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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

von Samos doppelastigen Buchstaben[1], das Bild des menschlichen Lebens, bis an die Scheidung, und indem er den Weg rechter Hand betrat, nämlich den, wenngleich kürzeren, so doch vorzüglichen Steg, stieg er von Tag zu Tage schöner empor, wie lieblich grünender Epheu; in allem des Vater Ebenbild, erhöhte er die Zierde seiner hohen Geburt durch sein Benehmen in dem Grade, daß er, „was der geringste Ruhm nicht ist[2],“ allen Ersten des Reiches gefiel. Daher lächelte ihn des Vaters Huld in dem Grade an, daß er ihn nach gemeinsamer Wahl des gesammten Fürstenraths zum Genossen seiner Ehre und seines Amtes bestimmte und ihm die Nachfolge sicherte. Auch verlobte er ihm Ida, die Tochter Herzog Hermanns [von Schwaben], deren Schönheit noch durch ihre Ehrbarkeit übertroffen wurde. Nachdem der Vater ihm also diese zur Gemahlin gegeben, verlieh er ihm nicht lange nachher auch das Herzogthum und Erbe seines verstorbenen Schwiegervaters. Wie kräftig unter einem solchen Vater und Sohne das Reich blühte, ist schwer genügend zu schildern. Die ehrwürdige Königin Mathildis aber, die zu Quidilingaburg, wie gesagt, ein Nonnenkloster erbaut und gestiftet hatte, verdient es durch ihr gottgeweihtes Leben, daß ihr Sohn in jeglicher Tugend hervorragte.


3. Indeß hatte Berengar das Reich Luthuwig’s[3] an sich gerissen, und Ethelheid, die Wittwe desselben, 951. zu Cumä am 20. April gefangen genommen, die er nun mit Haft und Hunger auf eine beweinenswerthe Art quälte. Von ihrer gepriesenen Schönheit und Sitte hörte Otto, und indem er vorgab nach Rom zu reisen, kam er auf dem Wege in die Lombardei, warb um die damals der Haft entronnene Fürstin durch Bevollmächtigte, und bewog sie, die durch reiche Geschenke günstig gestimmt war, seinen Wünschen nachzugeben, auch gewann er zugleich mit ihr Pavia. Ueber diese

  1. Pythagoras erfand nach einer (wenngleich irrigen) Ueberlieferung den griechischen Buchstaben Ypsilon, und stellte in ihm ein Bild des menschlichen Lebens dar.
  2. Anspielung auf Horaz Epist. II, 35, 17.
  3. Vielmehr Lothars, des Königs von Italien. Den falschen Namen fand Thietmar schon bei Widukind.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/55&oldid=- (Version vom 26.9.2023)