Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Gedike, Friedrich“ von Heinrich Julius Kämmel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 487–490, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gedike,_Friedrich&oldid=- (Version vom 9. Oktober 2024, 12:16 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Gebwiler, Hieronymus
Nächster>>>
Gedike, Ludwig
Band 8 (1878), S. 487–490 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Friedrich Gedike in der Wikipedia
Friedrich Gedike in Wikidata
GND-Nummer 116478799
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|8|487|490|Gedike, Friedrich|Heinrich Julius Kämmel|ADB:Gedike, Friedrich}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116478799}}    

Gedike: Friedrich G. – unter den Schulmännern, welche im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts auch das höhere Unterrichtswesen in neue Bahnen lenkten, einer der hervorragendsten, – geb. zu Boberow in der Priegnitz den 15. Jan. 1754, † in Berlin den 2. Mai 1803. Sein Vater, Pfarrer des Orts, unter der Noth des Krieges niedergebeugt, scheint den kräftigen Knaben ohne geistige Anregung gelassen zu haben, und so gab dieser auch nach dem Tode des Vaters keinerlei Hoffnung auf erfreuliche Entwicklung. In solchem Zustande kam er, nach kurzem Aufenthalte in der Schule zu Seehausen, in das Waisenhaus zu Züllichau, welches damals Steinbart leitete. Aber sein geistiges Leben regte sich auch jetzt nur langsam, und erst nach seinem Eintritt in das neben dem Waisenhause damals begründete Pädagogium begann der Unterricht ihn zu wecken. Um so rascher freilich ging seitdem die Entwicklung, in wenigen Jahren hatte G. die meisten Mitschüler überholt. Im Alter von 16 Jahren bezog er die Universität Frankfurt a/O., um Theologie zu studiren. Auch hier arbeitete er rastlos; äußerlich unterstützt und innerlich gefördert durch den Professor Töllner, dem er dann fort und fort herzliche Dankbarkeit bewahrte, bei einer Krankheit auch dadurch unterstützte, daß er sein Collegium über Metaphysik fortsetzte. G. hätte dann selbst die akademische Laufbahn erwählt, wenn nicht Töllner’s Tod ihn entmuthigt hätte (1774). Auf Empfehlung Steinbart’s, der Töllner’s Nachfolger geworden war und den früheren Schüler in sein Haus aufgenommen hatte, ging er bereits 1775 nach Berlin, um die Leitung der Söhne des Propstes Spalding zu übernehmen. Schon im nächsten Jahre empfahl ihn dieser für die Stelle des Subrectors an dem tief gesunkenen Friedrichswerderschen Gymnasium, welchem durch eine frische Lehrkraft neues Leben zugeführt werden sollte. G. erhielt die Stelle und nahm, obwol zunächst noch in Spalding’s Hause bleibend, an den Bemühungen um eine Reform der Anstalt und an dem Unterrichte der oberen Classen den lebhaftesten Antheil, seit 1777 als Prorector. Als dann 1779 der kränkliche Rector Heinius, dessen Amt er zuletzt mit zu versehen hatte, in den Ruhestand zurückgetreten war, wurde er Director. Bereits hatte er auch als Schriftsteller sich versucht. Im J. 1777 hatte er „Pindar’s olympische Siegeshymnen“ verdeutscht erscheinen lassen; 1779 folgten „Pindar’s pythische Siegeshymnen“. Und wie nun die Uebersetzung, obwol in Prosa, weiteren Kreisen als eine sehr lesbare ihn empfahl, so legitimirten ihn die Einleitungen und Anmerkungen auch vor den Fachmännern, denen nur hie und da die etwas kühne Kritik Bedenken erwecken konnte. Als strebsamen Schulmann aber zeigte ihn außer einigen Aufsätzen die tief eingreifende Schrift „Aristoteles und Basedow oder Fragmente über Erziehung und Schulwesen bei den Alten und Neueren“ (Berlin 1779). Als praktischer Schulmann bewährte er sich an seinem Gymnasium in ungewöhnlichem Grade. Er führte in den entschiedener auseinander gehaltenen und vermehrten Classen das Fachsystem durch, war selbst im Unterrichte wie in der Beaufsichtigung unermüdlich, führte neue Schulbücher ein, sorgte für Lehrmittel verschiedener Art, gründete eine Bibliothek für Schüler; auch durch Einrichtung von vierteljährlichen Censuren für die unteren, von halbjährlichen für die oberen Classen brachte er Leben und Regsamkeit in seine Schule. Neben dem Lateinischen gelangte auch das Griechische, neben dem Sprachlichen auch das Sachliche zu vollem Recht; immer wieder wurde mannigfache [488] Verbindung der Lectionen erstrebt, eine besondere Aufmerksamkeit aber dem häuslichen Fleiße der Schüler zugewandt. Entschieden in allem war er vielleicht mehr gefürchtet als geliebt; aber er hatte Momente, wo Rührung ihn übermannte, wo er weich wurde, „wo der Löwe fast mit sich spielen ließ“. Die reiferen Schüler sahen in ihm stets eine bedeutende, mächtig anregende Persönlichkeit, die bei manchen Sonderbarkeiten auch die Widerstrebenden zur Anerkennung zwang, und was er that und sagte, das prägte sich bis in die kleinsten Züge seinen Schülern für die Lebenszeit ein (R. Köpke, Ludwig Tieck, I, 16, 22, 46 f.). Was Wunder also, daß Eltern aller Stände ihm ihre Söhne zuführten, daß er endlich von mehr als 300 Schülern sich umgeben sah, daß sein Gymnasium das blühendste in Berlin wurde. So geschah es nun auch, daß er bei dem Minister v. Zedlitz, dem eifrigen Förderer von Schulreformen, in ganz besondere Gunst kam. Ihm hatte er sein Buch „Aristoteles und Basedow“ zugeeignet; ihm trat er dann vor allem dadurch nahe, daß er ihn in die alte Litteratur einführen und besonders in der griechischen Sprache unterrichten durfte, wie er denn auch zunächst für den Minister eine Ausgabe des Philoktet von Sophokles besorgt hat (1781). Vgl. Trendelenburg, Friedrich d. Gr. und sein Minister Freiherr v. Zedlitz, 1859. Der ausgezeichnete Staatsmann erkannte bald, daß G. auch weiter reichenden Aufgaben gewachsen sei. Er wurde 1784 Oberconsistorialrath, und als drei Jahre später das Oberschulcollegium eingerichtet wurde, konnte sein Eintritt in dieses nicht zweifelhaft sein. In beiden Aemtern aber entfaltete er eine bewunderenswürdige Thätigkeit, während er doch auch jetzt keine Pflicht seines Schulamts versäumte. Sein scharfer Verstand fand in den aufgehäuften Acten das wesentliche schnell heraus und bewährte sich stets in den Entscheidungen und Erlassen, die von ihm ausgingen; in seiner Wirksamkeit für das preußische Unterrichtswesen kam nur Meierotto, sein Amtsgenosse, ihm gleich, und beider Verdienst war auch das Edict über die Maturitätsprüfungen vom 20. Decbr. 1788. Wie wohlthätig G. bei Visitationsreisen in das Leben einzelner Schulen eingriff, davon gibt ein Beispiel Schwarze, Gesch. des ehemal. Stadt-Lyceums zu Frankfurt a/O. (1873), 62 f. In engem Zusammenhange mit seiner so erweiterten Thätigkeit stand auch das 1787 von ihm begründete Seminar für gelehrte Schulen. Er vereinigte darin anfangs fünf, später acht Mitglieder, die sämmtlich auch schon als Lehrer thätig waren, und bereitete so für das höhere Unterrichtswesen eine Reihe tüchtiger Männer vor. Zur Förderung gereifterer Schüler dienten nebenbei, ebenfalls von ihm eingerichtet, eine pädagogische und eine philologische Societät, die zu bestimmten Zeiten, unter Theilnahme von Gymnasiallehrern, Versammlungen hielten, in denen Abhandlungen der Mitglieder der Reihe nach eingehender besprochen wurden. In jüngeren Jahren war G. voll Sympathie für Basedow’s Grundsätze und Versuche gewesen. In den Dessauer pädagogischen Unterhaltungen waren einzelne Beiträge von ihm erschienen, und seine besondere Theilnahme hatte es erregt, als auf Betrieb des Ministers v. Zedlitz von dem nach Halle berufenen Trapp das Erziehungsinstitut zur Bildung künftiger Schullehrer errichtet worden war. Später freilich erkannte er die Schwächen des Philanthropinismus sehr wohl, und über die Leichtfertigkeit der vielen pädagogischen Neuerer hat er gelegentlich sehr scharf sich ausgesprochen (Schulschriften I, 75 f.). Aber mit Resewitz war er doch der Ansicht, daß die lateinischen Schulen der kleineren Städte in Realschulen (Bürgerschulen) umgeschmolzen werden müßten. – Als Schüler Töllner’s wie als Verehrer Spalding’s gehörte er einer Theologenschule an, die von dem kirchlichen Lehrsysteme hinwegstrebte und mit dem Christenthume noch in völliger Uebereinstimmung zu stehen glaubte, wenn sie für „Aufklärung“ arbeitete. Aber zu dem deutschen Reformator blickte er mit Verehrung auf; wie er von Luther’s pädagogischen Verdiensten dachte, das bewies er in seinem Programm von 1792: [489] „Luther’s Pädagogik oder Gedanken über Erziehung und Schulwesen aus Luther’s Schriften gesammelt“. Für den Minister v. Wöllner konnte er freilich nicht ebenso wie für Zedlitz Gegenstand des Vertrauens sein; doch hat er ihm den ersten Band seiner „Gesammelten Schulschriften“ (1789) gewidmet, während der zweite Band (1795) dem ganz anders gearteten Propst Teller dedicirt ist. Uebrigens bieten diese Schulschriften eine Fülle pädagogischer Belehrungen in kerniger, oft schöner Sprache, durchaus frei von methodologischer Klügelei, die er bei seinem Dringen auf psychologische Begründung des Empfohlenen in ihrer Hohlheit leicht erkannte. Aber als Praktiker fand der so vielfach Beschäftigte auch noch Zeit zur Abfassung einer Reihe von Lesebüchern und Chrestomathien für den sprachlichen Unterricht, deren manche in immer neuen Auflagen nützlich geworden sind. Es erschienen ein griechisches Lesebuch (1781), ein lateinisches Lesebuch (1782), eine lateinische Chrestomathie (1792), ein französisches Lesebuch, eine französische Chrestomathie, ein englisches Lesebuch. Das Eigenthümliche dieser Schulbücher lag doch vor allem in der Verbindung von Sprach- und Sachunterricht. Weil ihm aber in pädagogischen Dingen nichts klein erschien, so verfaßte er 1791 auch ein „Kinderbuch zur ersten Uebung im Lesen ohne ABC und Buchstabiren“. Um so mehr kann es überraschen, daß er auch noch für gelehrte Arbeiten Muße fand. Hierher rechnen wir „Vier Dialogen des Platon: Menon, Kriton und beide Alkibiades übersetzt“ (1780), „M. Tullii Ciceronis philosophiae antiquae ex omnibus illius scriptis collecta“ (1782); „Pindari carmina selecta“ (1786). Mit seinem Freunde Biester hatte er schon 1783 zur Herausgabe der „Berliner Monatsschrift“ sich verbunden. Später ließ er „Annalen des preußischen Schul- und Kirchenwesens“ erscheinen (1800 f.). Auch als Dichter hat er sich versucht. Seine vielseitige und erfolgreiche Thätigkeit hatte ihm allmählich ein so hohes Ansehen erworben, daß es kaum als besondere Auszeichnung gelten konnte, als er 1791 neben dem greisen Büsching Mitdirector des berlinisch-kölnischen Gymnasiums (Zum grauen Kloster) wurde, während er zugleich noch die Direction des Friedrichwerderschen Gymnasiums fortführen sollte. Erst nach Büsching’s Tode (1793) legte er dieses Amt nieder, um der größeren Anstalt und ihren Nebenschulen vollere Theilnahme widmen zu können. Er hatte hier mit ausgezeichneten Männern zusammen zu wirken und zeigte sich rasch auch den neuen Aufgaben gewachsen. Von den Einrichtungen Büsching’s behielt er das meiste bei. Das Seminar für gelehrte Schulen, das er mit herübergenommen hatte, blieb Gegenstand seiner treuesten Sorgfalt. – Es war ihm einst schwer geworden, die Geliebte seines Herzens als Gattin in sein Haus zu führen (1784); aber die Ehe war dann eine sehr glückliche, wie auch seine Gedichte zeigen. Daß der straffe Schulmann auch im Hause ein sehr bestimmt auftretender Erzieher war, darf man ohne weiteres annehmen und ergibt sich auch aus dem Verhältniß, in welches Spilleke zu ihm trat (Wiese, Sp. 28 f.). Im J. 1797 machte er eine Reise nach Italien, wo er in drei Monaten Turin, Florenz, Rom, Neapel und Venedig sah. Als er aber in der zuletzt genannten Stadt die Nachricht von der gefährlichen Erkrankung seines Freundes und Stellvertreters Michelsen erhalten hatte, eilte er, ohne sich unterwegs Ruhe zu gönnen, nach Berlin zurück. Seitdem begann seine vorher selten bedrohte Gesundheit zu wanken. Indeß konnte er sich nicht entschließen, eines seiner Aemter aufzugeben. Noch im Sommer 1802 bereiste er unter Anstrengungen die neuen Provinzen Süd- und Neuostpreußen. Aber noch in demselben Jahre verfiel er in ein heftiges Nervenfieber. Er raffte sich noch ein Mal auf im April des folgenden Jahres, um die öffentlichen Prüfungen zu halten; allein die kaum wiedergewonnenen Kräfte sanken jetzt völlig dahin; mit ihnen erlosch dann auch die bis zuletzt genährte Hoffnung, mit königlicher Unterstützung die Schweiz besuchen und dort Pestalozzi’s [490] Erziehungsanstalt sehen zu können. – Die durch seinen Tod entstandene Lücke konnte zunächst als unausfüllbar erscheinen. Was in seinem Charakter und Verfahren hartes und verletzendes gewesen war, das schwand jetzt vor den Augen derer, die ihn gekannt hatten, im Lichte unvergänglicher Verdienste.

S. über ihn V. H. Schmidt, Fr. Gedike, eine biogr. Skizze, Berlin 1803. Franz Horn, Fr. Gedike, eine Biographie, Berlin 1808. Döring, in der Encyklopädie von Ersch und Gruber, Section I, Bd. 55 (wo reiche litterarische Nachweisungen). Bonnell in Schmid’s Encyklopädie. Heidemann, Geschichte des grauen Klosters zu Berlin, 1874.