ADB:Resewitz, Friedrich Gabriel
Baumgarten’s, in dessen Schule er sich zum „denkenden“ Theologen ausbildete. Daneben trieb er unter Meier philosophische Studien. Nach Beendigung der akademischen Studien kehrte er 1750 nach Berlin zurück. Nach wenigen Monaten ernannte ihn der Fürst Friedrich August von Zerbst zu [242] seinem Reiseprediger und nahm ihn zu einem einjährigen Aufenthalte mit nach Paris. Eine ihm darauf vom Fürsten angebotenen Pfarrstelle in Jever schlug er aus, da er Bedenken trug, den verlangten Eid auf die symbolischen Bücher zu leisten. Das Jahr 1755 verlebte er als Privatgelehrter zu Berlin und wurde mit Moses Mendelssohn und Nicolai der Begründer einer gelehrten Gesellschaft, welche während dreier Jahre das Berliner Litteraturleben beeinflußt hat. Bei den monatlichen Versammlungen las ein Mitglied eine Abhandlung vor. Die von R. beigesteuerte Abhandlung handelt „über das Genie“ und ist in der „Sammlung vermischter Schriften zur Beförderung der schönen Wissenschaften und Künste“, Berlin 1759–1763, Bd. 2 S. 131–179 und Bd. 3 S. 1–69 abgedruckt. Sie erntete das Lob Thomas Abbt’s (Vermischte Werke, Frankfurt und Leipzig 1786 Th. 3, S. 56). Während dieser Zeit übernahm R. die Erziehung des Sohnes des Ministers v. Danckelman und erhielt 1757, vom Minister Grafen v. Finkenstein der Prinzessin Anna Amalia v. Preußen, der wissenschaftlich und namentlich musikalisch gebildeten Schwester Friedrichs des Großen, welche seit 1756 dem Stifte Quedlingburg als Aebtissin vorstand, warm empfohlen, die erste Predigerstelle an der St. Benedictikirche zu Quedlinburg, die durch die Berufung des Oberhofpredigers Heinrich Meene in die Superintendentur zu Jever erledigt war. Obwohl R. durch sein geistliches Amt, mit welchem zugleich die Inspection des Gymnasiums verbunden war, sehr in Anspruch genommen wurde, so fand er doch noch Muße, die in Berlin angeknüpfte Verbindung fortzusetzen. Auf Nicolai’s Anlaß übersetzte er Conybeare’s „Vertheidigung der geoffenbarten Religion“ aus dem Englischen, eine Arbeit, welche Nicolai in seinen Verlag nahm; er unterhielt einen sehr regen Briefwechsel mit Moses Mendelssohn, und als Lessing sich von den „Briefen die neueste Litteratur betreffend“, zurückzog, wurde er durch Nicolai und Abbt veranlaßt, sich an der Mitarbeit zu betheiligen. Er begann dieselbe mit dem 267. Briefe am 12. Januar 1764 und setzte sie fast bis zum Schlusse der „Litteraturbriefe“ fort, denen Lessing am 5. Juli 1765 mit einer Anzeige von Meinhard’s „Versuchen“ die Leichenrede hielt. Die zwanzig zum Theil sehr umfangreichen Recensionen Resewitz’s sind fast alle im Tone pedantischer Lehrhaftigkeit gehalten, aber nicht ohne Schärfe und Sicherheit des Urtheils. Dasselbe läßt sich von seiner Mitarbeiterschaft an der „Allgemeinen Deutschen Bibliothek“ sagen, die von 1765 bis 1780 währte und in die kraftvollste Zeit seines Lebens fiel. In seinen Recensionen erscheint er als ein unermüdlicher Vorkämpfer der Aufklärungsphilosophie und des theologischen Rationalismus. Im Jahre 1767 erhielt R., nachdem er ein Jahr zuvor eine „Sammlung einiger Predigten“ hatte erscheinen lassen, einen Ruf als Prediger an der deutschen St. Petrikirche zu Kopenhagen. Er folgte diesem Rufe und wurde am 2. August desselben Jahres durch den Stiftspropst Hegelund in sein neues Amt eingeführt. In der dänischen Hauptstadt schloß er sich dem nordischen Litteraturkreise an, indem er mit Klopstock, Joh. Andreas Cramer, Joh. Heinrich Schlegel und Gottfried Benedict Funk in freundschaftliche Verbindung trat. Sein Amtsgenosse war der als geistlicher Liederdichter und durch seine Bekehrungsgeschichte Struensee’s bekannte Balthasar Münter (s. A. D. B. XXIII, 33), mit welchem vereint er das Schul- und Armenwesen der Petrigemeinde ordnete. Die erfolgreichen Bestrebungen Resewitz’s auf diesem Gebiete, die er auch durch eine praktische, die Bedürfnißfrage geltend machende Schrift „Ueber die Versorgung der Armen“ (Kopenhagen 1769) bethätigte, veranlaßten den König Christian VII., ihm das Directorat des Kopenhagener Armenwesens zu übertragen. Gleichzeitig wurde er mit der Gründung und Einrichtung einer Realschule betraut. In seinem Predigtamte ließ er sich zu nicht geringem Verdruß seiner Gemeinde und des Kirchencollegiums fast regelmäßig [243] durch einen Studenten der Theologie vertreten; dagegen hielt er mit besonderer Vorliebe theologische Vorlesungen an der Universität. Das Ergebniß seiner pädagogischen Reformversuche legte er in einem 1773 erschienenen Buche „Die Erziehung des Bürgers zum Gebrauche des gesunden Menschenverstandes und zur gemeinnützigen Geschäftigkeit“ nieder, welches für seine weiteren Lebensschicksale entscheidend wurde. In diesem Buche zeigte er, wie das Schul- und Erziehungswesen der Gegenwart neu zu gestalten sei, indem er eine bürgerliche Erziehungsanstalt verlangte, die sich in einer dreifachen Form zu zeigen habe, einmal als Land- und Ackerschule für den Bauernstand – eine Form, die mit dem gleichzeitigen Reformversuche des Domherrn v. Rochow zusammenfiel –, sodann als Handwerkschule für die Provinzialstädte und für die unteren Stände in der Hauptstadt, endlich als eine große Erziehungsanstalt in der Hauptstadt für die „gesittete“ Jugend. In der letzteren sah er die Realschule, neben welcher die gelehrte Schule, das Gymnasium, bestehen soll. Da R. zugleich auf eine Reform des Gymnasiums hinwies und damit den Lieblingswunsch des Chefs der preußischen Unterrichtsverwaltung Freiherrn v. Zedlitz traf, der mit edler Begeisterung die Erneuerung des Gymnasiums der Reformationszeit auf dem Boden des modernen Humanismus anstrebte, so wurde R. vom Minister, dem das Buch von der „Erziehung des Bürgers“ durch Nicolai vorgelegt war, zur Uebernahme der durch den Tod des Abtes Frommann (s. A. D. B. VIII, 139) erledigten Abtsstelle des Kloster Berge bei Magdeburg aufgefordert. R., der gerade nicht lange vorher an Nicolai geschrieben hatte, daß er nach Struensee’s Falle sich in Kopenhagen in einer nicht ganz angenehmen Lage befinde, nahm den Antrag in der Hoffnung an, daß er in dem neuen Amte einem größeren Kreise und besonders dem Werke der Jugenderziehung wesentlichen Nutzen bringen könne. So wurde R. am 27. October 1774 zum Abt des Klosters Berge und zum Leiter des dortigen Pädagogiums berufen; am 30. April 1775 nahm er Abschied von der St. Petrigemeinde, von welcher 51 Mitglieder dem Kirchencollegium die Bitte vorgetragen hatten, der Gemeinde mit allen Mitteln den „redlichen und einsichtsvollen Lehrer“ zu erhalten; am 15. Juni desselben Jahres wurde er in sein neues Amt, mit welchem zugleich die Generalsuperintendentur des Herzogthums Magdeburg verbunden war, eingeführt. Er trat sein Amt sicherlich mit den besten Vorsätzen an, aber die großen Hoffnungen, die man an seine Berufung für einen neuen Aufschwung der Anstalt geknüpft hatte, gingen nicht in Erfüllung. Mancherlei Umstände haben dazu mitgewirkt, daß das Pädagogium sich nicht zu der gewünschten Blüthe erhob; aber den größten Theil der Schuld trägt unzweifelhaft R. selbst, der die Pädagogik mehr auf dem Wege der Theorie als auf dem der Praxis auszubauen bemüht war und in der dem Papier anvertrauten Instruction das Unterpfand für die gute Disciplin der Schule sah. Er begann seine Thätigkeit mit der Abfassung einer ausführlichen „Nachricht von der gegenwärtigen Einrichtung und Unterricht, Lehrart und Erziehung auf dem Pädagogio zu Kloster Berge“ (Magdeburg 1776. 164 S.), deren dritten Abschnitt die mit großer Sorgfalt ausgearbeiteten, nach sieben Kategorien und auf 64 Paragraphen vertheilten neuen Schulgesetze bilden, welche am 19. September 1775 mit einer Rede feierlich bekannt gemacht wurden. Zugleich ließ er eine neu bearbeitete Auflage seines Buches von der „Erziehung des Bürgers“ (Kopenhagen 1776) erscheinen, welche er dem Könige von Preußen widmete, um vor ihm, der den Verfasser mit Gnade und Vertrauen in das Vaterland zurückgerufen und einer ansehnlichen Erziehungsanstalt vorgesetzt habe, einen Beweis niederzulegen, daß er gern für die Erziehung geschäftig sein wolle. Bald darauf begann er die Herausgabe einer pädagogischen Vierteljahrszeitschrift, die unter dem Titel: „Gedanken, Vorschläge und Wünsche zur Verbesserung der öffentlichen [244] Erziehung“ erschien und fünf Jahrgänge (1778–1784) erlebte. In diesem Werke legte R. ein reichhaltiges Material für Pädagogik nieder, das aber für die Gegenwart nicht mehr nutzbar ist. Die Aufsätze waren meist von ihm selbst verfaßt, er fand jedoch noch vier Mitarbeiter, von denen der eine, der Oberlehrer Grosse, der bereits seit 1781 außerhalb des Klosterbergischen Verbandes stand, noch 1788 in dem damals viel gelesenen „Braunschweigischen Journal“ seinen früheren Chef als den vollendeten Pädagogen, den ruhmvollen Reformator des Klosterbergischen Pädagogiums gegen „unberechtigte“ Angriffe der Presse in Schutz zu nehmen suchte. Der letzte Jahrgang der genannten Vierteljahrszeitschrift, der fast nur Reden enthält, die R. an seine Schüler bei der Eröffnung der Lectionen gehalten hatte, liefert den untrüglichen Beweis von der allmählich sich steigernden Ermüdung, welche den Herausgeber im Hinblick auf die Erfolglosigkeit seiner pädagogischen Bestrebungen überkam. Ueberhaupt zeigen alle pädagogischen Schriften Resewitz’s den übertriebenen Theoretiker, den lehrhaften Schematiker, der in breiter, ermüdender Darstellung alle nur erdenklichen pädagogischen Fragen zum Gegenstand der Besprechung macht. Die geringen Erfolge Resewitz’s auf dem Gebiete der Pädagogik äußerten sich nun auch in seiner amtlichen Wirksamkeit, sodaß die von seiner Berufung erhoffte Erhebung des Klosters Berge zu einer Musteranstalt nach dem Herzen des Ministers v. Zedlitz ein frommer Wunsch blieb. Zu den entfernten Ursachen des Verfalls der altberühmten Anstalt unter R. muß man die künstlich erzwungene Frequenz derselben zu Anfang des Directorates des Abtes Frommann – sie stieg in kurzem von 22 auf 136 Schüler – und die unter demselben und in der Zeit der Vacanz noch mehr gelockerte Disciplin rechnen, welche nur durch Anwendung der äußersten Strenge wiederhergestellt werden konnte. Als die näheren Ursachen darf man den schroffen Despotismus und die übertriebene Härte, mit welcher R. die Mehrzahl der Lehrer, und die parteiische Nachsicht ansehen, mit welcher er manche Schüler behandelte, während er wiederum gegen andere mit den strengsten Maßregeln vorging. In der Schulverwaltung verfuhr er mit absoluter Willkür; er hob das Rectorat eigenmächtig auf, stellte die Veröffentlichung der jährlichen Schulprogramme sowie die Abhaltung öffentlicher Schulfeierlichkeiten ein; er verletzte die Rechte des Conventes, indem er bei Aufstellung des Etats und in sonstigen die ökonomischen Verhältnisse des Klosters betreffenden Angelegenheiten diesen nicht zu Rathe zog, sodaß fortwährende Streitigkeiten zwischen Abt und Convent den Frieden störten. Auch gegen staatliche Anordnungen erhob R. Einwendungen, wenn auch vergeblich. Die von Wöllner 1789 angeordnete Untersuchung der ökonomischen Angelegenheiten des Klosters vermochte zwar strafbare Malversationen seitens des Abtes nicht zu entdecken, aber sie wies doch eine wenig haushälterische Wirthschaft desselben nach. Es entwickelte sich daraus ein mehrjähriger Proceß, der damit endete, daß der Abt, gegen den an 7800 Thlr. Ausstellungen ausgeklagt waren, für schuldig erklärt wurde, Defecte in Höhe von 1707 Thlr. zu erstatten, welche im Vergleichswege auf 500 Thlr. festgestellt wurden. Der Convent, den R. von der Mitwirkung bei der Verwaltung des Klosters fortgesetzt ausschloß, erhob deshalb bei der Regierung Klage und verlangte die Wiederherstellung seiner Gerechtsame durch ein Reglement. Der Regierung konnten diese Vorgänge nicht lieb sein, sie ordnete 1790 behufs der Vereinigung der Klosterbergischen Schule mit dem Halle’schen Pädagogium eine Untersuchung der Fonds des Klosters an, nahm aber auf Verwendung der Magdeburgischen Regierung und des Conventes die in Aussicht genommene Aufhebung der Schule zurück. Dazu kam, daß König Friedrich Wilhelm II. dem Domprediger Schewe zu Magdeburg 1790 die Anwartschaft auf die Abtstelle zusicherte, was der Convent für einen Eingriff in seine Rechte erklärte. Im [245] J. 1794 fand eine eingehende vierwöchentliche Revision der Anstalt durch eine aus den Oberconsistorialräthen Nagel und Hecker zu Berlin und dem Generalsuperintendenten Jani zu Stendal bestehende Commission statt, welche den Zweck hatte, nach den Ursachen des Verfalles der Klosterschule, deren Frequenz seit Beginn der Direction des Abtes R. von 107 sich stufenweise bis auf 24 Zöglinge herabgemindert hatte, zu forschen. Die Folge dieser Revision war der Erlaß eines Generalreglements vom 3. März 1795, durch welches die Einsetzung eines aus einem Rathe der Regierung und einem Landstande des Herzogthums Magdeburg bestehenden Curatoriums angeordnet wurde. In demselben Jahre erhob der Convent einen neuen Protest gegen die Anwartschaft des Dompredigers Schewe auf die Abtstelle, wurde aber durch eine fulminante Verfügung Wöllner’s vom 22. März 1796 abgewiesen, in welcher die Conventsmitglieder im Wiederholungsfalle mit Cassation und Ausweisung aus dem Kloster bedroht wurden. Es folgte nun eine einschneidende Maßregel nach der andern: durch die Verfügung vom 9. November 1796 wurde der Domprediger Schewe zum Oberdirector des Pädagogiums und Adjunct des Abtes R. ernannt und die Einsetzung eines Curatoriums angeordnet; am 30. November folgte die Ernennung Gurlitt’s zum Professor und zweiten Director des Pädagogiums. Abt R. wurde seines hohen Alters und seiner Schwächlichkeit wegen von der Direction des Pädagogiums und des damit verbundenen Schullehrerseminars unter Belassung seiner Aemter als Generalsuperintendent und Consistorialrath, sowie seiner jährlichen etwa 2000 Thlr. betragenden Einnahmen entbunden. So zog sich R. in einen ehrenvollen Ruhestand zurück. Auch jetzt noch glaubte er eine litterarische Thätigkeit ausüben zu müssen. Von der wissenschaftlichen Bedeutung seiner pädagogischen Vierteljahrszeitschrift überzeugt, wagte er eine zweite Auflage unter dem Titel „Erziehungsschriften“ (Berlin u. Leipzig 1797). Ferner veranstaltete er gleichsam als sein pädagogisches Testament eine Sammlung der von ihm gehaltenen Schulreden, denen er noch einige pädagogische Aufsätze hinzufügte: „Reden an die Jugend bey Eröffnung der Lectionen nebst einigen Erziehungsbeobachtungen“ (Magdeburg 1797). „Seine letzten Lebenstage waren ziemlich freudlos. Er war vereinsamt und verbittert; seine alte Energie war gebrochen. Er starb mit der schmerzlichen Empfindung, von der Stätte seiner Wirksamkeit verdrängt worden zu sein, und mit dem unverwundenen, noch herberen Gram, dieses Schicksal durch eigene Schuld heraufbeschworen zu haben … An seinem Sarge trauerten seine Wittwe, Charlotte geb. Godefroy, und zwei verheirathete Töchter.“
Resewitz: Friedrich Gabriel R., Schulmann und pädagogischer Schriftsteller, geboren am 9. März 1729 zu Berlin, † am 30. October 1806 zu Magdeburg. Vorgebildet auf dem Joachimsthal’schen Gymnasium zu Berlin bezog er 1747 die Universität Halle zum Studium der Theologie. Hier fesselten ihn besonders die Vorträge- Resewitz’s Selbstbiographie in Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik 1829, S. 69–71. – W. Kawerau, Friedrich Gabriel R. Eine Beitrag zur Geschichte der deutschen Aufklärung. Geschichtsblätter für Stadt und Land Magdeburg XX (1885), S. 149–195. – Holstein, Eine Entscheidung Wöllner’s, im Beiblatt zur Magdeburg. Zeitung 1884 Nr. 30 u. 31; Derselbe, Geschichte der ehemaligen Schule zu Kloster Berge. Leipzig 1886, S. 55–94.