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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

außer den übrigen festesten Burgen die Hauptstadt Ratisbona oder Reinesburg [Regensburg], indem er die Herzogin Juuthita [Judith], der er nur ihre Söhne ließ, aus dem Lande vertrieb. Dann versuchte er, den Herzog Thietrich und den Grafen Wigmann, die, während sein Vater ihm nachzog, sich anschickten, Mainz wieder in Besitz zu nehmen, von ihrem Plane abwendig zu machen; Thiedrich aber ging gar nicht darauf ein, den Wigmann indeß gewann er schnell durch Schmeichelreden und Lockungen. Der König aber, der mit Heeresmacht in Baiern einfiel, fand die Thore aller Städte verschlossen, und kehrte heim, nachdem er das Land geplündert und verheert hatte. Darnach nahm Dudo, am Widerstande gegen seinen König und Vater verzeifelnd, die bogenkundigen Avaren als Bundesgenossen in Sold. Dies erfuhr der König alsbald, und eilte den anrückenden Empörern mit fliegenden Fahnen entgegen. 954. Allein es ging ihm leider anders, als irgend jemand vermuthen konnte. Denn die Avaren fielen, durch feindlich gesinnte Führer einen andern Weg geleitet, in Franken ein und verwüsteten dasselbe furchtbar.

Fragt aber Einer in seinem Innern oder laut, woher einem fremden Volke eine solche Kühnheit komme, daß es so bevölkerte, von ihnen so fern gelegene Gegenden zu bedrängen unternahm: so vernehme er, was ich als Ergebniß dessen, was ich aus Schriften je erlernt habe und auch aus mir selber weiß, ihm antworte: Mit Gottes Zulassung werden diese durch unsre Missethaten hervorgerufen als Geißeln Gottes, und wir fliehen in gewaltigem Schrecken, weil wir feige sind ob unserer Ungerechtigkeit, und so kommt es, daß wir, die wir im Glücke die Furcht Gottes verschmäht haben, nun mit Recht die Zuchtruthe des Herrn fühlen müssen, und daß wir, Ihn anrufend, kein Gehör finden, weil wir in keiner Weise versucht haben, Seinen Zorn zu sühnen. Aus diesen Gründen also geschah es, daß Germania, schwächer als die anderen, ihr benachbarten Länder Europa’s, diesen Schaaren erlag, denen schon für eine Mauer gilt, was ihren Pfeilen zu widerstehen vermag.[1]

  1. Bei Widukind III, 46 wird von den Ungarn wegen ihres Mangels an Schutzwaffen mit den Worten Sallusts Catil. c. 54 gesagt, daß ihnen nur ihre Kühnheit eine Mauer ist; hier ist es zweifelhaft ob ihre Kühnheit gerühmt, oder vielmehr ihre Ohnmacht gegen Befestigungen hervorgehoben werden soll.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/57&oldid=- (Version vom 26.9.2023)