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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

Kirche. Bei dieser Gelegenheit konnte der Herzog meinen Großvater, den Grafen Heinrich [von Stade], der so großem Uebermuthe widerstrebte, nicht, wie er sich bemühte, durch Hinterlist in seine Gewalt bekommen, weil ihn eine große Schaar von Kriegern umgab. Dann aber befahl er ihm, nach Rom zum Kaiser zu gehen. Das that er sehr gern, und zog über die Alpen. Als er nun zum Kaiser kam, warf er sich, sowie er ihn von fern erblickte, auf die Erde nieder, und als dieser ihn fragte, warum er also thäte, antwortete er weinend, er befürchte, seine Gunst und gewohnte Gnade verloren zu haben, weil er bei ihm verklagt sei. Sogleich hob ihn der Kaiser auf und küßte ihn, und erfuhr auf genaue Nachfrage nach jedem einzelnen Punkte den Empfang des Herzogs, und wie er mitten unter den Bischöfen an der Tafel die Stelle des Kaisers einnähme und in dessen Bett schliefe. Darob in edlem Zorne entbrennend, befahl der Herrscher dem Erzbischof Aethilbert schriftlich, er solle ihm so viele Pferde schicken, als er dem Herzoge Glocken läuten und Kronleuchter anzünden lasse. Diesem Befehl leistete Aethilbert Folge, und suchte sich durch Abgesandte auf alle Weise zu entschuldigen. Graf Heinrich war übrigens ein so kluger Mann, daß er leichter als alle andern Großen den Kaiser, wenn er zürnte, zu beruhigen verstand, und weil er mit ihm blutsverwandt war, behielt er des Kaisers Gunst beständig bis an sein Lebensende. Den heimkehrenden beschenkte der Kaiser mit einer goldnen Kette, seinen Freunden zur Freude, seinen Feinden zum Leide.

19. Indeß griff der ehrenwerthe Markgraf Hodo den Herzog Miseko [von Polen], welcher gleichwohl dem Kaiser treu für die Lande bis an die Vurta [Warthefluß] Zins zahlte, mit Heeresmacht an. Ihm eilte mein Vater, Graf Siegfried [von Walbeck], damals noch ein Jüngling und unvermählt, allein mit den Seinen zu Hülfe, und am Tage St. Johannis des Täufers kam es zu Cidini[1] zur Schlacht, in welcher zuerst Hodo und Siegfried

  1. Vielleicht Zehden, das heutige Zehdenik im Kreise Templin.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/74&oldid=- (Version vom 28.9.2023)