostete. Von Hardenberg über die politische Lage unterrichtet und auf die Unterredung mit Napoleon vorbereitet, kam sie am 6. Juli nach Tilsit, wo sie bei Napoleon zu Abend speiste und aus der Unterredung mit ihm, die sie mit großem Geschick zu leiten wußte, frohe Hoffnungen für eine Milderung der harten Friedensbedingungen faßte. Die am nächsten Tage zwischen den preußischen und französischen Bevollmächtigten gepflogenen Unterhandlungen zeigten jedoch die Nichtigkeit ihrer Hoffnungen; sie empfand es tief und sprach es noch am Abend des 7. Juli beim Abschied gegen Napoleon selbst aus, daß er sie getäuscht habe. Auch durch den mit so schweren Opfern erkauften Frieden von Tilsit wurde das edle Gemüth der Königin der Sorgen um ihr Land und ihre Familie nicht enthoben. Die Franzosen hielten nach wie vor den größten Theil des Staates besetzt und erhoben finanzielle Anforderungen, deren Unerschwinglichkeit noch fernere Gebietsabtretungen wahrscheinlich machte. Es gab Augenblicke, in denen die Königin selbst den Verlust der Hauptstadt befürchtete. In der Verzweiflung ihres Herzens fand sie einen Trost in der Ankunft Stein’s, für dessen Ernennung sie mit Eifer thätig gewesen war; von seinem „großen Herzen und umfassenden Geiste“ versprach sie sich alles Gute für die Regeneration des preußischen Staates. Ueberhaupt aber gebührt der Königin ein hervorragender Platz in der Reihe derjenigen, welche in jenen Tagen für die Erhebung des so tief gesunkenen preußischen Staates arbeiteten. Wie sie einerseits in dem Kreise der königlichen Familie die Reformbestrebungen mit allem Feuer ihres Geistes vertheidigte, so wirkte sie auf der andern Seite mildernd und besänftigend auf das oft stürmische und rücksichtslose Vorgehen der reformirenden Minister. Namentlich zwischen dem König und Stein, deren Charaktere einander so sehr widersprachen, erscheint Königin L. als ausgleichender und versöhnender Genius. Neben dieser lebendigen Theilnahme an den großen Interessen des Landes, das seit dem Unglück von 1806 und 1807 ihr doppelt theuer geworden war, entfaltete sie eine segensreiche Wirksamkeit in dem häuslichen Kreise, der sie umgab und dessen Mittelpunkt sie bildete. Die Schläge des Schicksals, welche ihre zarte Gesundheit untergruben und den Glanz ihrer Augen trübten, hatten ihr Gemüth vertieft und den Adel ihres Geistes noch gehoben. Sie las jetzt viel, unter den Dichtern vorzugsweise Schiller, von wissenschaftlichen Büchern besonders historische Werke. Die Bestrebungen für sittliche und religiöse Erneuerung des deutschen Volkes, die Anstrengungen für die Erweckung und Belebung vaterländischen Geistes, fanden bei ihr eifrige Förderung und thatkräftige Unterstützung. Königin L. war der ideale Mittelpunkt der Wünsche und Bestrebungen aller Patrioten. Ihrem gebeugten Gatten stand sie tröstend und aufrichtend zur Seite, so viel sie auch selbst in der Stille weinen mochte; mit Sorgfalt überwachte sie die Erziehung ihrer Kinder, namentlich des Kronprinzen, auf den sie große Hoffnungen für die Zukunft setzte.

Bis in den Januar 1808 war der königliche Hof in Memel geblieben, dann siedelte man nach Königsberg über, wo auch der Sommer 1808 in der stillen Zurückgezogenheit des Hippel’schen Landgutes „auf den Hufen“ zugebracht wurde. Eine glanzvolle Unterbrechung dieses ruhigen Lebens bildete eine Reise nach Petersburg, die auf Einladung Kaiser Alexanders und zugleich zur [824] Aufrechthaltung der guten Beziehungen zu Rußland im December 1808 unternommen wurde. In rauschenden Festlichkeiten „mit Güte und Liebe förmlich überschüttet“ verlebte das königliche Paar hier einige schöne und heitere Wochen, die nur durch die wachsende Kränklichkeit der Königin getrübt wurden. Im Februar 1809 war man wieder in Königsberg und bezog im Sommer abermals das stille Landgut „auf den Hufen“. „Mit einem guten Gewissen, guten Büchern und einem guten Piano“, wie sie selbst einmal sagte, lebte die Königin hier ruhig inmitten der Stürme, welche von Frankreich aus die Welt bewegten und auch Preußen wieder zu ergreifen drohten. Während sich in Oesterreich eine nationale Erhebung vorbereitete, an der auch die patriotische Partei in Königsberg theilzunehmen dachte, hatte das Haupt derselben, der Freiherr vom Stein, auf Verlangen Napoleons den preußischen Hof verlassen müssen. Auch nach seiner Entfernung wurde zwar der Gedanke einer Erhebung gegen Napoleon festgehalten und die Unterhandlung mit Oesterreich im tiefsten Geheimniß fortgesetzt; aber gegenüber der Politik Kaiser Alexanders, welcher sich durch die zu Tilsit mit Napoleon geschlossene Allianz noch gebunden hielt, konnte bei allen guten Wünschen des Königs und der Königin Luise für das Gelingen der österreichischen Pläne doch an eine thätige Betheiligung an dem Kriege nicht gedacht werden. Das Unglück der österreichischen Waffen und das Scheitern der Unternehmungen in Norddeutschland erschütterten dann von neuem das durch alle Enttäuschungen der letzten Jahre schon so schwer heimgesuchte Gemüth der Königin; ihre Kränklichkeit nahm zu und der Gedanke des Todes trat vor ihre Seele. „Gott weiß, wo ich begraben werde“, hat sie damals geschrieben, „schwerlich auf preußischer Erde“. Noch war ihr die große Freude beschieden, in die Hauptstadt ihres Landes zurückzukehren, nach der sie sich längst gesehnt hatte. Am 11. Decbr. 1809 verließ sie Königsberg; am 23. December, in einem mit Lila-Sammt, ihrer Lieblingsfarbe ausgeschlagenen Wagen, den ihr die Stadt zum Geschenk dargebracht hatte, hielt sie mit König Friedrich Wilhelm III. ihren Einzug in Berlin, umdrängt von den jubelnden Volksmassen, deren begeisterte Verehrung sich niemals herzlicher und rührender bewiesen hatte. Nur wenige Wochen später sah man sich wieder in den schwersten Sorgen. Napoleon hatte während des österreichischen Krieges das Unterbleiben der preußischen Contributionszahlungen ruhig geschehen lassen; um so schärfer bestand er jetzt auf der Erfüllung der Verpflichtungen, die Preußen gegen ihn übernommen hatte. Es war vergebens, daß die Königin selbst in Unterredungen mit dem französischen Gesandten in Berlin und durch ein eigenhändiges Schreiben den französischen Kaiser zur Milde zu stimmen suchte; er verlangte die pünktliche Zahlung der fälligen Contributionen oder eine neue Abtretung preußischen Gebietes etwa in Schlesien. Unter dem Drucke dieser Forderungen, denen das fungirende Ministerium Dohna-Altenstein nachzugeben bereit war, wurde auf Anregung des Fürsten Wittgenstein und unter eifriger Mitwirkung der Königin Hardenberg herbeigerufen, um die Geschäfte wieder zu übernehmen und die Gefahr einer neuen Abtretung an Frankreich abzuwenden. In einem Schreiben vom 14. März 1810 hatte die Königin ihm zuerst diesen Wunsch ausgesprochen; in ihrer Gegenwart fand auch am 2. Mai auf der Pfaueninsel die Unterredung zwischen Hardenberg und dem König statt, welcher nach einigen Wochen die Ernennung Hardenberg’s zum Staatskanzler folgte. Ihre Freude darüber – so schrieb sie selbst – war „unaussprechlich“. Ihr selbst freilich war es nicht mehr vergönnt, die glücklichen Folgen zu erleben, die ihr letztes Eingreifen in die Staatsgeschäfte hervorgerufen hat. Am 25. Juni hatte Königin L. Charlottenburg verlassen, um ihren Vater, an dem sie mit rührender Liebe hing, in seiner Heimath zu besuchen. Auf der Reise, zu der sie sich schon lange gefreut hatte, zeigte sie sich heiter und fröhlich; nur [825] bei dem Ueberschreiten der Grenze bemerkten die sie begleitenden Hofdamen, wie ein seltsamer Zug von Ernst und Traurigkeit plötzlich ihr Aussehen verwandelte. Nach einem kurzen Aufenthalt in Strelitz, wo sich auch König Friedrich Wilhelm einfand, ging sie mit ihrem Gemahl und der herzoglichen Familie nach dem Lustschloß Hohenzieritz, dessen ländliche Stille besonders dem König gefiel. Schon krank hier angelangt, wurde die Königin bald von einer Lungenentzündung ergriffen, zu der sich Beklemmungen und Brustkrämpfe gesellten. Mit der ruhigen Ergebung, die sie in allen Leiden ihres stürmischen Lebens bewährt hatte, erduldete sie die Schmerzen dieser qualvollen Krankheit. Am 19. Juli 9 Uhr Abends sah man, wie sie noch einmal ihre großen Augen weit öffnete und fest gen Himmel blickte – dann, mit dem Ausruf „ich sterbe, o Jesu mach’ es leicht“ ist die Königin L. entschlafen. Ihre Leiche wurde wenige Tage später nach Berlin gebracht und in der Domkirche beigesetzt, bis sie am 23. December 1810 im Mausoleum zu Charlottenburg zur ewigen Ruhe bestattet wurde.

„Ihre Persönlichkeit und ihre Gedanken, ihre Leiden und ihre Erwartungen“, so urtheilt über Königin L. ein großer Historiker, „bilden einen Bestandtheil der preußischen Geschichte; ihr Name ist mit einem poetischen Anhauch umgeben und durch Pietät geheiligt.“

Die Grundlage aller Bearbeitungen des Lebens der Königin Luise ist das zuerst im J. 1814 erschienene Buch der Frau v. Berg, „Luise, Königin von Preußen“; die späteren erweiterten Auflagen sind von F. Adami. Den werthvollsten Bestandtheil bilden die Briefe der Königin an ihren Vater und die Frau v. Berg. Wichtige Quellen sind ferner: Gräfin Voß, Neunundsechzig Jahre am preußischen Hofe; Eylert, Charakterzüge aus dem Leben Friedrich Wilhelms III.; Pertz, Die Biographien Stein’s und Gneisenau’s; Ranke, Denkwürdigkeiten Hardenberg’s; Sophie Schwerin, ein Lebensbild u. A. Von Bearbeitungen sind zu nennen: E. Engel, Königin Luise (1876); A. Kluckhohn, Luise Königin von Preußen (1876). Vgl. auch: Königin Luise, zwei Festreden von Mommsen und Treitschke; und Blasendorff, Die Königin Luise in Pommern. Die neueste Veröffentlichung, „Das Buch von der Königin Luise“ von G. Horn, enthält auch bisher unbekannte Briefe der Königin (1883). Akten des Geh. Staatsarchivs zu Berlin.

[815] *) Zu S. 625.