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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

und ihm so das Reich zu verleihen. Wie er nun am nächsten Tage, nämlich am heiligen Ostermorgen, als alle Zeichen der königlichen Hoheit bereit lagen und Hugo mit weibischer Lüsternheit auf die Erfüllung seines Versprechens harrte, im Begriff stand, die Krönung zu vollziehen, da hatte Gott in seiner Barmherzigkeit ihm die Gnade erwiesen und in seiner alles lenkenden Weisheit es so gefügt, daß sein Haß etwas nachgelassen hatte und er nun sein Vorhaben schamerfüllt bereute. Darum berief er heimlich seinen Geheimschreiber Volkmar zu sich, entdeckte ihm die verborgene Wunde seines Herzens, und bat ihn dringend um Rath, wie sie zu heilen sein möchte. Und Gott, der denen, die sich zum Guten bekehren, in allem zu helfen bereit ist, gab demselben durch seine himmlische Einwirkung ein, durch welche Antwort er seines Vorgesetzten Sorge lindern könnte. Er antwortete nämlich: „Der heilige Geist, theuerster Herr, hat dir ins Herz gegeben, daß der böse Feind, der Anreger dieses so großen Verbrechens, über uns weiter keine Gewalt mehr haben soll; durch folgendes Mittel, denke ich, kann derselbe zu Schanden werden und du deine Ehre bewahren: die Krone, die du deinem Schwager zu verleihen versprochen hast, werde ich, wenn ihr versammelt da sitzt, herbeitragen, so daß deine Treue im Halten deines Worts allen klar sein wird; dann aber werde ich scheinbar unwillkürlich hinfallen, und so die Krone zerbrechen, damit die jetzt erkaltete Bruderliebe in Zukunft wieder an Wärme zunehme.“ Das gefiel dem Erzbischof, und im inbrünstigen Gebete flehte er demüthig zum Herrn um Erhörung. Als nun der nächste Morgen kam, und jene Worte zur That wurden, stellte sich der Erzbischof sehr betrübt; Hugo aber und die Seinen, in ihrer so großen Hoffnung getäuscht, waren untröstlich in ihrem Schmerze; indeß kehrte er nach dem Ende des Festes mit andern Geschenken, als er erwartet hatte, beehrt heim. Nach dieser Zeit aber söhnten sich die beiden Brüder, der König und der Erzbischof, wieder mit einander aus, und indem sie gegenseitig nicht nachließen in Ausübung brüderlicher Liebe, sorgten sie fortan, einen jeden Anlaß zur Störung ihrer Freundschaft aus

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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/69&oldid=- (Version vom 27.9.2023)