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Artikel „Schiller, Friedrich“ von Hermann Fischer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 215–245, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schiller,_Friedrich_von&oldid=- (Version vom 4. Oktober 2024, 21:16 Uhr UTC)
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Schiller: Johann Christoph Friedrich S., 1759–1805.

Die Familie Schiller’s stammte väterlicherseits von Bittenfeld im württemb. Oberamt Waiblingen, wo der Großvater Johannes S. (1682–1733) Schultheiß war. Dessen Sohn Johann Kaspar S. war am 27. October 1723 zu Bittenfeld geboren. An der in Aussicht genommenen Studienlaufbahn verhindert, erlernte S. die Chirurgie, prakticirte in untergeordneten Stellungen in Denkendorf, Lindau, Nördlingen und schloß sich 1745 einem bairischen, in holländische Dienste abgetretenen Husarenregiment an; gefangen genommen, trat er in französische Dienste, wurde wieder von der kaiserlichen Armee gefangen und gelangte zu seinem alten Regimente zurück, wo er als Feldscher angestellt wurde und an den Wechselfällen des niederländischen Feldzugs wacker Antheil nahm. Nach dem Frieden von Aachen 1748 begleitete S. seinen Rittmeister nach dem Haag und London, nahm nach seiner Rückkehr den Abschied und kehrte März 1749 nach Württemberg zurück. Er verheirathete sich am 22. Juli 1749 mit Elisabeth Dorothea Kodweis, Tochter des Bäckers und Wirths in Marbach am Neckar, wo er seine Chirurgie weiter ausübte. 1753 nahm er württemb. Kriegsdienste als Fourier und wurde 1757 Fähnrich und Adjutant bei dem von Herzog Karl Eugen gegen Friedrich d. Gr. in’s Feld gestellten Corps; wegen guter Dienste in dem ruhmlosen Feldzug wurde er 1758 Lieutenant, kehrte als solcher in die Heimath zurück, mußte aber noch in demselben und den folgenden Jahren die meiste Zeit von der Familie entfernt sein; im J. 1761 wurde er Hauptmann und Ende 1763 als Werbofficier nach Gmünd versetzt. Von da an wieder auf die Dauer mit seiner Familie vereinigt, siedelte er noch im nämlichen Winter nach Lorch über und wohnte dort bis 1766.

In die Zeit von Lorch reichten die ältesten Erinnerungen seines einzigen Sohnes zurück, der als zweites Kind der Eltern am 10. November (nach minder wahrscheinlicher Angabe am 11.) 1759 in Marbach geboren worden war. Eine Schwester, Christophine, war ihm 1757 vorausgegangen; es folgten 1766 Luise, 1768 Marie Charlotte († 1774), 1773 Beate Friderike († noch 1773), 1777 Nanette. Von Lorch, dessen damaliger Pfarrer Moser von S. in den Räubern verewigt worden ist. zog die Familie nach Ludwigsburg. Dort widmete sich der Vater, der von seinem nie ermüdenden Thateneifer viel auf den Sohn vererbt hat, der Baumzucht und veröffentlichte 1767/68 seine „Betrachtungen über landwirthschaftliche Dinge in dem Herzogthum Württemberg“, welche zuerst [216] seinen Namen vortheilhaft bekannt gemacht haben. Der Sohn besuchte die Ludwigsburger Lateinschule und schloß mit Friedrich Wilhelm v. Hoven eine Freundschaft für die Dauer. Er war für die theologische Laufbahn bestimmt und hat das „Landexamen“ 1769–1772 viermal bestanden. Aber der Herzog, der gute Schüler für seine eben in bedeutsamen Programmerweiterungen begriffene Militärakademie suchte, verfiel auch auf ihn, und da der Vater dem zweimaligen Andringen des Landesherrn nicht widerstehen konnte, wurde Friedrich am 17. Januar 1773 in diese damals noch auf dem Lustschloß Solitüde befindliche Anstalt zum Studium der Rechte aufgenommen.

Schiller’s Vater wurde am 5. December 1775, unter Entlassung aus dem Militärverband, zum Vorstand der Hofgärtnerei auf der Solitüde ernannt. Er hat dort eine ökonomische Thätigkeit im größten Maßstab entfaltet und war neben seinem Zeitgenossen Prälat Sprenger in Adelberg der Hauptförderer des württembergischen Obstbaus. Von dem Nachfolger Karl Eugen’s, dem Herzog Ludwig Eugen, erhielt er am 26. März 1794 Titel und Rang eines Obristwachtmeisters (Majors). Nachdem er schon 1793 mit seinen „Gedanken über die Baumzucht im Großen“ wieder zur Schriftstellerei zurückgekehrt war, hat er die Summe seiner Thätigkeit gezogen in dem 1795 erschienenen Buche: „Die Baumzucht im Großen aus zwanzigjährigen Erfahrungen im Kleinen … beurtheilt.“

Als die Familie auf die Solitüde versetzt wurde, war Friedrich nicht mehr dort. Am 18. November 1775 war die Akademie nach Stuttgart verlegt worden. Als im J. 1776 auch medicinische Curse an derselben eingerichtet wurden, trat S. mit andern zur Medicin über. Der Unterricht in der sonst streng militärisch eingerichteten und eingeengten Anstalt war sehr mannigfaltig, mit Kühnheit und Freiheit angelegt, aber zufolge der raschen Entwicklung von einer Elementarschule bis zur Universität (1770–1782!) nicht immer planvoll und vorsichtig geordnet; er umfaßte die verschiedenen Fächer rasch hinter, zum Theil neben einander. Hervorragende Köpfe haben sich, besonders in den späteren Zeiten der Anstalt, eine bedeutende Bildung daselbst angeeignet; aber die Betonung des Stofflichen und verhältnißmäßige Hintansetzung des Formellen in der Bildung mußte fast nothwendig eine nur für Schüler von großer Begabung verdauliche Menge von Stoff anhäufen, welche auch für solche gefährlich werden konnte und den Trieb vorschneller Production auch in S. geweckt haben mag. Für ihn kam neben der Medicin vor allem die Philosophie in Betracht, für welche besonders Jak. Friedr. Abel als Lehrer wirkte und in der auch der Herzog dilettirte. Maßgebend war neben der Leibniz-Wolffischen Monadologie und Kosmologie der schottische Eudämonismus, vermittelt besonders durch Garve’s Uebersetzung von Ferguson’s Moralphilosophie; bei Schiller kommen wesentliche Elemente seiner medicinischen Studien hinzu. In diese Zeit reicht seine „Theosophie des Julius“ (in den „philosophischen Briefen“ später veröffentlicht) zurück. S., der allmählich zu den bevorzugteren Schülern zählte, war auch einigemale für die Jahresfeste der Akademie thätig: Gedichte und Devisen zum Geburtstag der Gräfin von Hohenheim 1777/78?, Singspiel „Der Jahrmarkt“ 1777?, verunglückte Darstellung des Goethischen Clavigo 1780, Reden: „Gehört allzuviel Güte, Leutseligkeit und große Freigebigkeit im engsten Verstande zur Tugend“ am 10. Januar 1779, „Die Tugend in ihren Folgen betrachtet“, eod. 1780. In der Medicin hatte er tüchtige Lehrer: Christian Gottlieb Reuß, Christian Klein, besonders aber Joh. Friedr. Consbruch; von der herrschenden Lehre der Humoralpathologie (Boerhaave) wandte sich S. der Nervenlehre Stahl’s zu. Von seinen medicinischen Studien sind uns bekannt geworden: die „Beobachtungen bei der Leichenöffnung des Eleven Hiller“ 10. October 1778, die psychologisch [217] sehr interessanten Berichte über den Gemüthszustand des Mitschülers Grammont 26. Juni–30. Juli 1780, sowie seine Dissertationen. S. wollte die Akademie Ende 1779 verlassen und legte die Dissertation „Philosophie der Physiologie“ vor, welche nur fragmentarisch erhalten ist; sie fand ihrer Kühnheit wegen den Beifall der Lehrer nicht, und auf ihren Bericht entschied der Herzog, daß S. noch ein Jahr in der Akademie bleiben sollte. Im Jahr 1780 legte S. zwei Dissertationen vor: De discrimine febrium inflammatoriarum et putridarum und „Versuch über den Zusammenhang der thierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen“; die letztere wurde gedruckt. Es ist eine modificirte und bedeutend reifere Ausführung ähnlicher Ideen, wie er sie ein Jahr früher ausführen wollte, eine zwar auf der Zeitphilosophie ruhende, aber nicht unselbständig ausgeführte Synthese philosophischer und naturwissenschaftlicher Anschauungen.

S. wurde auf Grund der Arbeit am 14. December 1780 aus der Akademie entlassen und statt einer erhofften bessern Stellung als Regimentsmedicus beim Grenadierregiment des Generals Augé in Stuttgart angestellt; mit der neuen Freiheit war eine gering besoldete und wenig bedeutende Stellung verknüpft, Privatpraxis wurde ausgeschlossen. Der Genuß der zwölf Jahre entbehrten wenigstens relativen Freiheit der Bewegung bildete im Verein mit der Armuth und der landesüblichen Weltscheu, sowie der von der Akademie her gepflegten Kameradschaft einen gewissen Cynismus der Lebensäußerung aus, wie er sich unter gleichen Umständen immer wieder ausbildet und damals durch den Ton der Originalgenies auch in der litterarischen Production begünstigt wurde; bei Schiller kam das medicinische Gewerbe dazu. Von der Akademie her war Schiller befreundet mit dem damaligen Lieutenant Scharffenstein († als Gouverneur von Ulm), mit den Bibliothekaren J. W. Petersen und Karl Ludw. Reichenbach, dem Bruder der Malerin, später verehelichten Simanowitz, welche sich durch die Porträtirung der Familie Schiller 20 Jahre nachher verdient gemacht hat; F. W. v. Hoven, Arzt in Ludwigsburg, fand sich zuweilen ein, dagegen ist der in der Akademie mit S. bekannte Friedr. Haug (der Epigrammatiker) erst 1783 aus derselben entlassen worden. Eine neue Bekanntschaft war der junge Musiker Andreas Streicher. An weiblichen Bekanntschaften (außerhalb der eigenen Familie auf der 1½ Stunden entfernten Solitüde) ist zu nennen die spätere Beschützerin Schiller’s, Henriette v. Wolzogen, Wittwe eines fränkischen Edelmanns, und die Hauptmannswittwe Luise Vischer, bei der S. in der Aftermiethe wohnte; die letztere soll der Gegenstand seiner Gedichte an Laura gewesen sein – jedenfalls ist ein anderer Gegenstand derselben nicht nachweisbar. In Stuttgart sind die „Räuber“, die „Anthologie“ nebst andern einzelnen lyrischen Gedichten und 2 Journale von S. erschienen. Jene Dichtungen reichen aber zum Theil tief in die akademischen Jahre Schiller’s zurück.

Mit dramatischen Plänen trug S. sich schon in den ersten akademischen Jahren. Aus der Zeit auf der Solitüde werden genannt „Die Christen“ und „Absalon“, später „Der Student von Nassau“ und „Cosmus von Medici“; genaueres über diese tragischen Pläne ist nicht bekannt, der letzte ist jedenfalls durch Leisewitz’ Julius von Tarent beeinflußt. Ausgeführt wurden nur die Räuber. Der erste Kern ist wahrscheinlich historisch, aber noch nicht nachgewiesen; Schiller’s Quelle war eine Erzählung Schubart’s, welche von diesem öfters mitgetheilt wurde, insbesondere 1775 in Balthasar Haug’s Schwäbischem Magazin; das Motiv der feindlichen Brüder war damals beliebt (Julius v. Tarent, Klinger’s Zwillinge), die Bevorzugung des von der Welt verworfenen liederlichen, aber edlen Sohnes gegenüber dem heuchlerischen Bruder ganz im Sinne der Originalgenies gedacht und durch Fielding’s Tom Jones unterstützt; die Räuberromantik braucht nicht allein aus dem Roque im Don Quixote erklärt [218] zu werden, sie ist schon alt, bei verschiedenen Völkern cultivirt und sagte dem wilden Freiheitsdrang der Zeitlitteratur zu; historische Gestalten oberdeutscher Räuber in Schiller’s Jugendzeit, wie der bairische Hiesel oder der schwäbische „Sonnenwirthle“ (s. u.) konnten eben für diese romantische Auffassung Züge und Vorbilder abgeben. Schiller’s Beschäftigung mit den „Räubern“ ist seit 1777 nachweislich und füllt mit Pausen, welche durch das medicinische Studium bedingt sind, seine letzten akademischen Jahre aus. Nach dem Austritt aus der Akademie faßte er die Veröffentlichung in’s Auge; der Selbstverlag wurde gewählt, weil kein Verleger zu finden war. Während des Druckes fanden, zum Theil aus eigenem Antrieb, zum Theil auf befreundeten Rath (u. A. des Mannheimer Buchhändlers Ch. F. Schwan, an den S. die Druckbogen sandte) mancherlei Aenderungen statt; zufällig haben sich einige Reste der älteren Form erhalten, insbesondere eine Vorrede, die lebhaft gegen die Bestimmung des Dramas für die Bühne eifert – eine von S. alsbald wieder aufgegebene Verirrung. Das Werk erschien Mai 1781 anonym: „Die Räuber. Ein Schauspiel“; 1782 erschien bei Tob. Löffler in Mannheim mit Schiller’s Namen eine zweite, wenig veränderte Auflage, bis zu Schiller’s Tod noch einige weitere, deren Abweichungen gleichfalls nur unwesentlich sind. Die Aufnahme des Werkes war im ganzen sehr günstig. – Man wird nicht anstehen dürfen, diesen Erstling Schiller’s der zugleich der Spätling der Sturm- und Drangperiode ist, als die großartigste theatralische Erscheinung derselben zu bezeichnen. Unreifes Pathos, Mischung von Schwulst und Cynismus, Schwächlichkeit der Zeichnung des einzigen weiblichen Charakters ist leicht darin zu bemerken; aber in Beziehung auf solche oder andere etwaige Mängel muß man das Stück mit andern Leistungen der Originalgenies vergleichen, um seine unendliche Ueberlegenheit zu erkennen. Neben den rein poetischen Vorzügen einer feurigen Phantasie und einer nie versiegenden Empfindungsfülle, welche auf der Hand liegen, tritt schon bei diesem ersten dramatischen Versuch auch die specifisch dramatische Begabung in ganz staunenswerther Weise hervor: nicht bloß die Wirksamkeit in scenischer Beziehung ist ganz gewaltig und wird durch jede gute Darstellung auf’s neue erprobt, sondern auch der dramatische Nexus ist, wenn nicht in allen Einzelheiten tadellos, im Ganzen vortrefflich, das Verhältniß von Schuld und Sühne, ohne äußerlich-pharisäische Moral, so scharf getroffen und so tief ethisch gefaßt, wie bei S. selbst in keinem seiner späteren Werke. – S. kam durch die Räuber in Verbindung mit dem Mannheimer Intendanten W. H. v. Dalberg, der sie durch Schwan kennen gelernt hatte und mit S. wegen einer Bearbeitung für die Bühne anknüpfte. S. schickte eine solche am 6. October 1781 an Dalberg ab. Abgesehen von einzelnen Aenderungen Dalberg’s wurde diese der Bühnendarstellung zu Grunde gelegt; in Anwesenheit Schiller’s, der sich heimlich aus Stuttgart entfernt hatte, wurden die Räuber am 13. Januar 1782 in Mannheim unter großem Beifall zum erstenmale gegeben. Fast durchweg ist bis jetzt diese Bearbeitung den Aufführungen zu Grund gelegt worden; sie erschien 1782 im Druck: „Die Räuber, ein Trauerspiel etc.“; für die Litteratur wollte S. bloß die alte Fassung gelten lassen, welche allein in seine Werke ausgenommen wurde. In der That weist die Bühnenbearbeitung, neben glücklichen Einzelheiten, eine bedauerliche, aber durch die Rücksicht auf das größere Publicum erklärliche Vergröberung der tragischen Lösung auf: Franz erdrosselt sich nicht, sondern wird zur buchstäblichen Erfüllung des jus talionis in den Hungerthurm geworfen, Karl als Erbe vertheilt seine Güter an die besten seines Gefolges, mit Ermahnung zu gutem Lebenswandel. – Von andern Dramen ist Fiesko in Stuttgart in einer ersten, uns nicht sicher bekannten Gestalt entworfen, aber nicht veröffentlicht worden; daß auch Kabale und Liebe aus jener Zeit stamme, ist [219] in Bezug auf moralische und sociale Motive richtig, nicht in Bezug auf Ausführung.

Sehr mannigfaltig, aber weit weniger allgemein befriedigend ist Schiller’s erste Lyrik. S. hat sich schon sehr früh lyrisch versucht; man kann, abgesehen von ein paar unbedeutenden Gelegenheitsgedichten, nennen: „An die Sonne“, im 14. Jahr; „Der Abend“ Schwäb. Mag. 1776; „Der Eroberer“, ib. 1777; „Der Sturm auf dem Tyrrhener Meer“ (hexametr. Uebers. von Aen. I 38–160) ib. 1780; „Leichenfantasie“ (auf Hoven jun., † 13. Juni 1780). Nach der Entlassung aus der Akademie erschienen in Einzeldrucken: „Elegie auf den frühzeitigen Tod J. Ch. Weckerlin’s“ (Januar 1781), „Todenfeyer am Grabe Herrn Phil. Friedr. v. Rieger“ († 15. Mai 1782; im Auftrag „sämmtlicher Herz. Wirtemb. Generalität“ gedruckt); „Der Venuswagen“ (1782); für uns verloren sind „Gruft der Könige“, „Triumphgesang der Hölle“, „Teufel Amor“ und ein Gedicht auf den Hauptmann Wiltmeister. Die Schaarung der schwäbischen Dichter um einen Mittelpunkt versuchte Fr. Gotthold Stäudlin in seinem „Schwäbischen Musenalmanach“ für 1782; derselbe enthielt von S. die „Entzückung, an Laura“. Vielleicht zufolge verkürzter Aufnahme dieses Gedichts, jedenfalls noch durch andere Umstände, erwachte Feindschaft zwischen St. und S. Letzterer stellte dem Musenalmanach mit ausgesprochen polemischer Absicht die „Anthologie auf das Jahr 1782“ entgegen, die zum Theil von seinen Freunden, zum weitaus größten von ihm selbst herrührt; außer lyrischen Gedichten enthielt sie das Singspiel „Semele“; S. selbst verbarg seine Autorschaft unter mancherlei Chiffern, und dieselbe ist nicht immer sicher. Charakter und Werth der sicher ihm zugehörigen Stücke ist sehr verschieden; fast alle Ton- und Stilarten der Lyrik, incl. der Ballade, sind vertreten: Ode, musikalisches Lied, Volkston, Epigramm; sehr innige Stücke stehen neben cynischen, populäre Kraft neben verstiegenem Pathos, platonische Uebersinnlichkeit neben sinnlicher Gluth; harmonisch ist der Eindruck selten. Wir könnten ein genaueres historisches Urtheil fällen, wenn wir die Entstehungszeit des Einzelnen wüßten; denn obwohl ein Nebeneinander mehrerer Stilgattungen und Geschmacksrichtungen sicher anzunehmen ist, wird die Verschiedenheit oft auch aus einem Nacheinander zu erklären sein. S. hat später in seiner Gedichtsammlung das Allermeiste weggelassen, das Aufgenommene gekürzt und gemildert; Körner hat in der Sammlung der Werke weiteres hinzugethan. Die Ingredienzien der Jugendpoesie Schiller’s lernt man nirgends genauer kennen als in diesen Gedichten, weil die geringere lyrische Begabung Schiller’s das Disparate nicht so zur Gesammtwirkung zu verbinden vermochte wie in den Räubern. Der Erfolg war ganz unbedeutend; 1798 veranstaltete der Stuttgarter Verleger einen neuen Abdruck.

Schiller’s ökonomische Umstände wurden durch die ganz geringe Dotation seiner Stelle und durch die Kosten der Räuber recht schlecht; die in Stuttgart contrahirten Schulden drückten noch lange. Er suchte schon in St. durch journalistische Unternehmungen abzuhelfen. Ein unbedeutendes Localblatt, das kaum Gelegenheit zu individueller Geistesäußerung gab, waren die „Nachrichten zum Nutzen und Vergnügen“, welche S. 1781 redigirte. Viel bedeutender war das „Wirtembergische Repertorium der Literatur“, welches im Sommer 1782 begann; es erschienen aber nur 3 Stücke 1782 und 1783, das letzte ohne Schiller’s Antheil. Der ursprüngliche Unternehmer war aber S. Zu dem bunten Inhalt der Zeitschrift hat S. beigesteuert (außer dem „Vorbericht“ des Ganzen und unwesentlichen Kleinigkeiten): „Ueber das gegenwärtige teutsche Theater“, „Der Spaziergang unter den Linden“, „Eine großmüthige Handlung, aus der neusten Geschichte“, „Der Jüngling und der Greis“ (von Scharffenstein, aber von S. wohl durchgesehen) und einige Recensionen, unter denen die Selbstrecensionen der [220] Räuber (nebst Kritik ihrer ersten Aufführung in Mannheim) und der Anthologie am werthvollsten sind; zumal die erste zeigt ebenso viel Selbsterkenntniß wie Sinn für das Wesentliche im Drama.

Die litterarische Thätigkeit brachte S. in Conflicte mit seinem obersten Vorgesetzten. Herzog Karl, der schon früh seine Begabung erkannt hatte, war gegen die Räuber nicht eingeschritten. Manche Kleinigkeiten reizten ihn vielleicht, besonders freimüthige Aeußerungen in Gedichten. Die Katastrophe wurde durch zwei Umstände herbeigeführt. S. machte heimlich eine zweite Reise nach Mannheim gegen Ende Mai 1782; diese wurde entdeckt, S. vom Herzog zu 14tägigem Arrest (Juni? Juli?) verurtheilt und ihm der Verkehr mit dem Ausland verboten. Briefliche Versuche, durch Dalberg in Mannheim festeren Fuß zu fassen, schlugen fehl. Ein Ausfall in den Räubern (II 3) auf das Land Graubünden hatte Gegenartikel in bündnerischen Blättern und das Verlangen einer Revocation zur Folge; durch den Ludwigsburger Garteninspector Walter erfuhr der Herzog davon und verbot S. bei Strafe der Cassation, „Komödien“ zu schreiben, sowie überhaupt andere als medicinische Schriften zu veröffentlichen (etwa August 1782); ein Versuch, die Zurücknahme dieses Verbotes zu erlangen, war vergeblich. S. plante nun Entweichung aus Württemberg und den Versuch, in Mannheim anzukommen; der Fiesko wurde zuvor noch fertig geschrieben. Da der seit einem Jahr mit ihm befreundete Streicher als Schüler zu Ph. E. Bach nach Hamburg gehen wollte, verabredeten beide gemeinsame Reise. Während eines großen Festes zu Ehren der Nichte des Herzogs, der Gemahlin des spätern Kaisers Paul I., wo wenig Beaufsichtigung zu erwarten war, entwichen S. und St. in der Nacht vom 22./23. September (nicht wie Streicher angibt, den 18.) aus Stuttgart und kamen glücklich nach Mannheim. Von dort machte S. Versuche, den Herzog umzustimmen, welche zu nichts führten und vielleicht überhaupt nur pro forma gemacht wurden.

In Mannheim theilte S. das Manuscript des Fiesko den Schauspielern mit; da aber Dalberg sich bei den Festlichkeiten in Stuttgart befand, reiste S. (Pseud. „Dr. Ritter“) mit Streicher Ende September oder Anfang October nach Frankfurt a. M., um noch sicherer vor Nachstellung zu sein. Eine von Fr. aus an Dalberg gerichtete Bitte um Geldvorschuß wurde abgeschlagen; Fiesko sollte erst umgearbeitet werden. Nach mehrtägigem Aufenthalt in Frankfurt kehrten S. und Streicher um und wohnten bis Anfang December in Oggersheim, Schiller unter dem Namen Dr. Schmidt. Dort wurde Fiesko umgearbeitet; die Umarbeitung war Anfang November fertig, wurde aber von Dalberg (gegen das Gutachten Iffland’s) für noch nicht bühnenfähig erkannt. S. gab das Werk in Schwan’s Verlag und es erschien Anfang 1783: „Die Verschwörung des Fiesko zu Genua, ein republikanisches Trauerspiel“. An späteren Auflagen hat S. keinen Antheil mehr gehabt, und ihre Abweichungen sind ganz unbedeutend und äußerlich. – Den ersten Anstoß zum F. erhielt S. aus Rousseau’s Denkwürdigkeiten; schon in der Dissertation von 1780 spielt er auf die Geschichte des F. an. Als Quellen benutzte S. die Geschichte Karl’s V. von Robertson, die Geschichte Fiesko’s vom Cardinal Retz und die Histoire générale des conjurations etc. von Duport Dutertre, sowie namentlich Mailly, Histoire de la république de Gènes. Die historischen Vorgänge wurden so zurecht geschnitten, daß individuelle, psychologische Entwicklung und Conflicte in den Mittelpunkt traten; immer aber blieb noch so viel historisch-politische Grundlage, daß ein buntes Bild großer Massenvorgänge gegeben werden konnte, wie ein solches von S. erst wieder im Wallenstein und nachher mehrmals aufgestellt worden ist. Mehr romantisch-novellistischer Art und für das Ganze kaum förderlich war die Hereinziehung des Motivs der Emilia Galotti in der Figur der [221] Bertha. Die Schwäche des Ganzen liegt darin, daß zwei Motive des Untergangs Fiesko’s vorhanden sind: Leonore’s Tod und Verrina’s Republikanismus; S. schwankte zwischen beiden und behielt zum Schaden des Organismus beide bei. Die tiefere Erfassung des Charakters Fiesko’s leidet überhaupt an Unsicherheit, und die Schwäche in der Zeichnung weiblicher Charaktere macht sich schlimmer geltend als bei Amalia in den Räubern, weil der Gegensatz zwischen Leonore und Julia für die Handlung viel wichtiger ist. Zu den Schwächen des Stücks kann man auch manche Eigenheiten der stilistischen Darstellung rechnen, welche theilweise noch an der Ueberschwänglichkeit der Räuber krankt und an andern Stellen etwas in blasirten Weltmannston geräth. Bewunderungswürdig ist aber – neben bedeutenden Einzelheiten – die Virtuosität, mit der hier ein ganz anderes Thema als in den Räubern behandelt und durchgeführt ist; gegenüber den auf zwei Hauptcharaktere sich concentrirenden Räubern ist die individuelle Charakterzeichnung des F. viel schwächer, aber um so bedeutender die an Shakespeare gemahnende Keckheit und Sicherheit im Commandiren der dramatischen Massenwirkungen. An den Shakespearischen Charakter des Mohren als Glanzpartie der einzelnen Scenen sei nur nebenbei erinnert. – Die Achillesferse des F. war leicht zu erkennen, und als Dalberg (s. u.) wegen scenischer Bearbeitung desselben im Sommer 1783 wieder mit S. angeknüpft hatte, wurde namentlich die Katastrophe geändert: Fiesko entsagt der Krone und bleibt am Leben. ebenso fiel die Tötung Leonore’s weg; der Nerv des Stücks war damit durchgeschnitten. Der Erfolg der ersten Mannheimer Aufführung am 11. Januar 1784 war mittelmäßig, man hat später für die Darstellung auf die erste Form zurückgegriffen, auch ist die Bühnenbearbeitung nicht in den Druck gegeben worden.

Durch die Abweisung des Fiesko im November 1782 war Schiller’s Aufenthalt bei Mannheim unnöthig geworden, welcher ihm im übrigen durch das Entgegenkommen der Schauspieler, besonders des Regisseurs Meyer, angenehm gemacht wurde. S. machte Gebrauch von dem Anerbieten der Frau v. Wolzogen, ihm auf ihrem Gut Bauerbach bei Meiningen Zuflucht zu bieten, und reiste Anfang December von Oggersheim nach B. ab; in Meiningen machte er die Bekanntschaft des kenntnißreichen und gefälligen Bibliothekars Wilh. Friedr. Herm. Reinwald, der seine litterarischen Wünsche befriedigte und 1786 Schiller’s Schwester Christophine heirathete. – S. lebte in Bauerbach, wieder als „Dr. Ritter“, bis zum Juli 1783, eine Zeit der Empfindsamkeit und leidenschaftlichen Träumerei, zumal durch die aussichtslose Neigung zu der jungen Charlotte v. Wolzogen, welche im Frühjahr 1783 mit ihrer Mutter nach B. kam; sonst pflog er Verkehr mit Geistlichen und Adlichen der Umgegend, besonders aber mit Reinwald. Von dem Vorsatz sehr fleißiger Arbeit wurde nicht viel ausgeführt. Neben ästhetischen Studien, die man etwa in dem Brief an Reinwald vom 14. April 1783 wiederfinden mag, gingen geschichtliche her für Don Carlos und Maria Stuart. Diese beiden Dramen werden als Pläne im Frühjahr 1783 erwähnt, zum Don Carlos haben wir einen kurzen Entwurf aus jener Zeit. Gelegentlich wird auch der alte Plan eines Conradin erwähnt. Ein „Friedrich Imhof“, der als Trauerspiel genannt wird, könnte auf Stuttgarter Erinnerungen beruhen und sollte wohl Motive des „Geistersehers“ enthalten. Neben diesen mehr vorübergehend auftauchenden Plänen läuft das öfters unterbrochene Studium zur „Luise Millerin“ her. Ausgeführt wurde aber in dem starken halben Jahr nichts als drei Gelegenheitsgedichte von zweifelhaftem Werth. Im Frühjahr 1783 nahm Dalberg die Correspondenz wieder auf; S. knüpfte auch von sich aus wieder an und beschloß im Juli, statt, wie zuvor geplant, nach Weimar, wieder nach Mannheim zu gehen. Am 24. Juli von Bauerbach abgereist, kam er am [222] 27. dort an; der als vorübergehend geplante Besuch wurde zur Fixirung für beinahe 2 Jahre.

Bei Schiller’s Ankunft war Dalberg verreist; um den 10. August zurückgekehrt, knüpfte er alsbald feste Beziehungen zu S. an, und dieser erhielt vom 1. September an die Stelle eines Theaterdichters. Sein Verhältniß zum Mannheimer Theater war längere Zeit ganz günstig. Zwar starb sein Freund Meyer am 2. September an einer Epidemie, aber von den Andern stand besonders Beck sehr gut mit ihm; unter den Schauspielerinnen waren Katharine Baumann und Caroline Ziegler, Beck’s Gattin, Freundinnen S.’s. Nachdem dieser von der herrschenden Epidemie kaum hergestellt war, begann eine aufregende Thätigkeit. Seit 15. October wohnte S. den Ausschußsitzungen bei, arbeitete Fiesko für die Bühne um (s. o.) und inscenirte Luise Millerin. Am 10. Januar 1784 ernannte ihn die Deutsche Gesellschaft in Mannheim zum Mitglied. – Schiller’s Hauptleistung in jener Zeit war die Vollendung der Luise Millerin oder, wie Iffland sie taufte, Kabale und Liebe. Daß an diesem Stück schon in Stuttgart gearbeitet worden sei, ist nicht nachweislich; württembergische Verhältnisse schweben aber öfters deutlich vor. Die eigentliche Entstehung fällt nach Bauerbach, einzelne Namen und Züge können in die dortige reichsritterschaftliche Umgebung weisen; das Stück wurde dann in Mannheim angenommen und am 15. April 1784 mit großem Beifall aufgeführt; im Januar 1784 erschien es im Druck bei Schwan. Außer einem handschriftlichen Blatt ist nichts von den früheren Stadien des Werks bekannt, ein Unterschied zwischen Bühnen- und Buchform ist nicht vorhanden, und die spätern Drucke weichen nur in Kleinigkeiten ab. Der Stoff ist, zum erstenmal bei S., frei erfunden; an Vorbildern theils für die gesammte Haltung theils für einzelne Hauptmotive sind neben den bürgerlichen Tragödien von Wagner, Klinger, Lenz besonders Emilia Galotti, deren Studium sich überall verräth, und der deutsche Hausvater von Gemmingen zu nennen, der ein ziemlich mattes Vorbild für die Fabel des Ganzen abgeben konnte, unter Verwandlung des günstigen Ausgangs in einen tragischen. Sicher ist K. u. L. die bedeutendste Endleistung der bürgerlichen Tragödie in Deutschland; hier ist die Umgießung des familiären Rührstücks in eine familiär-sociale Conflictstragödie vollendet, welche in der Emilia Galotti in einer uns ferner gerückten Sphäre und mit höherer Stilisirung unternommen war und bei andern Dichtern nur zu minder befriedigenden Versuchen geführt hatte. Ebenso ist aber K. u. L. sicher die vollendetste der drei Jugendtragödien Schiller’s selbst. Wenn auch dem Helden und der Heldin noch die frühere Ueberschwänglichkeit anhaftet (welche im Don Carlos noch stärker, wenn auch in anderer Stilisirung, hervortritt und zu welcher S. eine gewisse Neigung nie ganz los geworden ist), so schadet sie hier nicht, weil sie zur Charakteristik der beiden Personen gehört und, mag das der Dichter gewollt haben oder nicht, ein Ingrediens der tragischen Entwicklung ist. Störender sind die an sich schönen Scenen der Lady Milford im 4. Act, weil sie retardiren und mehr ein Stimmungsbild als ein festes Glied in der Oekonomie des Ganzen sind. Im übrigen ist überall bewundernswerth straffe dramatische Fügung und kaum etwas vorhanden, was nicht werthvoll für den überwältigenden Fortgang der Handlung wäre. Auch die Mischung von Komik und Tragik, von der S. anfangs für die Wirkung fürchtete, ist meisterhaft, ganz der Lessingischen Forderung entsprechend, daß eine solche Mischung im Gegenstand begründet sein müsse. In den Räubern traten komische Wirkungsmittel höchstens als Folie (Spiegelberg) auf, im Fiesko in der einzigen Figur des Mohren; in K. u. L. ist die Komik nur die nothwendig vorhandene eine Seite der Sache und das Umschlagen in Tragik in der Figur Miller’s ganz vortrefflich; die Mutter, die wesentlich nur komisch wirken kann, im Ernst nur [223] widerlich werden könnte, verschwindet daher einfach von der Bühne. Leider ist der Dichter, der über eine so Shakespearische Wirkung des Komischen zur Hebung der Tragik verfügte, später nur noch im Wallenstein gelegentlich (abgesehen vom „Lager“) dazu zurückgekehrt.

In der zweiten Hälfte des April 1784 nahm S. an einer Gastspielreise nach Frankfurt a. M. Theil, wo er die Bekanntschaft einer schwärmerischen Verehrerin, der Schauspielerin Sophie Albrecht, machte. Im Mai nach Mannheim zurückgekehrt, wurde er wieder vom Wechselfieber befallen und an strengerer Arbeit gehindert. Dazu kamen Widerwärtigkeiten verschiedener Art, besonders alte und neue Schulden, welche zu einer Katastrophe zu führen drohten, die nur durch den Edelmuth von Schiller’s Hauswirth Ant. Hölzel abgewandt wurde. In der Deutschen Gesellschaft hielt S. am 26. Juni 1784 seine Antrittsrede: „Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken?“, später betitelt: „Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet“; sie sollte wohl nicht sein letztes Wort über Wesen und Zweck des Theaters aussprechen, sondern nur den einen Punkt treffen: als eine feurige Apologie dasselbe von Seiten der Moral gegen theologische und gelehrte Anfeindungen zu vertheidigen; die Rede wurde nicht in die Jahrbücher der Deutschen Gesellschaft aufgenommen, sei’s weil Schiller’s Verhältniß zu dieser schon getrübt war, sei’s weil eben jene apologetische Tendenz bemängelt wurde.

Das Verhältniß zum Theater lockerte sich immer mehr. S. hatte die Verpflichtung eingegangen, in seinem ersten Jahr drei Stücke zu liefern; am dritten, Don Carlos, arbeitete er, ohne entfernt damit fertig zu werden. Sein Plan einer Mannheimer Dramaturgie (ähnlich der Hamburgischen Lessing’s) wurde weder von der Deutschen Gesellschaft noch hernach in anderer Gestalt von Dalberg angenommen. Von Kritiken neuer Stücke hat S. dem Theaterausschuß nur eine, sehr dürftige geliefert, den Ausschuß am 28. Mai 1784 zum letzten Mal besucht. So wurde sein Ende August ablaufender Contract nicht wieder erneuert. Durch eine, wie er glaubte, ungenügende Aufführung eines seiner Stücke und durch litterarische Kritik, die er an den Bühnenleistungen übte, verschlechterten sich die Beziehungen zum Theater immer mehr und verleideten ihm den Aufenthalt. Nach Lösung des dramaturgischen Verhältnisses ging S. zur journalistischen Thätigkeit über. Unter dem 11. November 1784 (25. Geburtstag!) veröffentlichte er den Prospect einer Zeitschrift von allgemein belehrendem und unterhaltendem Charakter. Das erste Heft, „Rheinische Thalia“, erschien März 1785; der Titel entsprach dem Programm, wonach pfälzische Verhältnisse besonders berücksichtigt sein sollten; das fiel nach Schiller’s Entfernung von Mannheim weg, und es erschienen weitere 11 Hefte als „Thalia“ bis 1791, vier weitere Bände „Neue Thalia“ 1792 und 1793. – Neben Unwohlsein, ökonomischer Bedrängniß und Conflict mit dem Beruf kamen noch persönlichste Wirren dazu, um die Mannheimer Zeit zu einer Periode unglücklicher Gemüthsverfassung zu machen, eines Schwankens zwischen fieberhafter Aufregung und müder Verzweiflung. S. wurde zwischen verschiedenen Liebesneigungen hin und her geworfen. Den ernsthaften Hintergrund der Absicht ehelicher Verbindung hatte die zu Margarethe Schwan, der Tochter des Buchhändlers, um welche S. noch von Leipzig aus, 24. April 1785, vergeblich anhielt. Zwei weitere Beziehungen unerwiderter Neigung sind noch bekannt. Am interessantesten und für später am bedeutsamsten ist aber die Beziehung zu Charlotte v. Kalb. Wir sind allerdings über den Charakter dieses Verhältnisses schlecht unterrichtet; denn Charlotte hat ihre Correspondenz mit S. vernichtet, und die Andeutungen ihrer viel später geschriebenen Memoiren, welche sich auf ihr Verhältniß zu S. beziehen lassen, sind, wie diese Memoiren überhaupt, in einem Orakelstil geschrieben, [224] der genaue Deutung nicht zuläßt. Charlotte, geb. Marschalk v. Ostheim, geboren 1761, war seit 1783 mit dem Major Heinrich v. Kalb vermählt und hielt sich häufig in Mannheim auf, wo sie S. am 9. Mai 1784 kennen lernte. Das freundschaftliche Verhältniß hat sich mit der Zeit in ein leidenschaftlicheres verwandelt, vielleicht erst im Februar 1785; Charlotte glaubte später, als S. sich verheirathete, Vorrechte an ihn zu haben, und Schiller’s Gedichte „Freigeisterei der Leidenschaft“ und „Resignation“, die 1786 erschienen, reden jedenfalls von Erlebtem; da aber die Phantasie in Schiller’s Liebesverhältnissen stets eine Hauptrolle spielt, wird es vergeblich sein, Genaueres wissen zu wollen, wo bestimmte Zeugnisse fehlen. – Schon 1784 strebte S. von Mannheim fort; er war am 23.–29. December in Darmstadt und las bei Hof den ersten Act des Don Carlos vor; der zu Besuch anwesende Herzog Karl August von Weimar ertheilte ihm am 27. December den Titel eines Raths und sprach am 9. Februar 1785 brieflich den Wunsch aus, S. möchte noch mehr von sich hören lassen. Zunächst folgte aber S. einem andern Rufe. Anfang Juni 1784 hatte er aus Leipzig von Christian Gottfr. Körner und Ludw. Ferd. Huber sammt ihren Verlobten Minna und Dora Stock eine Sendung bekommen, welche hohe Verehrung für ihn aussprach; er war lebhaft bewegt, kam aber erst am 7. December dazu, zu danken; Körner antwortete am 11. Januar 1785 und lud S. ein, nach Leipzig zu kommen; S. enthüllte in einem Brief an K. vom 10. und 22. Februar seine ganze Lage. Nachdem K. durch ein reichliches Darlehen die Entfernung von Mannheim ermöglicht hatte, reiste S. Mitte April 1785 nach Leipzig ab und kam am 17. dort an.

Die Bekanntschaft mit Körner macht in Schiller’s Leben Epoche. Der drei Jahre ältere Mann gewährt nicht nur der äußeren Existenz des Dichters eine Stütze, sondern auch seinem innern Leben einen Halt. Der pessimistische Zug eines zwischen heftigem Begehren und widerwilligem Verzichten hin und her geworfenen Seelenzustandes verschwindet fast plötzlich und macht immer größerer innerer Festigung Platz. Schiller’s und Körner’s Briefwechsel ist, alles zusammengenommen, die werthvollste unter den zahlreichen Correspondenzen des Dichters, die wir haben; er umfaßt die Lebensäußerungen des Menschen und des Schriftstellers zugleich und gibt durch die Vertrautheit dieses Verhältnisses Einblick in ganz intime Vorgänge, während er zugleich, bis zum Tode Schiller’s über 20 Jahre sich erstreckend, die höchste biographische Bedeutung im Großen hat.

Die litterarische Production der Mannheimer Zeit ist in ihrer zweiten Hälfte nicht sehr reich. Vom Don Carlos erschien im ersten Heft der Thalia der erste Act mit einer Widmung an Karl August vom 14. März 1785, außerdem enthielt dasselbe eine Uebersetzung aus Diderot’s noch ungedrucktem Jacques le fataliste: „Merkwürdiges Beispiel einer weiblichen Rache“, einen enthusiastischen Brief über den Antikensaal zu Mannheim und einige dramaturgische Arbeiten: die Rede vom 26. Juni 1784, eine kurze Besprechung der Aufführungen vom 1. Januar bis 3. März 1785, einen Artikel „Wallensteinischer Theaterkrieg“ gegen die Beschwerden der Schauspielerin Henriette Wallenstein und die von den Mannheimer Schauspielern 1784 beantworteten dramaturgischen Preisfragen.

In Leipzig traf S. nur Huber und die Schwestern Stock; Körner war Consistorialrath in Dresden. Das lebhafte Treiben der Stadt führte ihm in der Meßzeit manche Bekanntschaften zu; die bedeutendsten waren der Buchhändler Göschen, der bald sein Verleger wurde, und Karl Phil. Moritz. Nach kurzem Aufenthalt in Leipzig nahm S. in dem nahen Gohlis Wohnung. Das enthusiastische Gefühl der Freundschaft zwischen ihm und Körner wurde genährt durch ihre persönliche Zusammenkunft in Kahnsdorf am 1. Juli 1785; Körner’s Hochzeit, am 7. August in Leipzig, wurde von S. durch Prosa und Verse gefeiert. [225] In jene Zeit fällt das Lied „an die Freude“ mit der trunkenen Verherrlichung der verbrüdernden Macht edler Freude. Am 11. September 1785 zog S. nach Dresden und wohnte zunächst in Körner’s Gartenhaus zu Loschwitz, vom Spätherbst an in Dresden selbst. Sein Hauptumgang war Körner’s Familie; von der Dresdener Gesellschaft, welche litterarisch damals noch wenig bedeutete, scheinen die Freunde sich mehr zurückgezogen zu haben. Wir haben noch drei Zeugnisse des humoristischen Verkehrs in Körner’s Hause, welche von S. stammen: „die Bittschrift“ vom Herbst 1785, eine Serie komischer Zeichnungen zu Körner’s Geburtstag am 2. Juli 1786 und die derbe Posse „Körner’s Vormittag“ (oder „Ich habe mich rasiren lassen“) zum 2. Juli 1787. Eine Episode in Schiller’s Dresdner Leben ist eine Leidenschaft, die er zu der schönen Henr. Elisab. v. Arnim im Carneval 1787 faßte, die aber im Mai mit Enttäuschung endigte; ihr sind die Stammbuchverse „Am 2. Mai 1787“ gewidmet. Im Herbst 1786 knüpfte S. mit Schröder in Hamburg eine Correspondenz an; eine Einladung, sich in Hamburg niederzulassen, schlug S. aus. Dafür wurde 1787 durch Vollendung des Don Carlos auf’s neue Verbindung mit Schröder und andern Bühnenleitern angeknüpft. Diese neue dramatische Leistung weckte wohl die Lust in S., ein bedeutenderes litterarisches Centrum aufzusuchen, vielleicht lockte auch der Umstand, daß Charlotte v. Kalb sich jetzt häufig in Weimar und auf dem benachbarten Gut Kalbsried aufhielt; am 20. Juli 1787 reiste S. nach Weimar ab.

Die bedeutenderen Arbeiten der Dresdener Jahre charakterisiren sich gegenüber den früheren durch Reinigung von manchen Auswüchsen cynischer und verwandter Art; damit geht leider auch mancher frische und populäre Zug verloren. Als positive Eigenschaft ist besonders der fast ekstatische Freundschaftscult zu nennen; die Neigung zu allzu optimistisch-idealer Darstellung, welche die Unebenheiten und Schatten mit einem breiten Pinsel überfährt und damit manches Störende, aber auch manches Charakteristische verwischt, stammt aus jener Zeit und tritt in ihr am meisten hervor. Sonst möchte die Neigung zu mystischen Problemen, welche weder früher noch später bei Schiller vorkommt, und zur Darstellung kirchlich-politischer Interessen und Conflicte charakteristisch sein. – Im Don Carlos faßt sich das am vollständigsten zusammen. Ueber Bauerbacher Anfänge des D. C. s. o.; im ersten bis vierten Stück der Thalia (1785 bis 1787) wurde das Stück bis Act 3, Scene 9 (Scene 7 der spätern Gestalt) veröffentlicht; einige Scenen waren nicht ausgeführt, sondern ihr Inhalt angegeben; im übrigen war diese erste Bearbeitung sehr umfangreich und enthielt manches Entbehrliche. Dieses wurde gestrichen, als 1787 das Stück vollendet und als Ganzes herausgegeben wurde: „Dom Karlos, Infant von Spanien“. Für die Ausgabe von 1801 (von da an Don Karlos) hat S. wieder zahlreiche Kürzungen und Aenderungen vorgenommen, weitere für die von 1805; damit war der Text der gewöhnlichen Ausgaben gegeben; im großen Zusammenhang des Ganzen unterscheiden sich die Gestalten von 1801 und 1805 nicht von der Gesammtausgabe von 1787. Von Anfang an waren die bisher genannten Veröffentlichungen des D. C. jambisch; 1787 hat S. für die Bühnen, welche sich zum Theil an jambische Dramen noch nicht wagten, eine Prosabearbeitung gemacht, welche erst nach seinem Tod gedruckt wurde; außer unbedeutenderen Einzelheiten charakterisirt sich dieselbe durch den zugefügten Schluß, der auf derbere Bühnenwirkung für Zuhörer langsameren Verständnisses berechnet ist: Carlos offenbart die Unschuld der Königin und ersticht sich. Minder von der gedruckten Fassung von 1787 abweichend ist eine von S. selbst herrührende Bühnenbearbeitung des jambischen Stücks. – D. C. wurde zuerst in Hamburg am 29. August 1787 aufgeführt; die Aufnahme war im ganzen günstig. [226] 1788 veröffentlichte S. seine „Briefe über Don Karlos“, in welchen er besonders den Charakter Posa’s und sein Verhältniß zu Carlos zu motiviren suchte. – Schiller’s Quelle ist nicht die Geschichte, sondern die „nouvelle historique et galante“ Dom Carlos von Saint Real; möglicherweise hat auch Campistron’s Andronic Einfluß gehabt; daß S. auch Otway’s ebenfalls aus Saint Real geflossenen Don Carlos benutzt habe, ist behauptet, aber nicht bewiesen worden. – In stilistischer Beziehung zeigt D. C. einen großen Fortschritt zu edler, getragener Darstellung, bedingt in erster Linie durch das Versmaß; die Ausgabe von 1787 enthält allerdings noch manche später getilgte Schwächen. Durchgängig gehoben und von einer gewissen höfischen Feierlichkeit ist überhaupt der ganze Vortrag; populäre Wirkungsweise, Darstellung mittlerer, realistisch gedachter Charaktere bleibt durchaus fern, auch die Schurken haben etwas feierlich-pompöses an sich. Dieser vom historischen Realismus losgelöste Ton eignet den meisten späteren Dramen Schiller’s, ist aber im D. C. aus seiner Höhe. In stofflicher Beziehung darf D. C. natürlich nicht als historisches Drama im strengen Sinn betrachtet werden. Auch innerhalb der Sphäre, in die es sich selbst stellt, der im Sinne des 18. Jahrhunderts philanthropisch-freisinnigen Dramatisirung eines auf historischer Grundlage ruhenden Novellenstoffes, hat das Stück seine Schwächen. Das Interesse wird durch die Zweiheit der Helden, Carlos und Posa, nicht gehoben, sondern getheilt, und keiner von beiden wirkt mit der überzeugenden Naturmacht einer ganzen Persönlichkeit, beide sind Träumer, gebrochene Menschen. Schließlich ergreifen die Personen des Gegenspiels, besonders Eboli und noch mehr Philipp, mit ganz anderer psychologischer Wahrheit, als die, für die wir zunächst erwärmt werden sollten; Philipp ist wirklich großartig gezeichnet. Die große Länge des Stücks ist mehr Hinderniß für vollständige Bühnenwiedergabe als für die Lectüre; aber doch thut sie einer drastischen Wirkung des Ganzen Eintrag. Wenn aber auch die Schönheiten mehr im einzelnen liegen und auch hier mehr für empfindsame Auffassung als für realistische Betrachtung echter Größe vorhanden sind, wird man doch nicht blind gegen sie sein dürfen und D. C. als Schiller’s ersten Versuch idealistisch stilisirter Tragödie hochschätzen müssen.

Mit dem Gegenstand des D. C. hängen zusammen die Uebersetzung von Mercier’s Précis historique seines Portrait de Philippe II. (ob von S. selbst?) und das Gedicht „Die unüberwindliche Flotte“, beide 1786; das Gedicht ist entstanden aus einer Beschreibung bei Mercier, und diese letztere war der französischen Uebersetzung des Andachtsbuches „Christ in der Einsamkeit“ von Crugot entnommen; daß S. direct aus Cr. geschöpft oder ein Gedicht von Cr. nur umgearbeitet habe, ist fälschlich geschlossen worden. Daß S. schon 1786 sich noch weiter mit Geschichte befassen wollte, zeigt die damalige Ankündigung der erst 1788 erschienenen „Geschichte der merkwürdigsten Rebellionen“. Der Plan des Dramas „Der Menschenfeind“, dessen vollendete Scenen 1790 veröffentlicht wurden, fällt in die Dresdner Zeit; ebenso der eines Epos „Julianus Apostata“, der unausgeführt blieb. Mehr wurde die für das journalistische Unternehmen der Thalia passende Novelle gepflegt. 1786 erschien „Der Verbrecher aus Infamie“ (später „D. V. aus verlorener Ehre“), die zu schlagender Wirkung knapp zusammengedrängte Geschichte des württembergischen Räubers Friedr. Schwan (vulgo „Sonnenwirthle“, † 1760), deren Stoff S. wohl zumeist aus Berichten Abel’s kannte. In Dresden wurde auch noch der Anfang des „Geistersehers“ veröffentlicht, dessen Gegenstand (man vgl. Casanova oder Cagliostro) ebenso zeitgemäß war, als er mit dem des Don Carlos nach gewissen Seiten wie auch in der Ausführung Aehnlichkeit hat; das Ganze erschien erst 1789, aber unvollständig; S. war des Spielens mit diesen schillernden Ideen und Phantasien überdrüssig geworden. – Endlich erschienen 1786 die „Philosophischen Briefe“, [227] in welche die ältere (s. o.) „Theosophie des Julius“ eingeschaltet wurde; die Briefe des Julius sind von S., die Raphael’s von Körner; das Ganze ist aber, was den philosophischen Inhalt betrifft, kaum über die Einleitung hinausgediehen; Julius, der enthusiastische Adept des schottischen Eudämonismus, sollte dem kritischen Raphael gegenübergestellt werden – Körner war eifriger Kantianer, und theils unter seinem theils unter Reinhold’s Einfluß hat sich S., aber erst später, dem für ihn folgenreichen Studium Kant’s zugewandt.

Als S. am 21. Juli 1787 in Weimar ankam, war Goethe noch in Italien, Karl August in preußischen Diensten abwesend. Charlotte v. Kalb führte S. ein; ein Anschluß an den Kreis der Herzogin-Mutter Anna Amalia wollte trotz anfänglicher Geneigtheit Wieland’s nicht gelingen; zu Herder schienen sich anfangs bessere Beziehungen zu ergeben. Im August wurde Jena aufgesucht und die Bekanntschaft des kantischen Philosophen Karl Leonhard Reinhold sowie der Herausgeber der Allgem. Literatur-Zeitung, Gottlieb Hufeland und Christian Gottfr. Schütz, gemacht. Am 25. August ging S. nach Weimar zurück und verwuchs allmählich mehr mit dem dortigen Leben; zu Wieland ergab sich ein freundliches Verhältniß, S. wurde für einige Zeit Mitarbeiter am Teutschen Merkur und dachte sogar an Verbindung mit einer Tochter Wieland’s; er dichtete zur Wiedereröffnung des Weimarer Theaters am 8. November 1787 den Prolog und verfaßte zum 30. Januar 1788 einen poetischen Glückwunsch an die Herzogin. In den Winter 1787/88 fällt Schiller’s Bekanntschaft mit seiner späteren Frau. Die Wittwe des Landjägermeisters v. Lengefeld, geb. v. Wurmb, eine Verwandte der Familie v. Wolzogen, wohnte mit ihren Töchtern Karoline und Charlotte in Rudolstadt. Karoline war an einen Frh. v. Beulwitz verheirathet, aber meist von ihm getrennt; sie ließ sich später von Beulwitz scheiden, um 1794 ihren Vetter Wilhelm v. Wolzogen zu heirathen; sie ist Verfasserin der werthvollen biographischen Aufzeichnungen über S. Charlotte war am 22. November 1766 geboren. Eine frühere Reisebegegnung mit S. im Juni 1784 in Mannheim hatte wenig Eindruck hinterlassen. Im November 1787 besuchte S. seine seit 22. Juni 1786 mit Reinwald vermählte Schwester Christophine in Meiningen und die Familie v. Wolzogen in Bauerbach; auf der Rückreise nach Weimar mit Wilh. v. Wolzogen suchte er am 6. December die Familie v. Lengefeld in Rudolstadt auf. In Weimar traf er wieder mit Charlotte zusammen und schrieb ihr am 3. April 1788 das Gedicht ins Album, das später etwas verändert unter dem Titel „Einer jungen Freundin ins Stammbuch“ gedruckt wurde. Im Mai 1788 nahm S. Wohnung in Volkstädt bei Rudolstadt, im August in Rudolstadt selbst, wo er am 7. September im Lengefeldischen Haus Goethe zum erstenmal traf; am 12. November reiste er zum Winteraufenthalt nach Weimar. Da er in diesem Jahre seine erste größere geschichtliche Arbeit (Abfall der Niederlande) veröffentlicht hatte, wurde im December 1788, zum Theil auf Goethe’s Betreiben, seine Berufung zum Extraordinarius in Jena beantragt und im März 1789 fand seine Ernennung, zunächst ohne Gehalt, statt. Er ging im März nach Jena, von dort nach Rudolstadt, am 11. Mai nach Jena zurück und hielt dort am 26. Mai mit großem Beifall seine Antrittsvorlesung, welche unter dem Titel „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“ veröffentlicht wurde. Die Beziehungen zu Charlotte v. Lengefeld waren in persönlichem und brieflichem Verkehr weiter gepflegt worden; am 3. August 1789 erklärte sich S. den Schwestern, erst im December auch der Mutter; Karl August gewährte einen bescheidenen Gehalt, der Herzog von Meiningen den Hofrathstitel; am 22. Februar 1790 fand in Wenigen-Jena die Trauung statt. S. hat sich, soweit wir überhaupt derartige Aeußerungen von ihm haben, stets beglückt über seine Ehe geäußert; Charlotte kam an lebhaftem Geist ihrer [228] Schwester nicht gleich, um so mehr hatte sie natürlichen Takt des Herzens und besaß Bildung genug, um S. auch eine litterarische Gehilfin sein und selbst kleinere litterarische Versuche wagen zu können. Außer dem eigenen Eheglück verdankte S. der Familie v. Lengefeld seit 1789 auch seine Beziehung zu dem Erfurter Coadjutor, späteren Kurfürsten von Mainz, Karl v. Dalberg (Bruder des Mannheimer Intendanten), der ihm manche Wohlthat erwiesen hat, und zu Wilhelm v. Humboldt, mit dem er später in befruchtendem geistigem Austausch lebte.

In den Arbeiten der Weimarer und der ersten Jenaer Zeit tritt die Poesie immer mehr zurück. Vor allem das Drama; wir haben nur die erst 1790 veröffentlichten Scenen „Der Menschenfeind“, welche ihren Anfängen nach schon aus Dresden stammen; sie sind Torso geblieben, weil S. einsah, „für die tragische Behandlung sei diese Art Menschenhaß viel zu allgemein und philosophisch“; wir wissen nur, daß ein günstiger Ausgang geplant war. Seit 1788 studierte S. griechische Litteratur – die erste Spur seiner classicistischen Neigungen –; im Frühjahr 1789 erschien seine Uebersetzung der Iphigenie in Aulis (mit Ausnahme des Schlußberichts), nachher einige Scenen aus den Phönizierinnen des Euripides. An diese freien Uebertragungen kann man die noch freiere des zweiten und vierten Buchs der Aeneide in Octaven anreihen, welche seit 1789 geplant war, aber erst 1791 zur Ausführung, 1792 zur Veröffentlichung kam. – Von lyrischen Gedichten sind aus dem Jahr 1788 die „Götter Griechenlands“, die viel angefochtene, poetisch sehr warm empfundene, aber im Grunde doch sehr ideologische Verherrlichung antiker Mythologie, und das große Lehrgedicht „Die Künstler“ (1789 erschienen), in welches S. seine höchsten Ideen über die erlösende Macht des Schönen und die Einheit von Wahrem und Schönem niederlegte, welches aber, aus einer Menge bedeutender Schönheiten im Einzelnen zusammengesetzt, schon seiner Länge wegen kaum zu einer einheitlichen Gesammtwirkung gelangen konnte. In einem Almanach für 1789 erschien die Satire „Die berühmte Frau“. Seitdem pausiert Schiller’s selbständige poetische Production mehrere Jahre lang. Seit 1788 taucht mehrmals der Plan eines Epos über Friedrich d. Gr., 1791 statt dessen über Gustav Adolf auf; eine Hymne an das Licht wird 1792 geplant; nichts davon kam zustande. Erst 1793 begegnen Umarbeitungen eigener älterer Gedichte, 1795 lebhafte lyrische Neuschöpfung, zur gleichen Zeit wird Wallenstein in Arbeit genommen. – Den Haupttheil der Production jener Tage nimmt die Prosa in Anspruch: litterarisch-kritische und noch mehr historische Werke. Die „Briefe über Don Carlos“ erschienen 1788; ebenso die Recension von Goethe’s Egmont, welche bei der höchsten Anerkennung der unvergleichlichen Darstellung den Charakter Egmont’s als einen untragischen tadelt. Ebenso übt S. in der 1789 nicht vollständig erschienenen Zusammenstellung von Euripides’ und Goethe’s Iphigenie neben aufrichtiger Bewunderung auch ehrliche Kritik an Goethe. Man kann noch die 1791 erschienene Recension von Bürger’s Gedichten (mit Bürger’s Antikritik und Schiller’s Erwiderung) anreihen, die bei richtiger Darlegung der Mängel Bürger’s dessen eigenthümlichem Talente nicht gerecht wird. Unter den historischen Werken steht in erster Linie die „Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande von der spanischen Regierung“, deren erster und einziger Band von 6 geplanten 1788 erschien und bis 1567 reicht; S. war auf diese Studien durch Don Carlos gekommen. Es ist ihm gelungen, ein ungemein reiches und belebtes Bild des Gegenstandes zu zeichnen und zwar nicht, wie manche angenommen haben, auf Grund bloß secundärer Traditionen, sondern mit ganz respectabeln Quellenstudien; wenn das Werk vor den Forderungen moderner Schulen nicht überall bestehen sollte, so ist es dafür eines der ersten von bedeutenden Gesichtspunkten aus geschriebenen Geschichtswerke in [229] Deutschland gewesen. Als Vorarbeiten für die nicht erschienenen späteren Bände können die kurze Lebensskizze Egmont’s (1789 erschienen) und die Schilderung der Belagerung von Antwerpen 1584 f. (erst 1795 publicirt) gelten; die bekannte Skizze „Herzog Alba bei einem Frühstück auf dem Schlosse zu Rudolstadt“ (1788) wird durch locale Reminiscenzen veranlaßt sein. Historischen Inhalts sind ferner noch die kleine Mittheilung über die Jesuitenregierung in Paraguay (1788) und die fast novellistisch behandelte Geschichte des württembergischen Generals Rieger (s. o.) „Spiel des Schicksals“, Anfang 1789 erschienen. In der „Geschichte der merkwürdigsten Rebellionen“, von der ein einziger Band 1788 erschien, ist außer der schon 1786 erschienenen Ankündigung nichts Schiller’s sicheres Eigenthum.

Das erste Jahr von Schiller’s Ehe ist das seiner angestrengtesten Thätigkeit. Schon die historischen Vorlesungen erforderten zeitraubende Vorbereitung; dazu kam noch ausgedehnte schriftstellerische Thätigkeit, zum Theil schon des Gelderwerbs wegen. So hört man denn von 14 Stunden täglicher Arbeit. Mit Ausnahme weniger vorhin erwähnter Studien ist die ganze litterarische Arbeit Schiller’s damals der Geschichte zugewandt. Zunächst einige kleine Aufsätze, die mit dem Studium der Universalgeschichte, Schiller’s erstem Colleg, zusammenhängen. Die schon erwähnte Antrittsvorlesung eröffnet die Reihe. „Die Sendung Moses“ (1790) ruht, was die Ansichten von egyptischer Geheimlehre betrifft, auf einem freimaurerischen Aufsatz Reinhold’s nach dem Original Warburtons (S. selbst ist, mystischen Stimmungen und Symbolen nicht zugänglich, nie Freimaurer gewesen). „Etwas über die erste Menschengesellschaft nach dem Leitfaden der mosaischen Urkunde“ (1790) schließt sich in freierer Weise an Kant, „Muthmaßlicher Anfang der Menschengeschichte“ an, wie schon die Antrittsrede an Kant’s „Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht“ angelehnt war. In dem Aufsatz „Die Gesetzgebung des Lykurgus und Solon“ (1790) ist die erste Hälfte, Lykurg, nicht von S., auch nie von ihm beansprucht worden, sondern von seinem Stuttgarter Lehrer Joh. Jak. Heinr. Nast. Seit 1790 gab S. eine „Allgemeine Sammlung historischer Memoires“ heraus; jeder Band sollte von einer Abhandlung von ihm begleitet sein. In dieser Sammlung sind von S., der die Beschäftigung damit bald aufgegeben hat, außer den „Vorberichten“ u. ä.: ein kleiner Theil der Uebersetzung der Anna Komnena, die „universalhistorischen Uebersichten“ über Kreuzzüge und die Zeit Friedrich’s I., die Einleitung zu den Memoiren Sully’s, während seine „Geschichte der französischen Unruhen, welche der Regierung Heinrich’s IV. vorangingen“, nur eine verkürzende Bearbeitung von Anquetil’s Esprit de la ligue ist; diese Nebenarbeiten erschienen 1790–1794. Die Idee eines „Deutschen Plutarchs“ hegte S. seit 1788, es kam aber nichts zustande. Dagegen gab er seit 1791 einen „Historischen Calender für Damen“ heraus. Von S. selbst erschien darin die im September 1792 vollendete „Geschichte des dreißigjährigen Kriegs“ (Kal. für 1791, 92, 93), seine einzige größere historische Arbeit neben dem Abfall der Niederlande. Sie kann mit diesem sich an genauem Quellenstudium nicht vergleichen, hat auch diesen Anspruch nicht gemacht; aber es ist eine glänzende und von bedeutender Auffassung durchdrungene Darstellung, welche namentlich in einigen Höhepunkten der Erzählung und Charakteristik in ihrer Art unübertrefflich ist; für S. besonders wichtig, weil aus diesen Studien der Wallenstein herauswuchs. Von anderen Arbeiten des Kalenders ist höchstens die über Amalia Elisabeth, Landgräfin von Hessen-Kassel (1792) möglicher aber nicht wahrscheinlicher Weise Schiller’s Eigenthum. Hierher find noch Schiller’s Vorreden zu der Geschichte des Maltheserordens nach Vertot und zum Pitaval (beide 1792) zu ziehen; dagegen ist die Uebersetzung der Denkwürdigkeiten Vieilleville’s in den Horen 1797, [230] welche Körner in die gesammelten Werke aufnahm, nicht von S., sondern von Wilh. v. Wolzogen; S. hat sie nur durchgesehen und eine kurze Einleitung vorausgeschickt. Mit dem Jahre 1792, speciell mit der Vollendung des dreißigjährigen Kriegs, endet im wesentlichen Schiller’s historische Schriftstellerei, welche er schließlich als eine von außen her auferlegte Arbeit empfand. Das war sie jedenfalls nicht von Anfang an. Unter allen Umständen hat sie nicht lediglich als Subsistenzmittel oder als Sammlung von Wissensstoff gedient, sondern zur Vertiefung der gesammten Anschauungsweise Schiller’s beigetragen. S. geht bei seiner Geschichtsforschung von philosophischen Anschauungen aus, wie sie dem Jahrhundert gemäß waren: einer liberalen Aufklärung, dem Nachweis des Fortschritts der Menschheit dient die Historik; mag dabei den Thatsachen dann und wann Gewalt angethan sein und die Schranken der rationalistischen Anschauung sich nicht verleugnen, so sind doch diese schönen und in ihrem tiefsten Kern nicht veralteten Gedanken nirgends beredter und bei aller Begeisterung mit mehr Maß und Gerechtigkeit vorgetragen als bei ihm. Charakteristisch aber auch für die Geschichtsauffassung Schiller’s ist es, daß er von der Geschichte zur Aesthetik übergeht; denn philosophisch, ästhetisch-teleologisch verfährt er schon als Historiker.

Die Ueberanstrengung der Kräfte führte zu einer Katastrophe. Bei einem Aufenthalt in Erfurt Ende 1790 und Anfang 1791 erkältete sich S.; nach seiner Rückkehr nach Jena verfiel er am 12. Januar 1791 in eine heftige Brustkrankheit, die sofort toddrohend wurde und deren chronische Folgen und Rückfälle sich durch sein ganzes Leben hindurchziehen. Nachdem die erste Gefahr vorüber, mußte für längere Zeit jede größere Anstrengung vermieden werden; die Vorlesungen wurden bis Herbst 1792 ausgesetzt. Erholungsreisen nach Rudolstadt, Karlsbad (Juli), Erfurt konnten Rückfälle nicht verhindern und zehrten die erarbeiteten Mittel auf. Karl August gewährte Unterstützung nach seinen beschränkten Kräften. Eine größere kam aus Dänemark, wo deutsche Litteratur hochangesehen war und Klopstock Unterstützung gefunden hatte. Außer Jens Baggesen, der mit S. persönlich bekannt war, waren Herzog Christian Friedr. von Augustenburg und Graf Schimmelmann Schiller’s besondere Verehrer. Im Juni 1791 sollte zu Hellebek eine Ovation für S. veranstaltet werden, welche durch ein Gerücht von Schiller’s Tod in eine Todtenfeier verwandelt wurde. Durch Baggesen mit Schiller’s Umständen bekannt geworden, setzten Augustenburg und Schimmelmann am 27. November 1791 dem Dichter einen jährlichen Ehrengehalt von 1000 Thalern für 3 Jahre aus, welcher nach deren Ablauf auf zwei weitere Jahre verlängert wurde. Im April 1792 besuchte S. Körner in Dresden und hatte im September und October einen Besuch seiner Mutter und seiner Schwester Nanette. Dieser Besuch wurde 1793 erwidert. Anfangs August reiste S. mit seiner Frau nach Heilbronn, wo sie am 8. August ankamen. Da der Herzog von Württemberg erklärte, Schiller’s Aufenthalt zu ignoriren, wurde derselbe im September nach Ludwigsburg verlegt. Dort wurde am 14. September Schiller’s erstes Kind Karl geboren. In Ludwigsburg pflegte S. Umgang mit Eltern und alten Freunden, besonders Hoven, und begann dort seine ästhetischen Briefe an den Herzog von Augustenburg (s. u). Die Beisetzung des am 24. October gestorbenen Herzogs gab später das Motiv zu der Schilderung in der Braut von Messina (II 5). Im Frühjahr 1794 zog S. nach Stuttgart. Der von der Akademie her befreundete Dannecker verfertigte die kleinere, von den Kennern als besonders ähnlich bezeichnete Büste Schiller’s, nach der er nach Schiller’s Tod die weit bekannter gewordene größere geschaffen hat; ebenso wurde die ganze Familie S. damals von Ludovike Simanowitz porträtirt. Das Wichtigste in Schiller’s Aufenthalt in Schwaben war aber seine Bekanntschaft mit Joh. Friedr. [231] Cotta, welche er durch die Vermittlung von Friedr. Haug machte, zuerst durch brieflichen Verkehr, dann durch einen Besuch Schiller’s in Tübingen. Der geniale Buchhändler (über welchen jetzt Schäffle’s Biographie nachzulesen) wollte auch Schiller’s schriftstellerische Kraft für sich gewinnen. Bei einem Ausflug aus Stuttgart am 4. Mai 1794 wurde Cotta’s Plan einer politischen Zeitung höheren Stils besprochen, deren Redaction aber S. ablehnte und welche erst 1798 (die noch existierende Allgemeine Zeitung) zustande kam, ebenso Schiller’s Plan einer litterarischen Zeitschrift, welche unter dem Titel „Die Horen“ ins Leben trat. Cotta hat allmählich auch andere, zuletzt alle Werke Schiller’s, dann Goethe’s an sich gebracht und sich ebenso verdient um Schiller und die Seinigen gemacht, wie umgekehrt Schiller’s und Goethe’s Werke den Ruf seiner Firma gegründet haben, in deren Monopol sie bis 1865 geblieben sind. Schiller’s Briefwechsel mit Cotta ist nicht nur eine litterarische Fundgrube ersten Ranges, sondern zeugt auch von dem schönsten persönlichen Verhältniß wie von der eminenten Geschäftsgewandtheit Schiller’s. – Kurz nach der genannten Besprechung reiste S. wieder nach Jena, wo er am 15. Mai 1794 ankam. Er hat seine schwäbische Heimath nicht wieder gesehen. Anfang 1795 erhielt er einen Ruf an die Universität Tübingen, den er aber ausschlug, da er durch neue Bande an Thüringen gefesselt war.

S. hat bei seiner Rückkehr nach Jena mehrere wichtige Verbindungen angeknüpft. W. v. Humboldt trat ihm jetzt, in Jena wohnhaft, näher und hat ihm gleich in den nächsten Jahren durch seine philologisch geschulte Kritik gute Dienste bei seiner lyrischen Production geleistet, wie denn auch Schiller’s ästhetische Beschäftigungen seinem Sinne nahe lagen. Ein nicht stets ungetrübtes Verhältniß, dem aber die gegenseitige Achtung nie fehlte, entspann sich zu Fichte; 1796 kamen die Brüder Schlegel, welche von anfänglich guten Beziehungen bald zu Feindseligkeiten gegen S. übergingen, so daß dieser 1797 mit ihnen formell abbrach. Freundlich war das Verhältniß zu den schwäbischen Landsleuten Niethammer und Schelling (dieser erst seit 1798 in Jena), besonders aber zu Hölderlin, der 1794/95 in Jena lebte und sich persönlich und litterarisch eng an S. anschloß. Weitaus am wichtigsten war aber die Anknüpfung eines genaueren Verkehrs mit Goethe. Die Freundschaft zwischen beiden ist in der Litteraturgeschichte einzig; es sind zwei Großmächte, die, durch Naturbeschaffenheit und historische Verhältnisse einander zuvor fern, fast widerwärtig gegenüber stehend, im rechten Augenblick sich treffen und eine Allianz schließen, die, durch beiderseitige Interessen hervorgerufen, alsbald auch zu wirklicher Sympathie führt und dadurch die Gewähr unerschütterlichen Bestands in sich hat. Ehe man den Briefwechsel mit Körner kannte, mochte die Innigkeit des persönlichen Verhältnisses zu Goethe leicht überschätzt werden; so völlig intim wie das zu Körner ist es nie geworden, aber es ist doch eine wahre Freundschaft im besten Sinne. Unabsehbar ist die litterarische Bedeutung dieses Verhältnisses; beide sind durch einander der Poesie wieder zugeführt worden, und ihre Production ist von nun an durch ihren Ideenaustausch mannigfach bestimmt. Mancher wird neben dem Licht auch Schattenseiten finden: das formalistische, antikisirende Princip, das bei S. immer stärker zur Geltung kommt, wurde durch den damaligen Goethe jedenfalls gestärkt, und das litterarische Bündniß beider hat in den Xenien auch minder erfreuliche Erscheinungen gezeitigt; aber Niemand wird die großen positiven Früchte dieses Dichterbundes verkennen, aus dem Schiller’s reifste Arbeiten hervorgegangen sind und der auch bei Goethe eine Anzahl der schönsten Producte erzeugt hat. – Eine erste Begegnung Schiller’s und Goethe’s hatte am 7. September 1788 (s. o.) stattgefunden; ein paar weitere hatten zu keiner Annäherung, eher zur Erkenntniß der großen Verschiedenheit zwischen beiden geführt. [232] Als S. von Schwaben zurück war, sammelte er Mitarbeiter für die „Horen“ und forderte am 13. Juni 1794 auch Goethe zur Theilnahme auf; Goethe antwortete zusagend und benutzte im Juli einen Besuch in Jena zu persönlicher Besprechung. Durch den Brief vom 23. August, worin S., das Verhältniß zwischen Vergangenheit und Leistungen der beiden besprechend, „die Summe von Goethe’s Existenz zog“, und einen längeren Besuch Schiller’s in Weimar während des Septembers wurde der Grund zur Freundschaft gelegt, und noch im selben Jahre wurde der lebhafte Austausch ihrer litterarischen Pläne und Erzeugnisse eingeleitet.

Schiller’s damaliges Unternehmen, auf das er viel setzte, waren die Horen. Sie begannen glänzend mit dem J. 1795 und S. hat ihnen sein bestes anvertraut. Goethe that das weit weniger, andere blieben noch mehr zurück und Anfang 1798 wurde die Zeitschrift aufgegeben. – Die Jahre von Schiller’s Erkrankung bis zum Wiederbeginn poetischer Arbeit, 1791–1795, sind durch ästhetische Studien bezeichnet, und diese ruhen, im Unterschied von den viel unbedeutenderen Arbeiten früherer Zeit, auf der philosophischen Anregung, die S. durch Kant erhalten hat. Was S. von diesem zuvor gelesen hatte, wie die „Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht“, gehörte der angewandten Philosophie an und war nur seinem historisch-politischen Denken zugute gekommen. Nach seiner schweren Erkrankung las S. im Februar und März 1791 die neu erschienene „Kritik der Urtheilskraft“, welche den größten Eindruck auf ihn machte, später die beiden älteren Vernunftkritiken. In allen seinen ästhetischen Werken ist nun der Einfluß Kant’s bedeutend, mitunter bestimmend. Völlig von Kant abhängig sind sie nie, sie verhalten sich zu ihm anknüpfend, modificierend, fortführend, auch bekämpfend. Dem Inhalt nach ist S. oft von Kant ganz unabhängig, auch in der Form nicht immer in seinen Bahnen; die Grundzüge seiner positiven ästhetischen und ethischen Ansichten wurzeln in ihm selbst, aber sie hätten ohne Kant nicht diese Darstellung erhalten, wenn sie überhaupt an die Oeffentlichkeit gekommen waren. Wenn man mindestens an einem Punkt Schiller’s Stellung zu Kant nicht als einen Fortschritt diesem gegenüber bezeichnen kann – in der öfters wiederholten Behauptung eines „mönchischen“ Rigorismus der Kantischen Ethik, deren autonomistisches Princip S. der Denker doch anerkannte, nur S. der Poet gerne übersprungen hätte –, so hat er an anderen Orten Kant’s Lehren aufs schönste erweitert; und wie S. neben Kant selbst als der einzige bedeutende Aesthetiker Kantischer Richtung bezeichnet werden kann, so hat er in der Geschichte der Aesthetik überhaupt einen sehr hohen Rang zu beanspruchen.

Man kann drei Gruppen unter Schiller’s ästhetischen Schriften unterscheiden, die in der Hauptsache sich zeitlich und stofflich sondern lassen. Er beginnt mit systematischen Untersuchungen; diese bilden eine erste Gruppe, die wieder in zwei kleinere zerfällt. Im Sommer 1790 las S. über Aesthetik der Tragödie. Auf diesen Vorlesungen beruhen wohl die zwei ersten Aufsätze, welche das Studium Kant’s zeigen und sich seiner Begriffe bemächtigen, aber nicht wesentlich davon abhängig find: „Ueber den Grund des Vergnügens an tragischen Gegenständen“ und „Ueber die tragische Kunst“, Ende 1791 verfaßt, Anfang 1792 veröffentlicht. Der erste Aufsatz geht von Kantischen Begriffen aus und gelangt zu einer sehr bedeutsamen philosophischen Begründung der ästhetischen Bedeutung des Tragischen, welches gefällt, weil es in scheinbarem Conflict mit dem Zweckmäßigen höhere Teleologie zeigt; wichtig ist namentlich die Stellungnahme zu der Frage über das Verhältniß der Tragödie zur Ethik, welches bei Lessing noch unsicher blieb: sie hat keinen sittlichen Zweck, sondern wie alle Kunst den des Vergnügens, aber sie erreicht ihn eben durch Darstellung sittlicher Probleme. Die [233] zweite Abhandlung schließt sich weit mehr an Lessing als an Kant an, erklärt den Affect des Mitleids und aus ihm die Tragödie in selbständiger Weise, die von Lessing abweicht und der Bernaysischen Theorie der Katharsis nahe kommt; Aristoteles selbst hat S. erst später (1797) gelesen. – Es folgt eine Pause von mehr als einem Jahr. Bei seinem Dresdner Aufenthalt 1792 verabredete S. einen ästhetischen Briefwechsel mit Körner, von welchem Ende 1792 und Anfang 1793 einiges höchst interessante zustande kam; im Winter 1792/93 las S. über Analytik des Schönen, ein Theil einer Nachschrift wurde 1806 von Ch. F. Michaelis veröffentlicht; endlich wollte S. eine Schönheitslehre unter dem Titel „Kallias“ zu Ostern 1793 veröffentlichen, was nicht zustande kam. Nichts ist für die Kenntniß von Schiller’s philosophischer Aesthetik mehr zu bedauern; denn nach den Proben, welche die Briefe an Körner geben, wäre hier eine zusammenhängende rein philosophische Deduction des Schönen gegeben, dessen geometrischer Ort im System der Philosophie bestimmt worden. Was wir haben, geht tiefer in die eigentliche Speculation hinein, als alles andere von S.; hier findet sich die berühmte Bestimmung des Schönen als „Freiheit in der Erscheinung (oder Analogie eines Gegenstandes mit der Form der praktischen Vernunft)“. Nur Theile des ganzen Planes sind zur Ausführung gekommen. Am bekanntesten ist „Ueber Anmuth und Würde“, Mai und Juni 1793 verfaßt, noch 1793 in der neuen Thalia und besonders veröffentlicht. Die Definition der Anmuth als bewegter Schönheit fand sich schon im Laokoon; das weitere führt Kantische Ideen in origineller Form und mit viel Geist fort; man kann die Beziehung, in welche die Anmuth zur Sittlichkeit gesetzt ist, bezweifeln, muß aber die Fülle seiner Aperçüs bewundern. Während der Abschnitt über Würde der minder hervorragende sein dürfte, ist dann das Erhabene in seinen verschiedenen Unterabtheilungen Gegenstand besonderer Arbeiten. „Vom Erhabenen“ entstand und erschien 1793; „einige Jahre nachher“, sagt die Gesammtausgabe, (vielleicht 1796) wurde der populärer und rhetorischer gehaltene Aufsatz „Ueber das Erhabene“ verfaßt und deshalb neben diesem letzteren von dem älteren Aufsatz „Vom Erhabenen“ nur der zweite Theil „Ueber das Pathetische“ 1801 in die kleineren prosaischen Schriften und daraus in die gesammelten Werke aufgenommen. In dem Aufsatz „Vom Erhabenen“ ist das „Praktisch-Erhabene“ (Kant’s Dynamisch-Erhabenes) besprochen; das „Theoretisch-Erhabene“ (Kant’s Mathematisch-Erh.) in den 1793 erschienenen „Zerstreuten Betrachtungen über verschiedene ästhetische Gegenstände“. Aus derselben Zeit werden wohl auch die erst 1802 in den kleineren prosaischen Schriften veröffentlichten „Gedanken über den Gebrauch des Gemeinen und Niedrigen in der Kunst“ sein, welche öfters an Lessingische Ausführungen anknüpfen. – Eine zweite Gruppe von Schriften ist mehr ethischer Art und zunächst durch äußere Umstände hervorgerufen. S. hatte der Entwicklung der französischen Revolution mit Sorgen zugesehen und war im J. 1792 soweit gelangt, ein Memoire für Ludwig XVI. schreiben zu wollen – zufällig war im nämlichen Jahr das französische Bürgerrecht ihm mit anderen um die Sache der Freiheit verdienten Männern verliehen worden, aber er hat das Diplom erst im März 1798 erhalten. Seine Ansichten über den Ausweg aus den Zeitnöthen zu entwickeln und zugleich sich für seine Pension dankbar zu erweisen, richtete er an den Herzog von Augustenburg vom 9. Februar 1793 an eine Anzahl von Abhandlungen in Briefform; es müssen im ganzen 9 gewesen sein, deren Abfassung etwa bis zum Anfang 1794 sich erstreckt haben wird, der letzte datierte, Nr. 6, ist vom 3. December 1793. Am 26. Februar 1794 gingen diese Briefe beim Schloßbrand in Kopenhagen unter und S. unternahm eine Neubearbeitung; durch einen Zufall haben sich aber die 6 ersten und die erste Hälfte des siebenten Briefes in Abschrift erhalten und sind 1876 von Michelsen veröffentlicht worden. Brief 1 [234] ist bloß persönliche Einleitung; aus 2–5 und 7 hat S. 1794/95 die Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen gemacht, mit einer Menge von Erweiterungen und Umgestaltungen; aus 6 den Aufsatz „über den moralischen Nutzen ästhetischer Sitten“ mit wenigen Aenderungen; es ist nicht unwahrscheinlich, daß die verwandten und um dieselbe Zeit mit diesen publicirten Aufsätze „Von den nothwendigen Grenzen des Schönen“ und „Ueber die Gefahr ästhetischer Sitten“ aus den verlorenen Briefen (7 fin.?), 8 und 9 umgearbeitet sind. In den Horen erschien 1795 „Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen“, im ganzen 27 Briefe; 17–27 führten den Titel „Die schmelzende Schönheit“. Gegenüber den ursprünglichen Briefen an den Herzog von Angustenburg tritt in der neuen, bedeutend umfangreicheren Fassung die philosophische Schulterminologie mehr hervor, nicht ohne an manchen Orten sich mit einem gewissen flimmernden Pathos seltsam zu verbinden. Es sind höchst bedeutsame Gedanken vorgetragen, in welcher Weise die ästhetische Cultur, der „Spieltrieb“ des Menschen, ein Gleichgewicht zwischen Sinnlichkeit und Sittlichkeit herstelle und dadurch als regulatives Princip im Leben des Einzelnen und der Völker von größtem Werth sei; freilich werden diese Gedanken, in Praxis umgesetzt, allzu leicht zu Ideologien, und auch S., so sehr er sich der rein speculativen Bedeutung solcher Ideen bewußt war, ist dieser Klippe nicht ganz entgangen. Nüchterner und klarer sind die drei weiteren Aufsätze, welche das Verhältniß von Schönheit und Sittlichkeit behandeln: „Von den nothwendigen Grenzen des Schönen besonders im Vortrag philosophischer Wahrheiten“ und „Ueber die Gefahr ästhetischer Sitten“, beide 1795 erschienen und in den prosaischen Schriften 1800 zu einem Aufsatz „Ueber die nothwendigen Grenzen beim Gebrauch schöner Formen“ vereinigt, sowie der 1796 erschienene Aufsatz „Ueber den moralischen Nutzen ästhetischer Sitten“. – Eine dritte Gruppe bilden die Aufsätze, welche 1800 in den prosaischen Schriften unter dem Titel „Ueber naive und sentimentalische Dichtung“ vereinigt wurden. Der erste derselben, „Ueber das Naive“, wurde im Herbst 1794 begonnen, durch die Umarbeitung der Briefe über ästhetische Erziehung unterbrochen und September/October 1795 vollendet; er erschien noch 1795; es folgten „Die sentimentalischen Dichter“, November 1795 verfaßt, December 1795 erschienen, und „Beschluß der Abhandlung über naive und sentimentalische Dichter, nebst einigen Bemerkungen einen charakteristischen Unterschied unter den Menschen betreffend“, Januar 1796 vollendet und veröffentlicht. In diesen Aufsätzen macht sich schon die damals bei S. begonnene Umkehr zur praktischen poetischen Production geltend, der Umgang mit Goethe trägt zu entschiedenerer Richtung auf das Concrete bei. Die Aufsätze versuchen nicht mehr so tief wie die früheren in den metaphysisch-speculativen Ursprung des Schönen und seiner Erscheinungs- und Wirkungsweisen einzudringen, sie halten sich in ihrer Art mehr an Lessing’s Weise, indem sie die Verschiedenheit der Kunstarten aufzuzeigen und herzuleiten unternehmen, nur gemäß dem durch Kant zuerst gemachten Fortschritt nicht, wie Lessing, aus der Verschiedenheit des Objects, sondern aus der verschiedenen Verfassung des Subjects. Der Ausgangspunkt der Untersuchung mag etwas einseitig gewählt sein, sofern der Unterschied des naiven und sentimentalischen Dichters auf das Verhalten zur Natur (d. h. natürlichen Wirklichkeit) zurückgeführt wird; jedenfalls gehören die hier entwickelten Begriffe und Kategorien zu den bedeutendsten Errungenschaften der Aesthetik – oder speciell der Poetik, denn die praktischere Richtung dieser Arbeiten zeigt sich auch darin, daß sie sich wesentlich auf die Poesie beschränken. – Außer diesen Hauptarbeiten sind noch ein paar äußerlich veranlaßte zu nennen: „Ueber Matthissons Gedichte“ (1794), „Ueber den Gartenkalender auf das Jahr 1795“ (1794); ferner noch 1800 in Goethe’s Propyläen eine Kritik malerischer Konkurrenzentwürfe. [235] Die Gesammtsumme der ästhetischen Thätigkeit Schiller’s ist eine höchst bedeutende; er hat die Wissenschaft an mehreren Punkten um fruchtbare Gedanken bereichert, wenn er auch in der Form seines Vortrags, mit Ausnahme etwa der Aufsätze über naive und sentimentalische Dichtung, nicht immer glücklich zwischen philosophischer Begriffsschärfe und populär-rhetorischer Darstellung sich bewegt. Man kann seine Aesthetik kurz als die des Dualismus zwischen Stoff und Form, Materie und Geist, Natur und Sittlichkeit bezeichnen, wobei das Schöne eben in der harmonischen Ueberwindung des Gegensatzes gefunden wird; freilich neigt bei aller Gerechtigkeit gegen das sinnliche Element das specifische poetische Talent des Verfassers zu sehr nach der Seite des Spiritualismus, um nicht diesem das Uebergewicht zu geben und einmal bis zu dem Ausspruch zu führen: „Der letzte Zweck der Kunst ist die Darstellung des Uebersinnlichen“. Wenn in diesem Dualismus Schiller’s Aesthetik den stricten Gegensatz bildet zu der ihr sofort nachfolgenden romantischen Aesthetik in Schelling’s Identitätsphilosophie, so führen andererseits eben die Romantiker Schiller’s Werk einfach weiter, indem sie den idealistisch-einseitigen Grundgedanken der reinen Schönheit bis zu dem Punkte führen, wo er sich überschlägt. In dieser Idee der reinen Schönheit liegt Schiller’s und Goethe’s Unterschied von der Aesthetik der Sturm- und Drangperiode ihrer eigenen Jugend, welche auf das Charakteristische und Naturalistische gerichtet war. In diesem Schönheitsideal liegt die Gefahr der stofflichen Inanition, welcher dann die Romantiker verfallen sind und die bei ihnen sehr schnell durch das wahllose Formvirtuosenthum hindurch zur Herrschaft roher Stoffmasse geführt hat. S. und Goethe wußten noch Halt zu machen und ihr, speciell Schiller’s Verhältniß zu den Romantikern ruht eben auf diesem Gegensatz, der sich zwischen solchen, die denselben Ausgangspunkt hatten, viel erbitterter gestalten mußte, als wenn der Ausgangspunkt ein ganz verschiedener gewesen wäre.

Im November 1795, als S. noch mit der Arbeit über naive und sentimentalische Dichtung beschäftigt war, schrieb er: „Ich habe nunmehr auch allen speculativen Arbeiten und Lesereien, obgleich mir darin noch so viel zu thun übrig wäre, auf unbestimmte Zeit entsagt“. Er war damals schon in lebhafter poetischer Thätigkeit. Der Plan des Wallenstein schwebte ihm bereits vor; zunächst aber finden wir ein paar Jahre lebhafter lyrischer Production. Einen äußeren Rahmen für die Veröffentlichung der von 1795 an in rascher Folge entstandenen lyrischen und verwandten Gedichte bot der „Musen-Almanach“, der für 1796 bei Michaelis in Neustrelitz, für 1797, 98, 99, 1800 bei Cotta unter Schiller’s Redaction erschien, dann wegen der energischeren und ausschließlicheren Zuwendung zum Drama aufgegeben wurde; auch die Horen enthielten manche Gedichte Schiller’s; mit dem Gesagten stimmt es zusammen, wenn die weitaus meisten Gedichte von 1795 und 1796, eine ziemliche Anzahl noch von 1797 ist, von da an nur noch wenigere nachfolgen. In den Jahren 1800 und 1803 hat dann S. seine Gedichte (die Jugendgedichte der „Anthologie“ nur zum kleinsten Theil und sehr verstümmelt) in zwei Bänden vereinigt. Die Gedichte seines letzten Jahrzehnts haben zu einem sehr guten Theil seinen Ruf, namentlich in weiteren Kreisen, verbreiten geholfen. Der reinen Gefühlslyrik hat S., seiner Grenzen jetzt genau bewußt, weit mehr als in der Jugend entsagt. Um so größer, reicher und harmonischer ist er jetzt, zumal in der Gedankenlyrik. die insbesondere den Anfang seiner wiedererwachenden Thätigkeit, das Jahr 1795, charakterisirt und in welcher er, von dem athemlosen Pathos und der didaktischen Breite der „Künstler“ zurückgekommen , öfters Unübertreffliches geleistet hat. Wenn mehrere der hierher gehörigen Gedichte echt lyrischen Fluß der Melodie haben, so neigen andere mehr zu epigrammatischer Zuspitzung. Dies gilt zumal von denen des Jahres 1796. Gegen Ende 1795 studirte S. den Martial und [236] faßte den Gedanken einer Sammlung von „Xenien“ nach dessen Muster. Goethe ergriff denselben eifrig und beide wetteiferten nun im Verfassen solcher bald harmloseren bald bösartigeren Epigramme. Nach gehöriger Sichtung erschienen im Musenalmanach für 1797 die Xenien; es ist bei vielen, besonders mit Hülfe der Notizen von Schiller’s Frau, gelungen, die Autorschaft für S. oder für Goethe zu sichern; bei vielen muß dieselbe zweifelhaft bleiben und es kann nur im allgemeinen festgestellt werden, daß Schiller’s Xenien, wie er der Vater des ganzen Gedankens war, auch den Vorzug der epigrammatischen Schärfe vor Goethe’s entschieden verdienen. Nicht immer haben sich beide Dichter, und besonders S., in den Grenzen humaner Milde bei diesen Invectiven gehalten, in welchen die verschiedensten zeitgenössischen Dinge und Personen besonders der litterarischen Sphäre durchgenommen wurden; der Ton der romantischen Polemik kann aber zeigen, wie sehr man an erregten und absprechenden Vortrag solcher Dinge damals gewöhnt war, und die zahlreichen Entgegnungen, welche auf die gierig verschlungenen Xenien erschienen, sind zumeist so unbedeutend, theils larmoyant, theils gemein, daß Goethe’s Aeußerung begründet war: „Reinlicher konnte die Grobheit und die Beleidigung von dem Geist und dem Humor nicht abdestillirt werden“. – Der Musenalmanach für 1798 ist besonders charakterisirt durch die Balladen, nach welchen man ihr Entstehungsjahr, 1797, auch als das „Balladenjahr“ bezeichnet; die größere Hälfte der allbekannten Balladen Schiller’s ist damals, die kleinere in den folgenden Jahren gedichtet. Der Musenalmanach für 1799 brachte wenig mehr von S. selbst, der für 1800 als würdigsten Abschiedsgruß noch das Lied von der Glocke, das auf weit ältere Anregungen zurückgeht, aber erst 1799 vollendet ist.

Viel wichtiger als diese lyrische Production ist die neben ihr wieder aufstrebende und sie dann ganz in den Hintergrund drängende dramatische, eröffnet durch den Wallenstein. Das äußere Leben Schiller’s in der Zeit, da er an diesem Drama arbeitete, ist wenig ereignißreich; fast nur Familienvorgänge. Am Lazarethfieber, das sich durch Verwundete auf der Solitüde eingenistet hatte, starb Schiller’s jüngste Schwester Nanette, die sich dem dramatischen Beruf nicht ohne Talent zu widmen gedachte, am 23. März 1796; am 7. September 1796 der Vater, der an heftigen rheumatischen Uebeln gelitten hatte; beide sind auf dem Kirchhof des nächsten Dorfes Gerlingen begraben. Die Mutter zog nach dem benachbarten Leonberg; von dort siedelte sie December 1801 nach Stuttgart und dann nach Cleversulzbach bei Weinsberg zu ihrer an den dortigen Pfarrer Frankh verheiratheten Tochter Luise über, wo sie am 29. April 1802 starb; Ed. Mörike hat 1837 als Pfarrer von Cleversulzbach ihr Grab durch einen Stein geziert. Am 11. Juni 1796 wurde Schiller’s zweiter Sohn Ernst, am 11. October 1799 seine erste Tochter Karoline geboren, diese mit lebensgefährlicher Erkrankung ihrer Mutter, die aber glücklich geheilt wurde. Am 2. Mai 1797 bezog S. seinen neugekauften Garten in Jena. Im nämlichen Jahr wurde er zum Mitglied der Stockholmer Akademie, 1798 zum ordentlichen Honorarprofessor in Jena ernannt, lediglich der Auszeichnung wegen, denn seine Vorlesungen hatte er schon seit 1793 aufgegeben.

Das Werk der Jahre bis 1799 ist Wallenstein, Schiller’s größtes Drama in jedem Sinne des Wortes. Der Gegenstand war ihm durch seine Geschichte des dreißigjährigen Krieges nahe gerückt; schon während der Arbeit an diesem Werk taucht der Gedanke dramatischer Bearbeitung auf, wird aber erst seit 1794 lebendiger und gewinnt seit October 1796, nach Absolvirung der ästhetischen Arbeiten und der Mehrzahl der Gedichte, festere Gestalt. Von da an dauert die Arbeit noch mehr als zwei Jahre; S. hat für dieselbe mindestens ebenso ausgedehnte historische Studien gemacht wie für sein geschichtliches Werk. Nachdem [237] S. zuerst hatte Prosa wählen wollen, ging er bald zu dem jambischen Versmaß, mit Ausnahme des nur die Situation exponirenden, daher nicht streng dramatischen Vorspiels über, für das er sehr glücklich die frei behandelten alten Reimpaare wählte. Am 17. Marz 1799 war das Ganze vollendet; Piccolomini und Tod bildeten ursprünglich ein Stück, wie sie denn auch in ihrer Handlung unmittelbar zusammenhangen, die Theilung in 2 fünfactige Stücke erfolgte nur der Länge wegen. Die erste Aufführung des Lagers erfolgte in Weimar am 12. October 1798, zugleich zur Wiedereröffnung des Theaters, wozu S. auch den Prolog dichtete; die der Piccolomini am 30. Januar 1799, die des Ganzen am 15., 17., 20. April 1799. Im Druck sollte Wallenstein ursprünglich Ostern 1799 erscheinen, kam aber wegen der Abmachungen mit den Theatern erst 1800 heraus. – Wallenstein ist schlechthin Schiller’s größte dramatische Leistung und in seiner Art einzig. Die Vorstellung einer Trilogie muß man fallen lassen; das Lager ist ein bloßes Vorspiel ohne Handlung und die Piccolomini sind kein dramatisches Ganzes für sich. Die Handlung des eigentlichen Dramas (Piccolomini und Tod zusammen) ist lang, aber nicht gedehnt, noch auch durch schwer übersehbare Verwicklungen wie im Don Carlos in die Länge gezogen. Am ehesten wäre das von den Episoden zwischen Max und Thekla zu sagen. Diese Liebe ist an sich eine dramatisch wohl motivirte Erfindung, denn Max wird durch sie taub und blind gegen alles, was um ihn vorgeht, und so kann er Wallenstein nicht warnen; ebenso ist die Person des Max selbst und sein Verhältniß zu Wallenstein vortrefflich gedacht; nicht nur lernen wir dadurch an dem Realisten Wallenstein eine schöne menschliche Seite kennen (s. besonders Wallenstein’s Tod V 3), sondern Maxens Existenz ist ein wichtiges Rad in dem Uhrwerk des Ganzen: die Tragik, soweit sie aus der Situation fließt, ist die, daß er der einzige ist, der zugleich Freund Wallenstein’s und Feind seines Abfalls ist, und daß dieser einzige den Abgrund erst sieht, wie es zu spät ist; dadurch ist gewissermaßen die Tragik der Umstände mit der aus Wallenstein’s eigenem Charakter fließenden tragischen Nothwendigkeit verbunden. Aber daß der sentimental-platonische Charakter jener Liebe zwischen Max und Thekla den Ton des Ganzen widerwärtig stört, sollte nicht geleugnet werden. Das übrige Stück zeigt nichts von solcher Schönseligkeit. Nirgends hat S. seinen Hang zur Idealisirung sei es ins Gute sei es ins Böse so sehr unterdrückt wie eben im Wallenstein; er selbst äußert sich öfters, wie wenig Sympathie er seinem Helden abgewinnen könne. Objectivität und Realismus herrscht hier, wie bei S. in den Jugendstücken nie in diesem Maße, in den späteren ohnehin nie. Die Figur Wallenstein’s hat nur gewinnen können, indem sie nicht ins Idealistische verzeichnet wurde; sie hat genug Größe und zugleich, namentlich durch den meisterhaft verwendeten Sternglauben, genug tragische Blindheit neben aller Verstandeshelle an sich, um ohne jede Idealisirung großartig zu wirken. Wallenstein ist vor allem Charaktertragödie, auch in dieser speciellen Hinsicht das größte, was S. geleistet; die Schicksalsbestimmnng ist lediglich als psychologisches Vehikel der Handlung gebraucht, und es ist verkehrt, schon hier den griechischen Schicksalsbegriff bei S. finden zu wollen. Neben dem Helden selbst breitet sich die Umgebung in allerlei seinen Abstufungen der Charakteristik aus, hebt ihn, macht ihn verständlich, ohne je seine Figur aus dem Mittelpunkte des Interesses zu rücken. Auch in den Nebenfiguren ist alles mit energischem Strich gezeichnet, und hier zum letzten Mal finden wir (auch abgesehen von dem Lager, das in seiner Art durch nichts von modern-altdeutscher Poeterei entfernt erreicht wird) auch komische Züge gebraucht und zur Steigerung der Gesammtentwicklung aufs beste verwendet.

Auf den Wallenstein, dessen mehrjährige und zögernde Ausarbeitung die zweite dramatische Periode Schiller’s ebenso einleitet, wie die mehrjährige Arbeit [238] am Don Carlos die erste schließt, folgt wieder wie in den Jugendjahren eine rasche Folge dramatischer Productionen; neben den eigenen Werken stehen noch zahlreichere Bearbeitungen fremder, so daß die letzten Lebensjahre Schiller’s eine Zeit angestrengtesten, aber im Gegensatz zu manchen früheren Brodarbeiten auch freudigsten Schaffens bilden, das freilich, dem schwachen Körper abgerungen, nicht zu dessen Besserung beitrug. Einmal wieder mit dem Theater in Berührung gekommen, von der akademischen Thätigkeit längst entfernt, wünschte S. der Bühne näher zu sein und siedelte am 3. December 1799 nach Weimar, seinem letzten Wohnsitz, über. Er war für das dortige Theater, das jetzt in die Zeit seiner classicistischen Blüthe eintrat, schon früher thätig gewesen und hat für dasselbe eine Anzahl von Bearbeitungen geliefert, die nur zum Theil in die gewöhnlichen Ausgaben seiner Werke übergegangen sind. S. selbst hat herausgegeben die zwei Bearbeitungen fremdsprachlicher Dramen: Shakespeare’s Macbeth, vom Januar bis März 1800 bearbeitet, und Racine’s Phädra, für den 30. Januar 1805 übersetzt; manche Vorwürfe, die man ihm wegen abschwächender Idealisirung des ersten Stücks gemacht hat, wären vielleicht unterblieben, wenn man die Bestimmung für ein modernes Theaterpublicum erwogen hätte. Turandot, im Winter 1801/1802 entstanden und am 30. Januar 1802 zum Geburtstag der Herzogin aufgeführt, ist freie Bearbeitung des Märchens von Gozzi nach einer prosaischen deutschen Uebersetzung. Erst nach Schiller’s Tod erschienen in seinem „Theater“ die Uebersetzungen der zwei französischen Lustspiele des Picard „Der Neffe als Onkel“ und „Der Parasit“, die sich, bei dem völligen Mangel eigener poetischer Arbeit von Seiten Schiller’s, in seinen Werken ziemlich seltsam ausnehmen, so munter sie zu lesen sein mögen. Erst durch die Bemühungen kritischer Herausgeber sind die Bearbeitungen von Goethe’s Egmont und Lessing’s Nathan bekannt geworden; die des Othello von Heinrich Voß hat S. durchcorrigirt; seine Thätigkeit beim Insceniren anderer Stücke ist für uns nicht mehr genau controlirbar.

Viel wichtiger sind die eigenen dramatischen Arbeiten. Ein alter Plan, schon in der Bauerbacher Zeit genannt, war Maria Stuart. Er wurde am 26. April 1799 wieder aufgenommen. Am 9. Juni 1800 war das Stück fertig, zur Vollendung der letzten und schwierigsten Partien hatte S. sich auf Schloß Ettersburg zurückgezogen; am 14. Juni fand die erste Aufführung in Weimar statt; 1801 erschien das Stück im Druck. Maria Stuart gehört wie Don Carlos und in entfernterer Weise Wallenstein zu den Stoffen, auf die ein kirchlich-politisches Interesse führen konnte und wohl auch ursprünglich geführt hat. Der älteste Gedanke einer Maria Stuart ging bei S. gewiß noch aus dem Wunsche hervor, dem auch Don Carlos seine Existenz ursprünglich verdankte, liberale, antirömische Ideen poetisch zu verkörpern. Wenn schon im Don Carlos das in der Ausführung mehr zurückgetreten ist, so noch weit mehr in Maria Stuart. Man hat S. angeklagt, dem Princip der Reformation ungetreu geworden zu sein und an der romantischen „artistischen Prädilection“ für die ästhetischen Formen des Katholicismus Theil genommen zu haben. Der Vorwurf, das Charakteristische dem Idealistisch-Schönen zu sehr nachgesetzt zu haben, wird sich den folgenden Stücken nicht ersparen lassen, und die Verherrlichung des Katholicismus wäre von der Jungfrau von Orleans mit etwas mehr Recht auszusagen; aber der Gesichtspunkt ist falsch; es handelte sich für S. um keinerlei religiöse oder politische Tendenz, er wollte rein menschliche Wirkungen üben. Ob sich die Forderung, daß von dem großartigen Kampf zwischen alter und neuer Kirche ein bedeutenderes und den Ideen der letzteren gerechteres Bild hätte gegeben werden sollen, gerade an dem Gegenstand der Maria Stuart hätte verwirklichen lassen, ohne daß die beiden Königinnen zu bloßen Sprachrohren geworden wären, [239] kann man füglich bezweifeln. Richtig ist, daß aus Maria mehr zu machen gewesen wäre; der dämonische Reiz sinnlich mächtiger Weiblichkeit ist S. versagt, und ein solcher war hier nicht zu entbehren. Die Läuterung der Heldin von irdischer Schwere, durch das letzte Aufflammen der beleidigten Hoheit in dem Zank mit Elisabeth hindurch, bis zu der Verklärung ihres Todesgangs ist sehr schön gezeichnet, aber mehr rührend als packend; denn wir bekommen den Dämon der Welt- und Fleischeslust, der gebändigt wird, nicht zu sehen. Im übrigen ist Maria Stuart eine nicht ebenbürtige, aber keineswegs unwürdige Nachfolgerin des Wallenstein; der Zwang eines dem Dichter selbst keine persönliche Sympathie abnöthigenden Stoffes ist auch hier noch vortheilhaft zur Geltung gekommen; wir erhalten ein im wesentlichen objectiv gehaltenes Bild, dem weder die feste Geschlossenheit der Handlung noch sachliche Bedeutsamkeit und farbige Ausführung fehlen. Die politische Welt, in der wir uns in dem Stück bewegen, ist ohne Doctrinarismus und ohne Einmischung eines subjectiven Pathos gezeichnet, wie es im Fiesko und Wallenstein gelungen war und dann erst im Demetrius wieder gelingen sollte.

Sofort nach Beendigung der Maria Stuart ging S. an die Ausarbeitung der Jungfrau von Orleans, welche am 1. Juli 1800 begonnen, im April 1801 vollendet wurde. Auf die Bühne kam sie zunächst nicht in Weimar, weil Karl August von dem Stoffe der Pucelle Wirkungen unfreiwilliger Komik, obwohl sehr mit Unrecht, befürchtete, erst 1803 wurde dieser Bann gebrochen: die erste Aufführung fand vielmehr am 18. September 1801 in Leipzig statt, S. wohnte derselben, von einem im August unternommenen Besuch in Dresden zurückkehrend, bei und wurde beim Verlassen des Theaters von ungeheurem Jubel begrüßt. Das Stück erschien als Kalender auf 1802. Nach zwei Briefstellen muß S. neben dem wirklich ausgeführten Plan des Stückes noch zwei weitere erwogen und auch nach der Vollendung noch gelegentlich an Ausführung eines der beiden andern gedacht haben; was wir über einen derselben erfahren, zeigt realistischere Fassung und im Ausgang des Ganzen geschichtliche Treue. Das ausgeführte Stück weicht eben in der Katastrophe und dem Schlußausgang von der Geschichte ab; Johanna geht ihrer Mission verlustig, weil sie eine irdische Neigung gefaßt hat, und wird am Ende, als Siegerin über sich selbst und über den Feind gefallen, verklärt; wenn Ersteres hervorging aus dem Wunsch. eine psychologische Entwicklung der Heldin zu bekommen, so entspricht die Schlußentwicklung ganz der in diesem Stück mit aller Macht einer gewaltsam unterdrückten Leidenschaft hervorbrechenden Neigung zum Idealisiren, die bei S. selbst wohl nirgends so stark und beherrschend ist wie in der Jungfrau. In der That äußert S. selbst, daß er hier wieder einmal sein Herz reden lassen könne und wolle, und das bekannte Gedicht „Das Mädchen von Orleans“ spricht das deutlich aus. Die mächtige Wirkung, die das Stück bei jeder Aufführung ausübt, vor allem auf die Jugend, begreift sich leicht. Die Macht einer hinreißend schönen, pathetisch getragenen Sprache hat S. kaum je sonst in einem Stück so geübt wie hier; eine Fülle patriotischer Sentenzen ist durch das Werk zerstreut; die reinsten und edelsten Empfindungen werden ausgesprochen; ein gebrochenes Volk unter einem unkriegerischen König erhebt sich durch die Macht gottentstammter Begeisterung zu heldenmüthigem Aufschwung und die Sache der nationalen Erhebung erscheint schließlich durch den siegreichen Tod der Führerin verklärt. Auch wer mehr nach den technischen Bühnenwirkungen fragt, findet seine Rechnung; wenn S. in dieser Beziehung von Anfang an seinen Instinct gezeigt hat, so hat er es hier vermocht, ein Stück, dessen Hauptinhalt Krieg ist, auf gleicher Höhe der Wirkung durchzuführen und zwar ein gut Stück weit ins Opernhafte hineinzugehen, aber nirgends zum Spectakelstück herabzusinken. Die tiefer eindringende dramatische Kritik des Inhalts und [240] der Motive wird allerdings nicht umhin können, auf schwerwiegende Mängel des dramatischen Gehalts hinzuweisen. Der Gestalt der Heldin fehlt alles Naive, Unbewußt-Visionäre; Sch. kann Charaktere, keine Naturen schaffen. Daher glaubt man auch nicht an die plötzliche Liebe zu Lionel, und die dafür erfolgende Strafe erscheint als Conventionalstrafe eines Contractbruchs roh und hart, weil wir keinen Einblick in das elementare Weben einer weiblichen Natur bekommen. S. ist hier im nämlichen Fall wie Lessing mit der Emilia Galotti: beide wollen zeigen, wie der Zunder sinnlicher Neigung, in eine nichts ahnende Weibesseele geworfen oder ihr nur nahe gebracht, sie in ihrem traumhaft sicheren Gange stört, aber sie haben die Farben zu diesem Gemälde nicht in der Hand. Lessing ist hier noch besser daran, weil seine epigrammatische Art Gelegenheit giebt, zwischen den Zeilen zu lesen, während S. die Linien mit rhetorisch üppigen Farben überdeckt hat. Darüber und über die Schwächlichkeit der ganzen Umgebung der Heldin, durch welche man gereizt wird für den männlichen Talbot Partei zu nehmen, kann keine Vortrefflichkeit der Gesinnung, keine Pracht der Verse und der scenischen Erscheinung hinwegtäuschen: ein zauberhaft wirkendes Festspiel, dem zur Oper nicht einmal die lyrischen Partien fehlen, keine Tragödie.

S. verharrte zunächst in diesem Wege der idealistischen, formalistischen Darstellung. Das Studium der Antike bestärkte ihn darin; dieses und die scenische Wirkung solcher Stoffe wie die Jungfrau mögen zusammengewirkt haben, ihn zunächst von der Charaktertragödie immer weiter abzuführen. Wallenstein war eine im höchsten Sinn des Worts, auch noch Maria Stuart; in der Jungfrau war der Charakter der Heldin mißlungen; die zwei letzten vollendeten Stücke zeigen keine Charaktere mehr, sondern Handlungsmotive und Typen. Möglich, daß auch äußerliche Gründe S. zunächst auf dem Wege des antikisirenden Dramas festhielten. Eben damals sollte er, auf den die Romantiker als den zurückgebliebenen Rationalisten, als bloßen Moralisten und Declamator herabsahen, von den Vertretern der Nicolai’schen Schule auf den Schild erhoben werden. Kotzebue wollte am 5. März 1802 eine tendenziöse Ovation für ihn veranstalten. Diese wurde durch den Widerstand derjenigen vereitelt, welche die Erlaubniß dazu zu geben hatten, und S. wird damit einverstanden gewesen sein. Am 29. April 1802 – um diese biographischen Daten kurz zu erwähnen – bezog S. das von dem Engländer Mellish gekaufte Haus. in dem er bis an sein Ende gewohnt hat; es war derselbe Tag, an dem seine Mutter starb; im Herbst 1802 wurde er auf Antrag Karl August’s vom Kaiser in den Adelstand erhoben. Im Sommer des nämlichen Jahres las S. den Aeschylus, und dieses Studium war vielleicht Anlaß, daß er eine directe Nachbildung der antiken Tragödie versuchte. Diese entstand in der Braut von Messina, welche vom August 1802 bis 1. Februar 1803 gedichtet, am 19. März in Weimar aufgeführt und im Juli herausgegeben wurde unter dem Titel: „Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder“. Schon dieser Nebentitel zeigt die Verwandtschaft des Motivs mit dem der Räuber; in der That soll das Stück mit dem Plan eines zweiten Theils der Räuber zusammenhangen. Der Stoff ist (zum letzten Mal) frei erfunden und hat auch die Mängel frei erfundener Stoffe an sich; das Typische der Behandlung ist aber nicht nur aus der Stoffwahl geflossen, sondern den letzten Stücken Schiller’s überhaupt eigen und hier durch den Stil des Werkes noch verstärkt. S. ist eifrig bemüht gewesen, dem Stoff Local- und Zeitfarbe zu geben, indem er ihn in die Normannenzeit Siciliens verlegte. Das hat zu glänzender Formgebung Anlaß gegeben und ist vortrefflich geglückt, wenn auch die Religionsmischung, welche S. eben mit seinem Schauplatz rechtfertigen wollte, störend wirkt und ganz überflüssig war, denn sie wirkt nur als stilistisches Mittel, nicht als tiefer liegendes Motiv. Mit dem Thema des Brudermordes ist verknüpft die [241] antike Schicksalsidee nach dem Vorbild des König Oedipus, das ziemlich genau nachgeahmt ist, ohne daß aber in der Nachahmung die Größe des Originals erreicht würde. S. hat durch diese Seite seines Werkes eine ganze Reihe von Schicksalstragödien hervorgelockt; es wäre ungerecht, für die Albernheit mancher derselben ihn verantwortlich zu machen, denn sein Schicksal, so wenig es dem tieferen Sinne zusagen mag, ist doch immerhin großartig behandelt und frei von jedem Beigeschmack des Ammenmärchens. Auch in der äußern Form hat S. sich der antiken Tragödie angeschlossen; wenn er auch ihren Trimeter nur vorübergehend im letzten Act und zwar mit Glück zu besonders feierlicher Wirkung verwendet hat, so ist daneben der Chor als Ingrediens hereingekommen, zugleich, wie in minderem Maß schon in der Jungfrau, lyrische Vorträge der handelnden Personen. Die lyrischen Maße sind, wie schon in den früheren Uebersetzungen Euripideischer Stücke, nur in der Freiheit der Metra den alten Chorliedern nachgebildet, in ihrer metrischen und stilistischen Haltung modern, und diese Chorpartien haben S. Gelegenheit gegeben, jene Fülle großer Gedanken in edelster Form einzustreuen, welche die Braut von Messina mit Recht berühmt gemacht haben. Eine Aenderung im Wesen des Chors hat S. angebracht, indem er ihn in zwei Theile theilte und jeden einem der beiden feindlichen Brüder als Gefolge beigab; dies tritt in dramatischer Beziehung aber nur da hervor, wo der Chor an der Handlung theilnimmt; wo er nur lyrisch reflectirt, ist es rein äußerliche Form. S. hat den Chor zu rechtfertigen versucht in der dem Stück vorausgeschickten Abhandlung „über den Gebrauch des Chors in der Tragödie“; er faßt ihn, im engsten Zusammenhang mit seiner eigenen Hinwendung zum Formalschönen, als den letzten Schritt zu einer rein poetischen Tragödie. Man kann den Chor der Braut von Messina und das ganze Stück als ein dramaturgisches Experiment bezeichnen, das zum Glück nicht häufiger gemacht wurde, das aber in diesem einen Falle in poetischer Beziehung gut gelungen ist. – S. beabsichtigte noch eine andere Tragödie mit Chören: „Die Malteser“; dieser Plan, dessen Gegenstand aus der Lectüre von Vertot’s Geschichte des Malteserordens stammte, kehrt von 1791–1803 oft wieder, es kam aber nur zur Aufzeichnung mannigfacher Motive und Entwürfe; Friedr. Notter hat in seinen „Johannitern“ (1865) den Gegenstand im Anschluß an Schiller’s Plan, aber im Einzelnen selbständig und ohne Chöre behandelt.

Mit seinem nächsten, dem letzten vollendeten Drama „Wilhelm Tell“ kehrte S. wieder zum Schauspiel in moderner Form zurück. Diesen schon zuvor mehrfach behandelten Stoff hatte Goethe 1797 als Epos behandeln wollen und wollte ihn dann an S. abtreten, bei dem sich aber zunächst noch keine Lust regte; 1801 wurde S. durch die Anfrage mehrerer Bühnen, wie es mit seinem Tell stehe, wieder auf den Stoff geführt. Aber erst 1803, als er mit Jungfrau von Orleans und Braut von Messina schon völlig von der Charaktertragödie zu der reinen Handlung übergegangen war, ging er an diesen Stoff. Im August 1803 wurde das Stück begonnen, 18. Februar 1804 vollendet und am 17. März aufgeführt; es ist im October 1804 erschienen. S. hat, wie für alle andern Dramen (soweit nicht frei erfunden), so in ganz besonderem Maße für den Tell sehr genaue Vorstudien gemacht. In Beziehung auf die Gestalt der Sage schloß er sich an Tschudi an, dessen Ausdrücke noch mitunter nachklingen. Die mangelnde Kenntniß des Locals suchte er durch geographische und naturgeschichtliche Studien zu ergänzen. Die Autopsie seiner Frau und Goethe’s konnte ergänzend eintreten. Dieses locale Element, bei andern Stoffen ganz entbehrlich, war hier unbedingt nothwendig; der Gegenstand ist hier durch das Local im höchsten Grade mitbedingt und konnte nur unter liebevollster Berücksichtigung desselben, [242] die denn auch zu einer bedeutenden Concretheit und Correctheit der geographischen Darstellung geführt hat, poetisch bearbeitet werden. Denn die Fabel war nicht anders als in einem breiten Bilde der gesammten Situation zu behandeln. Zu einem Charakterdrama war hier absolut keine Möglichkeit; jeder Versuch eines solchen hätte zu lächerlicher Aufbauschung eines an sich erhebenden und rührenden, aber durchaus typischen, nicht individuellen Vorgangs führen müssen. S. hat weise auf Charakterzeichnung verzichtet. Alle Personen sind Typen, ohne deshalb eben nur Schablonen zu werden; auch der Held ist keine aus dem Rahmen gesunder Natürlichkeit heraustretende Person, sein Gegner Geßler ganz passend als conventioneller Fabeltyrann gezeichnet, wie sich die Volkstradition einen denkt, höchstens durch den feinen Zug der Kinderlosigkeit näher motivirt. Nur einem solchen gegenüber konnte die Geschichte in ihrer legendarischen Einfalt festgehalten werden, jede individuelle Fassung hätte einen Riß in das Ganze gemacht und den Leser auf die Seite des Individuums gegenüber der Collectiverscheinung des Volkes gedrängt. Wenn wir diese mit Bewußtsein gezogene Schranke anerkennen, so ist schwerlich etwas an dem Stück zu tadeln, es wäre denn der etwas opernhafte Eingang, der übrigens vortrefflich exponirt, und die Ungleichheit zwischen dem hohen dramatischen Stil und der den Quellen entnommenen populären Diction. Die Entwicklung und scenische Mache ist gut, zum Theil, wie in der Schlußscene, wo der Streit zwischen Rudenz und Geßler in dramaturgischer Beziehung neben die Rede Hamlet’s vor Erscheinung des Geistes gestellt werden darf, ausgezeichnet. Die äußere Darstellung wird man vom Standpunkt der Butzenscheibenpoesie anders wünschen; S. schrieb für moderne Menschen. So ist Tell, dem Gehalt nach nicht hervorragend, der Ausführung nach ein wohlthuend befriedigendes Werk, das vielleicht harmonischer wirkt als irgend ein anderes seines Dichters.

Gleich nach Vollendung des Tell begab sich S. an eine neue Arbeit, die am 10. März 1804 begonnen, öfters wieder zurückgelegt und nicht vollendet wurde. Was wir von „Demetrius“ haben, sind eine Reihe mehr oder weniger ausgeführter Scenen, scenische Entwürfe, Auszüge und Notizen in ziemlich großer Anzahl; es hat genügt, um mehrere und darunter bedeutende Dichter zur Vollendung des Ganzen zu reizen, und es genügt, um die Nichtvollendung gerade dieses Werkes besonders schmerzlich empfinden zu lassen. Bei diesem (der russischen Geschichte entnommenen) politisch und psychologisch schwerwiegenden Stoff wollte S. zur Charaktertragödie zurückkehren und hätte hier zweifellos eine Leistung hingestellt, wie sie ihm, wenn man auf den dramatischen Gehalt sieht, seit dem Wallenstein nicht mehr gelungen war. Auch die Massenwirkung für die Bühne wäre, wie die herrliche Scene des polnischen Reichstags zeigt, nicht zu kurz gekommen. Die zunehmende Kränklichkeit und der Tod haben die Vollendung verhindert; aber neben diesem Plan hat S. mit der den Phthisikern eigenen unverwüstlichen Elasticität und Arbeitslust eine ganze Reihe anderer dramatischer Pläne gehegt. die sämmtlich viel weniger weit gediehen sind, aber auch so einen willkommenen Einblick in die Betriebsamkeit Schiller’s, in seine Fähigkeit, das Dramatisch-Brauchbare in den verschiedensten Stoffen zu finden, gewähren; man verdankt die Kenntniß dieser Pläne theils den Einträgen in seinem Kalender, theils anderweitigen Aufzeichnungen und Mittheilungen. Derjenige dieser Entwürfe, welcher noch am weitesten gediehen ist (neben den oben erwähnten Maltesern), ist „Warbeck“, gewissermaßen ein Vorläufer des Demetriusplans, denn es ist ebenfalls die Geschichte eines falschen Prätendenten (unter Heinrich VII. von England); 1803 wurde der Plan hinter den des Tell zurückgestellt. Ebenfalls der mittleren oder neueren Geschichte gehören an „Rosamund“, „Elfride“, „Die Gräfin von Flandern“, „Die Prinzessin von Celle“, der alten „Themistokles“ und „Agrippina“. [243] Daneben erscheint modernes Schauspiel; besonders mit Liebe gehegt „Die Kinder des Hauses“, ferner „Die Polizei“, „Das Schiff“, „Die Flibustier“; sogar „ein Lustspiel in Geschmack von Goethe’s Bürgergeneral“ ist skizzirt. Anderes sind für uns bloße Namen.

Neben solchen litterarischen Plänen konnte S. sich noch ein Jahr vor seinem Tode mit Gedanken für die Verbesserung seiner äußern Lage tragen, welche trotz den recht beträchtlich gestiegenen Einnahmen infolge größerer geselliger Verpflichtungen noch immer nicht glänzend war. Es schien Aussicht vorhanden, ihn nach Berlin ziehen zu können. S. reiste am 26. April 1804 mit seiner Frau dorthin; Iffland und der Cabinetsrath v. Beyme suchten ihn für Berlin zu gewinnen und er wurde aufgefordert, Bedingungen für seine dortige Ansiedlung, etwa als Mitglied der Akademie, zu stellen. Er that das, nachdem er am 18. Mai von Berlin abgereist und am 21. in Weimar angekommen war, bat aber zugleich seinen Herzog um Gehaltserhöhung, nach deren Gewährung er die Sache fallen ließ, die auch in Berlin aufgegeben wurde. – Am 25. Juli 1804 wurde Schiller’s jüngstes Kind Emilie geboren. Um dieselbe Zeit erlitt er einen heftigen neuen Anfall seiner Krankheit; solche wiederholten sich häufig und erschütterten die schwache Constitution rasch. In den Pausen konnte S. noch am Demetrius arbeiten, Pläne für das nächste Jahr fassen und für den 12. November zu Ehren der Erbgroßherzogin, Großfürstin Maria Paulowna, das liebenswürdige Festspiel „Die Huldigung der Künste“ verfassen, welchem die rasch gefertigte Uebersetzung der Phädra folgte. Aber das Jahr 1805 brachte neue Anfälle des Fiebers; ein letzter erfolgte am Abend des 29. April im Theater; von da an verließ er das Zimmer nicht mehr. Nach zehntägiger Krankheit, die öfters mit Bewußtlosigkeit einherging, die ihn aber in den hellen Stunden nie der Heiterkeit des Gemüthes berauben konnte, ist S. am Abend des 9. Mai 1805 entschlafen.

Die Beerdigung des Leichnams, bei dem die Section große Zerstörungen der lebenswichtigsten Organe ergeben hatte, fand nach Ortssitte in der Nacht vom 11. zum 12. Mai statt, am nächsten Tag die eigentliche Leichenfeier, die sog. „Collecte“; würdelos, wie man schon lesen konnte, ist S. nicht bestattet worden. Die Leiche wurde in dem alten „Kassengewölbe“ des Weimarer Friedhofs beigesetzt. Als dieses 1826 geräumt werden sollte, unternahm es der Bürgermeister K. L. Schwabe, Schiller’s Reste herauszusuchen. Die Gebeine, welche zu der Totenmaske zu stimmen schienen, wurden aus der unordentlichen Vermischung mit andern herausgenommen; der Schädel (dessen Echtheit neuerdings bestritten und dagegen wieder behauptet worden ist) wurde am 17. Sept. 1826 im Postament der Schillerbüste in der Weimarer Bibliothek verwahrt, die andern Gebeine interimistisch eingesargt und am 16. December 1827 mit dem Schädel zusammen in der Weimarer Fürstengruft beigesetzt, wo sie neben denen Goethe’s und Karl August’s ruhen.

Von Schiller’s Geschwistern überlebten ihn die Schwestern Luise, † 1836, und Christophine, welche, den Tod des Bruders um 42, den des Gatten um 32 Jahre überlebend, am 31. August 1847 vier Tage vor Vollendung ihres neunzigsten Jahres gestorben ist. Seine Gattin Charlotte blieb in Weimar, bis sie durch ein immer schlimmer werdendes Augenleiden zu unselbständiger Existenz gezwungen wurde; sie zog zu ihrem Sohne Karl, dann zu dem zweiten, Ernst (s. u.), und ist am 9. Juli 1826 in Bonn einer Augenoperation erlegen. Von den Söhnen trat der ältere, Karl Friedrich Ludwig, 1817 in den württembergischen Forstdienst; er starb am 21. Juni 1857 mit Hinterlassung eines Sohnes Friedrich Ludwig Ernst, der dann am 8. Mai 1877 kinderlos verstorben ist. Der zweite Sohn, Ernst Friedrich Wilhelm, dessen geistiges Wesen viel [244] Aehnlichkeit mit dem des Vaters gehabt haben muß, wurde 1819 Landgerichtsassessor in Köln und ist als dortiger Appellationsgerichtsrath am 19. Mai 1841 in Vilich bei Bonn demselben Lungenübel wie sein Vater erlegen; er war verheirathet, aber kinderlos. Die ältere Tochter, Karoline Henriette Luise, heirathete 1838 den schwarzburgischen Bergrath Junot und starb ohne Leibeserben am 19. December 1850 in Würzburg. Nachkommenschaft des Dichters existirt jetzt nur noch von seiner zweiten Tochter Emilie Henriette Luise. Diese, welche der Art des Vaters am nächsten gekommen zu sein scheint und sich durch ein paar höchst werthvolle Veröffentlichungen um sein Andenken verdient gemacht hat, verheirathete sich 1828 mit dem Freiherrn Heinrich Adalbert von Gleichen-Rußwurm; sie ist am 25. November 1872 auf Schloß Greifenstein gestorben, wo sich bis in die neueste Zeit auch das Schillerarchiv befunden hat. Ihrem Enkel wurde der Name „Schiller v. Gleichen-Rußwurm“ verliehen, so daß der Name des Dichters wenigstens in seiner weiblichen Descendenz sich forterbt.

S. selbst hat nur Specialsammlungen seiner Werke veranstaltet bezw. begonnen: Kleinere prosaische Schriften 1792–1802, Gedichte 1800–1803, Theater 1805–1807. Die erste Gesammtausgabe, von Körner veranstaltet und mit biographischer Einleitung versehen, erschien in 12 Bänden 1812 bis 1815; sodann haben sich um die Kenntniß von Schiller’s Werken ganz besonders verdient gemacht Hoffmeister, Nachlese zu Schiller’s Werken 1840 durch Mittheilung von Unbekanntem, Joachim Meyer, Beiträge zur Feststellung, Vermehrung und Verbesserung des Schiller’schen Textes 1858, Forts. 1860 durch Zurückgehen auf die echten Lesarten. Von den zahllosen späteren Ausgaben ist nur zu nennen die vorzüglich genaue und vollständige „historisch-kritische“ unter Goedeke’s Oberleitung 1867–1876 erschienen, Bd. 1–15. Vorzügliche Bibliographie (in der nur die posthumen Ausgaben fehlen) von Trömel, Schiller-Bibliothek 1865. Großes Sammelwerk über alle bis da hin bekannten Schilleriana: Wurzbach, Schillerbuch 1859. Seither: Unflad, Die Schiller-Literatur in Deutschland 1878; Braun, Schiller und Goethe im Urtheile ihrer Zeitgenossen 1882; Koch, Neuere Schillerlitteratur in den Berichten des Freien Deutschen Hochstifts 1890; Strauch’s jährliche Litteraturbibliographie im Anzeiger für deutsches Alterthum.
Biographien: Von Quellenwerken zu nennen: Carol. v. Wolzogen, Schiller’s Leben 1830, daneben zahlreiche kleinere Mittheilungen Verschiedener; Briefe u. ä. s. unten. Darstellungen: Carlyle 1830; Hoffmeister 1837–42; Schwab 1840; Saupe, Schiller’s Leben und Werke in chronol. Tafeln 1855; Scherr 1859; Palleske 1858 f., von dem Verfasser dieser Zeilen 1886 neu bearbeitet; Düntzer 1881, thatsächlich; Hepp 1885, mehr eigenthümlich als bedeutend; noch unvollendet die drei neuesten Werke von Brahm seit 1888 (frisch und geistreich geschrieben, auf guten Studien ruhend), von Weltrich seit 1885 (sehr umfassend angelegt, oft mehr Untersuchung als Darstellung, mit philosophischer Penetration) und Minor seit 1890 (genau, ruhig-nüchtern, ohne Autopsie des Schwäbischen, sehr schätzenswerthe bibliographische Anmerkungen). – Für einzelne Perioden Schiller’s: Boas, Schiller’s Jugendjahre 1856; Schwab, Urkunden über S. und seine Familie 1840; Keller, Beiträge zur Schiller-Litteratur 1859, Nachträge zur Schiller-Litteratur 1860; Schloßberger, Archivalische Nachlese zur Schiller-Litteratur 1877, Neuaufgefundene Urkunden über S. und seine Familie 1884; Lang, Schiller und Schwaben 1885; Streicher, Schiller’s Flucht von Stuttgart und Aufenthalt in Mannheim 1836; Martersteig, Die Protokolle des Mannheimer Nationaltheaters 1890; Köpke, Charl. v. Kalb 1852; Ch. v. Kalb, Gedenkblätter 1879; Speidel und Wittmann, Bilder aus der Schillerzeit 1884; Brückner, S. in [245] Bauerbach 1856; Kuhlmey, Schiller’s Eintritt in Weimar 1855; Hense, Rudolstadt, Schiller und Goethe 1868; Litzmann, Schiller in Jena 1889; Düntzer, Schiller und Goethe 1859; Goedeke, Schiller und Goethe 1859; Keller, Schiller’s Besuch in Schwaben 1886; Schiller’s Kalender 1865; Hüsser, Erinnerungen an S. 1885; Schwabe, Schiller’s Beerdigung und die Aufsuchung und Beisetzung seiner Gebeine 1852; Welcker, Schiller’s Schädel und Todtenmaske 1883 (Schädel unecht; darüber Controverse mit Schaaffhausen, Arch. f. Anthropol. 15 u. 17).
Schiller’s Familie: Saupe, S. und sein väterliches Haus 1851; Schiller’s Beziehungen zu Eltern, Geschwistern und der Familie v. Wolzogen 1859; Brosin, Schiller’s Vater 1879; Keller, J. K. Schiller’s Jugend 1885; Schiller’s Briefwechsel mit Christophine und Reinwald 1875; Schiller und Lotte 1856, neu 1879; Charlotte v. Schiller und ihre Freunde 1860–65; Hennes, Fischenich u. Ch. v. Schiller 1875; Briefe von Schiller’s Gattin an einen vertrauten Freund 1856; Fulda, Ch. v. Schiller 1878; über Ernst S. s. Hüffer, Erinnerungen (s. oben).
Briefwechsel (soweit nicht schon genannt): mit Dalberg 1819; Karl August 1857; Körner 1847, neu 1874; Herzog v. Augustenburg 1875, 1876; Humboldt 1830, neu 1876; Goethe 1828 f., neu besonders 1881; Fichte 1847; A. W. Schlegel 1846; Cotta 1876; Geschäftsbriefe Schiller’s 1875; Briefe an S. (herausgeg. von Urlichs) 1877.
Werke (im allgemeinen; Studien über einzelne aufzuführen verbietet der Raum): Kuhn, Schiller’s Geistesgang 1863; Tomaschet, S. in seinem Verhältnisse zur Wissenschaft 1862; Twesten, desgl. 1863; Ueberweg, S. als Historiker und Philosoph 1884; Janssen, S. als Historiker 1863, neu 1879; Lorenz, Zum Gedächtniß von Schiller’s historischem Lehramte 1889; Geil, Schiller’s Ethik 1888; Hauff, Schillerstudien 1880; Viehoff, Schiller’s Gedichte erläutert 1839 und später; Bulthaupt, Dramaturgie der Classiker I 1889; Bellermann, Schiller’s Dramen I 1888; Fielitz, Studien zu Schiller’s Dramen 1876; Boas, Schiller und Goethe im Xenienkampf 1851, Schiller’s und Goethe’s Xenienmanuscript 1856. – Zu den einzelnen Werken vgl. Düntzer’s Erläuterungen.