Textdaten
Autor: Christian Leberecht Heyne
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die beiden Billets
Untertitel: Ein Lustspiel in einem Akt
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage: Zweyte Ausgabe. [Erste Ausgabe 1783.]
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1790
Verlag: Dyk
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google = Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[1]
Die
beiden Billets.

Ein
Lustspiel
in einem Akt
nach
Florian
von
Anton-Wall.

Zweyte Ausgabe.

Leipzig,
im Verlage der Dykischen Buchhandlung.
1790.



[3]
Personen.


Gürge.
Rösgen.
Schnapps, ein Dorfbalbier.


Die Szene ist auf einem freyen Plaze vor Rösgens Hause.



[5]
Erster Auftritt.
Gürge (allein, springt hervor.)

Heysa, Gürge! heysa! – Ins Wasser möcht’ ich für Freuden springen – Röse, allerliebste Goldröse! – Nun, habe Dank, lieber Schulmeister, daß du mich so lange geblaut hast, bis ich habe lesen lernen. – Nein, nun ist es gewiß, daß sie mir gut ist. Da stehts – mit ihren eignen beiden runden allerliebsten Patschgen geschrieben. – Ach, ich muß nur noch einmal lesen. – (Liest.) „Lieber Freund!“ – Jemine, man sieht gleich an den vornehmen Redensarten, daß sie in der Stadt gewesen ist – „diesen Augenblick hat mir mein Vater gesagt, er stellte mirs frey, ob ich unter meinen Freyern den [6] Balbier Schnapps oder Gürgen haben wollte. Ich habe dirs gleich schreiben wollen, damit du’s recht bald wüßtest. Du kannst nun thun was du willst, lieber Freund.“ – Nichts als lieber Freund! (Wischt sich die Thränen ab.) Nu, wenn ichs überlebe, so weiß ich, was ich thun will. Und vor Ihm, Mosge Schnapps, fürcht’ ich mich nun auch nicht mehr. Er hat mir lange genug Angst gemacht: Sein Maul geht immer wie eine Breche, und vor solchen Leuten kommt unser einer immer nicht fort. Aber nu meinetwegen, ich will mich drein ergeben, will hingehen und meinen Schwiegervater fragen, wenn Verlöbde seyn soll. Und auf die Hochzeit – Nein, ich falle in Ohnmacht, wenn ich an die Hochzeit mit Rösgen denken soll. – (Er will gehn, kommt zurück.) Aber es geht mir doch noch was im Kopfe herum. Röse hat ein schönes Gut, den schönsten Stall voll Kühe im Dorfe, volle Böden, und ein funfzehnhundert Gulden baar Geld: und ich habe – nichts, als ein armseliges Häusgen mit einem Gärtgen dran. – Ich wollte, Gott verzeih mirs, lieber, sie wäre so arm als ich, und ich so reich als sie. Freilich wenn mir das Lotto [7] zusagte – Ich habe mich vom Schulmeister beschwazen lassen, und einen Speziesthaler auf eine Terne gesetzt – ich habe doch den Zettel noch? (Sucht ihn und bringt ihn hervor.) Ja, da ist er: 27, 19, und 48 – Ja, ja, ich denke, die Herrn Lottodirektors werdens wohl so karten, daß sie meinen Thaler behalten. Aber ich weiß – was ich mache. Gewinn ich nichts, so nehm’ ich alle neunzig Nummern mit einander, und wenn ich hernach nicht herauskomme, so sprech’ ich selber, daß das ganze Lotto eine Beutelschneiderey auf vornehmen Fuß ist. – Nun, ich will fort zu Rösgen. – (Sieht Schnappsen kommen.) Kommt mir der Hasenfuß gleich in den Weg: ich muß nur geschwind meine Papiere einstecken.


Zweiter Auftritt.
Gürge. Schnapps.

Schnapps. Guten Tag, mein lieber Gürge, guten Tag.

Gürge. Schön Dank!

[8] Schnapps (nach einigen Stillschweigen, während deßen Gürge in Gedanken steht.) Wie gehn denn die Affären?

Gürge. Meinetwegen.

Schnapps. Meinetwegen? – Ich fragte, wie die Affären gehn.

Gürge. Und ich verstand, Er wollte an seine Affären gehn, und da sagt’ ich: Meinetwegen!

Schnapps. Aber sagt mir doch, lieber Gürge, (ergreift ihn bey der Hand) warum Ihr allemal so grämisch seyd, wenn ich mit Euch rede. Was habt Ihr denn?

Gürge. Meine Ursachen hab’ ich.

Schnapps. Je nun, lieber Gürge, ich hätte wohl die nämlichen Ursachen. Aber ich mach’ es, wie Ihr seht, ganz anders.

Gürge. Weil wir überhaupt einander nicht ähnlich sind.

Schnapps. Seyd kein Närrgen. – Weil wir beide um Ein Mädel freyn: müßen wir denn deßwegen einander gram seyn? Es verlohnt sich ja nicht der Mühe, daß sich zwey ehrliche Leute um so eines Trudels willen veruneinigen.

Gürge. Wenn sich zwey ehrliche Leute veruneinigen [9] sollen, so gehören auch allemal zwei ehrliche Leute dazu.

Schnapps. Mosge Gürge?

Gürge. Mosge Schnapps?

Schnapps. Ich verbitte mir alle anzügliche Reden.

Gürge. Mit einem Wort, ich kann Ihn nicht leiden, und damit Holla!

Schnapps. Armer Gürge, Ihr dauert mich. Ihr seyd freilich ein hübscher schmucker, schlanker junger Bursche: aber es giebt denn doch Leute, die sich nicht abschrecken lassen. – Auf allen Fall thätet Ihr immer wohl, wenn Ihr Euch einen guten Strick anschaftet.

Gürge. Ich werde mir einen zulegen, damit ich aushelfen kann. (Will gehen.)

Schnapps. Nu, nu, Gürge! Ihr werdet mich doch wenigstens bis an die Schulmeisterey mitnehmen. Ich habe dem Schulmeister die Lottolisten mit aus der Stadt gebracht.

Gürge (kehrt um.) Die Lottolisten?

Schnapps. Habt Ihr etwa auch eingelegt?

Gürge. Je nu! Welche Nummern sind denn gekommen?

[10] Schnapps. Gleich! – 27, 20, 48, 12, 19.

Gürge. Wa – was? Wart’ Er doch ein bißgen! (Zieht sein Billet heraus.) Ist die 27 dabey?

Schnapps. Ja.

Gürge. Die 19?

Schnapps. Ja.

Gürge. Und die 48 auch?

Schnapps. Und die 48 auch.

Gürge. Geh’ Er, Mosge Schnapps, Er hat mich zum Besten.

Schnapps (ärgerlich.) Ach, warum nicht gar? Da seht selber her.

Gürge. Ja, es ist, Gott verzeih mir meine Sünde, wahr. – (Fällt ihm um den Hals.) Schnapps, ich habe eine Terne: allerliebstes Schnappgen, eine Terne – eine Terne, allerbestes Goldschnappgens – höre, nun will ich Dir ein halb Dutzend Balbiermeßer kaufen, so groß wie die Scharfrichterschwerter, und einen scharlachnen Balbiersack, in dem Du sollst ein paar Scheffel Korn zur Mühle reiten können, und Trotteln dran, wie an unsers Grafen Kutschpferden [11] – Allerschönstes Schnappsgen, eine Terne, eine Terne!

Schnapps. Nu, erwürgt mich nur nicht. (Bey Seite.) Ich möchte vor Aergerniß schwarz werden.

Gürge. Heysa, nun bin ich der glücklichste Kerl in Europa – ach, was will ich sagen, in Europa? – der glücklichste Kerl im ganzen römischen Reiche.

Schnapps (bey Seite.) Wenn ich nun sähe, ob ich auf eine honette Manier das Billet wegschnappen könnte?

Gürge. Nun leb Er wohl unterdessen, Mosge Schnapps: (Steckt sein Billet ein.) Nun will ich gleich nach der Stadt gehen, will mir mein Geld auszahlen lassen, und es denn zu den Füssen der niedlichsten Füßgen hinlegen, die seit der Sündfluth auf dem Erdboden herum getrampelt sind. (Will gehn.)

Schnapps. Die Freude macht Euch verwirrt, Gürge. So wartet doch. Wißt Ihr denn, wo Ihr das Geld holt?

Gürge. Nein, der Geyer, das weiß ich nicht.

[12] Schnapps. Nun ich wills Euch sagen. (Sucht Gürgen das Billet zu stehlen: dieser aber stört ihn immer durch seine Bewegungen.) Seht Ihr – wo die lange Straße ist, das wißt Ihr wohl?

Gürge. Ja, die lange Straße weiß ich.

Schnapps. Nu, da wird das Geld ausgezahlt.

Gürge. Gut, gut, ich gehe in die lange Straße, zeige mein Billet, und kriege mein Geld.

Schnapps. Ja. – Aber Ihr müßt mich nur recht verstehn: seht Ihr – eh’ Ihr in die Straße kommt – so rechter Hand – da ist ein großer Thorweg – Seht Ihr – zum Exempel hier wäre die lange Straße – so ist hier ein bißgen Rechts ein großer Thorweg, mit Gänsekothfarbe angestrichen, nach der allerneusten Mode –

Gürge. Gut, gut, ein Thorweg mit Gänsekothe.

Schnapps. Ja, er fällt Euch gleich in die Augen. – Da geht Ihr hinein, hinter in den Hof, und alsdenn linker Hand eine Treppe hinauf – oben rechter Hand ist eine graumarmorirte Saalthüre, und eine Klingel mit einem Rehfüßgen [13] – Ihr klingelt, da kommt ein Bedienter, blau mit Silber. – „Ich wollte gern mit Ihre Hochwürden, dem Herrn Lottodirektor sprechen.“ – „Kommt nur herein, guter Freund!“ man führt Euch in die Expedition, Ihr zeigt Euer Billet – »Geschwind, so und so viel tausend Dukaten für den ehrlichen Mann, und alle in Fleischergewichte!“ – (Er erwischt endlich das Billet.) Man nimmt Euch euer Billet ab, und die ganze Freude hat ein Ende.

Gürge. Gut, gut, so ists recht. – Ein Thorweg, eine graumarmorirte Klingel, ein Rehfuß, Ihr Hochwürden, und das Fleischergewichte. – Ja, ja. – Nun will ich machen, daß ich fortkomme. Ich bedanke mich tausendmal, allerliebster Mosge Schnapps: ohne Ihn wär ich meiner Treun so dumm gewesen, wie eine Gans. Leb Er wohl unterdessen: ich bedanke mich tausendmal.

Schnapps. Ihr habts nicht Ursache, Gürge, Adjeh, adjeh, vergeßt nur nichts.

Gürge. Nein, nein, bey Ihro Hochwürden im großen Thorwege.

(Ab.)
[14]
Dritter Auftritt.
Schnapps (allein.)

Wenn sich unser einer nicht manchmal ins Mittel schlüge, so käme niemand auf einen grünen Zweig, als solche Dummköpfe. Das Glück ist blind: freilich! Aber die Blinden muß man leiten. – Wohl dreisigmal hab’ ich meine blanken Spezies zu den verdammten Kollekteurs getragen, aber meintage nicht Einen von ihren beschnittenen Dukaten dafür gekriegt. Nun dem Himmel sey Preis und Dank, daß ich doch endlich einmal gewonnen habe. Laß doch sehn, aus welcher Kollekte bist du denn? (Er macht das Billet auf.) Alle Wetter, ich habe mich vergriffen; ich bin ganz erbärmlich geprellt – Nu, zum Henker, das nenn’ ich doch Malheur. Nicht einmal zu gewinnen, wenn man die Billets stielt, die gewonnen haben. – (Liest.) „Lieber Freund, diesen Augenblick – – – den Balbier Schnapps oder Gürgen – thue, was du willst, lieber Freund.“ – Der Kerl hat den Teufel im Leibe. – Der [15] Wisch ist von Rösen. – Ja, wenn das Wetterweibsen nur schreiben kann, und halbwege ein Jahr in der Stadt gewesen ist – so ist kein ehrlicher Mann mit seiner Stirne sicher – Eine Terne und ein reich Mädel an Einem Tage! – Nein, Mosge Gürge, das geht, hol mich der Henker nicht an. In einem wohlpolizirten Staate darf das Geld nicht auf Einen Klumpen kommen. Als ein guter Bürger muß ich mich ins Mittel schlagen. – Still, du verdammter Wisch sollst mir doch zu was helfen. – (Klopft an Rösgens Hausthür.) Rösgen! Rösgen!


Vierter Auftritt.
Schnapps, Rösgen.

Rösgen (inwendig.) Gleich! was ists denn? (da sie heraus kommt, ärgerlich.) Ach, ist Er’s, Mosge Schnapps?

Schnapps. Zu dienen, allerschönstes Rösgen: und ich komme nur mir das Herz auf einen Augenblick zu stärken.

[16] Rösgen. Die Schenke liegt drausen an der Straße.

Schnapps. Kleiner, süßer Schelm! – Meine Herzstärkung steht schon vor mir. – Meiner Treun, wenn ich so ein allerliebstes Mädchen sehe, das solche schöne schwarzbraune Augen, soviel Verstand, so ein scharmantes Wesen, solche niedliche Füßgen, und solche schnurrige Einfälle hat, da – da weiß ich gleich, wo ich meine zukünftige Jungefrau suchen soll. – Glaube Sie mir, mein Engel, ich bin so ein aufrichtiger Anbeter von Ihr – – –

Rösgen. Geh’ Er auf den Abend in die Stadt, Mosge Schnapps, und tret’ Er bey den Bürgermädchen vor die Thür. Da kommen solche Anbeter beßer an.

Schnapps. Gestehs nur, mein Zuckerpüppgen, Du mußt mir doch im Herzen gut seyn.

Rösgen. Mosge, mach’ Er sich nicht so gemein. Wir sind nicht mit einander auf Du und Du.

Schnapps. Aber ein gewißer Gürge und ein gewißes Rösgen sind Du und Du?

Rösgen. Das geht niemanden was an. Und [17] wenn Er sonst nichts hier zu suchen hat, so wünsch’ ich Ihm glückliche Reise.

Schnapps. Es bleibt ewig wahr: Undank ist der Welt Lohn. Da kam ich aus gutem Herzen und wollte Ihr ein gewißes Briefgen bringen, das im Dorfe herum läuft – – –

Rösgen. Ein Briefgen? – im Dorfe herum läuft? – was gehn mich denn die Briefgen im Dorfe an?

Schnapps. Es ist zwar kein Brief an Sie, sondern er ist an Gürgen: aber wie es allenthalben Lästermäuler giebt, so spricht das ganze Dorf, er wäre von dem hübschen Rösgen geschrieben. Aus Respekt für Ihren guten Namen wollt’ ich Ihr den Brief selber zu lesen geben: aber weil ich für meine Ehrlichkeit solche schlechte Reden kriege, so kann ich ihn wohl wieder hintragen, wo ich ihn hergekriegt habe. (Will gehn.)

Rösgen. Aber, lieber Mosge Schnapps, wo hat Er ihn denn her? – Zeig’ Er doch nur einmal!

Schnapps. Aber, liebes Jungfer Rösgen, wird Sie denn nun bald einsehen lernen, wers ehrlich meynt, und wer ein Schelm ist? – [18] A propos, Sie kennt doch Richters Reginen?

Rösgen. Nun?

Schnapps. Das ist bekannt, daß Gürge und Regine schon lange mit einander eins sind. Aber nun denke Sie einmal: heute kommt Gürge in vollen Lachen zu Reginen gelaufen, zeigt ihr das Briefchen hier, und spricht – aber Sie muß mirs nicht übel nehmen – die großthuige Röse hätte das Briefchen geschrieben, und sie würfe sich ihm ordentlich nach. – Da, seh Sie einmal, es steht auch von mir was drinne.

Rösgen. Ach, du abscheulicher Bube; ach, du Ungeheuer!

Schnapps. Ja, so ein Kerl verdient nicht, daß man ihn zu Pulver brennt, und hernach des Landes verweißt.

Rösgen. Ach, du niederträchtiger Abschaum!

Schnapps. Höre Sie, wie es war. Vorhin hör’ ich auf dem Dorfe ein ganz rasendes Gelächter, und weil es gar nicht aufhören will, so geh’ ich hin. Zuerst seh’ ich Richters Reginen mit Schwarzens Anneliesen, und mit Langens Maredoren [19] hinter einer Hecke stehn: und die Menscher schreyen vor Lachen, als wenn sie am Spiese stäcken. Auf einmal seh’ ich auf dem Dorfe die Schulkinder, und mitten darunter einen großen langen Bengel, der einen Zettel abliest. Ich frag’ ihn, was er hat, und er spricht treuherzig: „die schöne Röse hat einen Brief an Gürgen geschrieben, und Gürge hat ihn Richters Reginen gebracht, und Regine hat mir ihn gegeben, daß ich ihn ablesen soll.“ – Ich seze mich sogleich in Autorität, nehme dem Jungen den Zettel ab, jage die Kinder auseinander, und laufe, was ich kann, um Ihr den Zettel in die Hände zu liefern. – Aber nun, Jungfer Rösgen, sag’ ich nicht immer: die Schelme nimmt man ins Haus, und die ehrlichen Leute weißt man vor die Thüre?

Rösgen. Ach, lieber Mosge Schnapps, sey Er ja nicht böse, ich bedanke mich tausendmal für sein gutes Herz. – O, das abscheuliche Ungeheuer – ein ehrliches Mädchen so in Schimpf und Schande zu bringen – (Weint.)

Schnapps. Das ist wahr, es wird sich nun mancher an die häßliche Geschichte stoßen – Aber ich will mich nicht dran stoßen, ich will ein treuer [20] Liebhaber bleiben. – Was sagt Sie dazu, mein Engelgen?

Rösgen. Nein, das vergeb’ ich dem Buben in meinem Leben nicht, und wenn er mir zu Füssen fiele.

Schnapps. Nun, schönes Rösgen, krieg’ ich keine Antwort? – Wenn wir beide in der Geschwindigkeit verlobt würden, so könnt’ ich hernach aussprengen, meine Braut hätte Gürgen mit dem Briefe nur zum besten gehabt – oder, der Brief wäre gar an mich geschrieben und falsch bestellt worden. Das wäre der einzige Weg die Schande zu verhindern.

Rösgen. Ach, ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. In zwey Stunden kommt mein Vater nach Hause: komm’ Er dann zu uns, Mosge Schnapps. – O, der entsezliche Ehrenschänder!

Schnapps. Ich will ihn schon noch züchtigen, wenn du mein bist, ich will ihn schon – Tausend sapperlot, da kommt er. – Thu, als wenn du nichts wüßtest, mein Herzgen; Hörst du? – Da können wir ihn recht ausholen.

[21] Rösgen. Ach, ich kann ihn unmöglich vor Augen sehn. (Will gehn.)

Schnapps. Nein, nein, bleib da, und stelle dich nur recht dumm.


Fünfter Auftritt.
Die Vorigen. Gürge.

Gürge (außer Othem.) Ach, ist Er noch da, allerliebster Mosge Schnapps?

Schnapps. Ja, ich bin noch da – ich – bin ein wenig aufgehalten worden.

Gürge. Hör’ Er, es ist mir unterwegs eingefallen, ob ich nicht erst zum Schulmeister gehn müßte: und hernach – hernach möcht’ ich auch vorher noch mit Jemanden reden. (Sieht nach Rösgens Hause und erblickt sie selbst.) Ach, der Himmel sey bey uns, da ist sie ja – bin ich nicht erschrocken? – Höre, Rösgen, ja, was wollt’ ich denn sagen? – Ja, wenn ich dich nicht sehe, so möchte mirs das Herz abdrücken – und sobald Du vor mir stehst, da pocht mir das Herz, [22] wie ein Eisenhammer. – Ich werde nur künftig die Augen zumachen müssen, wenn ich mit Dir reden will. Denn sonst besinn’ ich mich auf nichts – (Halblaut zu ihr.) Aber höre, Rösgen, sags doch Schnappsen, daß er uns im Wege ist.

Rösgen (laut.) Mosge Schnapps kann immer bleiben: mir ist er nicht im geringsten im Wege.

Schnapps. Tausendsapperlot, wenn das schöne Rösgen so einen Brief an mich geschrieben hätte, als an einen gewißen hübschen jungen Burschen im Dorfe; ich scheute mich nicht, ihr im Antlitz der ganzen medizinischen Fakultät ein Küßgen zu geben. (Küßt sie.)

Gürge (stößt ihn weg.) Aber nur nicht noch einmal vor meinem Antlize: sonst will ich Ihn mit samt seinen Herrn Kollegen mit meiner geballten Faust so beantlizen, daß Ihr binnen zehn Minuten kein Antliz mehr haben sollt. (Leise zu Rösgen.) Du hast es ihm erzählt? He? Er weiß also alles? (Laut zu Schnappsen.) Lach’ Er nur, lach’ Er nur! Mags Ers doch wißen, daß mir Rösgen ein Billet geschrieben hat. Aber hör Er, ich will Ihm was sagen.

[23] Schnapps. Nu, da werd’ ich was hören.

Gürge. Nicht wahr, Er giebt bey Rösen Freyens vor?

Schnapps. Kann wohl seyn, hähähä!

Gürge. Nun so hör’ Er, ich gebe auch Freyens bey ihr vor. Damit nun das Ding ein Ende hat – – –

Schnapps. Ja, ja, damit es ein Ende hat, hm, hm! Nun was soll denn da geschehn, damit es ein Ende hat?

Gürge. Wir stehn izt alle Beide hier, und Röse ist auch da. Wir wollen sie fragen, wer von uns Beiden ihr am meisten gefallen hat; sie soll uns und der Wahrheit die Ehre anthun, und solls offenherzig sagen, und hernach soll der von uns Beiden, den sie nicht will, ganz sachte abtrappen, und auch, notabene, dem andern (spuckt in die Hand) nicht wieder ins Gehege kommen. – Ist er das zufrieden, Mosge Schnapps?

Schnapps. Das war ein Wort, Gürge: topp, es bleibt dabey. – Das schöne Rösgen soll sich einen unter uns auslesen, und der andre soll hernach kein laut Wort mehr sagen dürfen. So wars doch gemeint?

[24] Gürge (heimlich lachend.) Ja, ja, so wars gemeint. (Bey Seite.) O du alberner Schöppschristel!

Schnapps. Nun, schönes Rösgen, Sie hat gehört, was wir miteinander ausgemacht haben. Sey Sie so barmherzig, und spreche sie unser Urtheil. Martre uns nicht länger, süßer Zuckerengel.

Gürge. Ja, ja, Röse, thu mirs zu Gefallen, und sags rein heraus. (Bey Seite.) Der Kerl ist so dumm, daß er mich bald dauert.

Rösgen (bey Seite.) Ich möchte bersten vor Bosheit.

Schnapps. Nun, scharmantes Rösgen, wer ists unter uns Beiden?

Rösgen (mit halberstickter Stimme.) Meinetwegen! – Wer ein Billet von mir aufzuweisen hat, der ists.

Gürge. Nun das war klar und deutlich. (Sieht Schnappsen zu, der in der Tasche sucht.) Ja suche Du, suche, suche du ewig und drey Tage: Du wirsts bald finden. (Schlägt an seine Tasche.) Hier sizen die Musikanten, hier! – Nun, Mosge Schnapps, Sein Diener, wünsche wohl zu leben: gut Wetter zur Reise und gesunde Feyertage! [25] – Da, liebe Röse, da! (Giebt ihr ein Billet.)

Rösgen. Was wäre denn das? (Wirft es ihm vor die Füße.) Das ist ja ein Lotterieloos.

Gürge. Ach, der Geyer! ja, daran hab’ ich nicht wieder gedacht. – Du weißt gar noch nicht – das Glück hat mich heute ordentlich zum Narren gemacht – ich habe im Lotto – Aber der Geyer und seine Großmutter! wo hab’ ich denn das andre Billet hingetrudelt? – Es ist mir doch tausendmal lieber gewesen, als das da – Ich werd’ es doch nicht etwa verloren haben.

Schnapps. Das wäre ewig Schade um so ein Liebesbillet. – Ich habe das meinige beßer verwahrt. – Hier, schönstes Rösgen, sieh, ob das deine Hand ist.

Rösgen (liest.) „Lieber Freund, diesen Augenblick“ – – –

Gürge. Ah, das ist mein Billet, das ist mein Billet: das geht nicht von rechten Dingen zu – das muß mir einer gestohlen haben.

Rösgen. Gestohlen haben? Du willst mich also noch bis auf den lezten Augenblick belügen? [26] – Nein, Betrüger, ich kenne Dich. Geh zu deiner Regine, geh, trag’ ihr meine Briefe zu, die sie nicht einmal lesen kann, geh, sag’ ihr, daß Du Dir aus mir nichts machst, und hernach komm wieder zu mir, und sprich, Du könntest nicht ohne mich leben – Bösewicht, heimtükischer Bube, untersteh Dich nicht, mir wieder vor die Augen zu kommen – Du hast ein ehrliches Mädchen belogen – betrogen – beschimpft – in der Leute Mäuler gebracht. – Aber es soll Dir nicht ungerochen hingehn – meinem Vater will ichs sagen, sobald er ins Haus tritt, und dann sollst Du sehn, wie man solche Buben bezahlt. – Und Er, Mosge Schnapps, behalt’ Er das Billet; ich habe Einmal gesagt, wer es vorzeigte, sollte mein Mann werden, und ich will mein Wort halten.

(Geht ab.)


Sechster Auftritt.
Gürge. Schnapps.

Gürge (nach einer Stille, während welcher Beide [27] einander angesehen, sehr wehmütig.) Lieber Mosge Schnapps, fühl’ Er mir doch einmal nach dem Pulse.

Schnapps (befühlt den Puls sehr bedenklich.) Der tausend, Gürge – Ich dächte, Ihr gingt nach Hause – Ich will nachkommen: und mit einem halben Dutzend tüchtigen Aderläßen wollen wir dem Dinge schon ein Ende machen.

Gürge (wischt sich die Thränen aus den Augen.) Aber hab’ ich denn recht gesehn? hab’ ich denn recht gehört?

Schnapps. Ich bin selber noch erstaunt: ich begreife die ganze Geschichte nicht.

Gürge. Aber wie bin ich denn um mein Billet gekommen? und wie ist Er denn dazu gekommen? Und wie ist denn Röse – verzeih mir meine Sünde – zu dem Schandrachen gekommen?

Schnapps. Wie gesagt, ich verstehe den ganzen Handel nicht. Rösgen hat mir vorhin das Briefgen selbst gegeben, und hat dazu gesagt, sie wollte keinen andern als mich zum Manne haben.

Gürge. Aber das Briefgen ist ja meine gewesen: [28] ich kenn’ es recht gut: es ist noch ganz zerknötert, so lieb hab’ ichs gehabt. – Wie hats denn Rösen wieder können in die Hände kommen? – Und was sie mit der Regine will, weiß ich gar nicht. – Ich hab’ in meinem Leben keinem Mädel zu tief in die Augen geguckt, als Rösen. – Es hat mir geschwant, daß meine Freude nicht lange dauern würde: es war zu viel Glück auf einmal. – Er will sie also heurathen, in allem Ernste heurathen?

Schnapps. Freilich! wenn ich sie heurathe, so heurath’ ich sie in allem Ernste.

Gürge (weinerlich.) Hör’ Er, ich will Ihm einen guten Rath geben: Er thut wohl, wenn Er sich vor der Hand seiner Wege packt. Denn ich stehe Ihm nicht dafür, daß michs nicht anfängt in den Fäusten zu jucken. Und da könnt’ Er leicht so zusammengedroschen werden, daß Er in einem Jahre nicht ans Heurathen denken dürfte. Und apperpoh! was mir alleweile einfällt! Wenn nun das alles etwa eine Spitzbüberey von Ihm wäre? He? – Ich habe das Briefgen in der Tasche gehabt; das weiß ich gewiß. Wenn Ers nun herauspraktizirt hätte? He?

[29] Schnapps. Närrgen, Ihr schwazt, als wenn’s in eurem Kopfe nicht so gar richtig wäre. Wenn ich Euch hätte bestehlen wollen, so hätt’ ich doch lieber das Lotterieloos genommen. Ein Mädchen ist ja hunderttausendmal eher zu haben, als eine Terne.

Gürge. Ach, wollte der Himmel, der Spizbube hätte das Loos genommen, und mir den Brief gelaßen. Was soll nun aus dem armen Gürgen werden? Sie ist mir nicht mehr gut, sie will einen andern zum Manne nehmen. (Weint.) Ich werde keine Freude mehr haben, so lang ich lebe: ich werde mutterseelenallein auf dem ganzen Erdboden seyn. Nun, ich will machen, daß ich sterbe, ehe die Hochzeit vor sich geht.

Schnapps. Ehrlicher Gürge, Ihr dauert mich. Ihr könnt es glauben, daß ich Euch wegen Eurer guten Eigenschaften beständig ganz besonders lieb gehabt habe. Wahrhaftig, ich wüßte nicht, was ich aus Freundschaft für Euch thäte. Hört einmal an. Rösgen hat versprochen, den zu nehmen, der den Brief aufweisen kann: Der Brief ist in meiner Hand: gebt Ihr mir das Loos, und ich gebe Euch den Brief.

[30] Gürge. Was, allerliebster Goldschnapps? ist das der Ernst?

Schnapps. Der völlige Ernst. Aber Ihr seht, daß ich mehr für Euch thue, als ein ehrlicher Mann für seinen Bruder thäte.

Gürge. Da, da ist der Bettel! Geschwind gieb her, Zuckerschnäppsgen, eh’ es Dich reut! (Sie vertauschen die Billets.) Nun, da hab’ ich dich wieder, du allerliebstes Briefgen: nun sag mir, du kleiner Schelm, warum du mir davon gelaufen bist. Willst du mir noch einmal den Spas machen, du Flattergeist? Höre! Wirst du noch einmal desertiren, damit ich dich ranzioniren muß? – Thue mirs nicht wieder, du Aeffgen; denn nun hab’ ich im Leben nichts mehr als dich. Dasmal will ich dir den Streich noch vergeben: komm her, du Herzgen: einen Schmaz! und noch einen! und noch einen! und nun ist alles vergessen und vergeben.

Schnapps. Das Loos ist also nunmehr mein? ganz und gar mein?

Gürge. Ganz und gar, Schnäppgens, mit Haut und Haar. Er hat das Billet auf die Terne, und ich habe das Billet auf Rösen. Der Himmel [31] gebe nur, daß ich so geschwind ausgezahlt werde als Er. – Aber wahrhaftig, ich traue den kleinen Schelm da gar nicht: ich denke immer, er läuft mir noch einmal davon. Weiß Er was, Mosge Schnapps, geh’ Er nur fort, damit ich mit Rösen allein reden kann.

Schnapps. Ey freilich, freilich. Das ist nicht mehr als billig. Adjeh, lieber Gürge, adjeh: (umarmt ihn) es freut mich recht, daß ich Euch einen solchen Liebesdienst erzeugt habe. Seht Ihr, so bin ich nun: ich habe so ein weiches Herz, daß ich alles aus dem Leben gebe, sobald ich jemand weinen sehe.

Gürge. Er ist ein braver Mann, Mosge Schnapps, wenn ich Ihm wieder dienen kann, so komm’ Er zu mir. Aber izt geh’ Er, damit ich Rösen rufen kann. Adjeh! – Ein Kompliment unbekannter Weise an Ihre Hochwürden.

Schnapps. Wills ausrichten, wills ausrichten. (Bey Seite.) Wir wollen doch einen Augenblick an der Ecke da lauern, und zusehn, wie Herr Gürge anlaufen wird.

[32]
Siebenter Auftritt.
Gürge. Rösgen. Schnapps (versteckt.)

Gürge (klopft an der Hausthür.) Ist niemand zu Hause?

Rösgen (am Fenster.) Was? Du bists? Du unterstehst Dich noch, Dich hier sehn zu laßen? Du kannst noch glauben, daß Du wieder einen Fuß wirst ins Haus sezen dürfen? Du bildest Dir ein – – –

Gürge. Nein, nein, Röse, ich will nicht ins Haus, ich will haußen bleiben: aber laß nur ein vernünftig Wort mit Dir reden: was ich Dir zu sagen habe, ist gleich geschehn: thu mir nur den Gefallen, und komm auf ein paar Augenblickgen herunter: Du wirst sehn – – –

Rösgen. Ich mag nichts sehn, und nichts hören, und nichts wißen. Laß mich in Ruh, und komm mir nicht wieder vor die Augen. (Schlägt das Fenster zu.)

Schnapps (schleicht hervor: bey Seite.) Bravo! nun will ich mein Geld holen, und hab’ ich [33] das einmal, so komm’ ich wieder, und hole das Mädel hinterher.


Achter Auftritt.
Gürge. (Hernach) Rösgen.

Gürge (allein.) Das ist aber doch wahrhaftig zu arg. – Ihr nicht einmal das Briefgen vorzeigen zu können! – Und wenn ich die Zeit verstreichen laße, so hilft beym Himmel keine Gnade – so ist alles verloren. Denn Schnappsen trau ich nicht über den Weg; und wenn der einmal wieder da ist, so kommt der arme Gürge gewiß nicht auf den Erdboden. Nun, ich muß mir das Herz nehmen: geh’ es in des Himmels Namen, wie es wolle, ich will mich nicht eher zu Tode grämen, als bis ich noch einen Versuch gemacht habe. (Pocht noch einmal an.) Nun gewagt war’s: Frisch zu, Gürge!

Rösgen (am Fenster.) Was? Noch keine Ruhe? Soll ich nach den Gerichten schicken?

Gürge. Aergere Dich nur nicht, liebe Röse [34] ich komme gar nicht mehr um mit Dir zu schwazen: Denn Du willsts einmal nicht haben: sondern ich komme nur um Dir deinen Brief wieder zu bringen.

Rösgen. Meinen Brief? Und den hast Du? – Du lieber Himmel, der verwünschte Brief zieht doch in der ganzen Welt herum. – Warte unten, ich will Dir ihn abnehmen. (Macht das Fenster zu.)

Gürge (allein.) Nun schöpf’ ich wieder ein bisgen Athem. Ich hab’ ein gutes Gewißen, ich bin ihr gut, ich bin ihr beständig gut gewesen: sie ist mir gut gewesen: es müßte doch, verzeih mir meine Sünde, mit dem Bösen zugehn, wenn sie nicht Rede annehmen wollte.

Rösgen (kommt aus dem Hause.) Aber das sag’ ich gleich, von dem Vergangnen mag ich nichts hören und nichts wißen. Nur das möcht’ ich erfahren, wie es zugeht, daß Du meinen Brief wieder hast.

Gürge (giebt ihr das Billet.) Da, Röse! hier ist er: nimm ihn wieder. Er ist zwar mein, ich hatte meine ganze Hoffnung drein gesezt, mein [35] ganzes Glück darauf gebaut – aber (weinend) ich soll einmal nicht glücklich seyn – und, wenn Du nicht sprichst, daß ich ihn behalten soll – – –

Rösgen. Nein, ich spreche, daß Du mir ihn wieder geben sollst. – Sieh doch! damit er ihn etwa noch in der Schenke vorlesen könnte? – Pfuy! meinen Brief, den ich aus gutem ehrlichen Herzen schreibe, zu nehmen und sich mit einem andern Mädchen drüber lustig zu machen? – Pfuy!

Gürge. Röse, liebe Röse, allerliebste Röse! was bringst Du da für Zeug vor? Ich und ein ander Mädchen als Du? Geh, Du willst mich in meiner Noth noch zum Besten haben.

Rösgen. Aber heute früh schick’ ich Dir das Billetgen, und ein paar Stunden drauf bringt mirs Schnapps wieder? Wie kommt denn das, wenn Du so gewaltig unschuldig bist?

Gürge. Schnapps hat Dir’s wieder gebracht? Da seh man den Schurken! und zu mir hat er gesagt, Du hättest es ihm gegeben. O, [36] nun ists gewiß – ja, nun ists gewiß, daß er mirs gestohlen hat.

Rösgen (bey Seite.) Wenn’s wahr wäre? Der Balbier ist so was im Stande – Ich gäbe was drum, wenn Gürge unschuldig wäre.

Gürge. Aber überlege einmal, liebe Röse, überlege nur einmal: wir sind nun schon zwey Jahre mit einander bekannt, und hast Du mich in der ganzen Zeit ein einziges mal auf einem verschmizten Streiche ertappt? – Höre, liebe Röse, vergieb mirs, daß ich mich habe bestehlen lassen: ich wills nicht wieder thun: habe Barmherzigkeit, liebe Röse.

Rösgen. Aber wie kommst Du denn wieder zu dem Briefe? Wer hat Dir ihn denn gegeben?

Gürge. Das Lotto.

Rösgen. Das Lotto? – Ich glaube, Du weißt nicht mehr was Du redst. – Schnapps hatte ja den Augenblick den Brief: hat er Dir ihn denn wieder gegeben?

Gürge. Ich hab’ ihn Schnappsen abgekauft, [37] und da hat er mir ihn wieder gegeben.

Rösgen. Abgekauft? wie denn? wofür denn?

Gürge. Ich will Dir’s sagen, liebe Röse. Du mußt wißen, daß ich heute früh eine Terne gewonnen habe, die mit einem Speziesthaler besezt war.

Rösgen. Du? eine Terne? – Jemine! das soll ja was Großes seyn, wenn man eine Terne gewinnt.

Gürge. Ja, es ging so ziemlich in die acht tausend.

Rösgen. Jemine, eine Terne von achttausend Thalern! – Je, Gürge, was willst Du denn mit alle dem Gelde machen?

Gürge. Höre nur. – Zum größten Glücke hatt’ ich das Geld noch nicht. Schnapps sah, daß ich mich über deinen Brief gar nicht zufrieden geben wollte, und schlug mir endlich vor, daß wir mit den Billets tauschen wollten.

Rösgen. Und Du hast es gethan?

Gürge. Je, wahrhaftig, ich gäb ihm [38] mein Häusgen noch dazu, wenn ers verlangte.

Rösgen. Guter, lieber Gürge, (umarmt ihn) vergieb mir, sey nicht böse: so lang ich lebe, will ich Dir gut seyn – so lang’ ich lebe, will ich Dich lieb haben.

Gürge. Der Geyer, Röse, Du mußt gewaltig viel auf Leute halten, die einen guten Handel treffen.

Rösgen. O vergieb mir, lieber Gürge, daß ich Dir Unrecht gethan habe: behalte meinen Brief, wenn Du ihn noch behalten willst – ich schwöre Dir’s zu, daß ich Dich lieb habe, daß ich niemanden haben will als Dich, und daß ich mich noch heute Abend mit Dir verloben will, wenn Du es haben willst, und wenn Du mir nicht gram geworden bist.

Gürge. Du hast mich wieder lieb? Ach, ich bin des Todes für Freuden! – Höre, liebe Röse, sags nicht noch einmal, daß du mich lieb hast: es könnte mir wieder ein Unglück begegnen. Laß mich Dich nur ansehen: ich will es schon aus deinen hübschen Augen herausstudiren, ohne daß Du mir es sagst.

[39] Rösgen. Nur vergieb mir, lieber Gürge, daß ich Dir so weh gethan habe.

Gürge. Was das für allerliebste hübsche Augen sind! Ich weiß nicht, was ich sagen soll: aber ich möchte gleich ganz und gar hineinspringen. – Aber höre, thu mir einmal den Gefallen, und sage mir, wie die beiden ersten Worte hier heißen: He? (Zeigt ihr den Brief.)

Rösgen. „Lieber Freund.“

Gürge. Wie war’s? Ich hab’s nicht recht verstanden.

Rösgen. „Lieber Freund!“

Gürge. Warte, ich muß es selber lesen. – L, i, e, lie, b, e, r, ber, lieber, F, r, e, u, n, d, Freund, lieber Freund – Ah, wenn’s nur nicht so bald alle wäre! wenn die beiden Worte nur so lang wären, als das dicke Historienbuch, das unser Schulmeister hat!

Rösgen. Laß es gut seyn, lieber Gürge: Du sollst es noch viel tausendmal hören, wenn Du es nur niemals überdrüßig werden willst. – Aber höre einmal, wir können dem Balbier seine Betrügerey nicht so hingehn lassen.

[40] Gürge. Warum denn?

Rösgen. Er muß das Billet herausgeben, um das er Dich betrogen hat.

Gürge. Was denn für ein Billet?

Rösgen. Dein Lotterieloos.

Gürge. Nein, liebe Röse, nein, der Handel ist einmal gemacht – wir wollen nicht weiter davon reden: er könnte rappelköpfisch werden, und den Brief wieder haben wollen – Nein, nein, es ist so recht gut. Du hast mich lieb, nicht wahr? – Nun, und weiter verlang’ ich nichts.

Rösgen. Stille, stille! da seh’ ich ihn kommen: verstecke Dich geschwind ins Haus, und komm nicht eher hervor, als bis ich Dich rufe.

Gürge. Aber rufe mich nur ja recht bald. Hörst Du?

(Ab.)

Rösgen. Ja, ja, geh nur, daß er Dich nicht sieht. – Ah, da kommt der Schurke, und hat das Billet in der Hand.

[41]
Neunter Auftritt.
Rösgen. Schnapps.

Schnapps (vor sich.) Muß der verdammte Schulmeister heute just Gevatterbriefe herumtragen: und so elend der Kerl ist, so kann ich doch heute ohne ihn nichts machen – (Sieht Rösgen und versteckt das Billet.) Ach, mein schöner Goldengel, ich wollte eben zu Ihr.

Rösgen. Es ist mir recht lieb, Mosge Schnapps, daß ich ihn sehe. Weiß Er wohl, was hier vorgefallen ist, seitdem wir uns nicht gesehn haben?

Schnapps. Nein, ich weiß nicht – was wäre denn vorgefallen?

Rösgen. Denk’ Er einmal an; der Mensch, der Gürge, untersteht sich mir wieder unter die Augen zu kommen: aber ich habe ihn so heimgeschickt, daß er gewiß in seinem Leben nicht wiederkommt.

[42] Schnapps. Das ist scharmant, hähähä. Ja, ich hab’ es gleich gedacht, hähähä, und da hab’ ich mich hier versteckt, und da hab’ ich gesehn, hähähä, wie Sie ihm das Fenster vor der Nase zuschlug, hähähä. – Aber den dummen Gürgen izt bey Seite; mein Engelgen, Du weißt doch wohl, was Du mir vorhin versprochen hast?

Rösgen (bey Seite.) Ah, nun hab’ ich Dich. (Laut.) Ja, Mosge Schnapps, das weiß ich recht wohl. Aber ich gesteh’ es, ich habe nur noch ein paar Skrupel, die er mir vorher auflösen muß.

Schnapps. Auflösen, resolviren, dissolviren, obstruiren, rektifiziren, wie Du es haben willst, mein Kröngen.

Rösgen. Ich nehme freilich einen Mann, damit er mir gut ist: und wenn Ers also ehrlich meynt, Mosge Schnapps – aber ehrlich muß Ers meynen – so denk’ ich, daß wir ein Paar sind. Ich habe ein bisgen Vermögen, aber ich verlange eben nicht, daß mein Mann welches hat. Was ich verlange, das ist, daß mich mein [43] Mann einzig und allein lieb hat. Sag’ Er mir offenherzig, Mosge Schnapps, ist Er außer mir keiner andern gut?

Schnapps. Nun so wollt’ ich, daß ich alle Flüche und alle Schwüre wüßte, die es in der ganzen Reichsarmee giebt, um Ihr, allerschönstes Rösgen, zu beschwören, daß ich – – –

Rösgen. Hör’ Er mich an. Ich habe Einmal den Fehler an mir, daß ich erschrecklich mistrauisch bin. – Da Er hieher kam, hatt’ Er ein Papier in der Hand; und das versteckt’ Er, sobald Er mich gewahr wurde. Was war das? Wenn Er will, daß ich Ihm trauen soll, so muß er mirs sehn lassen. Hat doch wohl Regine einen Liebsten gefunden, der ihr die Briefe andrer Mädchen zeigte.

Schnapps. Ja wahrhaftig, schönes Rösgen, ich wäre des Todes, wenn ich Ihr durchaus einen Liebesbrief zeigen sollte. Denn in meinem ganzen Leben hat noch kein Frauenzimmer an mich geschrieben.

Rösgen. Nichts, nichts! das sind kahle Ausflüchte: und mit Einem Worte, wenn Er [44] haben will, daß ich Ihn für einen ehrlichen Mann halten soll: so muß er mir das Papier zeigen – so muß er mirs in die Hand geben.

Schnapps. Meiner Treun, ich wollte, daß Sie meine Liebe auf derbere Probe stellte, hähähä. Sie wird die Augen ganz gewaltig aufsperren, hähähä, wenn Sie sieht, daß es weiter nichts, als – (giebt ihr das Loos) ein Lotterieloos ist, hähähä.

Rösgen (sieht es an und versteckt es.) Nun hab’ ichs, nun hab’ ichs. – Weiß Er, Mosge Schnapps, daß alleweile ein einfältiges Mädchen den Schurken aller Schurken betrogen hat? – Gürge! Gürge!

[45]
Zehnter Auftritt.
Rösgen. Schnapps. Gürge.

Gürge. Was giebt’s? was giebt’s? Hat er Dir was gestohlen?

Rösgen. Nein, lieber Gürge: aber ich habe was wieder, das er Dir gestohlen hat. – Da ist dein Loos, da! – Du wirst mich doch noch nehmen, Gürge, da Du so ein reicher Kauz bist? – Und Ihm, Mosge Schnapps, wünsch’ ich alle Tage so einen guten Schacher als heute. Nur muß Er sich nicht wieder so übertölpeln laßen.

Gürge. Der arme Teufel! er dauert mich. – Hör’ Er, mein lieber Mosge Schnapps, wenn ich einmal einen Reitknecht brauche, und es fehlt Ihm etwa; so meld’ Er sich getrost auf meinem Rittergute.

Rösgen. Daß er uns die Pferde in die Schwemme ritte, und nicht wieder käme? Nein, nein, Gürge, das wollen wir beschlafen.

(Beide ab.)
[46]
Lezter Auftritt.
Schnapps (allein.)

Daraus will ich mir zweyerley ad notam nehmen. Erstlich, es giebt kein ärger Keßelflickervolk, als ein paar Liebesleute: und zweytens, es gelingen nicht alle honette Pfiffe. Denn wo wollten sonst die Fußgänger vor lauter Equipagen hin?

(Der Vorhang fällt.)