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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

Einen denkwürdigen Vorfall aber, den ich von seinem Cleriker Poppo, dem Bruder des Grafen Wilhelm[1], erfahren habe, darf ich nicht nicht übergehen. Als nämlich jener, ein treuer Diener des Kaisers, heftig erkrankt war, verfiel er in eine Verzückung, in der er auf einen hohen Berg geführt wurde, wo er eine große Stadt mit schönen Gebäuden erblickte. Darauf kam er an einen hohen Thurm, dessen Stufen er mühsam erstieg. Auf der höchsten flachen Platte desselben ward ihm die Gnade, Christus und alle Heiligen sitzen zu sehen. Vor dieser Versammlung ward Brun, Erzbischof von Köln, von dem höchsten Richter wegen eitler Anwendung der Philosophie angeklagt, aber von St. Paulus vertheidigt und wieder eingesetzt. Darauf ward auch Dodo hervorgerufen und wegen einer ähnlichen Ursache beschuldigt, aber durch die vermittelnde Fürbitte der Heiligen unterstützt, vernahm er folgendes Wort: „Nach dreien Tagen wirst du zu mir kommen und den Stuhl einnehmen, den ich dir jetzt zeige.“ Dies alles erzählte der Priester, als er erwachte, dem Kaiser, den er zu sich gebeten hatte, und indem er versicherte, dies sei kein Traum, sondern ein wahrhaftes Gesicht gewesen, sagte er dem Kaiser Dank für alles Gute, das er je an ihm gethan; darauf beichtete er, und nachdem er von den Anwesenden Vergebung der Sünden erlangt hatte, ging er aus der Fremde in seine wahre Heimat hinüber, in gutem Frieden, und tröstete seinen Herrn, der über seinen Tod weinte, selbst durch diesen so glücklichen Heimgang.

11. Auch kostbaren Marmor nebst Gold und Edelsteinen ließ der Kaiser nach Magdeburg kommen, und in alle Säulenknäufe befahl er Reliquien der Heiligen einzuschließen. Neben der obenerwähnten Kirche ward auf sein Geheiß auch der Leib des trefflichen Grafen Christinus und anderer Verstorbener bestattet. In dieser Kirche wünschte er selbst zu ruhen und sorgte noch bei seinen Lebzeiten eifrigst dafür, daß ihm dort ein Grab bereitet wurde.

  1. von Weimar nennt ihn der sächsische Annalist z. J. 965.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/64&oldid=- (Version vom 27.9.2023)