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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

seine Hoffnung auf den Tod des abgelebten Greises, das ist sündig; er bedenke, daß auch des Kalbes Fell oft an die Wand gehängt wird[1]“. Nachdem er dies geäußert, ließ er sich in die Cäcilienkirche bringen, warf sich nieder und bekannte der Heiligen unter einem Strome von Thränen, er habe ihr bisher unwürdig gedient, und klagte also: „Ich erkenne, daß Gott und du mich Unglücklichen verworfen haben, da ein anderer mir vorgezogen und als der würdigere in deinen Dienst genommen wird. Darum bin ich, obwohl schweren Herzens, bereit abzugehen, aber ich wünsche und bete darum, hierin Christi Gnade und deine Fürbitte abwarten zu dürfen. Ich wünschte, daß, wie ich nie nach fremdem Gute ungerecht getrachtet habe, so auch niemand meines Nachtheils sich erfreuen möchte. Jetzt aber flehe ich inbrünstig zu Gott, daß er thun möge, was ihm gefällt und meiner Kirche frommt.“ Als er dies Gebet beendet hatte, erhob er sich und blieb noch lange in seinem Sprengel, bis er die Nachricht bekam, der ebenerwähnte Jüngling sei gestorben[2]. Da rief er seine geistlichen Gehülfen zusammen, und sprach zu ihnen: „Ihr habt noch keinen neuen Vorgesetzten; mich aber bringt in mein Kloster, dort will ich dem Tage des Gerichts ohne alle Zerstreuung in eifrigem Bemühen entgegensehen. Ihr Menschen aber lernet, daß alles, was euch Heilsames zu Theil werden soll, nicht liege an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen. [Röm. 9, 16]. Ich sei euch ein Beispiel, daß niemand, der auf Gott vertraut, verlassen wird, und niemand, der seine Hoffnungen nur aus sich selber schöpft, zu eigenem Vortheile erhöht wird. Auf Gott den Vater, meine Söhne, setzt eure Hoffnung und mit Hülfe seines eingebornen Sohnes und des heiligen Geistes, der mit ihm eins ist, überwindet alle schädliche Furcht. Betet zum Allgütigen, daß was ich gegen Euch oder Ihr gegen mich in menschlicher Gebrechlichkeit versehen haben möget, zum Besseren gewendet werde, und daß Ihr nach mir einen Gott wohlgefälligen und für euer Heil sorgenden Bischof

  1. d. h. daß auch Jünglinge oft sterben.
  2. Thietmar scheint andeuten zu wollen, der greise Bischof habe seinen Tod vorhergesehen.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/77&oldid=- (Version vom 26.9.2023)