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Artikel „Köpke, Rudolf“ von Wilhelm von Giesebrecht in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 673–675, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:K%C3%B6pke,_Rudolf&oldid=- (Version vom 7. Oktober 2024, 14:32 Uhr UTC)
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Band 16 (1882), S. 673–675 (Quelle).
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Köpke: Ernst Rudolf Anastasius K., Historiker, geb. zu Königsberg in Preußen am 23. August 1813, † zu Schöneberg bei Berlin am 10. Juni 1870. Schon als vierjähriger Knabe kam K. nach Berlin, als sein Vater (Karl K.) als Professor an das Joachimsthal’sche Gymnasium berufen wurde. Auf dieser Anstalt macht K. auch seine Gymnasialstudien und wurde 1832 nach Vollendung derselben an der Berliner Universität immatriculiert. Längere Zeit unentschieden, ob er sich der Theologie oder Philologie zuwenden solle, wurde er endlich durch den Einfluß Leopold v. Ranke’s bestimmt, sich ganz der Geschichtswissenschaft, für welche er schon auf dem Gymnasium Vorliebe gewonnen hatte, zu widmen. Ranke war es dann auch, der ihn zuerst zu litterarischer Thätigkeit erweckte, indem er ihn zu der Bearbeitung der Jahrbücher des deutschen Reichs unter dem sächsischen Hause heranzog. Die Geschichte Otto I. von 936–951 wurde in diesen Jahrbüchern von K. abgefaßt und 1838 veröffentlicht; seine gründliche und geschmackvolle Behandlung des Stoffs gewann die allgemeine Anerkennung und erregte günstige Erwartungen von dem jugendlichen Verfasser. K. hegte damals die Absicht, dem Beispiele des Vaters folgend, die Laufbahn eines Gymnasiallehrers einzuschlagen; er unterzog sich deshalb 1838 dem Examen für das Lehramt und wurde 1840 am Joachimsthal’schen Gymnasium angestellt. Aber bald fühlte er selbst, daß er für eine solche Lehrthätigkeit wenig geeignet sei und trat deshalb 1842 auf Pertz’s Wunsch als Mitarbeiter bei den Monumenta Germaniae ein. Während der nächsten Jahre war er ganz mit Arbeiten für die Monumenta beschäftigt und eine Anzahl wichtiger Editionen rühren von ihm her. Auch als er, schon 1842 auf Grund seiner Dissertation „De vita et scriptis Liudprandi episcopi Cremonensis“ zum Doctor promovirt, sich 1846 als Privatdocent für die Geschichte an der Berliner Universität habilitirt hatte, blieb er bis 1850 in seiner Stellung zu den Monumenta, für welche er auch in der Folge noch einzelne Beiträge lieferte. Aus der stillen gelehrten Thätigkeit, die K. bis dahin ganz ausgefüllt hatte, störten ihn die politischen Stürme der Jahre 1848 und 1849 auf; so wenig er einer starren conservativen Richtung in kirchlichen und politischen Dingen folgte, verletzte doch das revolutionäre Gebahren jener Zeit eben so tief seinen historischen Sinn wie sein patriotisches Gemüth, so daß er es für heilige Pflicht hielt, demselben nach dem Maße seiner Kraft entgegenzutreten. Im Mai 1848 wurde von ihm und mehreren Gesinnungsgenossen in Berlin der patriotische Verein begründet, der im Sinne einer maßvollen Reform der sich überstürzenden [674] Bewegung entgegenarbeitete. In diesem Verein ist K. eines der thätigsten Mitglieder in Wort und Schrift gewesen und der Eifer seiner Bestrebungen ließ vermuthen, daß er sich ganz der Politik zuwenden würde. Aber er kehrte, sobald ruhigere Zeiten eintraten, gern wieder zu seinen wissenschaftlichen Arbeiten zurück. Seine Kathederwirksamkeit, für welche ihn außer seinem reichen Wissen eine ungewöhnliche Redegabe eignete, gestaltete sich allmählich immer erfreulicher. Seine Vorlesungen an der Universität erstreckten sich nicht allein über verschiedene Theile der Universalgeschichte, sondern auch über das litterarhistorische Gebiet, auf welchem er von jeher mit besonderer Vorliebe gearbeitet hatte. Zugleich übernahm er 1850 an der Kriegsschule, späteren Kriegsakademie, geschichtliche Vorträge, die er bis 1867 fortgesetzt hat. Auch kritische Uebungen hielt er durch viele Jahre mit jüngeren Historikern, die seiner trefflichen Anleitung stets dankbar eingedenk blieben. Im J. 1856 wurde K. zum außerordentlichen Professor an der Berliner Universität ernannt und in dieser Stellung ist er, der sich von Berlin nicht zu trennen vermochte, bis an sein Ende geblieben.

So gewissenhaft K. in seinem akademischen Lehramt war, sein höchstes Interesse nahmen doch seine litterarischen Arbeiten in Anspruch. Die enge Verbindung, in welcher er mit L. Tieck in dessen letzten Lebensjahren stand, war die Veranlassung, daß er 1855 ein zweibändiges Werk unter dem Titel: „Ludwig Tieck, Erinnerungen aus dem Leben des Dichters nach dessen mündlichen und schriftlichen Mittheilungen“ herausgab; in demselben Jahre veröffentlichte er noch zwei Bände nachgelassener Schriften Tieck’s und auch die später (1862) von ihm publicirten Nachträge zu H. v. Kleist’s Werken sind meist aus Tieck’s Nachlaß entnommen. Lange beschäftigten ihn dann Vorarbeiten zu einer auf ein großes Publikum berechneten Deutschen Geschichte, die gleichsam als Seitenstück zu Mommsen’s Römischer Geschichte dienen sollte. Wie hohe Anforderungen K. bei diesem Werke in Bezug auf Forschung und Darstellung an sich selbst stellte, sieht man aus einigen später bekannt gewordenen Fragmenten, aber man begreift zugleich, daß er die Arbeit, wenn er sich selbst befriedigen wollte, nicht durchführen konnte; aus den Vorstudien zu diesem Werke sind „Die Anfänge des deutschen Königthums bei den Gothen“ (1859) hervorgegangen. Enger begrenzte Aufgaben zogen ihn mehr an, als jenes weitaussehende Unternehmen. Mit großer Freude übernahm er den ihm vom Senat der Berliner Universität ertheilten Auftrag zur 50jährigen Jubelfeier derselben die Festschrift zu schreiben; sie ist 1860 unter dem Titel: „Die Gründung der König Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin“ erschienen. Noch einmal drängten ihn dann die politischen Ereignisse zu schriftstellerischer Thätigkeit. Die gewaltigen Waffenerfolge Preußens im J. 1866 erweckten in ihm die stolzesten Hoffnungen auf eine Wiederherstellung der alten deutschen Reichseinheit, und er gab seinen Hoffnungen in der Schrift „Das Ende der Kleinstaaterei“ Ausdruck. Immer mehr aber trat mit den Jahren die Neigung in ihm hervor zu den Specialstudien des deutschen Mittelalters, namentlich des 10. Jahrhunderts, zurückzukehren. Er ging deshalb auch auf den Wunsch der Münchener Historischen Commission ein, für die von ihr veröffentlichten Jahrbücher der Deutschen Geschichte die Geschichte Ottos des Großen zu bearbeiten. Das Werk ist von ihm begonnen worden, aber nicht weit über die Anfänge gediehen; jene Anfänge hat E. Dümmler, welcher die Ausführung übernahm, nach dem Tode Köpke’s publicirt. Als Früchte des erneuten Studiums der Ottonischen Zeit sind das schöne Buch über Widukind v. Korvey, welches K. 1867 seinem hochverehrten Lehrer Ranke als Festgabe zu dessen 50jährigem Doctorjubiläum darbrachte und die eingehende Arbeit über Hrotsuit v. Gandersheim anzusehen; die letztere erschien 1869 und noch in demselben Jahre ein für das größere Publikum bestimmter Auszug unter dem Titel: „Die älteste deutsche Dichterin“. [675] Außer den genannten Schriften sind noch eine große Zahl kleinerer Arbeiten, namentlich Biographien, von K. veröffentlicht worden. Manche von diesen wurden durch Todesfälle veranlaßt, die ihn auf das Schmerzlichste berührten. So der Nekrolog auf seinen 1865 verstorbenen Vater und der Nachruf an Johannes Schulze, den um das preußische Unterrichtswesen so hochverdienten Staatsmann, welcher K. und dessen Familie eng befreundet war. Arbeiten für eine Biographie Schulze’s haben K. noch in seiner letzten Lebenszeit beschäftigt. Von früher Jugend an hatte K. mit körperlichen Gebrechen zu kämpfen. So vorsichtig er war, um sich die Arbeitskraft zu erhalten, und so sehr sich die Seinigen – er war nie verheirathet und blieb immer im Elternhause – um seine Pflege bemüthen, wuchsen mit den Jahren seine Leiden; das Bad zu Pyrmont, welche er seit 1852 fast regelmäßig besuchte, brachte nur zeitweise Erleichterung. Im Anfange des Jahres 1870 verschlechterte sich sein Zustand in bedenklicher Weise. Beim Beginn des Frühjahrs siedelte er mit Mutter und Schwester von Berlin nach dem nahen Schöneberg über; vergeblich hoffte er dort auf Besserung. Am 10. Juni starb er und wurde zur Seite seines Vaters auf dem Berliner Matthäikirchhofe begraben. In seinem Testamente bestimmte K., daß nach dem Tode seiner Mutter und Schwester sein Vermögen theils dem Joachimsthal’schen Gymnasium, theils der Berliner Universität zufallen und der Zinsertrag desselben zu Stipendien für Studirende verwendet werden sollte. Zugleich sprach er den Wunsch aus, daß seine kleineren, zerstreut erschienenen Schriften in einer Sammlung nochmals publicirt und durch einen Vertreter des Joachimsthal’schen Gymnasiums herausgegeben werden möchten; er selbst hatte die der Sammlung einzuverleibenden Stücke bezeichnet. Diese Sammlung ist 1872 unter dem Titel: „Kleine Schriften zur Geschichte, Politik und Litteratur von Rudolf Köpke, gesammelt und herausgegeben von F. G. Kießling“ erschienen und ihr ein Bild des Verfassers beigegeben. Mögen seine größeren Werke für die Wissenschaft belangreicher sein, die Individualität Köpke’s tritt in ihnen doch kaum so deutlich hervor wie in diesen Kleinen Schriften. Klar erkennt man aus denselben, wie Pietät und Liebe zur Litteratur die Grundzüge seines Wesens waren, wie er die Vollendung der Litteratur nur in der innigsten Verbindung des wahren Inhalts mit einer schönen Form sah und nach dieser Verbindung in seinen Schriften unablässig rang.

W. Bernhardi, Rudolf Köpke, ein Gedenkblatt (Berlin 1871), abgedruckt auch in den Kleinen Schriften. W. v. Giesebrecht, Erinnerungen an Rudolf Köpke in v. Raumer’s Historischem Taschenbuch, fünfte Folge, Bd. II.