ADB:Christian August (Fürst von Anhalt-Zerbst)

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Artikel „Christian August, Fürst zu Anhalt-Zerbst“ von Ferdinand Siebigk in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 157–159, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Christian_August_(F%C3%BCrst_von_Anhalt-Zerbst)&oldid=- (Version vom 2. November 2024, 22:49 Uhr UTC)
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Christian August, Fürst zu Anhalt-Zerbst, geb. am 29. Nov. 1690 zu Dornburg an der Elbe, war der dritte Sohn Fürst Johann Ludwigs, des Stifters der Nebenlinie Anhalt-Zerbst-Dornburg, und der Christiane Eleonore von Zeutsch, deren Kinder durch kaiserliches Patent vom 7. Jan. 1698 in den Reichsfürstenstand erhoben sowie zur ev. Succession fähig erklärt worden waren. Er erhielt eine gute Erziehung, die er auf der Fürsten- und Ritterakademie zu Berlin vollendete und gewann sich durch seinen Eifer und taktvolles Betragen die Zuneigung König Friedrichs I. von Preußen, der ihn 1708 zum Gardecapitän ernannte, dann aber, als der Prinz wünschte im Felde verwendet zu werden, in das Regiment des Prinzen Anton Günther von Zerbst, welches später das seinige wurde, versetzte. Er nahm nun an allen bedeutenden Kriegsereignissen der Jahre 1709 und 1710 in den Niederlanden Theil, als an der Belagerung von Lille, der Schlacht bei Malplaquet, den Belagerungen von Mons und Douay und war mit vor Bethune und Aire, wo er in den Trancheen seinen Bruder Christian Ludwig verlor, der an seiner Seite tödtlich getroffen ward. Im Frühjahr 1711 erhielt der Prinz den Befehl, sich zur Armee nach Italien zu begeben, machte den Feldzug in der Stellung eines Generaladjutanten mit und erwarb sich die Achtung und Zuneigung der savoyischen Fürstenfamilie in hohem Grade; den Winter brachte er in Italien und zunächst in Turin zu, ward in Genua dem aus Spanien anlangenden Kaiser Karl VI. vorgestellt, der ihn sehr freundlich empfing und mehrfach zum Eintritt in seine Dienste aufforderte, und ging dann über Venedig und Ravenna nach Rom. Hier verlebte er den Carneval, suchte sich durch eifrigen Besuch der Kunstsammlungen möglichst zu belehren und ward auch dem Papst Clemens XI. vorgestellt, der ihn unter glänzenden Versprechungen erfolglos zum Rücktritt zur katholischen Kirche aufforderte. Dann besuchte der Prinz Neapel, hatte darauf nochmals in Rom eine Audienz beim Papste, der ihm eine goldene und eine silberne Medaille mit seinem Bildniß schenkte, und kehrte sodann über Florenz, Modena und Parma nach seinem Winterquartier Besello zurück. Nachdem er noch an dem an wichtigen Ereignissen sehr armen Feldzug des Jahres 1712 Theil genommen, verließ er das Heer und ging im Januar 1713 nach Zerbst zurück. Von König Friedrich Wilhelm I. zum Oberstlieutenant und 1715 zum Obersten und Chef des durch den Tod seines bisherigen Chefs, des Prinzen Anton Günther von Anhalt-Zerbst, erledigten Regimentes Anhalt-Zerbst ernannt, nahm er in dem preußisch-schwedischen Kriege des letztgenannten Jahres an dem Angriffe auf Usedom und Wollin mit Auszeichnung Theil und erhielt nach geschlossenem Frieden sein Standquartier in Stettin, wo er in den nun folgenden Friedensjahren aufs eifrigste bemüht war, sein Regiment auf die möglichst höchste Stufe der Ausbildung zu bringen. Auch leistete er so wesentliche Dienste bei der Befestigung der Stadt, deren Direction ihm übertragen worden, daß König Friedrich Wilhelm I. ihn bald unter Verleihung des schwarzen Adlerordens zum Generalmajor und Gouverneur von Stettin ernannte. Im J. 1727 vermählte sich Ch. August mit der Prinzessin Johanna Elisabeth von Schleswig-Holstein, nach gleichzeitigen Schriftstellern einer der tugendhaftesten Prinzessinnen Deutschlands, und lebte mit ihr, kurze Reisen nach Zerbst und Dornburg abgerechnet, in Stettin, wo auch drei seiner fünf Kinder geboren wurden. Nachdem ihm sein unablässiger Eifer für die Ausbildung seines Regimentes und der Festungsbau in Stettin im J. 1733 [158] die Ernennung zum Generallieutenant eingebracht, ward er 1741 vom Schlage getroffen, wovon er sich niemals wieder vollständig erholte, aber doch bald soweit sich gekräftigt fand, daß er seinem Regimente in das Lager bei Brandenburg, wo es unter dem Befehle des Fürsten Leopold von Dessau stand, zu folgen vermochte. Als letzterer zum Commando in Oberschlesien berufen ward, übernahm Fürst Ch. August den Befehl über gedachtes Lager und führte ihn bis zum Schluß des Jahres. Im nächsten Jahre wurde er zum Feldmarschall ernannt und als im November desselben durch Aussterben der Zerbster Hauptlinie die Nebenlinie Dornburg auf den Fürstenstuhl gelangte, nahm ihn der nun regierende[WS 1] Fürst, sein kinderloser Bruder Johann Ludwig, zum Mitregenten des Fürstenthums an. Aber auch jetzt verließ Ch. August das ihm so lieb gewordene Stettin nicht gänzlich, sondern hielt sich nur zeitweilig im Zerbster Lande auf. Auf einer dieser Reisen, um Weihnachten 1743 war es, daß die Aufforderung der Kaiserin Elisabeth von Rußland nach Zerbst erging, die Fürstin Johanna Elisabeth möge sich schleunigst mit ihrer Tochter, der Prinzessin Sophie Auguste Friederike, an den kaiserlichen Hof nach Petersburg begeben: und bald war es kein Geheimniß mehr, daß die junge schöne Prinzessin zur Gemahlin des Großfürsten Thronfolgers, nachmaligen Kaisers Peter III., bestimmt sei. Es kostete dem streng der lutherischen Lehre ergebenen Fürsten einen harten Kampf, die Einwilligung zu dieser Verbindung, welche den Uebertritt zur griechischen Kirche verlangte, zu ertheilen und nur vielfacher Ueberredung, selbst von Seiten König Friedrichs II. von Preußen, gelang es, sein Gewissen über diesen Schritt zu beruhigen. Er sah sein Kind nie wieder; seine nie wieder ganz fest gewordene Gesundheit erlitt wiederholt heftige Angriffe und bereits am 17. März 1747 folgte er seinem ihm am 5. Nov. 1746 vorausgegangenen Bruder, dem Fürsten Johann Ludwig, in die Ewigkeit nach.

Ch. August war ein hochgebildeter Mann, ein tapferer Soldat, ein guter Landesfürst, den nur Kränklichkeit und ein früher Tod an der Ausführung mancher guten Pläne hinderten, ein treuer Gatte und liebevoller Vater, ein guter Christ und standhafter Bekenner der Satzungen der lutherischen Lehre. Seine Gemahlin, die Fürstin Johanna Elisabeth, war mit der königlich schwedischen und der kaiserlich russischen Familie nahe verwandt, was auch zweifellos dazu beigetragen hat, die Wahl der Kaiserin Elisabeth auf ihre Tochter zu lenken. Sie hatte gleichfalls eine gute Erziehung genossen, war mit glänzenden Geistesgaben ausgerüstet und hatte eine auffallende Beobachtungsgabe; sie zeigte sich stets als treue Gattin, gute Mutter, brave Landesfürstin und fromme Christin, ist aber von einem gewissen Hang zu Prunk und Genuß, namentlich in ihren späteren Jahren, und zur Intrigue nicht freizusprechen. Letzteres bewies sie, als sie ihre Tochter auf der fast zweijährigen Brautreise nach Rußland begleitete und auch später zur Genüge. Nach dem Tode ihres Gemahls, zu dessen Lebzeiten sie schon bedeutenden Theil an der Landesregierung gehabt haben dürfte, übernahm sie die Regentschaft für ihren minderjährigen Sohn, den Fürsten Friedrich August, und führte sie nicht durchgängig zum Heile des Landes, dessen Gedeihen durch den an ihrem Hofe herrschenden Prunk nicht immer gefördert wurde, bis 1751 und auch später noch eine Zeit lang während der Reisen ihres Sohnes, dann ging sie nach Paris, wo sie noch bis 1760 unter dem Namen einer Gräfin von Oldenburg ein prunkvolles nicht vollständig tadelfreies Leben führte.

Von den Kindern dieses Fürstenpaares erreichten nur die nachmalige Kaiserin Katharina II. von Rußland, geb. 2. Mai 1729, und der Nachfolger, Fürst Friedrich August, geb. 8. August 1734, das reifere Alter, ein Prinz und zwei Prinzessinnen starben in der Jugend. Fürst Friedrich August erhielt meist in [159] Hamburg bei seiner mütterlichen Großmutter, der Herzogin von Schleswig-Holstein, eine gute Erziehung, die in Lausanne vollendet ward, und zeigte schon frühzeitig große Neigung zum Militärwesen. 1750 trat er in kaiserliche Dienste, wo er ein Regiment erhielt, ward 1751 für majorenn erklärt und trat die Regierung an, überließ sie aber bald seiner Mutter wieder und begab sich auf Reisen, von denen er im folgenden Jahre nach Zerbst zurückkehrte. Er war ein Mann von guten Kenntnissen und auch redlichen Absichten für das Wohl seiner Unterthanen, aber manches Auffallende in seinem Wesen, namentlich auch seine Heftigkeit, verdunkelten seine guten Eigenschaften und oft zeigten seine Handlungen nicht die nöthige Klarheit des Geistes. Da er sich häufig im Auslande aufhielt, so gerieth die Regierung seines Landes in die Hände eines Geheimrathscollegiums, das sehr willkürlich verfuhr. Bedrückungen und Ungerechtigkeiten waren an der Tagesordnung, wer konnte suchte sich zu bereichern, die Bildungsanstalten wurden vernachlässigt, ebenso Kunst und Wissenschaft. Die Soldatenspielerei des Fürsten, der Truppen von allen Gattungen besaß und zwar zu einer und derselben Zeit 11 Obersten und 2000 Mann, deren Completirung 16 ausländische Werbeplätze besorgten, verursachte unnöthige Ausgaben und auch der Umstand, daß der Fürst für 1160 Mann, die er den Engländern zum amerikanischen Kriege verkaufte, große Summen erhielt, nutzte dem Lande nichts, denn der Fürst verzehrte diese im Auslande. Bei alle dem war die Regierungszeit des Fürsten nicht ohne manches Gute. Er half, wo es ihm möglich war und erhöhte trotz seiner verkehrten Einrichtungen die Abgaben nicht. Fabriken wurden begünstigt, die Verbesserung der Landwirthschaft und der Obst- und Gartenbau nicht hintangesetzt, auch fremde Ansiedler ins Land gezogen. Dann that der Fürst nach Kräften für das Armenwesen, gab in seinen Verordnungen Beispiele von Duldung in Sachen der Religion und gestattete Andersglaubenden ohne Beschränkung den Aufenthalt und die Niederlassung in seinem Lande. Ohne daß der siebenjährige Krieg Anhalt berührte, hatte Zerbst doch viel davon zu leiden, denn König Friedrich II., den der Fürst durch sein Benehmen erbittert hatte, drückte Stadt und Land durch fast unerschwingliche Contributionen. Friedrich August starb, seinem Lande längst entfremdet, im März 1793 in Luxemburg; von seinen beiden Gemahlinnen, Auguste Caroline Wilhelmine von Hessen-Cassel, starb 1759, und Friederike Auguste Sophie von Anhalt-Bernburg, die ihn lange überlebte, hatte er keine Nachkommen. Mit ihm erlosch die fürstlich Zerbster Linie und das Land wurde nach dem Hausgesetze unter die drei andern Linien, Dessau, Bernburg und Köthen, getheilt.

Die übrigen Mitglieder der dornburg’schen Linie betreffend, so starb deren Stifter, Fürst Johann Ludwig, 1704 und hinterließ außer dem Fürsten Ch. August zwei Töchter und vier Söhne. Sophie Christiane wurde Aebtissin zu Gandersheim und Eleonore Auguste starb jung. Johann Ludwig, geb. 1683, machte weite Reisen, übernahm dann 1709 als Landdrost die Verwaltung der Herrschaft Jever, gelangte 1742 zur Regierung im Fürstenthum Zerbst und starb unvermählt 5. Nov. 1746. Johann August, geb. 1689, starb 1709 als Oberst in sachsen-gothaischen Diensten. Christian Ludwig, geb. 1691, trat in preußische Dienste, focht 1709 in den Niederlanden und wurde 1710 an der Seite seines Bruders Ch. August in den Laufgräben vor Aire erschossen. Johann Friedrich endlich, geb. 1695, trat in gothaische Dienste, focht tapfer in Ungarn und in Italien, stieg bis zum Generallieutenant und lebte nach seinem Austritt aus dem Dienste mit seiner Gemahlin Cajetana geb. v. Sperling in Lausanne und dann in Schaffhausen, wo er 1742 ohne Nachkommen starb.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: regie-/gierende