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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

blieb fortwährend Wittwe; da sie aber den Bischof Abraham von Freising sehr hoch hielt, ward sie unschuldiger Weise von der bösen Zunge des Neides mitgenommen. Als sie aber gestorben war, wurde sie am Tage ihres Begräbnisses von demselben Bischofe, als er die Messe absang, auf folgende Weise gerechtfertigt. Vor dem Abendmahle wandte er sich an die Gemeinde, schilderte den Umstehenden ihre Verdienste, und sagte dann: „Wenn die Verstorbene das Verbrechen, wegen dessen sie verläumdet ist, jemals begangen hat, so lasse der Allmächtige das heilsame Gnadenmittel des Leibes und Blutes seines Sohnes mir zum Gerichte werden und zur verdienten Verdammniß; ihrer Seele aber zu ewiger Erlösung.“ Und Darauf genoß er, rein an Körper und Geist, das alleinige Heilmittel aller Gläubigen. Die Menschen aber glaubten ihm, freilich zu spät, und hatten ihr mit ihrer ungerechten Herabsetzung nur noch genützt, obwohl sie ihr hatten schaden wollen.


26. Es lebte in den Tagen dieses Kaisers Otto ein Graf Hed, der eine von ihm dem Streiter Christi St. Veit zu Ehren in Heslingen[1] erbaute Kirche, weil er ohne Erben war, mit dem größten Theile seines ganzen Vermögens beschenkte, und indem er ein Nonnenkloster daselbst errichtete, diese Abtei der Obhut des Erzbischofs Etheldag von Bremen unterordnete. Diesem Kloster standen zwei ehrwürdige Frauen, beide Namens Windilgerd, vor, welche beide leider schnell verstarben. Als nun mein Großvater darum anhielt, daß seine dort erzogene und der Anstalt übergebene Tochter Hathui ihnen nachfolgen möchte, konnte er das von dem Erzbischofe nicht erlangen. Als aber der Kaiser, ihr Pathe, ihn bat, verlieh er ihr, obwohl sie erst zwölf Jahre alt war, an einem 973. Sonntage, den 30. April den Schleier und segnete sie am folgenden Tage in Gegenwart ihres Vaters als Aebtissin ein. Dies gereute ihn später sehr. Denn fünf Tage nachher starb, wie ich gleich berichten werde, Italiens Zierde und Sachsens Heil, Otto I.

  1. In der Nähe bes Klosters Zeven im Herzogthum Bremen.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/83&oldid=- (Version vom 28.9.2023)