Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Nicolovius, Georg Heinrich Ludwig“ von Ernst Friedländer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 635–640, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Nicolovius,_Ludwig&oldid=- (Version vom 14. Dezember 2024, 23:58 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Nicolini, Philipp
Band 23 (1886), S. 635–640 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Georg Heinrich Ludwig Nicolovius in der Wikipedia
Georg Heinrich Ludwig Nicolovius in Wikidata
GND-Nummer 118786113
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|23|635|640|Nicolovius, Georg Heinrich Ludwig|Ernst Friedländer|ADB:Nicolovius, Ludwig}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118786113}}    

Nicolovius: Georg Heinrich Ludwig N. ist zu Königsberg i. Pr. am 13. Januar 1767 geboren. Sein Vater war Hofrath und Obersecretär bei der Regierung, dem nachherigen Etatsministerium, ein namhafter Mann, dem später in den „Beiträgen zur Kunde Preußens“ durch Baczko ein biographisches Denkmal gesetzt wurde, seine Mutter hieß Elisabeth Eleonore Bartsch. Beide Eltern starben früh, die Mutter am 5. Januar 1778, der Vater in demselben Jahre am 4. Decbr. Der früh Verwaiste blieb mit seinen Geschwistern unter der Aufsicht einer Verwandten und besuchte bis zum Jahre 1782 das Collegium Fridericianum seiner Vaterstadt, welches er, reich ausgestattet mit Kenntnissen, im Herbste desselben Jahres mit der Königsberger Hochschule vertauschte. Mit besonderem Interesse wohnte er den Vorträgen Kant’s bei, studirte Jurisprudenz, trieb fleißig Sprachstudien und erwählte erst im dritten Studienjahre die Theologie als Lebensberuf, aus reiner Herzensneigung; er war kindlich fromm und voll zarten Sinnes für echte Menschenliebe, „seine Religion war durchaus Liebe und Freude“. In dieser Zeit wurde er von heftiger Sehnsucht erfaßt, Joh. Georg Hamann kennen zu lernen, und nachdem ihm dieses ohne jede Vermittelung durch directes Aufsuchen des Gelehrten gelungen war, bildete sich alsbald zwischen ihnen ein bis zum Tode Hamann’s währendes ungemein inniges Verhältniß. Am 5. Febr. 1789 wurde N. Candidat der Theologie und unternahm gleich darauf zu seiner Belehrung eine größere Reise, welche ihn nach London und Holland führte und ihm die für sein ganzes Leben bedeutende Bekanntschaft mit Friedr. Heinr. Jacobi brachte, den er in Pempelfort bei Düsseldorf aufsuchte. In Münster lernte er die Fürstin Galitzin, Fürstenberg und Overberg kennen, besuchte in Osnabrück Möser und kam in Berlin auf Jacobi’s Veranlassung in Berührung mit dem Grafen Friedrich Leopold von Stolberg-Stolberg, der damals dänischer Gesandter in Berlin war, eine der folgenreichsten Bekanntschaften seines Lebens. Nach Königsberg zurückgekehrt (Sommer 1790), blieb er nur ein halbes Jahr in seiner Vaterstadt und begab sich im Januar 1791 zum Grafen Stolberg nach Holstein, um mit diesem eine große Reise durch Deutschland, die Schweiz, Italien und Sicilien zu machen. Er suchte in Hamburg Klopstock und Claudius auf [636] und trat im Juli mit dem Grafen die beabsichtigte Reise an, welche zuerst Osnabrück, Münster und Pempelfort zum Ziele hatte. In Zürich lernte er Lavater und Pestalozzi kennen, besuchte Necker in Coppet und traf am Weihnachtsabend 1791 in Rom ein, wo er am folgenden Tage den Papst Pius VI. in der Peterskirche ein Hochamt halten sah. Ueber die weiteren Reisen, namentlich über den Aufenthalt auf der Insel Ischia ist eine Anzahl Briefe erhalten, welche, vorzüglich geschrieben, großes Aufsehen machten, so daß die herrliche Schilderung von Ischia sogar zu Nicolovius’ größtem Erstaunen in den Archives littéraires de l’Europe im J. 1804 in einer Uebersetzung erschien. Im Frühjahr 1793 zurückgekehrt, verblieb N. bis zum Herbst in der Familie Stolberg’s in Holstein und trat in diesen Monaten in regen Briefwechsel mit Jacobi und Pestalozzi; Lavater und die Fürstin Galitzin besuchten ihn in Eutin. Auf einem Ausfluge zu Jacobi lernte er Schlosser und dessen Familie kennen, wobei Luise Schlosser sogleich tiefen Eindruck auf ihn machte. Bald darauf fand die Verlobung mit ihr statt, welche Schlosser mit schönen Worten segnete und Goethe’s Mutter in einem Briefe an die Braut, ihre Enkelin, freudig begrüßte. Am 14. November kehrte er in seine Vaterstadt zurück. Wenige Wochen später hatte N. Aussichten auf eine Professur in Duisburg und auf eine Predigerstelle in Marienburg, doch blieben sie ohne Verwirklichung. Stolberg wünschte N. dauernd in seiner Nähe zu haben und da auch Schlosser nach Holstein zu ziehen beabsichtigte, wurde es N. nicht schwer, einem Rufe in ein dortiges Amt zu folgen und sein Vaterland zu verlassen. Er wurde, zur Zeit da Graf Stolberg die Präsidentenstelle in Eutin übernahm, als erster Secretär der bischöflichen Kammer daselbst angestellt: das Patent des Herzogs von Oldenburg und Bischofs von Lübeck, Peter Friedrich, ist vom 21. Febr. 1795. Am 5. Juni dess. J. fand seine Vermählung mit Luise Schlosser statt und es folgte eine Zeit des reinsten Glückes und größter innerer Befriedigung, noch erhöht durch die Geburt eines Sohnes im April 1796. Im folgenden Jahre begleitete N. den mit einer diplomatischen Mission betrauten Grafen Stolberg auf dessen Wunsch auf einer Reise nach Rußland, die ihm viel Freude brachte. Nicht lange darauf siedelte Schlosser nach Frankfurt über, woselbst er am 18. Octbr. 1799 starb; N. besuchte die Familie auf einer mehrmonatlichen Reise im Frühjahr 1800 und wurde bald nach seiner Rückkehr durch die Nachricht von Stolberg’s Uebertritt zur katholischen Kirche tief erschüttert, besonders tief, da der Schritt heimlich geschehen war und er sich nun von dem hochverehrten, edlen Manne, der von so großem Einflusse auf ihn gewesen war, gänzlich getrennt sah. Inzwischen war ihm die Rückkehr ins Vaterland einige Male, bei Gelegenheit freigewordener Stellen in der Vaterstadt, nahe gelegt worden, und N. hatte mit dem dirigirenden Minister, Grafen Holmer und dieser mit dem Fürstbischof darüber gesprochen; alles schien jedoch dauernd beim Alten zu bleiben, als der Moment, den Kirchen- und Schulsachen in Preußen eine neue geschäftliche Gestalt zu geben – die Consistorien wurden aufgelöst und deren Geschäftskreis ward den Kriegs- und Domänenkammern überwiesen – den Plan seiner Freunde, ihn bei diesem Departement angestellt zu sehen, wiederum förderte. Der Consistorialdirector Röckner empfahl ihn dem Chef der ostpreußischen Kriegs- und Domänenkammer Frhrn. v. Schrötter, und dieser war dem Gedanken günstig. N. reiste in die Heimath, informirte sich über die in Aussicht genommene Ressortveränderung und die ihm dabei zugedachte Stellung und war hinfort geneigt, einem Rufe in die Heimath zu folgen. Doch kehrte er ohne bestimmte Aussichten im August nach Eutin zurück, wo er nach zehnjährigen Diensten im November zum Assessor befördert wurde. Zwei Tage vorher jedoch, am 23. November, war das Rescript unterzeichnet worden, durch welches das königlich preußische Generaldirectorium [637] die Anstellung Nicolovius’ als Mitglied des Consistoriums mit dem Prädicat eines Kammerassessors dem Kammerpräsidenten von Auerswald mittheilte. Sowol dieser als auch der ostpreußische Departementsminister Frhr. v. Schrötter, die mit Nicolovius’ Bildungsgange, seinen Familienverhältnissen und seiner Person bekannt waren, hatten die Ernennung bewirkt. N. sollte die Schulsachen bearbeiten, wozu er durch seine langjährige intime Verbindung mit Pestalozzi vorzugsweise befähigt erschien. Erst nach langem Zaudern, am 6. April 1805, erfolgte das Dimissoriale des Herzogs von Oldenburg, der N. ungern scheiden sah, dem er aber ein sehr freundliches Andenken bewahrte, und am 25. April verließ N. das Land, wo er gesegnete Jahre amtlicher Thätigkeit und ungetrübten Familienglücks verlebt hatte. Seine Vereidigung und Einführung beim Consistorium fand am 16. Mai statt und stellte ihn nun in einen großen, verantwortlichen Wirkungskreis, dem er sich alsbald mit voller Kraft und glücklichstem Gelingen hingab, so daß er volle Befriedigung empfand. Seine erste große Arbeit war die Prüfung des vom früheren Chef des geistlichen Departements Staatsminister v. Massow entworfenen Generalschulplans. Sehr bald ward die hervorragende Brauchbarkeit Nicolovius’ anerkannt, schon am 31. August dess. J. wurde er weltlicher Consistorialrath und Mitglied des ostpreußischrn Consistorii, er hatte die Generalsachen des gesammten Schulwesens, die gelehrten Schulen, die Königsberger Schulanstalten und die katholischen Angelegenheiten der Provinz zu bearbeiten. Im Januar 1806 ward er Curator der Universität und vortragender Rath in Universitätssachen. Die für das Vaterland und den Einzelnen trüben Jahre, die nun folgten, wurden N. erhellt durch die persönliche Bekanntschaft vieler ausgezeichneter Männer, welche die Kriegsstürme nach Königsberg verschlagen hatten, Schrötter, Auerswald, Stein, Dohna, Schön, W. v. Humboldt, Gneisenau, Scharnhorst, Altenstein, Niebuhr, Schleiermacher, denen von Königsbergern namentlich Scheffner und Kraus hinzutraten. Im Herbste 1807 übernahm N. das Amt eines Oberbibliothekars und im Juli 1808 wurde er Mitglied des zur interimistischen obersten Staatsverwaltung constituirten Departements für das geistliche Schul- und Armenwesen; und immer bedeutender und wichtiger wurde sein Wirkungskreis, als er noch im December dess. J. Staatsrath beim Ministerium des Innern und zwar Leiter der Section des Cultus und öffentlichen Unterrichtes wurde, wo er nun zuerst unter Dohna und dann vornehmlich unter Humboldt, mit dem er in innige Beziehungen trat, schlicht, bescheiden und fromm, wie es seine Natur war, eine reiche Thätigkeit entfalten konnte. Dabei stand er mit Jacobi und Pestalozzi in regem brieflichen Verkehr. Nach erfolgter Uebersiedelung der obersten Behörden nach Berlin, fanden zwar kleine Ressortverschiebungen statt, doch behielt N. im allgemeinen seinen ausgedehnten Wirkungskreis, die Leitung der Kirchen- und Schulsachen beider Confessionen, bei; die Erlasse der Cultusabtheilung zeichnete er allein. Er sorgte für die Ergänzung der theologischen Facultäten, für die gute Vorbereitung der Candidaten, für Verbesserung der äußeren Lage der Geistlichen und für Abschaffung eingerissener Mißbräuche. Als nach Humboldt’s Rücktritt in die diplomatische Laufbahn Schuckmann die Oberleitung des Departements erhielt und N. sich aus mehreren Gründen bewogen sah um seine Entlassung zu bitten, wurden die Dienstverhältnisse auf Anordnung des Königs ganz nach seinen Wünschen geregelt, da der König unter keiner Bedingung in die Verabschiedung eines seiner ausgezeichnetsten Beamten willigen wollte. – Im September dieses Jahres ward ihm die schwere Prüfung auferlegt, die Gattin heimgehen zu sehen, doch gab fromme Ergebung in Gottes Willen ihm die Kraft nicht zu erliegen, im Stillen zu leiden und weiter rüstig zu schaffen. – Im Mai 1813 mußte N. sich zeitweilig nach Königsberg begeben und von dort aus die Angelegenheiten [638] des Departements besorgen, um den Wechselfällen des beginnenden Krieges nicht ausgesetzt zu sein. Mit Begeisterung verfaßte er einen Aufruf an die Geistlichkeit des preußischen Staates, welche „das zu neuem Leben erwachte Volk mit allen Mitteln zu erheben trachten sollte zum Siege über jede Schmach des auswärtigen Druckes und des niederen inneren Sinnes“. Zurückgekehrt, hatte N. die große Freude, den Herzog von Oldenburg mehrere Monate hindurch in Berlin zu sehen und viel mit ihm zu verkehren, und die andere, das alte innige Verhältniß mit dem Grafen Stolberg zu erneuern, welcher seinen Sohn zu N. schickte, um von diesem zu einer Stellung im Heere empfohlen zu werden. Ein lebhafter Briefwechsel, hauptsächlich über die Ereignisse der Zeit wurde mit dem alten Freunde wieder angeknüpft. Am 3. Juni 1814 setzte eine allgemeine Cabinetsordre die Geschäftsthätigkeit der zweiten Abtheilung des Ministeriums des Innern in folgender Weise fest; sie sollte umfassen: alle Gegenstände des Cultus der im Staate anerkannten Confessionen, die rechtlichen Verhältnisse der Kirche, namentlich der katholischen, zum Staat, die Aufsicht auf die Verwaltung des Kirchenvermögens und der frommen Stiftungen, alle Gegenstände des Unterrichts und der wissenschaftlichen Anstalten, der Akademie der Wissenschaften und Künste, der Universitäten, der höheren, Bürger- und Elementarschulen und die Aufsicht über das Vermögen aller dieser Anstalten. Erst im Frühjahr 1816 trat dieser Geschäftsumfang in Wirksamkeit. Während dieser Zeit war N. auch in Anspruch genommen durch das Amt eines Vicepräsidenten der preußischen Hauptbibelgesellschaft und durch eingehende Studien und Gutachten über liturgische Verbesserungen im Staate und die Synodalordnung. Am 28. März 1817 wurde er aus besonderem Vertrauen des Königs Mitglied des Staatsrathes, der damals neu begründet war, und Wirklicher Geheimer Oberregierungsrath. Im Herbste dess. J. hörte das geistliche Departement auf eine Abtheilung des Ministeriums des Innern zu sein und wurde zu einem eigenen Ministerium, dem des Cultus und öffentlichen Unterrichtes, erhoben, welchem nun sämmtliche Religions- und Unterrichtsangelegenheiten unterstellt wurden. Der erste Minister war Altenstein, zu dem N. alsbald in ein bis zum Ende währendes freundschaftliches Verhältniß trat, was beiden gleich viel Befriedigung gewährte und Ehre machte. Die Ernennung eines Mitdirectors trübte jedoch gleich darauf N. vorübergehend die Freude am Berufe und veranlaßte ihn sogar, um den Abschied zu bitten. Doch verweigerte der König auch dieses Mal die erbetene Entlassung und drückte N. vielmehr seine dauernde Zufriedenheit durch Verleihung des Rothen Adlerordens 2. Classe mit Eichenlaub aus. Unbeirrt von Gerüchten, die damals vom Rheine her verbreitet wurden, daß N. der katholischen Kirche mehr als billig und erlaubt zuneige, hielt er vielmehr den Standpunkt, von welchem aus er nun schon viele Jahre hindurch die Religionsangelegenheiten leitete, fest. Bei Stellung der Frage nämlich: Muß der König seine katholischen Unterthanen in ihrem kirchlichen Besitz, ihrem Glauben und allen Gewissensansprüchen beschützen gleich einem katholischen Fürsten und ihnen Fürsorge für ihre Ausbildung und geistigen Bedürfnisse angedeihen lassen oder liegt ihm als Protestanten ob, sie so viel als möglich zu beschränken und sie so nach protestantischen Begriffen zu beurtheilen, war N. gewohnt, ohne weiteres auf die erste Frage mit ja zu antworten, während er die zweite verneinte. Und hiernach handelte er unentwegt, der katholische Standpunkt war ihm fremd, Niemand konnte protestantischer gesinnt sein als er. Es folgten nun Jahre, in denen es N. schwer wurde, jene heitere, gottergebene Ruhe zu bewahren, welche seinem Wesen so eigenthümlich war, die Commissionen gegen vermeintliche Demagogen aller Art begannen ihr Wesen zu treiben und erfüllten ihn mit Sorgen, dazu kam, daß ihm die Leitung der Unterrichtsabtheilung entzogen wurde und an Kamptz überging, was ihm zwar Erleichterung [639] von den Geschäften aber keine Freude brachte, denn er sah mit Betrübniß, wie die wissenschaftlichen Anstalten immer mehr durch Mißtrauen beeinträchtigt wurden und stellte sie zu hoch, um nicht über den Geist, in welchem die wichtigen Geschäfte geführt wurden, Schmerz zu empfinden. Auch der Agendestreit verbitterte ihm viele Stunden, doch verlor er nie die Hoffnung auf einen befriedigenden Ausgang und daß die gute Absicht des Königs, der evangelischen Kirche aufzuhelfen, erreicht werde. – Die angestrengte Thätigkeit unterbrach N. gern durch kleine Reisen, auf welchen er die Verbindung mit geistesverwandten Freunden aufrecht erhielt und durch regen Briefwechsel, in dem jetzt auch Goethe öfters erscheint. Im Frühjahr 1825 reiste er zum letzten Male in seine Heimath. „Stets werde ich Sie sehr vermissen“, schrieb ihm sein Chef, „wenn Sie abwesend sind und es kann sich leicht fügen, daß ich Sie und Ihren geprüften Rath sehr schmerzlich entbehre; allein dieses wird immer der Fall sein, zu welcher Zeit Sie auch reisen“. Diese Worte geben Zeugniß von den nahen Beziehungen, in denen N. zu Altenstein stand, dem es ein höchst wohlthuendes Gefühl war, daß er sich in dem langen Zeitraum ihres gemeinsamen Wirkens keines einzigen Falles entsinnen konnte, in dem ihre Ansichten sich nicht begegnet hätten. Bald darauf (1827) hatte N. den großen Schmerz, daß ihm von hochstehender Seite aus, von einem Manne, mit dem er früher nahe befreundet gewesen, vom Oberpräsidenten v. Schön, der Vorwurf gemacht wurde, er sei heimlicher Katholik. N. brachte diese ehrenrührige Verunglimpfung amtlich zur Sprache und hatte die Genugthuung, daß der König ihn glänzend rechtfertigte. – Im J. 1830, bei der Feier des Säcularfestes der Augsburgischen Confession ernannte die theologische Facultät zu Halle N. zum Doctor der heiligen Schrift, eine Auszeichnung, die ihn sehr erfreute. Beim Ordensfeste 1831 erhielt N. als letztes Anerkenntniß seiner Verdienste den Stern zum Rothen Adlerorden 2. Classe. Im Februar 1832 übernahm er wieder die Unterrichtsabtheilung, da Kamptz zum Justizminister ernannt wurde; schon seit 14 Monaten hatte er die Abtheilung stellvertretend verwaltet, so daß er nun wieder an der Spitze beider Abtheilungen stand. Heftige Gemüthsbewegungen, veranlaßt durch den Tod eines Bruders und seiner ältesten Tochter, erschütterten seine Gesundheit, auch der Tod lieber Freunde, Niebuhr’s, Dohna’s, Schleiermacher’s war ihm nah gegangen, doch stellte ein Badeaufenthalt in Salzbrunn (1834) sein Wohlbefinden wieder her. Weitere Todesfälle Nahestehender, eines anderen Bruders, Bernstorff’s, Humboldt’s wirkten wiederum nachtheilig auf den fast Siebenzigjährigen ein, er suchte (1836) Stärkung in Alexisbad. Aber seine Kraft war gebrochen und dazu kam ein Ereigniß, welches von großer Bedeutung für N. war: Die Entfernung des Erzbischofs Frhrn. v. Droste-Vischering aus Köln (November 1837). N. hatte die Wahl des ihm von Jugend an bekannten Prälaten erfolglos widerrathen und erlebte nun die gegen denselben nothwendig gewordenen Maßregeln, mit denen er sich nicht einverstanden erklären konnte. Eine Reise nach Holstein erfrischte ihn zwar, aber ein neuer Angriff gegen das Ministerium Altenstein schlug dem Siebenzigjährigen eine tiefe Wunde, von der er sich nicht völlig wieder erholte. Er faßte den Entschluß, aus dem Staatsdienst zu treten, und so tief schmerzlich Altenstein es empfand, „sich in geschäftlicher Beziehung von einem Manne getrennt zu sehen, mit dem diese Verbindung eine in langen Jahren nie getrübte Quelle der innigsten Freude und mit dessen treuer und wirksamer Hilfe er seit 22 Jahren die so wichtigen Interessen zu fördern bemüht gewesen war, welche dem Ministerium anvertraut sind“, so durfte er doch nicht widersprechen, da N. nicht aus Kleinmuth oder ängstlicher Schonung seiner Kräfte handelte, sondern weil seine geschwächte Gesundheit ihm in der That das umfassende Werk nicht länger mit gutem Gewissen fortzuführen gestattete. Der [640] König genehmigte das Entlassungsgesuch am 22. Mai 1839 unter Anerkennung der langjährigen treuen Dienste. Nur noch wenige Monate war es ihm vergönnt, sich der Ruhe zu freuen: am 24. Octbr. traf ihn ein Schlagfluß, der ihm die Besinnung raubte, nur seltene Augenblicke war er klar, die Sprache war sehr unverständlich geworden, die wenigen Worte die man vernahm, zeugten von seinem Frieden, von seinem Triumphe: „Schön“, rief er aus, „herrlich, alles ganz herrlich! Nun ist alles Ueble vorbei; nun kommt das Gute! Nun ist alles schön! Ewige Seligkeit!“ Am 2. November Abends entschlief er. – Ein edler Mann von in so reichem Maße selten vorkommender Harmonie der Bildung war heimgegangen, ein ausgezeichneter Beamter, ein frommer Christ; reichbegabt hatte er seine Fähigkeiten nach allen Seiten hin ausgebildet, der umfassende Briefwechsel mit den bedeutendsten Männern seiner Zeit giebt davon Zeugniß; kindlich frommen Gemüthes, war er von reiner Liebe zur Menschheit erfüllt, voll strengsten Rechts- und Gerechtigkeitsgefühls, voll glühenden Hasses gegen das Schlechte, reich an Selbstüberwindung, voll unerschöpflichen Gottvertrauens, peinlich gewissenhaft in seinem ihm „heiligen Wirkungskreise“, einem Berufe, der wie wenige bedeutungsvoll war, da ihm die Pflege der größten Interessen oblag, hat er ein langes Leben hindurch „mit ernstem treuem Sinn und mit Aufopferung bis zum Hinsinken der Kraft“ segensreich gewirkt.

Dr. Alfred Nicolovius, Denkschrift auf Georg Heinrich Ludwig Nicolovius, Bonn 1841, hierauf beruht größtentheils die vorstehende Darstellung. – Neuer Nekrolog der Deutschen, 1839. II, S. 874. – Otto Mejer, Zur Geschichte der römisch-deutschen Frage, Freiburg 1885. II, S. 40 ff. – Joh. Georg Scheffner, Mein Leben, 1823. – Perthes, Friedrich Perthes’ Leben 1857, III, S. 291.