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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg


deinem Namen gieb Ehre!“ [Psalm 115, 1]. Wenn in mir Beredtsamkeit, Gelehrsamkeit und Gedächtniß sich vereinigten, so würde das alles nicht ausreichen, des Kaisers Lob zu verkünden. Und wie der Herr, so waren auch seine Fürsten. Sie ergötzte nicht der Speisen und anderer leiblicher Genüsse Ueberfluß und Mannigfaltigkeit, sondern in allem nur die goldne Mittelstraße. So lange sie lebten, blühten alle Tugenden, von denen die Geschichte Kunde giebt; als sie starben, verwelkten auch die Tugenden und obwohl sie leiblich nicht mehr unter uns weilen, so leben doch ihre unsterblichen Seelen und erfreuen sich ob ihrer guten Werke ewiger Seligkeit. Doch, um mein Buch zu schließen, seit Karl dem Großen hat nie ein so großer Lenker und Schützer des Vaterlandes auf dem Königstuhle gesessen. Nachdem ihm, wie ich berichtet habe, manche von den Großen im Tode vorangegangen waren, vergaßen die ihn überlebenden die alten, frohen Zeiten nicht; sie mochten die Denk- und Handlungsweise, die nun aufkam, nicht, richteten sich auch nicht darnach, sondern wichen bis an ihres Lebens Ende von dem geraden Pfade alter Wahrheit und Gerechtigkeit freiwillig niemals ab. Denn damals sahen sie, daß erfüllt ward, was von einem weisen Seher der Zukunft vorausgesagt ist: „Das erste Jahrhundert ist das goldene, dann folgt das eherne, und zuletzt kommt das eiserne.“ Vernehme doch jeder Gläubige St. Gregorius’ Mahnung: „Je mehr die Gaben zunehmen, je mehr nimmt auch die Veranlassung zum Geben zu;“ und trage die größte Scheu, sich in dem, was ihm anvertraut ist, zu versündigen, und bete und flehe zum Herrn, daß er die unzähligen Fehlschritte seines sündigen Knechtes, die bei den vielen Angelegenheiten, für die er zu sorgen hatte, nicht zu vermeiden waren, mildiglich verzeihe! und möge der Herrscher über alle Reiche der Erde über allen Völkern, gegenwärtigen und zukünftigen, mit treuer und helfender Liebe wachen! Du aber, mein Nachfolger, wer du auch seist, bewahre dankbar für eine große Wohlthat, das Gedächtniß seiner Seele mit treuem Herzen, und besonders am Tage des Laurentius des Streiters Christi, dessen

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/85&oldid=- (Version vom 26.9.2023)