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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

942. Kaiser mit wenigen Begleitern nach dem Kloster St. Emmeram’s, ohne daß die Mönche es wußten, und wurde, leise an die Pforte klopfend, von Gunther, dem wachsamen Hüter der Kirche und einem durchaus verehrungswürdigen Geistlichen, eingelassen. Sowie Otto desselben ansichtig wurde, trat er zuerst vor, und bat ihn, sich vor ihm neigend, um seinen Segen, dann aber redete er ihn so an: „Was giebst du mir, Bruder, wenn du Bischof wirst?“ Der Greis antwortete lächelnd: „Meine Schuhe.“ Als nun Gunther aber mit den übrigen geistlichen Brüdern zur Wahl des Bischofs in die Peterskirche kam, setzte der Kaiser allen seinen Traum und den ganzen Verlauf der Sache aus einander, und ernannte ihn im Einverständnisse mit der Geistlichkeit und der ganzen Gemeinde zum Bischof. Er aber regierte nach seiner Einsegnung nur noch 6 Monate; da wurde er von einer schweren Krankheit befallen. Als er sich nun einstmals ziemlich bei Kräften fühlte, stand er auf, nahm Asche in die Hand, und bestreute die Stelle, wo er aus dieser Welt wandern wollte, mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes, legte sich dann auf dem Boden nieder, und sang des frommen Hiob Lied: „Ich habe dich mit den Ohren gehöret und mein Auge siehet dich auch nun. Darum schuldige ich mich und thue Buße in Staub und Asche.“ [Hiob 42, 5. 6.] Und gleich nachher gab er, nachdem er unter Thränen seine Beichte abgelegt hatte, seinen Geist auf; und so ward an ihm erfüllt, was sein ihm ganz ähnlicher Vorgänger im Amte, ihm vorher gesagt hatte. „Du wirst, mein Bruder, der nächste nach mir diese Kirche regieren, darnach aber wirst du nur kurze Zeit leben, indem erst Gott dich in seiner Gnade krönen wird[1].“ – Daß dies nun also nach Gottes Willen geschehen möchte, wünschte er so lange er hienieden pilgerte. Diese Erzählungen von den beiden Bischöfen habe ich deshalb vorgebracht, auf daß du, mein Leser, wissest, daß die Huld des Herrn dem Kaiser stets offenbarte, was nach seinem Rathschluß in den Dingen dieser Welt geschehen sollte. – Als Otto vom Tode Gunthers Kunde erhielt, ließ er auf ihn den

  1. d. h. du wirst nicht mehr inthronisirt werden. Er starb am 8. Oct. 942.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/72&oldid=- (Version vom 27.9.2023)