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Artikel „Luise Henriette“ von Bernhard Erdmannsdörffer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 623–625, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Luise_Henriette&oldid=- (Version vom 7. Dezember 2024, 05:30 Uhr UTC)
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Luise Henriette, Kurfürstin von Brandenburg, erste Gemahlin des großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, geb. am 27. Nov. 1627, † am 18. Juni 1667, war die älteste Tochter des Prinzen Friedrich Heinrich von Oranien, des niederländischen Statthalters und seiner staatskundigen energischen Gemahlin, der Prinzessin Amalie, einer geborenen Gräfin von Solms. Der eine Zeit lang gehegte Plan, die Verbindung der Häuser Stuart und Oranien, die bereits durch die Ehe des [624] Prinzen Wilhelm mit einer Tochter Karls I. von England hergestellt war, durch die Vermählung des Prinzens Karl von Wales mit der Prinzessin L. H. zu einer noch engeren zu machen, scheiterte an den Siegen der Revolution in England, wodurch der Erbe der englischen Krone bald zum landflüchtigen Prätendenten wurde. Um so bereitwilligere Aufnahme fand bei den Eltern die um dieselbe Zeit an sie herantretende Bewerbung des jungen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, dessen politische Lage ihn eine möglichst enge Annäherung an die Niederlande und das oranische Haus wünschen ließ, sowie die Verbindung mit ihm auch dem oranischen Familieninteresse vortheilhaft erschien. Im December 1646 fand im Haag die Vermählung statt. Nicht gern, wie es scheint, folgte die junge Fürstin, die durch eine andere Neigung gebunden war, dem von der ehrgeizigen Mutter ihr aufgedrungenen Gatten zum Altare; aber die wesentlich politische Heirath ist dann doch der Anfang einer 20jährigen höchst glücklichen Ehe geworden. Die Kurfürstin L. H., die Mutter der preußischen Könige, hat in diesen zwanzig Jahren an der Seite ihres großen Gatten niemals eine nach außen sehr hervortretende, niemals eine eigentlich politische Rolle gespielt. Doch hat sie sich, soweit es in ihrer Natur lag, politischen Antheil zu nehmen, mit Interesse und Verständniß in die Angelegenheiten des Landes und des Hauses, dem sie nun angehörte, einzuleben und, wenigstens in manchen Fragen, auch einen gewissen Einfluß zu üben gewußt; niemals, betheuerte später nach ihrem Tode der Kurfürst, sei ihm etwas mißlungen, wenn er ihrem Rathe gefolgt. Vornehmlich aber liegen ihre Sorgen in der Sphäre der Gattin und Mutter. Zahlreiche Briefe von ihrer Hand, die uns erhalten sind, bezeugen die ernste und gewissenhafte Sorgfalt, womit sie die Erziehung ihrer Söhne überwachte; oft freilich aus der Ferne; denn sie pflegte den Kurfürsten auf seinen vielfältigen Reisen und selbst in Kriegszeiten als treue Gefährtin zu begleiten. Daneben nimmt sie besonders regen Antheil an den Landesculturbestrebungen ihres Gemahls. Als Tochter ihrer holländischen Heimath hat sie Verständniß für Ackerbau, Gartencultur, Viehzucht; sie befördert die Einwanderung holländischer Colonisten in die verödeten Strecken der Mark und die Begründung holländischer Mustermeiereien (der sog. Holländereien); in ihrem Garten soll sie die ersten Kartoffeln gezogen haben, die in der Mark gewachsen sind. Eine milde, sympathische, tief religiöse Natur; ihrem reformirten Glauben war sie aufs innigste zugethan und bethätigte denselben gern durch Werke hilfreicher Mildthätigkeit, wie in dem von ihr 1665 gegründeten Waisenhaus in dem Ort Bötzow an der Havel, welchem ihr zu Ehren der Name Oranienburg beigelegt wurde, den die Stadt seitdem trägt. Man hat lange an der Tradition festgehalten, daß die Kurfürstin L. H. die Verfasserin mehrerer geistlicher Lieder sei, die zuerst in dem Runge’schen Gesangbuch von 1653 erschienen, namentlich des bekannten Liedes: „Jesus meine Zuversicht“; nach den kritischen Untersuchungen von Preuß, Medem u. a. muß diese Ansicht, trotz manchen Rettungsversuchen, als beseitigt betrachtet werden. Von den sechs Kindern, welche L. H. geboren, überlebten sie drei Söhne: der Kurprinz Karl Emil, der nachmals während des elsässischen Feldzugs im Jahre 1674 in Straßburg starb, der Prinz Friedrich, der nachmalige erste preußische König, und der Prinz Ludwig († 1687). Das Testament ihres Vaters, des Prinzen Friedrich Heinrich von Oranien, welches für den Fall des unbeerbten Todes seines Sohnes Wilhelm II. der ältesten Tochter H. und ihrer Descendenz das oranische Hausvermögen zusprach, wurde für das preußische Königshaus weiterhin die Veranlassung zu vielfältigen diplomatischen Verwickelungen und zu mehreren wichtigen Erwerbungen.

Briefe u. a. Actenstücke von L. H. finden sich bei v. Orlich, Friedrich Wilhelm der Große Kurfürst (Berlin 1836) und in desselben Geschichte d. preuß. Staates [625] im 17. Jahrh. (Berlin 1838 f.). – Biographie von Schoock (1667), Wegführer (1838), Knauth (1867). – Erdmannsdörffer, Louise Henriette von Oranien und der Prinz von Tarent (Zeitschr. f. preuß. Gesch. Bd. XV). v. Medem, Louise Henriette Kurfürstin zu Brandenburg. Ihr Antheil an dem geistlichen Liede der evangelischen Gemeinde (Homburg 1874) und zwei andere Schriften dess. Verf. aus d. J. 1878 u. 1880.