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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg

936. 1. Alle Fürsten des Reichs erwählten sogleich, getrieben von dem Wunsche, den großen Schmerz der Königin Mathildis zu lindern, der Anordnung und Bitte des Vaters gemäß, deren Sohn Otto einstimmig zu ihrem König und Herrn, indem sie, die Rechte erhebend, ausriefen: „Es lebe und regiere unser König für und für!“, und damit zogen sie mit ihm nach Aachen. Als sie sich der Stadt näherten, kam ihnen der ganze Rath[1] entgegen, versprach dem jungen Fürsten Treue und Gehorsam, geleitete ihn bis zur Krönungsstadt hin, setzte ihn an die Stelle seiner Vorgänger und rief ihn laut aus zum Könige, und dankte Gott. Ihn weihte Hillibert, der Hüter des Stuhles zu Mainz, mit Genehmigung des Erzbischofs Wigfried von Köln, in dessen Sprengel dies vorging, und unterstützt von dem Erzbischofe von Trier, im Jahre des Herrn 936, in der St. Marienkirche, welche einst Karl der Große mit allem Fleiße erbaute. Als darnach Otto, der Scepterträger Größter, in Gott zum Herrscher bestätigt war, da befahl er auch seine Gemahlin Editha, die gottesfürchtige Tochter König Ethmunds von England, welche er noch bei Lebzeiten ihres Vaters heimgeführt hatte, zu krönen.

Otto’s Glück trübte manch widriges Geschick. Denn der verruchte Bolizlaw, der seinen eigenen Gott und dem Könige getreuen Bruder, den Böhmenherzog Ventizlav, erschlug, widerstand Otto I. lange Zeit tapfer, schließlich aber wurde er doch vom Könige mannhaft besiegt und seinem Bruder Heinrich, Herzog von Baiern, zur Haft übergeben.

Auch die Avaren, die sich schon wider seinen Vater erhoben hatten, aber längst bezwungen waren, erhoben sich aufs neue, kehrten aber schnell geschlagen heim.

Dann entstand unter Mitbürgern und Landsleuten gewaltige Zwietracht, welche Tammo, der Sohn des Königs und der Liudgerde[2],

  1. Da an einem Stadtrath in dieser Zeit noch nicht zu denken ist, kann auch dieser senatus nur die Fürsten bezeichnen, und es ist nur eine Ungenauigkeit Thietmars, durch welche es den Anschein hat, als ob alle Fürsten Otto auch schon nach Aachen geleitet hätten.
  2. Vielmehr Hatheburch, wie auch die jüngere Handschrift hat; s. oben I, 4.
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Thietmar von Merseburg: Die Chronik des Thietmar von Merseburg. Verlag von Franz Duncker, Leipzig 1879, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Chronik_des_Thietmar_von_Merseburg.pdf/53&oldid=- (Version vom 26.9.2023)