Die Chronik des Thietmar von Merseburg/Zweites Buch

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Zweites Buch
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Zweites Buch.




Otto, die Zierde des Reichs, ein Sproß des erhab’nen Geschlechtes
Heinrichs, seines Erzeugers, bestieg, schon strahlend vom Ruhme
Glänzender Thaten, den Thron, den der herrliche Vater besessen.
Ihm widersprachen zuerst böswillig so Manche, voll Scheelsucht:
Er überwand sie alle, die Frechen, nach göttlicher Fügung.
Stets von oben herab quoll ihm die Fülle der Weisheit.
Nicht seit Carolus Tod ist ihm ein Herrscher vergleichbar,
Und nicht wieder erscheint ein Hirt dem Volke wie dieser.
Sechs Bisthümer allein hat Otto’s Wille gegründet.
Berengar, den frevlen, bezwang mit gewaltiger Faust er,
Setzend den Fuß auf den Nacken der rasenden Langobarden.
Ihn zum Kaiser erhob, zum gewaltigen, Roma; es zahlten
Fern an der Küste des Meers ihm Zins unterworfene Völker.
Freund des Friedens er war: weithin die Feinde verscheuchend,
Zwang er den Westen zur Ruh’, zur Ruhe die trotzigen Dänen;
Ihm auch zeigte sich kein Feind in eoïschen Landen.
Acht und dreißig der Jahre hatt’ er das Scepter getragen,
Er, der Große, mit kräftiger Hand; da schied er von hinnen.
Traurend beweinte das Land den nie zu ersetzenden Helden.
Er hinterließ als Pfand der Treue den liebenden Freunden
Sammt der Gattin den Sohn, an dem sich die Herzen erfreuten.

[27] 936. 1. Alle Fürsten des Reichs erwählten sogleich, getrieben von dem Wunsche, den großen Schmerz der Königin Mathildis zu lindern, der Anordnung und Bitte des Vaters gemäß, deren Sohn Otto einstimmig zu ihrem König und Herrn, indem sie, die Rechte erhebend, ausriefen: „Es lebe und regiere unser König für und für!“, und damit zogen sie mit ihm nach Aachen. Als sie sich der Stadt näherten, kam ihnen der ganze Rath[1] entgegen, versprach dem jungen Fürsten Treue und Gehorsam, geleitete ihn bis zur Krönungsstadt hin, setzte ihn an die Stelle seiner Vorgänger und rief ihn laut aus zum Könige, und dankte Gott. Ihn weihte Hillibert, der Hüter des Stuhles zu Mainz, mit Genehmigung des Erzbischofs Wigfried von Köln, in dessen Sprengel dies vorging, und unterstützt von dem Erzbischofe von Trier, im Jahre des Herrn 936, in der St. Marienkirche, welche einst Karl der Große mit allem Fleiße erbaute. Als darnach Otto, der Scepterträger Größter, in Gott zum Herrscher bestätigt war, da befahl er auch seine Gemahlin Editha, die gottesfürchtige Tochter König Ethmunds von England, welche er noch bei Lebzeiten ihres Vaters heimgeführt hatte, zu krönen.

Otto’s Glück trübte manch widriges Geschick. Denn der verruchte Bolizlaw, der seinen eigenen Gott und dem Könige getreuen Bruder, den Böhmenherzog Ventizlav, erschlug, widerstand Otto I. lange Zeit tapfer, schließlich aber wurde er doch vom Könige mannhaft besiegt und seinem Bruder Heinrich, Herzog von Baiern, zur Haft übergeben.

Auch die Avaren, die sich schon wider seinen Vater erhoben hatten, aber längst bezwungen waren, erhoben sich aufs neue, kehrten aber schnell geschlagen heim.

Dann entstand unter Mitbürgern und Landsleuten gewaltige Zwietracht, welche Tammo, der Sohn des Königs und der Liudgerde[2], [28] aufreizte, darüber, daß das Amt des Grafen Siegfried von Merseburg, auf welches er selbst Anspruch gemacht hatte, dem Markgrafen Gero verliehen und ihm außerdem seine ganze mütterliche Erbschaft entzogen sei. Ihn belagerte der König in Eresburg [Stadtberge][3], und suchte ihn mit Drohungen und mit Güte von seiner Anmaßung abzubringen: aber vergebens; da drang das Heer in die eroberte Stadt ein und trieb den vom Kampfe ermatteten Jüngling bis in die St. Peterskirche, wo einst im Alterthum die Irmensäule stand. Zuletzt aber hauchte er, durch’s Fenster herein von Maginzo’s Lanze getroffen, neben dem Altare seinen Geist aus. Den Maginzo aber strafte der König nachher mit schmählichem Tode, im zweiten Jahre seiner Regierung.


2. Aus allen offenen und geheimen Gefahren ging Otto durch die Gnade des Herrn und die unablässige Fürsorge seiner makellosen Gemahlin Editha stets wohlbehalten hervor. Auf ihren Antrieb begann er die Stadt Magadaburg zu bauen, wohin er die leiblichen Ueberreste des heiligen Märtyrers Innocenz mit großer Pracht bringen ließ. Denn diese Stadt erwarb er und baute sie um der ewigen Vergeltung willen und zum Heile des Vaterlandes. Dabei half ihm die hochselige Editha, wie sie nur konnte. Sie verlebte, mit unzähligen Tugenden begabt (was nach ihrem Tode durch Zeichen und Wunder offenbar wurde), die ihr beschiedene Erdenfrist auf eine Gott und Menschen wohlgefällige Weise. Ihre Ehe währte 19 Jahre; sie starb im elften Jahre seit ihrer und ihres Gemahls Krönung, am 23. Januar. 946. Sie hinterließ einen einzigen Sohn, Liudulf, strahlend in jeglicher Kraft. Ihr Leichnam wurde in der genannten Stadt in der Hauptkirche in der nördlichen Kapelle bestattet. Der König aber empfing auf der Jagd, auf der er sich etwas zu erholen hoffte, die tödtliche Schmerzenskunde, doch ertrug er das unerhörte Leid mannhaft, das nur durch des geliebten Sohnes Ankunft gelindert wurde. Dieser wanderte als Knabe in löblicher Einfalt des Pythagoras [29] von Samos doppelastigen Buchstaben[4], das Bild des menschlichen Lebens, bis an die Scheidung, und indem er den Weg rechter Hand betrat, nämlich den, wenngleich kürzeren, so doch vorzüglichen Steg, stieg er von Tag zu Tage schöner empor, wie lieblich grünender Epheu; in allem des Vater Ebenbild, erhöhte er die Zierde seiner hohen Geburt durch sein Benehmen in dem Grade, daß er, „was der geringste Ruhm nicht ist[5],“ allen Ersten des Reiches gefiel. Daher lächelte ihn des Vaters Huld in dem Grade an, daß er ihn nach gemeinsamer Wahl des gesammten Fürstenraths zum Genossen seiner Ehre und seines Amtes bestimmte und ihm die Nachfolge sicherte. Auch verlobte er ihm Ida, die Tochter Herzog Hermanns [von Schwaben], deren Schönheit noch durch ihre Ehrbarkeit übertroffen wurde. Nachdem der Vater ihm also diese zur Gemahlin gegeben, verlieh er ihm nicht lange nachher auch das Herzogthum und Erbe seines verstorbenen Schwiegervaters. Wie kräftig unter einem solchen Vater und Sohne das Reich blühte, ist schwer genügend zu schildern. Die ehrwürdige Königin Mathildis aber, die zu Quidilingaburg, wie gesagt, ein Nonnenkloster erbaut und gestiftet hatte, verdient es durch ihr gottgeweihtes Leben, daß ihr Sohn in jeglicher Tugend hervorragte.


3. Indeß hatte Berengar das Reich Luthuwig’s[6] an sich gerissen, und Ethelheid, die Wittwe desselben, 951. zu Cumä am 20. April gefangen genommen, die er nun mit Haft und Hunger auf eine beweinenswerthe Art quälte. Von ihrer gepriesenen Schönheit und Sitte hörte Otto, und indem er vorgab nach Rom zu reisen, kam er auf dem Wege in die Lombardei, warb um die damals der Haft entronnene Fürstin durch Bevollmächtigte, und bewog sie, die durch reiche Geschenke günstig gestimmt war, seinen Wünschen nachzugeben, auch gewann er zugleich mit ihr Pavia. Ueber diese [30] Ereignisse aber war Dudo[7], sein Sohn, gar düster und unzufrieden, und eilte hin zu den Unsern, und verbarg sich in der Umgegend von Saleveldun [Saalfeld] an einem zum Hinterhalt passenden Orte. Der König kehrte darauf, nachdem er Pavia mit einer Besatzung versehen und die nöthigen Anordnungen daselbst getroffen hatte, nach Deutschland zurück. Dahin folgte ihm Berengar nebst dem Herzoge Konrad [von Lothringen] auf dem Fuße nach, und Berengar erlangte durch seine und seines Sohnes Unterwerfung 952. zu Augsburg vom Könige Begnadigung, beschwichtigte auch durch demüthige Bitte den Zorn der Königin, und kehrte dann in gutem Frieden heim. Otto aber entdeckte, wie er als Regent Franken durchzog, den heimlichen Hinterhalt, der ihm von seinem Sohne und seinem Schwager Hugo[8] bereitet war, und befahl ihnen alsbald durch Abgesandte mit zornigen Worten, sie sollten ihm die Urheber eines solchen Verbrechens zuschicken oder gewiß sein, daß sie als Empörer gegen die Gewalt des Königs angesehen werden würden. Da sie indeß sich dieser Botschaft nicht fügen wollten, so zog Otto ein Heer zusammen, setzte sich durch Sturm oder Uebergabe in Besitz aller Burgen, die sein Sohn inne gehabt hatte, und verfolgte ihn bis nach Mainz. Dies schloß er mit großer Macht ringsum ein, 953. und ermattete durch unablässigen Kampf die Rebellen sehr. Darnach hatte, nachdem von beiden Seiten Geißeln gestellt waren, der Vater mit seinem Sohne eine Unterredung, und versprach ihm Begnadigung, wenn er seine Genossen, welche diese Empörung ins Werk gesetzt hätten, angeben und zur Bestrafung ausliefern würde. Das aber wollte und konnte der Jüngling nicht; denn er wollte sein eidlich beschworenes Wort nicht brechen. Geschmäht von seinem Oheim Heinrich, kehrte Dudo darauf in die Stadt zurück, um den Kampf zu erneuern, und verband sich mit dem Grafen Ekbert nebst vielen Rittern seines Oheims. Dann verließ er mit allen den Seinigen heimlich in der Nacht die Stadt und eroberte in Baiern [31] außer den übrigen festesten Burgen die Hauptstadt Ratisbona oder Reinesburg [Regensburg], indem er die Herzogin Juuthita [Judith], der er nur ihre Söhne ließ, aus dem Lande vertrieb. Dann versuchte er, den Herzog Thietrich und den Grafen Wigmann, die, während sein Vater ihm nachzog, sich anschickten, Mainz wieder in Besitz zu nehmen, von ihrem Plane abwendig zu machen; Thiedrich aber ging gar nicht darauf ein, den Wigmann indeß gewann er schnell durch Schmeichelreden und Lockungen. Der König aber, der mit Heeresmacht in Baiern einfiel, fand die Thore aller Städte verschlossen, und kehrte heim, nachdem er das Land geplündert und verheert hatte. Darnach nahm Dudo, am Widerstande gegen seinen König und Vater verzeifelnd, die bogenkundigen Avaren als Bundesgenossen in Sold. Dies erfuhr der König alsbald, und eilte den anrückenden Empörern mit fliegenden Fahnen entgegen. 954. Allein es ging ihm leider anders, als irgend jemand vermuthen konnte. Denn die Avaren fielen, durch feindlich gesinnte Führer einen andern Weg geleitet, in Franken ein und verwüsteten dasselbe furchtbar.

Fragt aber Einer in seinem Innern oder laut, woher einem fremden Volke eine solche Kühnheit komme, daß es so bevölkerte, von ihnen so fern gelegene Gegenden zu bedrängen unternahm: so vernehme er, was ich als Ergebniß dessen, was ich aus Schriften je erlernt habe und auch aus mir selber weiß, ihm antworte: Mit Gottes Zulassung werden diese durch unsre Missethaten hervorgerufen als Geißeln Gottes, und wir fliehen in gewaltigem Schrecken, weil wir feige sind ob unserer Ungerechtigkeit, und so kommt es, daß wir, die wir im Glücke die Furcht Gottes verschmäht haben, nun mit Recht die Zuchtruthe des Herrn fühlen müssen, und daß wir, Ihn anrufend, kein Gehör finden, weil wir in keiner Weise versucht haben, Seinen Zorn zu sühnen. Aus diesen Gründen also geschah es, daß Germania, schwächer als die anderen, ihr benachbarten Länder Europa’s, diesen Schaaren erlag, denen schon für eine Mauer gilt, was ihren Pfeilen zu widerstehen vermag.[9]

[32] Endlich ließ Gott sich bewegen durch das Verdienst der Gerechten und den Jammer der Elenden, und trieb den Schwarm der Treulosen[10] in die Flucht, und als sie dann nach einer anderen Richtung, als der König gedacht hatte, sich hinwandten, zog er ihnen noch einmal nach und fiel wieder in Baiern ein. Nun begannen sie über den Frieden zu unterhandeln und baten um Waffenstillstand, den sie auch erlangten. Jene aber, immer unzuverlässig und ihren Herren untreu, warfen sich, nachdem sie sich beim Könige nicht hatten rechtfertigen können, mit ihrem Führer Liudulf umher schweifend, wieder in die ihnen wohl bekannte Veste Reinesburg [Regensburg]. Der König aber folgte ihnen sogleich mit starker Heeresmacht und belagerte sie daselbst, zwang auch, obwohl erst nach lange schwankendem Kampfe, zuletzt durch große Hungersnoth seinen Sohn und dessen Anhänger, um Frieden zu bitten. Darauf warf sich Dudo reuerfüllt nebst Hugo dem Vater zu Füßen: er flehte um Verzeihung für das Vergangene, um Verbesserung seiner Lage für die Gegenwart, und bot auch für die Zukunft Sicherheit. Der König gab endlich dem Rathe seiner Großen nach, und nahm ihn an, verzieh ihm seine Vergehungen und gewährte ihm die feste Zusicherung seiner Gnade. Darauf stellte Otto seinem Bruder die lange verlorene Herrschaft wieder her und kehrte, als er alle Widerwärtigkeiten überwunden glaubte, als Sieger nach Sachsen zurück.


955. 4. Und siehe! auf’s neue erhoben die Avaren, als hätten sie den eben verübten Frevel schon wieder vergessen, die Waffen gegen uns. Ihr Anrücken meldete Herzog Heinrich dem Könige und rief ihn von einer schon begonnenen Reise zurück. Da berief Otto alle seine Vertrauten zu sich nach Augsburg, und erklärte hier, er wolle lieber sterben, als solches Unheil noch länger dulden; und er ermahnte die Seinen zu muthiger That, indem er allen, die sich [33] 955. ihm wohlgesinnt erweisen würden, reiche Belohnungen und große Huld verhieß, den fliehenden aber mit schwerer Strafe drohte. Nun zog er von allen Seiten her Truppen zusammen, jedoch konnte er nur acht Heerhaufen aufbringen. Als diese im Angesichte des Feindes aufgestellt waren, feuerte er sie an, indem er sie, wenn sie stürben, auf die ewige Belohnung des Jenseits, wenn sie aber siegten, auf die nahe lockenden Freuden hienieden hinwies. Der äußerste Flügel unserer Schlachtordnung am reißenden Lechstrome wurde vom Feinde rasch überwältigt, indem er sie, die nicht auf ihrer Hut waren, umzingelte, wobei er viele erschlug und plünderte. Als dies der König erfuhr, schickte er Herzog Konrad[11] mit seinem Heerestheile hinter ihnen her, und dieser entriß die Gefangenen nebst der ganzen Beute dem Rachen des reißenden Wolfes und kehrte als Sieger ins Lager zurück. Am nächsten Tage, d. h. am Feste des heiligen Laurentius [10. Aug.], warf sich der König vor Gott nieder, und that, sich allein unter allen als den Schuldigen bekennend, mit vielen Thränen das Gelübde: wenn Christus ihm an jenem Tage durch seine Fürbitte Sieg und Leben gewähren werde, so wolle er in der Stadt Merseburg diesem Feuersieger zu Ehren ein Bisthum gründen und seinen großen, neuerdings angefangenen Palast zu einer Kirche ausbauen lassen. Darauf erhob sich der König, und ergriff alsbald, nachdem er die Messe gehört und aus der Hand seines Beichtvaters Othelrich[12] das heilige Abendmahl empfangen hatte, die heilige Lanze und den Schild, und brach, vor seinen Kriegern her gegen den Feind anstürmend, zuerst hinein in die Reihen des widerstehenden, verfolgte dann den flüchtigen bis zum Abend, und vernichtete ihn. Und als er nun, nachdem die Schlacht beendet war, auf dem grünen Plane mit seinen siegreichen Völkern lagerte, und sorglich forschte, wer von den Seinen gefallen sei, erfuhr er, Herzog Konrad, sein Schwiegersohn, der tapfere Kriegsmann, sei geblieben. Den Leichnam desselben sandte er, nachdem er nach Verdienst betrauert und sorgfältig bereitet war, [34] 955. nach Worms zur Beisetzung. Außerdem hatte Otto an seine fromme Mutter Boten vorangeschickt, die, alles der Ordnung nach erzählend, sie von der Sorge befreiten und die Herzen der Gläubigen zum Lobe Christi entzündeten. Dies so große Geschenk der göttlichen Liebe empfing die ganze Christenheit, und zumal die dem Könige anvertraute mit unaussprechlichem Jubel, und Preis- und Dankeslieder erschollen laut Gott in der Höhe.


5. In diesem Jahre starb Herzog Heinrich von Baiern, des Königs Bruder. Otto ward, als er freuderfüllt das heimische Sachsenland wiedersah, von allen Großen, die ihm weither entgegen kamen, mit den eifrigsten Ehrenbezeugungen empfangen, die ehrwürdige Mutter aber schloß den langersehnten unter einem Strome von Freudenthränen in die Arme. Diesen allen theilte Otto sogleich sein Gelübde mit und bat inständig um ihre Beistimmung und ihren Rath, wie er das Werk vollführen solle. Da nun alle seinen Entschluß lobten und dem frommen Gelübde zustimmten, gründete der König eine Abtei in der Stadt Magadaburg, indem er auf eine großartige Weise an der Stelle, wo die fromme Edithe ruht, neben der er selbst nach seinem Absterben zu schlummern verlangte, die Kirche zu bauen anfing. Als er dort auch ein Bisthum gründen wollte, konnte er das nicht durchsetzen, so lange Bernhard, der siebente Bischof der Halberstädter Kirche, in dessen Sprengel Magadaburg liegt, am Leben war. Was er an Landbesitz und sonstigem Eigentum während der ihm beschiedenen Lebendauer erwarb, das alle vermachte er Gott und dessen Streiter Mauritius als Erben.


6. Während dieser Ereignisse drohte ein schrecklicher Krieg mit den von den Grafen Wigmann und Ekbert dazu aufgeforderten Slaven auszubrechen. Ihre Führer waren Nacco und dessen Bruder Stoingnev. Herzog Hermann [von Sachsen], der sich nicht getraute, sie zu überwinden, bat den König um Hülfe. Dieser, rüstig wie er war, überzog mit starker Heeresmacht die Lande gen [35] 955. Mitternacht, von wannen, wie die Schrift [Jerem. 1, 14] lehrt, gar oft das Unglück ausbricht. Hier nahm er den Stoingnev, der sich im Gehölze verborgen hatte, gefangen und ließ ihn enthaupten, die beiden Genossen aber, die Urheber einer solchen Unthat, den Grafen Wigmann, den Sohn der Schwester seiner Mutter, und den Grafen Ekbert verbannte er. 956. Herzog Liudulf aber, des Königs Sohn, erhob sich, von bösen Rathgebern verderbt, wieder gegen den Vater, verließ dann das Vaterland und ging nach Italien, wo er nach einem Aufenthalte von ungefähr einem Jahre, am 6. September, leider verschied. 957. Seinem Leichnam brachten seine Gefährten nach Mainz, und bestatteten ihn wehklagend in der St. Albanskirche. Der König, den die klägliche Kunde auf einem Zuge gegen die Redarier erreichte, beweinte, über die Maßen ergriffen, den Sohn, wie David den Absalon.

Um diese Zeit starb Thietherd, Bischof von Hildesheim; ihm folgte Advin, Abt der Kirche zu Magdeburg.


7. Als darnach diese Kriegesstürme beschwichtigt waren,961. unternahm Otto angeblich aufs neue einen Zug nach Rom, rückte aber mit starker Heeresmacht in Langobardien ein, und nahm den Berengar, nachdem er ihn zwei Jahre lang auf dem Berge St. Leo’s[13] belagert, endlich sammt Frau und Kindern durch List gefangen, worauf er ihn nach Bavanberge [Bamberg] verbannte, wo er späterhin starb. Von da zog Otto an der Spitze seiner Krieger gen Rom, dessen widerspenstige Bürger er zweimal besiegte, worauf er seinen glorreichen Einzug hielt, im Jahre 961 der Fleischwerdung Christi. Dazu erwarb er sich auch vom Papste Johannes XII, auf dessen Bitte er dorthin gekommen war, die Kaiserweihe, sammt seiner Gemahlin, im 29sten Jahre seiner Regierung. Und als er nun Schutzherr der römischen Kirche geworden war, setzte er sich in den Besitz von Benevent, Kalabrien und Apulien, deren Herzöge er bezwang.


[36] 8. In Otto’s Zeiten brach das goldene Jahrhundert an. Es ward zuerst bei uns eine Silberader entdeckt[14]. Auch Wigmann wurde besiegt.

Bei den Dänen, wo damals Harald herrschte, ward das dort sehr verachtete Christenthum durch den Priester Poppo neu belebt. Denn dieser tadelte den König sammt seinem Volke, daß er, abweichend von dem Dienste des wahren Gottes, den seine Vorfahren doch angebetet hätten, Götzen und Dämonen diene, und verkündete ihnen den einigen Gott der Dreieinigkeit als den einzig wahren. Als ihn nun der König fragte, ob er seine Worte vermittelst glühenden Eisens erweisen wolle, antwortete er freudigen Sinnes, dazu sei er bereit, trug auch am nächsten Tage ein außerordentlich schweres Stück Eisen an einen vom Könige bezeichneten geweihten Ort, und hob, indem er unerschrocken keinen Augenblick wankte, die unverletzte Hand in die Höhe. Hocherfreut über das Wunder unterwarf sich der König mit allen den Seinigen sofort demüthig dem Joche Christi, und gehorchte bis an sein Ende als gläubiger Christ den göttlichen Geboten. Der Kaiser aber berief, als er das vernahm, den ehrwürdigen Poppo zu sich, fragte ihn, ob er ein Streiter Christi wäre, und erhob ihn zur bischöflichen Würde.


963. 9. Gero, der Markgraf der Ostlande, unterwarf die Gauen Lusizi [Lausitz] und Selpuli[15], wie auch den Herzog Miseko [von Polen] und dessen Unterthanen der kaiserlichen Herrschaft. Herzog Hermann machte den Selibur und Mistui[16] mit den Ihrigen dem Kaiser zinspflichtig. Des Kaisers Namensgenannter, ich meine den jüngern Otto, den Sohn der erhabenen Ethelheid, ward am Weihnachtabend in Rom zum Kaiser gekrönt, 967. und zwar auf Geheiß seines Vaters, der sich damals in der Nähe von Capua in Campanien aufhielt. Da er nun diesem Sohne eine Gemahlin aus der Familie des Kaisers zu Konstantinopel zu verloben [37] 969. wünschte, so gab er den Gesandten desselben, die aus einem andern Grunde an ihn geschickt waren, seine mit dieser Botschaft beauftragten Großen vertrauensvoll mit. Die Griechen aber fielen unterwegs mit gewohnter Arglist über sie her und ermordeten einen Theil, einen andern aber stellten sie als Gefangene ihrem erhabenen Herrscher vor. Einige indeß entkamen und meldeten dem Kaiser den Ausgang der Sache. Dieser, empört über den Verlust der Seinen, sandte eiligst seine besten Ritter, den Markgrafen Günther [von Meißen] und den Grafen Siegfried nach Calabrien, um Rache zu nehmen für eine solche Schandthat. Diese machten jene Danaer, die ihnen, über den ersten Sieg aufgeblasen entgegen eilten, theils nieder, theils fingen sie sie auf der Flucht und schnitten ihnen die Nasen ab, und nachdem sie darauf von den Griechen in Calabrien und Apulien einen Tribut erzwungen hatten, kehrten sie reich an Beute freudig heim. Die zu Konstantinopel aber wurden über den Tod und die Gefangenschaft der Ihrigen traurig und unzufrieden, machten eine Verschwörung gegen ihren Herrn und ließen ihn auf den Rath der ränkevollen Kaiserin von einem Kriegsmann umbringen, den sie an seiner Statt zum Regenten des ganzen Reiches ernannten[17]. Dieser nun sandte sogleich mit prächtigen Geschenken zwar nicht die früher gewünschte Jungfrau, doch aber seine Muhme, Namens Theophanu, unserm Kaiser über’s Meer zu, löste damit die Seinen und gewann die erbetene Freundschaft des erhabenen Herrschers. Es gab aber Einige, welche diese Verbindung beim Kaiser zu hintertreiben suchten und riethen, die Prinzessin wieder zurück zu schicken. Auf diese aber hörte er nicht, sondern gab sie seinem Sohne zur Gemahlin, 972. zum Wohlgefallen aller Fürsten Italiens und Deutschlands.


10. Viele Leiber von Heiligen ließ der Kaiser durch seinen Kapellan Dodo aus Italien nach Magdeburg bringen.

[38] Einen denkwürdigen Vorfall aber, den ich von seinem Cleriker Poppo, dem Bruder des Grafen Wilhelm[18], erfahren habe, darf ich nicht nicht übergehen. Als nämlich jener, ein treuer Diener des Kaisers, heftig erkrankt war, verfiel er in eine Verzückung, in der er auf einen hohen Berg geführt wurde, wo er eine große Stadt mit schönen Gebäuden erblickte. Darauf kam er an einen hohen Thurm, dessen Stufen er mühsam erstieg. Auf der höchsten flachen Platte desselben ward ihm die Gnade, Christus und alle Heiligen sitzen zu sehen. Vor dieser Versammlung ward Brun, Erzbischof von Köln, von dem höchsten Richter wegen eitler Anwendung der Philosophie angeklagt, aber von St. Paulus vertheidigt und wieder eingesetzt. Darauf ward auch Dodo hervorgerufen und wegen einer ähnlichen Ursache beschuldigt, aber durch die vermittelnde Fürbitte der Heiligen unterstützt, vernahm er folgendes Wort: „Nach dreien Tagen wirst du zu mir kommen und den Stuhl einnehmen, den ich dir jetzt zeige.“ Dies alles erzählte der Priester, als er erwachte, dem Kaiser, den er zu sich gebeten hatte, und indem er versicherte, dies sei kein Traum, sondern ein wahrhaftes Gesicht gewesen, sagte er dem Kaiser Dank für alles Gute, das er je an ihm gethan; darauf beichtete er, und nachdem er von den Anwesenden Vergebung der Sünden erlangt hatte, ging er aus der Fremde in seine wahre Heimat hinüber, in gutem Frieden, und tröstete seinen Herrn, der über seinen Tod weinte, selbst durch diesen so glücklichen Heimgang.

11. Auch kostbaren Marmor nebst Gold und Edelsteinen ließ der Kaiser nach Magdeburg kommen, und in alle Säulenknäufe befahl er Reliquien der Heiligen einzuschließen. Neben der obenerwähnten Kirche ward auf sein Geheiß auch der Leib des trefflichen Grafen Christinus und anderer Verstorbener bestattet. In dieser Kirche wünschte er selbst zu ruhen und sorgte noch bei seinen Lebzeiten eifrigst dafür, daß ihm dort ein Grab bereitet wurde.

[39] 960. Im Jahre des Herrn 961, im 25sten seines Reiches, am Abende vor der Geburt unseres Herrn wurde dem Kaiser zu Regensburg der Leib des heiligen Mauritius und einiger Genossen desselben nebst andern Theilen heiliger Körper überbracht. Dies alles wurde mit den höchsten Ehren, wie es sich ziemte, nach Magdeburg gesandt 961. und dort von den einmüthig versammelten Einwohnern der Stadt und des Landes in Empfang genommen, wird auch zum Heile des ganzen Vaterlandes daselbst bis auf den heutigen Tag verehrt.


12. Indeß entschlief 968. im Herrn der ehrwürdige Bischof Bernhard [von Halberstadt], hochbetagt, im 48sten Jahre seines Amts und gerade am Tage seiner Einsetzung, d. i. am 3. Februar. Außerdem starb auch Wilhelm, Erzbischof von Mainz, der vom Kaiser, seinem Herrn und Vater, Magdeburg einzurichten und andere nothwendige Regierungsgeschäfte zu versehen beauftragt war, gerade wie er dem Ende der kranken Königin Mathildis entgegen sah, zu Redulwerothe[19] am 2. März. Seinen Tod zeigte die vom schweren Siechthum darnieder gedrückte Königin, ohne irgend Kunde davon erhalten zu haben, allen Anwesenden mit den Worten an: „Mein Sohn Wilhelm stirbt jetzt und bedarf, daß man seiner zum Heile seiner Seele gedenke.“ Auch der Abt Liudulf von Corvei sah den Erzbischof Wilhelm voll Staunens in der Nacht, in der er starb, wie er leibhaftig ihm entgegenschritt, und sagte es seinen geistlichen Mitbrüdern, daß er gestorben sei. Darnach wanderte die fromme Mathildis am 14. März aus diesem Orte der Verbannung wieder heim, indem sie ihrem Herrn und Schöpfer ihren Geist befahl und zurückgab. Sie wurde vor dem Altare des heiligen Blutzeugen Christi Servatius neben ihrem Eheherrn beigesetzt, mit dem, wie sie ihn im Leben geliebt hatte, so im Tode vereint zu werden, sie, so lange sie lebte, stets dringend gefleht hatte.


[40] 13. Markgraf Gero, der Vertheidiger des Vaterlandes, ging, 959. als er durch den Tod seines einzigen Sohnes, des edeln Siegfried, heimgesucht wurde, nach Rom und legte als ein greiser Krieger, der seine Dienstzeit nunmehr vollendet hatte, vor den Altar des Apostelfürsten Petrus seine siegreichen Waffen nieder, und nachdem er durch seine Bitten von dem apostolischen Herrn [dem Papst] einen Arm des heiligen Cyriacus erlangt hatte, weihte er sich sammt seiner ganzen Habe Gott. Er kehrte nämlich ins Vaterland zurück, und erbaute in einem Walde ein Kloster, das nach ihm [Gernrode][20] genannt wird, in welches er Hathui [Hedwig], die Wittwe seines Sohnes, die schon vorher den Schleier genommen hatte, als Aebtissin einsetzte, nachdem sie vom Bischof Bernhard geweiht war. Hierauf ging er den Genannten in 965. seligem Abscheiden voran, am 20. Mai.


14. Der Kaiser aber, als er die Trauerkunde vom Tode seiner Mutter, seines Sohnes und der übrigen Großen erhielt, beweinte in tiefem Schmerze den unersetzlichen Verlust, den das ganze Reich erlitten hatte. Zudem bedrängte ihn auch die Furcht vor dem nahen Tode, und darum war er bemüht, was er einst Gott in der Noth gelobt hatte, nun zu rechter Zeit zu erfüllen. Er befahl dem Hilliward, der damals noch Propst, von der gesammten Geistlichkeit und Gemeinde von Halberstadt zum Bischof erwählt und als solcher von seinem Vorgesetzten Bernhard vorherbezeichnet war, nach Rom zu reisen. Diesem eröffnete er nun vorher ein lange verborgen gehaltenes Geheimniß seines Herzens, nämlich er habe schon immer in Magdeburg ein Erzbisthum zu stiften gewünscht, in Erwartung ewiger Vergeltung und zum Schutze des gemeinsamen Vaterlandes, und erklärte sich nun gegen Hilliward zur Erfüllung jeglicher Wünsche bereit, wenn er darauf eingehen würde, ihm dieses Verlangen auszuführen. Dieser nun, weise wie er war, genehmigte die fromme Bitte, und trat Gott, dem heiligen Mauritius und dem Kaiser den Theil seines Pfarrgebiets [41] ab, der zwischen den Flüssen Ara [Ohre], Elbe und Bada [Bode] liegt, und außerdem die sogenannte Friedrichstraße. Dann trat er auch noch auf herzliches Bitten des großen Kaisers Gott und dem heiligen Laurentius den Sprengel ab, welcher zwischen den Flüssen Willerbizi [Wildbach], Salza [Salzsee], Sale, Unstred [Unstrut], Helmana [Helme] und dem Graben bei Valeshusun [Wallhausen][21] liegt. Hocherfreut über ein solches Geschenk, ergriff ihn der Kaiser bei der Hand, und indem er ihm mit dem Hirtenstab die Bischofswürde übertrug, sagte er: „Empfange hiermit das Wergeld[22] deines Vaters!“ Denn diesen, Namens Erich, hatte Otto nebst dem Bacco, Hermann, Reinward, Wirin, Eserich und den übrigen, die ihn zu Quedlinburg am Osterfeste zu ermorden versucht hatten, enthaupten lassen. Auch meinen Großvater Liuthar, der an demselben Plane Theil genommen hatte, wollte der Kaiser damals hinrichten lassen, allein auf den Rath vertrauter Fürsten schickte er ihn als Gefangenen nach Baiern zum Grafen Bertold, sein ganzes Vermögen aber ließ er einziehen und weit und breit vertheilen. Erst nach Verlauf eines ganzen Jahres erlangte Liuthar die Gnade des Königs und alles Seinige wieder, und bekam dazu noch eine große Geldsumme und ein Gut zwischen Sonterslevo und Bodenswege [Gutenswegen][23]. Doch wieder zur Sache.

Der Kaiser berief zu sich den Richarius, den dritten Abt der Kirche von Magdeburg – Anno und Otwin, damals Bischöfe [von Worms und Hildesheim] waren ihm vorhergegangen – in der Absicht, ihn mit der erzbischöflichen Würde zu bekleiden. Als er aber einen gewissen, ihm heimlich überbrachten Brief gelesen hatte, unterließ er dieses, und beförderte zur Höhe des Erzbisthums nach apostolischem Rechte am 18. October im Jahre 970 der 968. Fleischwerdung Christi Aethelbert von Trier[24]. Dieser, damals seinem Stande nach ein Mönch, war vorher geweihter Bischof von Ruscien [Rußland], wurde von dort aber durch die Heiden [42] vertrieben, ein vielberühmter und durchaus bewährter Geistlicher. 968. Darauf sandte der Kaiser ihn nach seinem Sitze hin mit großer Ehre, indem er allen Großen Sachsens befahl, am nächsten Weihnachtabend bei ihm zu erscheinen. Der Erzbischof aber, der von der Geistlichkeit und dem ganzen Volke prächtig empfangen wurde, weihte in diesen Festtagen Boso, den ersten Bischof von Merseburg, Burchard, den ersten Bischof von Meißen, Hugo, den ersten Bischof von Zeiz, und diesen fügte er den schon früher geweihten ersten Bischof von Havelberg, Tudo, bei; alle diese gelobten ihm und seinen Nachfolgern Gehorsam, nachdem einem jeden derselben seine besondere Diöcese angewiesen war. Diesen seinen Amtsbrüdern ward noch zugeordnet Thietmar, erster Bischof von Brandenburg, der schon vorher gesalbt war, und Jordan, erster Bischof von Posen.


15. Obwohl man mir hier mit Recht die Abweichung von der Ordnung zum Vorwurfe machen dürfte, so ist es doch der Mühe werth, hier noch mit zu berichten, daß der Kaiser seinem Bruder, dem Prinzen Bruno, das durch den Tod des Bischofs Wigfrid erledigte Erzbisthum Köln 953. sammt dem Herzogthum des Reiches Lothringen gab. Dieser Bruno war nach dem Herzoge Bruno von Sachsen, seines Vaters Bruder, benannt, der von König Ludwig auf einen Zug gegen die Dänen ausgeschickt, mit zweien Bischöfen, Thiedrich und Markward, und den übrigen Kriegern am 2. Febr. (880) durch die Ueberschwemmung eines Flusses umkam. Otto’s Bruder also, der Erzbischof Bruno von Köln, sonst ein sehr weiser Herr, sann doch, durch böse Rathgeber verleitet, darauf, seinem König und leiblichen Bruder Gutes mit Bösem zu vergelten. Er lud nämlich seinen Schwager Hugo zu sich, der, wie wir oben erzählt haben, dem Kaiser nur zu ungetreu war[25], und gedachte ihm, uneingedenk seines Eides und der Bande des Blutes, die reich mit Edelsteinen geschmückte Krone aufzusetzen [43] und ihm so das Reich zu verleihen. Wie er nun am nächsten Tage, nämlich am heiligen Ostermorgen, als alle Zeichen der königlichen Hoheit bereit lagen und Hugo mit weibischer Lüsternheit auf die Erfüllung seines Versprechens harrte, im Begriff stand, die Krönung zu vollziehen, da hatte Gott in seiner Barmherzigkeit ihm die Gnade erwiesen und in seiner alles lenkenden Weisheit es so gefügt, daß sein Haß etwas nachgelassen hatte und er nun sein Vorhaben schamerfüllt bereute. Darum berief er heimlich seinen Geheimschreiber Volkmar zu sich, entdeckte ihm die verborgene Wunde seines Herzens, und bat ihn dringend um Rath, wie sie zu heilen sein möchte. Und Gott, der denen, die sich zum Guten bekehren, in allem zu helfen bereit ist, gab demselben durch seine himmlische Einwirkung ein, durch welche Antwort er seines Vorgesetzten Sorge lindern könnte. Er antwortete nämlich: „Der heilige Geist, theuerster Herr, hat dir ins Herz gegeben, daß der böse Feind, der Anreger dieses so großen Verbrechens, über uns weiter keine Gewalt mehr haben soll; durch folgendes Mittel, denke ich, kann derselbe zu Schanden werden und du deine Ehre bewahren: die Krone, die du deinem Schwager zu verleihen versprochen hast, werde ich, wenn ihr versammelt da sitzt, herbeitragen, so daß deine Treue im Halten deines Worts allen klar sein wird; dann aber werde ich scheinbar unwillkürlich hinfallen, und so die Krone zerbrechen, damit die jetzt erkaltete Bruderliebe in Zukunft wieder an Wärme zunehme.“ Das gefiel dem Erzbischof, und im inbrünstigen Gebete flehte er demüthig zum Herrn um Erhörung. Als nun der nächste Morgen kam, und jene Worte zur That wurden, stellte sich der Erzbischof sehr betrübt; Hugo aber und die Seinen, in ihrer so großen Hoffnung getäuscht, waren untröstlich in ihrem Schmerze; indeß kehrte er nach dem Ende des Festes mit andern Geschenken, als er erwartet hatte, beehrt heim. Nach dieser Zeit aber söhnten sich die beiden Brüder, der König und der Erzbischof, wieder mit einander aus, und indem sie gegenseitig nicht nachließen in Ausübung brüderlicher Liebe, sorgten sie fortan, einen jeden Anlaß zur Störung ihrer Freundschaft aus [44] dem Wege zu räumen. Der Erzbischof aber, der sich in geistlichen, wie in weltlichen Dingen glänzender Erfolge erfreute, schied im 13ten Jahre seiner Einsetzung, eingehend in den Schlaf des ewigen Friedens, von dem trauernden Bruder, am 11. October. 965.

Diesen und mehreren ähnlichen Schlingen der Arglist entging der ebengenannte Otto glücklich während der 40jährigen Dauer seiner Königs- und Kaiserherrschaft, indem Christus ihn in allem schützte. Uebrigens habe ich von denjenigen unzähligen Thaten eines solchen Mannes, wie Bruno war, (Thaten, welche edel und besser waren als die erwähnte) nur so wenig gesagt, weil ein eigenes Werk, das sein ganzes edles Leben vollständig behandelt, mir etwas weiteres hinzu zu fügen verbieten.


16. Der durch den Verlust des Bruders tiefbewegte Kaiser übertrug dem ebenerwähnten Vertrauten und Kapellan desselben, Volkmar, aus Liebe zu dem Verstorbenen das Erzbisthum und die Sorge für die Seele desselben. Als dieser nun, so lange es ihm Gott verstattete, den Bischofsitz eingenommen und in jeder Hinsicht trefflich gewirkt, 967. und am 18. Juli das Zeitliche gesegnet hatte, wurde Gero, ein Bruder des Markgrafen Thietmar, von der Geistlichkeit und der gesammten Gemeinde zu seinem Nachfolger erwählt, und dies wird dem Kaiser sogleich angezeigt. Dieser aber wollte ihm, weil er seinem genannten Bruder wegen vieler verschiedener Gründe zürnte, das Erzbisthum nicht bewilligen. Unterdessen erschienen dem Gero, der damals Kapellan war, wie er eines Tages zu Pavia Messe lesen wollte, St. Petrus und St. Ambrosius, und salbten ihn mit dem heiligen Oele; und dies verrieth er niemandem, sondern trug ein so großes Geschenk göttlicher Liebe mit ruhiger Selbstbeherrschung. Dem Kaiser aber erschien am Auferstehungstage, wie er schon die Krone aufgesetzt hatte um in die Kirche zu gehen, ein Engel mit entblößtem Schwerte und sprach: „Wenn du nicht Gero’s Wahl vollziehst, kommst du nicht gesund aus diesem Hause.“ Darob erschrocken, sagte der Kaiser: „Ruft mir Herrn Gero.“ Und als derselbe [45] 967. sogleich kam, übertrug er ihm mit dem Stabe das Hirtenamt, indem er ihn[WS 1] zugleich demüthig um Vergebung bat. Gero aber wurde darauf von den Suffraganbischöfen geweiht, und trug Namen und Amt eines Erzbischofs auf eine, wie es noch heute sichtbar ist, Gott und Menschen wohlgefällige Weise, so lange er lebte, in ganzer Unterwürfigkeit seines Sinnes. Seine fromme Mutter Hidda wallfahrtete nach Jerusalem, um dort zu beten, und als sie daselbst erkrankte, gab sie ihren Begleitern folgenden Auftrag: Wenn meine Seele den Aufenthaltsort ihrer langen irdischen Verbannung verläßt, übergebt meinen Leib alsbald der Erde, und geht dann hin und bringt meinem Sohne Gero die Kunde, damit er der fernen Mutter nicht auf Erden die Ehre weigere, deren sie Gott in seiner Güte im Himmel gewürdigt hat, und mir in der Kirche der heiligen Cäcilie einen Altar errichte.“ Diesem Befehle nachkommend bestatteten die treuen Dienerinnen die selig entschlafene Herrin, und indem sie dann sogleich heimreisten, entgingen sie ohne ihr Wissen dem unmittelbar darnach eintretenden Elende. Denn die Sarazenen fielen damals in Jerusalem ein, 970. und ließen den Besiegten nichts; dies aber sagte ihnen die fromme Frau verhüllter Weise voraus, als sie ihnen befahl, sie, wenn sie gestorben wäre, rasch zu bestatten und dann abzureisen. Jene kamen also nach Köln, und berichteten dem Erzbischofe alles der Ordnung nach. Er empfing sie voll Güte, dankte Gott, und vollzog ihre gerechte Bitte.

Weil ich aber bisher nur wenig zu dem nicht hinlänglich bekannten Ruhme eines so großen Kirchenhauptes gesagt habe, so will ich in der Folge das Uebrige schildern, damit dadurch seine Tugend noch mehr im Einzelnen kund werde.


17. Als der Kaiser den Tod des Bischofs von Regensburg[26] vernahm, begab er sich dahin, und bekam im Traume die Weisung, das Bisthum keinem andern zu verleihen, als wer ihm zuerst entgegen käme. Sowie der nächste Morgen anbrach, begab sich der [46] 942. Kaiser mit wenigen Begleitern nach dem Kloster St. Emmeram’s, ohne daß die Mönche es wußten, und wurde, leise an die Pforte klopfend, von Gunther, dem wachsamen Hüter der Kirche und einem durchaus verehrungswürdigen Geistlichen, eingelassen. Sowie Otto desselben ansichtig wurde, trat er zuerst vor, und bat ihn, sich vor ihm neigend, um seinen Segen, dann aber redete er ihn so an: „Was giebst du mir, Bruder, wenn du Bischof wirst?“ Der Greis antwortete lächelnd: „Meine Schuhe.“ Als nun Gunther aber mit den übrigen geistlichen Brüdern zur Wahl des Bischofs in die Peterskirche kam, setzte der Kaiser allen seinen Traum und den ganzen Verlauf der Sache aus einander, und ernannte ihn im Einverständnisse mit der Geistlichkeit und der ganzen Gemeinde zum Bischof. Er aber regierte nach seiner Einsegnung nur noch 6 Monate; da wurde er von einer schweren Krankheit befallen. Als er sich nun einstmals ziemlich bei Kräften fühlte, stand er auf, nahm Asche in die Hand, und bestreute die Stelle, wo er aus dieser Welt wandern wollte, mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes, legte sich dann auf dem Boden nieder, und sang des frommen Hiob Lied: „Ich habe dich mit den Ohren gehöret und mein Auge siehet dich auch nun. Darum schuldige ich mich und thue Buße in Staub und Asche.“ [Hiob 42, 5. 6.] Und gleich nachher gab er, nachdem er unter Thränen seine Beichte abgelegt hatte, seinen Geist auf; und so ward an ihm erfüllt, was sein ihm ganz ähnlicher Vorgänger im Amte, ihm vorher gesagt hatte. „Du wirst, mein Bruder, der nächste nach mir diese Kirche regieren, darnach aber wirst du nur kurze Zeit leben, indem erst Gott dich in seiner Gnade krönen wird[27].“ – Daß dies nun also nach Gottes Willen geschehen möchte, wünschte er so lange er hienieden pilgerte. Diese Erzählungen von den beiden Bischöfen habe ich deshalb vorgebracht, auf daß du, mein Leser, wissest, daß die Huld des Herrn dem Kaiser stets offenbarte, was nach seinem Rathschluß in den Dingen dieser Welt geschehen sollte. – Als Otto vom Tode Gunthers Kunde erhielt, ließ er auf ihn den [47] Michael folgen. Nachdem dieser schon eine lange Zeit die ihm anvertraute Heerde auf das Trefflichste gehütet hatte, eilte er, weil die Ungarn die Ostlande wieder angriffen, mit den übrigen Fürsten Baierns denselben zur Hülfe. Als es aber darnach zwischen beiden Heeren zur Schlacht kam, wurden – o des Schmerzes! – die Unsern vom Feinde besiegt und vernichtet. Der Bischof aber lag mit einem abgeschnittenen Ohre und an anderen Gliedern wund, für todt unter den Erschlagenen. Als aber ein ihm feindlich gesinnter Mensch, der sich, neben ihm liegend, vor den Schlingen der Nachsetzenden geborgen hatte, sah, daß er allein noch lebte, nahm er die Lanze und wollte ihn tödten. Da aber überwand jener, in Gott erstarkt, nachdem sie lange in wechselvollem Kampfe auf Leben und Tod mit einander gerungen hatten, siegreich seinen Feind, und streckte ihn nieder, und kam nach einer Wanderung voller Mühseligkeiten wohlbehalten in bekannte Gegenden. Darob freute sich seine Heerde und jeder, der Christum lieb hatte. Die Geistlichkeit empfing insgesammt den tapferen Streiter, die Gemeinde ehrte und schätzte den besten Seelenhirten, und seine Verstümmelung gereichte ihm nicht zur Schande, sondern vielmehr zur Ehre. – Jetzt will ich zum Gange meiner Erzählung zurückkehren.

18. Der großmächtige Kaiser der Römer willigte darein, daß das apostolische Haupt, welches in Christo mächtiger war, als er, über den niemand außer Gott richten konnte, Namens Benedikt [V], in Folge einer, wie ich hoffe, falschen Anklage abgesetzt wurde[28], und ließ ihn (hätte er’s doch nicht gethan!) nach Hammaburg [Hamburg] verbannen, wie ich weiterhin ausführlicher berichten werde. In jener Zeit regierte Herzog Hermann in Sachsen. Ihn empfing der Erzbischof in einer zu Magdeburg abgehaltenen Versammlung des Volkes, die er anstellte, und führte ihn an der Hand unter dem Geläute sämmtlicher Glocken in die hellerleuchtete [48] Kirche. Bei dieser Gelegenheit konnte der Herzog meinen Großvater, den Grafen Heinrich [von Stade], der so großem Uebermuthe widerstrebte, nicht, wie er sich bemühte, durch Hinterlist in seine Gewalt bekommen, weil ihn eine große Schaar von Kriegern umgab. Dann aber befahl er ihm, nach Rom zum Kaiser zu gehen. Das that er sehr gern, und zog über die Alpen. Als er nun zum Kaiser kam, warf er sich, sowie er ihn von fern erblickte, auf die Erde nieder, und als dieser ihn fragte, warum er also thäte, antwortete er weinend, er befürchte, seine Gunst und gewohnte Gnade verloren zu haben, weil er bei ihm verklagt sei. Sogleich hob ihn der Kaiser auf und küßte ihn, und erfuhr auf genaue Nachfrage nach jedem einzelnen Punkte den Empfang des Herzogs, und wie er mitten unter den Bischöfen an der Tafel die Stelle des Kaisers einnähme und in dessen Bett schliefe. Darob in edlem Zorne entbrennend, befahl der Herrscher dem Erzbischof Aethilbert schriftlich, er solle ihm so viele Pferde schicken, als er dem Herzoge Glocken läuten und Kronleuchter anzünden lasse. Diesem Befehl leistete Aethilbert Folge, und suchte sich durch Abgesandte auf alle Weise zu entschuldigen. Graf Heinrich war übrigens ein so kluger Mann, daß er leichter als alle andern Großen den Kaiser, wenn er zürnte, zu beruhigen verstand, und weil er mit ihm blutsverwandt war, behielt er des Kaisers Gunst beständig bis an sein Lebensende. Den heimkehrenden beschenkte der Kaiser mit einer goldnen Kette, seinen Freunden zur Freude, seinen Feinden zum Leide.

19. Indeß griff der ehrenwerthe Markgraf Hodo den Herzog Miseko [von Polen], welcher gleichwohl dem Kaiser treu für die Lande bis an die Vurta [Warthefluß] Zins zahlte, mit Heeresmacht an. Ihm eilte mein Vater, Graf Siegfried [von Walbeck], damals noch ein Jüngling und unvermählt, allein mit den Seinen zu Hülfe, und am Tage St. Johannis des Täufers kam es zu Cidini[29] zur Schlacht, in welcher zuerst Hodo und Siegfried [49] siegten, dann aber Miseko’s Bruder Cidebur alle besten Streiter erschlug; nur jene beiden entkamen. Erschüttert ob dieser Trauerkunde, sandte der Kaiser an Hodo und Miseko den Befehl, sie sollten bei Verlust seiner Gnade, bis er selbst käme um die Sache zu untersuchen, Frieden halten.


20. Nachdem Otto so überall die Schaaren der Feinde besiegt hatte, machte er eine mühevolle Rückfahrt über die Alpen und besuchte Baiern; und nachdem er hier alles weise geordnet hatte, ging er gerades Wegs nach Magadaburg, wo er den Palmensonntag feierlich beging. 973
März 16.
Denn er pflegte sich an den hohen Festtagen von den Bischöfen und allen übrigen Geistlichen der Reihe nach in feierlichem Einherzuge mit Kreuzen, den Reliquien der Heiligen und heiligen Räuchergefäßen zum Abend- und zum Frühgottesdienst sowie zur Hauptmesse in die Kirche geleiten zu lassen; und nachdem er dort mit großer „Furcht des Herrn, welche Anfang der Weisheit ist“ [Sprüche Sal. 1, 7] gestanden und gesessen hatte, ohne bis zur Beendigung des Ganzen von irgend etwas anderem, als von göttlichen Dingen zu sprechen, ging er unter Vortragung vieler Kerzen, mit einem großen Gefolge von Priestern, Herzogen und Grafen in seinen Palast zurück. Am folgenden Tage aber brachte er zum Heile seiner Seele Gott und dessen sieggekröntem Streiter St. Mauritius unbeschreiblich reiche Geschenke dar, an Landgütern, Büchern und anderem königlichem Schmuckgeräth, indem er zugleich alle Rechte der Schirmvögte bestätigte und die nöthigen Schenkungsurkunden übergab, in Gegenwart und unter Zustimmung der Kaiserin und seines Sohnes und unter dem Gezeugnisse aller anwesenden Gläubigen. Von da ging er nach Quidilingeburg [Quedlinburg], wo er das Osterfest mit Dank gegen Gott und in irdischer Freude vollbrachte. Dahin eilten zusammen auf des Kaisers Befehl die Herzoge Miseko und Bolizlav, ferner die Herzoge und Gesandten der Griechen, der Beneventer, Ungarn, Bulgaren, Dänen und Slaven, sammt allen Großen des ganzen Reichs, und nachdem alle Angelegenheiten zum Frieden geschlichtet [50] 973.
Apr. 1.
waren, kehrten sie prächtig beschenkt in Freuden heim. Am ersten April aber ward des Kaisers Frohsinn durch den daselbst erfolgten Tod des Herzogs Hermann [von Sachsen] getrübt. Als die Leiche desselben von seinem Sohne Bernhard nach Liuniburg [Lüneburg] gebracht wurde, war gerade Bruno, Bischof von Verden, dort in der Nähe. Weil dieser nun den Herzog, so lange er lebte, im Banne gehalten hatte, wurde er von dem Sohne dringend angefleht, daß er wenigstens den Todten von dem Banne löse und ihn in der Kirche zu bestatten erlaube; aber das, was jener verlangte, erlaubte der Bischof keineswegs.


21. Da ich aber dieses Bischofs erwähnt habe, so kann ich nicht umhin, noch mehr von ihm vorzubringen. Er war des ebengenannten Herzogs Vetter und Mönch in Neu-Corvei. Wegen seines ehrwürdigen Benehmens setzte ihn der Kaiser dem Bischof Amolong zum Nachfolger. Dieser hatte in Werduun [Verden], (welcher Kirche er auf einsichtsvolle Weise vorstand) ein ausgezeichnetes Gotteshaus aus Holz, weil es ihm an Steinen fehlte, erbaut, und dasselbe, welches an Größe und Schönheit vor den übrigen hervorragte, auch selbst eingeweiht. Er starb in hohem Alter am 5. Mai; 962. ein Bruder des Herzogs Hermann. Als aber Bruno, von Alterschwäche und Siechthum beschwert, sehr matt wurde, ging ihn der Kaiser an, er möchte seinen Kapellan Hermann, den Bruder des Bischofs Volkmar von Köln, an Sohnes Statt annehmen und ihn sich zum Gehülfen und Erben erwählen. Jedoch mit schmerzlich bewegtem Gemüthe vernahm Bruno diese Botschaft, und antwortete: „Das Amt, das mir mein Herr in meiner Unwürdigkeit anvertraut hat, habe ich bisher mit Eifer verwaltet, und so lange ich hienieden noch weilen muß, wünsche ich von einem derartigen Antrage wo möglich unangefochten zu bleiben. Demuth und Uebermuth[30] passen nicht zusammen, und nie duldet Macht einen Theilhaber[31]. Was sonst meinem Könige beliebt, werde ich voll Ergebenheit erfüllen. Nicht gründe der Jüngling [51] seine Hoffnung auf den Tod des abgelebten Greises, das ist sündig; er bedenke, daß auch des Kalbes Fell oft an die Wand gehängt wird[32]“. Nachdem er dies geäußert, ließ er sich in die Cäcilienkirche bringen, warf sich nieder und bekannte der Heiligen unter einem Strome von Thränen, er habe ihr bisher unwürdig gedient, und klagte also: „Ich erkenne, daß Gott und du mich Unglücklichen verworfen haben, da ein anderer mir vorgezogen und als der würdigere in deinen Dienst genommen wird. Darum bin ich, obwohl schweren Herzens, bereit abzugehen, aber ich wünsche und bete darum, hierin Christi Gnade und deine Fürbitte abwarten zu dürfen. Ich wünschte, daß, wie ich nie nach fremdem Gute ungerecht getrachtet habe, so auch niemand meines Nachtheils sich erfreuen möchte. Jetzt aber flehe ich inbrünstig zu Gott, daß er thun möge, was ihm gefällt und meiner Kirche frommt.“ Als er dies Gebet beendet hatte, erhob er sich und blieb noch lange in seinem Sprengel, bis er die Nachricht bekam, der ebenerwähnte Jüngling sei gestorben[33]. Da rief er seine geistlichen Gehülfen zusammen, und sprach zu ihnen: „Ihr habt noch keinen neuen Vorgesetzten; mich aber bringt in mein Kloster, dort will ich dem Tage des Gerichts ohne alle Zerstreuung in eifrigem Bemühen entgegensehen. Ihr Menschen aber lernet, daß alles, was euch Heilsames zu Theil werden soll, nicht liege an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen. [Röm. 9, 16]. Ich sei euch ein Beispiel, daß niemand, der auf Gott vertraut, verlassen wird, und niemand, der seine Hoffnungen nur aus sich selber schöpft, zu eigenem Vortheile erhöht wird. Auf Gott den Vater, meine Söhne, setzt eure Hoffnung und mit Hülfe seines eingebornen Sohnes und des heiligen Geistes, der mit ihm eins ist, überwindet alle schädliche Furcht. Betet zum Allgütigen, daß was ich gegen Euch oder Ihr gegen mich in menschlicher Gebrechlichkeit versehen haben möget, zum Besseren gewendet werde, und daß Ihr nach mir einen Gott wohlgefälligen und für euer Heil sorgenden Bischof [52] und glückliche Zeiten bekommen möget.“ Nach dieser Anrede ging er an den vorher bestimmten Ort, und blieb, obwohl sein Alter von manchen Gebrechen heimgesucht ward, doch stets leutselig und von liebenswürdigem Benehmen.


22. Nachdem ich nun kurz des Kaisers ruhmvolle Thaten berichtet, will ich, ehe ich sein Ende schildere, von denen einiges sagen, die gleichzeitig mit ihm zu der Kirche und ihrem eignen Heile wirkend starben, und will zugleich noch das Gedächtniß dessen erneuern, was in dieser Zeit sich sonst ereignete.

Erzbischof Hillibert von Mainz, der ihn gesalbt hatte, entschlief 937. in Christo im zweiten Jahre seiner Regierung am 31. Mai. Ihm folgte Fritherich, Gott und Menschen wohlgefällig wirkend. Er dankte, als sein Ende da war, Gott, daß er für seine Kirche nie etwas ungerecht erworben und auch nichts verloren habe. In 937. demselben Jahre verheerten die Ungarn Thüringen und Sachsen, aber, da überall starke Besatzungen standen, gingen sie zu Grunde und nur wenige von ihnen, denen die Furcht Flügel verlieh, sahen die Heimath wieder. Everhard, Herzog der Franken, der sich dem Könige längere Zeit untreu erwiesen hatte, ward entsetzt, Graf Wigmann aber auf sein demüthiges Flehen wieder zu Gnaden aufgenommen.

938. Im nächsten Jahre ward der Bruder des Kaisers, Heinrich, vom Grafen Everhard gefangen genommen und in Haft gehalten.

939. Im dritten Jahre der Regierung Otto’s richteten Heinrich, sein Bruder, Herzog Everhard und Gisilbert, Graf der Lutharinger, mit anderen Beförderern ihrer Schlechtigkeit diesseits des Rheins große Verwüstungen an. Sowie aber Udo, Otto’s Freund, dies erfuhr, eilte er hin, erschlug den Everhard, ertränkte Gisilbert mit seinen Genossen im Rhein und zwang Heinrich den König um Gnade zu bitten.

944. Darnach brachten griechische Gesandte unserm Könige von ihrem Kaiser zweimal beider Herrscher würdige Geschenke.

954. 954 starb Erzbischof Fritherich von Mainz im 17ten Jahre [53] seiner Einsetzung, ein sehr enthaltsamer Mann. An seine Stelle trat Willehelm, ein Sohn Otto’s und einer kriegsgefangenen Slavin, die aber edler Abkunft war.

Vier Jahre nachher erschien das Zeichen des heilbringenden 958. Kreuzes auf den Kleidern der Menschen auf eine, sowohl Staunen als auch besonders Betrübniß erregende Weise, und denen, die es würdig aufnahmen, brachte es Glück, denen, die darüber spotteten, Unglück.

Im Jahre 963 ward wegen der obenerwähnten Absetzung 963. des Papstes Benedikt und wegen der Verbannung, in der er starb, das Heer des Kaisers von vielen schrecklichen Todesfällen heimgesucht, welche auch den Bischof Heinrich von Trier und den Herzog Godefrith [von Lothringen] außer unzähligen anderen dahinraffte.

Im dritten Jahre nachher, am 31. März, stürzte die Kirche 965. zu Halberstadt ein, und der Kaiser kam aus Italien nach Frankfurt, und befestigte, lange in dieser Gegend verweilend, Frieden und Eintracht.

Im folgenden Jahre besuchte der Kaiser wieder die Stadt Rom. 966.

Im vierten Jahre nachher kam des Kaisers Sohn, genannt 967. wie er, begleitet von Willehelm, dem Erzbischof von Mainz, nach Rom, und ward daselbst von dem hochwürdigen Papste, Herrn Johann [XIII], zu derselben Würde geweiht, die schon sein Vater besaß.

Im siebenten Jahre nachher brannte das Gotteshaus zu 970. Thornburg [Dornburg] ab.

23. Ich will auch noch erwähnen, daß Boso, einer meiner Vorgänger im Amte, vom Kaiser Otto eingesetzt, nach einer Verwaltung von 1 Jahr 10 Monaten und 3 Tagen am 1. Nov. 970. in seinem Vaterlande Baiern starb. Er ward in Merseburg in der Kirche St. Johannis des Täufers vor dem Hauptaltare bestattet. Er hatte im Kloster des heiligen Emmeram, welches südlich von Regensburg liegt, als Mönch ein beschauliches Leben [54] geführt, war darauf in den kaiserlichen Dienst berufen und hatte dann zu schuldiger Belohnung für seine großen Anstrengungen die Leitung der Gemeinde zu Zeiz erhalten. Darauf erbaute er in einem Walde bei der genannten Stadt, den er selbst ausroden und mit Häusern besetzen und nach sich benennen ließ[34], ein steinernes Gotteshaus, für dessen Einweihung er auch sorgte. Er erhielt auch alles Lehngut, welches vor seiner Einsetzung als Bischof zu den Kirchen in Merseburg und Imenlevo [Memleben], sowie zu Dornburg[35] und Kirberge [Kirchberg] gehört hatte, und weil er im Osten durch unablässiges Predigen und Taufen dem Herrn eine unzählige Menge Volks gewonnen hatte, so hatte der Kaiser ein solches Gefallen an ihm, daß er ihm zwischen drei zu errichtenden Bisthümern die Wahl ließ, nämlich zwischen dem zu Meißen, dem zu Zeiz und dem zu Merseburg. Er nun erbat sich vom Kaiser als die friedlichste unter allen die merseburgische Kirche, die er auch bis an seinen Tod eifrig verwaltete. Um die ihm anvertrauten Seelen um so leichter in der wahren Lehre unterrichten zu können, hatte er eine Anweisung in slavischer Sprache geschrieben, und bat die Slaven, das Kyrie eleison zu singen, indem er ihnen den Nutzen davon auseinandersetzte. Da aber verdrehten die Herzlosen das Wort höhnisch in das widersinnige Ukrivolsa, was in unserer Sprache heißt: Die Eller steht im Busche!“ indem sie hinzusetzten: „Das hat Boso gesagt!“ während es jener doch ganz anders erklärt hatte. Der Kaiser schenkte diesem Bischofe noch einige Dörfer, welche zu Merseburg gehörten, und eine Burg im Gau Chutici, Namens Medeburu [Magdeborn][36]; das soll bedeuten: Honig laß nicht hindurch! – Des Kaisers gleichnamiger Sohn aber bewilligte ihm die Kirche in Helpithi [Helfta][37], die sein Vater zu Ehren der heiligen Radegundis hatte bauen lassen und die Bischof Bernhard [von Halberstadt] auf dessen Geheiß in dessen Gegenwart eingeweiht hatte. Als nun der erste Bischof meiner Kirche, Boso, in dem erwähnten Jahre [55] starb, übertrug der Kaiser auf Verwenden des Bischofs Anno von Worms dem Gisiler, der von Sitten, wie von Abkunft gleich edel war, das Bisthum. Er wurde vom Erzbischof Athelbert zu Magababurg im Monat Juni geweiht. 971.


24. Weil ich oben einiges von Herzog Konrad gesagt habe, dem Eidam des Kaisers, der am Lechflusse fiel, so halte ich es nicht für unpassend, einiges hier nachzutragen, was ich damals unerörtert ließ. Als der Kaiser lange nach diesen Begebenheiten einmal nach Merseburg kam, erfuhr er von einem Angeber, daß die Slaven in Zuencua [Zwenkau][38]) unter einem beim Kaiser sehr beliebten Führer Cuchaviz die Rüstung des erschlagenen Herzogs bewahrten. Mit Hülfe des Cuchaviz nun brachte es Otto dahin, daß jene zum gerichtlichen Zweikampfe gebracht und besiegt wurden, worauf er sie alle aufknüpfen ließ, die Beutestücke aber erlangte er zum größten Theile wieder. Uebrigens weiß ich nicht, ob die Besitzer dieser Beutestücke wirklich die Mörder Konrads waren, oder ob sie nicht, an seinem Tode ganz unschuldig, dieselben blos zufällig gefunden hatten. Jedenfalls hatten sie den Tod verdient, weil sie dies irgendwie geheim zu halten versucht hatten. Des Herzogs Gemahlin [Liutgarde] aber, des Kaisers Tochter, wurde von einem gewissen Cono, den sie nicht hatte erhören wollen, weit und breit verläumdet, indem derselbe behauptete, sie sei insgeheim seine Frau. Darüber empört, rechtfertigte Otto sie so. Er berief alle Fürsten des Reiches, und erklärte, nachdem er sie vorher in geheimen Unterredungen, ob sie dieses Vergehens schuldig wäre, ausgeforscht, und gehört hatte, wie sie unter Anrufung Christi und mit vielen Eidschwüren die Schuld völlig von sich abwies, in Gegenwart aller, wenn einer seiner Freunde sie mit den Waffen vertheidigen wolle, so werde derselbe sich ihn auf immer fest verpflichten. Auf dieses Wort sprang sogleich Graf Burchard hervor und sagte, so daß alle es hörten, Cono habe alles durchaus erlogen. [56] Dieser dagegen stellte sich ihm, nachdem er eidlich erhärtet hatte, daß alles so wahr sei, zum Zweikampf; allein gleich beim ersten Anlaufe verlor er die falsche Rechte, und gab somit überwunden seine Bosheit kund. So errettete sie der Herr von der falschen Anklage; sie aber gefiel Gott durch die Unschuld ihres Wandels. Während aber ihr Gemahl noch lebte, hatte sie, oft geschmäht und vielen Mühen ausgesetzt, alles mit starker Seele ertragen, und war so bemüht, die angeborne Ehre zu bewahren. Als sie aber aus diesem Leben schied, wurde sie in Mainz in der St. Albanikirche vielbeweint bestattet. Dort hängt noch jetzt als ein Andenken an sie ihre silberne Spindel[39].

25. Von dem oben erwähnten Herzog Heinrich [von Baiern] aber berichte ich noch einige gottlose Handlungen, die er als regierender Herr ausgeübt hat, wobei man beachten mag, daß allem, was ich oben gesagt, nicht zu widersprechen ist. Den Patriarchen von Aquileja ließ er entmannen, den Erzbischof [Herold] von Salzburg blenden[40]. Die Gründe, welche ihn dazu bewogen, will ich nicht anführen, weil sie zu einer solchen Bestrafung nicht berechtigten, wie ich in Wahrheit weiß. Als er kurz vor seinem Ende vom Bischof Michael von Regensburg wegen dieser Gewaltthaten vermahnt wurde, bekannte er nur in Bezug auf den Patriarchen gesündigt zu haben, hinsichtlich des Erzbischofs keineswegs; indem er dabei ganz verkannte, wie selten etwas ohne Fehl ist. Darum fleht David zu Gott: „Verzeihe mir die verborgenen Fehler!“ [Psalm 19, 13].

Heinrichs Gemahlin Juthitta [Jutta] war dabei und hörte dies Bekenntniß. Als er darauf starb, setzte sie seine Leiche in der von ihm erbauten Liebfrauenkirche [zu Regensburg] mit großer Trauer bei, und suchte alle Vergehungen, die er, wie sie wußte, oder von anderen erfuhr, im Leben sich hatte zu Schulden kommen lassen, durch ihre Thränen und unzählige Almosen zu sühnen. Sie [57] blieb fortwährend Wittwe; da sie aber den Bischof Abraham von Freising sehr hoch hielt, ward sie unschuldiger Weise von der bösen Zunge des Neides mitgenommen. Als sie aber gestorben war, wurde sie am Tage ihres Begräbnisses von demselben Bischofe, als er die Messe absang, auf folgende Weise gerechtfertigt. Vor dem Abendmahle wandte er sich an die Gemeinde, schilderte den Umstehenden ihre Verdienste, und sagte dann: „Wenn die Verstorbene das Verbrechen, wegen dessen sie verläumdet ist, jemals begangen hat, so lasse der Allmächtige das heilsame Gnadenmittel des Leibes und Blutes seines Sohnes mir zum Gerichte werden und zur verdienten Verdammniß; ihrer Seele aber zu ewiger Erlösung.“ Und Darauf genoß er, rein an Körper und Geist, das alleinige Heilmittel aller Gläubigen. Die Menschen aber glaubten ihm, freilich zu spät, und hatten ihr mit ihrer ungerechten Herabsetzung nur noch genützt, obwohl sie ihr hatten schaden wollen.


26. Es lebte in den Tagen dieses Kaisers Otto ein Graf Hed, der eine von ihm dem Streiter Christi St. Veit zu Ehren in Heslingen[41] erbaute Kirche, weil er ohne Erben war, mit dem größten Theile seines ganzen Vermögens beschenkte, und indem er ein Nonnenkloster daselbst errichtete, diese Abtei der Obhut des Erzbischofs Etheldag von Bremen unterordnete. Diesem Kloster standen zwei ehrwürdige Frauen, beide Namens Windilgerd, vor, welche beide leider schnell verstarben. Als nun mein Großvater darum anhielt, daß seine dort erzogene und der Anstalt übergebene Tochter Hathui ihnen nachfolgen möchte, konnte er das von dem Erzbischofe nicht erlangen. Als aber der Kaiser, ihr Pathe, ihn bat, verlieh er ihr, obwohl sie erst zwölf Jahre alt war, an einem 973. Sonntage, den 30. April den Schleier und segnete sie am folgenden Tage in Gegenwart ihres Vaters als Aebtissin ein. Dies gereute ihn später sehr. Denn fünf Tage nachher starb, wie ich gleich berichten werde, Italiens Zierde und Sachsens Heil, Otto I. [58] 978. Meine Großmutter Juthitta aber, welche am 26. Okt. desselben Jahres das Zeitliche mit dem Ewigen vertauschte, ruhet in der Kirche, welche ihre Tochter nachher in Steinen, obwohl diese in jener Gegend selten sind, ausführen ließ. Die Kirche zu Fulda, welche leider verbrannte, ward auch unter dieses Kaisers Regierung wieder erbaut.


Mai 1. 27. Am Himmelfahrtstage befand sich der Kaiser zu Merseburg, und war, was noch von seinem Gelöbnisse unerfüllt geblieben, auszuführen mit andächtigem Sinne bemüht. Von da Mai 6. kam er am Dienstage vor Pfingsten nach Miminlevo [Memleben], und saß am folgenden Tage noch ganz vergnügt zur Tafel. Nach der Mahlzeit aber ward er, während die Abendmesse gesungen wurde, unwohl und ohnmächtig. Die zunächst stehenden fingen ihn auf und trugen ihn auf ein Ruhebette, worauf er schnell durch die heiligen Sterbesakramente erquickt unter den Gebeten aller seinen Geist aufgab, im 38sten Jahre seiner Regierung am Mittwoch, Mai 7. den 7. Mai. In der folgenden Nacht wurden seine Eingeweide in der Kirche Unserer Lieben Frauen zu Memleben beigesetzt; sein Körper aber einbalsamirt nach Magdeburg gebracht, wo er in allen Ehren und mit großer Trauer empfangen und in einen marmornen Sarkophag gelegt, von den Erzbischöfen Gero [von Köln] und Aethelbert [von Magdeburg] unter Assistenz der übrigen Bischöfe und der gesammten Geistlichkeit bestattet ward.


28. Sein Sohn aber, Otto der Jüngere, der bereits zu des Vaters Lebzeiten erwählt und gesalbt war, wurde sofort von allen als Herr und König ausgerufen. Mit welchem Eifer aber die Kaiserin Aethelheide für die Befreiung der Seele ihres Gemahls bis an ihr Ende gewacht, ist gar nicht mit Worten zu beschreiben und ganz unerreichbar. Denn jegliche Ehre, jeglichen weltlichen Vortheil, der ihr zu Theil wurde, schrieb sie durchaus nicht ihrem Verdienste, sondern stets Christus allein zu; indem sie mit den Dankesworten Davids sprach: „Nicht uns Herr, nicht uns, sondern [59] deinem Namen gieb Ehre!“ [Psalm 115, 1]. Wenn in mir Beredtsamkeit, Gelehrsamkeit und Gedächtniß sich vereinigten, so würde das alles nicht ausreichen, des Kaisers Lob zu verkünden. Und wie der Herr, so waren auch seine Fürsten. Sie ergötzte nicht der Speisen und anderer leiblicher Genüsse Ueberfluß und Mannigfaltigkeit, sondern in allem nur die goldne Mittelstraße. So lange sie lebten, blühten alle Tugenden, von denen die Geschichte Kunde giebt; als sie starben, verwelkten auch die Tugenden und obwohl sie leiblich nicht mehr unter uns weilen, so leben doch ihre unsterblichen Seelen und erfreuen sich ob ihrer guten Werke ewiger Seligkeit. Doch, um mein Buch zu schließen, seit Karl dem Großen hat nie ein so großer Lenker und Schützer des Vaterlandes auf dem Königstuhle gesessen. Nachdem ihm, wie ich berichtet habe, manche von den Großen im Tode vorangegangen waren, vergaßen die ihn überlebenden die alten, frohen Zeiten nicht; sie mochten die Denk- und Handlungsweise, die nun aufkam, nicht, richteten sich auch nicht darnach, sondern wichen bis an ihres Lebens Ende von dem geraden Pfade alter Wahrheit und Gerechtigkeit freiwillig niemals ab. Denn damals sahen sie, daß erfüllt ward, was von einem weisen Seher der Zukunft vorausgesagt ist: „Das erste Jahrhundert ist das goldene, dann folgt das eherne, und zuletzt kommt das eiserne.“ Vernehme doch jeder Gläubige St. Gregorius’ Mahnung: „Je mehr die Gaben zunehmen, je mehr nimmt auch die Veranlassung zum Geben zu;“ und trage die größte Scheu, sich in dem, was ihm anvertraut ist, zu versündigen, und bete und flehe zum Herrn, daß er die unzähligen Fehlschritte seines sündigen Knechtes, die bei den vielen Angelegenheiten, für die er zu sorgen hatte, nicht zu vermeiden waren, mildiglich verzeihe! und möge der Herrscher über alle Reiche der Erde über allen Völkern, gegenwärtigen und zukünftigen, mit treuer und helfender Liebe wachen! Du aber, mein Nachfolger, wer du auch seist, bewahre dankbar für eine große Wohlthat, das Gedächtniß seiner Seele mit treuem Herzen, und besonders am Tage des Laurentius des Streiters Christi, dessen [60] Fürbitte du inbrünstig erflehen magst, auf daß, so wie diesem einst von Gott ob seines Verdienstes an diesem Tage der Sieg über sichtbare Feinde verliehen wurde, also auch ihm durch die Vergebung seiner Sünden, um die er stets den Herrn anrief, den Schlingen der unsichtbaren Feinde zu entrinnen gewährt werde, damit er dereinst am Tage des Gerichtes von denen gesondert, die zur Linken stehen werden, zur rechten Hand Gottes des Vaters seinen Platz finde.


  1. Da an einem Stadtrath in dieser Zeit noch nicht zu denken ist, kann auch dieser senatus nur die Fürsten bezeichnen, und es ist nur eine Ungenauigkeit Thietmars, durch welche es den Anschein hat, als ob alle Fürsten Otto auch schon nach Aachen geleitet hätten.
  2. Vielmehr Hatheburch, wie auch die jüngere Handschrift hat; s. oben I, 4.
  3. Im Kreise Brilon gelegen.
  4. Pythagoras erfand nach einer (wenngleich irrigen) Ueberlieferung den griechischen Buchstaben Ypsilon, und stellte in ihm ein Bild des menschlichen Lebens dar.
  5. Anspielung auf Horaz Epist. II, 35, 17.
  6. Vielmehr Lothars, des Königs von Italien. Den falschen Namen fand Thietmar schon bei Widukind.
  7. Koseform von Liudulf.
  8. Hugo genannt der Große, Herzog von Franken, den Thietmar hier irrthümlich nennt anstatt Konrads, der Otto’s Schwiegersohn war.
  9. Bei Widukind III, 46 wird von den Ungarn wegen ihres Mangels an Schutzwaffen mit den Worten Sallusts Catil. c. 54 gesagt, daß ihnen nur ihre Kühnheit eine Mauer ist; hier ist es zweifelhaft ob ihre Kühnheit gerühmt, oder vielmehr ihre Ohnmacht gegen Befestigungen hervorgehoben werden soll.
  10. Nämlich der Empörer.
  11. Den jetzt wieder zu Gnaden angenommenen Schwager Liudulfs, anstatt dessen Thietmar oben irrig Hugo nannte.
  12. Des Bischofs von Augsburg.
  13. San Leo, westlich von San Marino.
  14. Zu Goslar wurde das erste Silberbergwerk angelegt.
  15. nördlich vom Gau Lusizi in der Lausitz.
  16. die Fürsten der Wagrier und der Obotriten.
  17. Johannes Tzimiskes. Diese unrichtige Darstellung ist aus Widukind entnommen; aber die völlig unbegründete Behauptung, daß nicht die verlangte Braut geschickt sei, ist Zuthat Thietmars.
  18. von Weimar nennt ihn der sächsische Annalist z. J. 965.
  19. Rottleberode südlich von Stolberg.
  20. Im Kreise Ballenstedt.
  21. Im jetzigen Regierungsbezirk Merseburg.
  22. Wergeld, Sühngeld, Entschädigung für den Erschlagenen.
  23. Im jetzigen Kreise Köthen.
  24. Vielmehr am 18. Oct. 968 erhielt er zu Rom das Pallium von Johann XIII.
  25. Er hat ihn oben Kap. 3 statt Konrad genannt. Die ganze Geschichte ist völlig unbegründet und unmöglich.
  26. Isingrim, der am 5. Febr. 942 starb.
  27. d. h. du wirst nicht mehr inthronisirt werden. Er starb am 8. Oct. 942.
  28. 964. Aber ein Erzbischof war in Magdeburg erst seit 968, und die folgende Geschichte ist also nur ganz äußerlich angeknüpft und gehört in eine spätere Zeit.
  29. Vielleicht Zehden, das heutige Zehdenik im Kreise Templin.
  30. nämlich seines jungen Amtsgenossen.
  31. nach Lucan I, 92.
  32. d. h. daß auch Jünglinge oft sterben.
  33. Thietmar scheint andeuten zu wollen, der greise Bischof habe seinen Tod vorhergesehen.
  34. Bosau, jetzt Posen bei Zeiz
  35. Im heutigen Kreise Zerbst.
  36. In der Nähe von Leipzig.
  37. Bei Eisleben im Mansfelder Seekreis.
  38. Bei Leipzig in der Amtshauptmannschaft Borna.
  39. Sie starb schon 953 vor ihrem Gemahl und die Geschichte scheint eine leere Fabel zu sein.
  40. Im J. 954.
  41. In der Nähe bes Klosters Zeven im Herzogthum Bremen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ihm