Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Q. F. Maximus Verrucosus (Cunctator), cos. 233, 228, 215, 214 und 209 v. Chr.
Band VI,2 (1909) S. 18141830
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116) Q. Fabius Maximus Verrucosus, der sog. Cunctator. Quellen: Von dem Elogium des F. ist ein kleines Stückchen aus dem Anfang der Originalinschrift des Augustusforums und vollständig mit Ausnahme der ersten Zeile das Exemplar aus Arretium erhalten (Elog. XII und XIII CIL I² p. 193 mit Mommsens Kommentar). Eine Biographie des F. hat Plutarch geschrieben und mit der des Perikles zusammengestellt; sie enthält nur sehr weniges, was nicht in die Geschichte des Hannibalischen Krieges gehört, und weist in dieser nahe Beziehungen zu der Livianischen Darstellung auf, bisweilen aber auch in Fällen, wo Polybios und Livius auseinander gehen, zu der Polybianischen; da ein lateinischer Autor die Hauptquelle zu sein scheint, wird gewöhnlich seit Peter (Quellen Plutarchs in den Biogr. der Römer 51–57) Coelius Antipater dafür gehalten (vgl. die Literatur bei Gensel o. Bd. IV S. 194, 38ff.; Bedenken gegen die direkte Benützung des Coelius bei Leo Die griech.-röm. Biographie 161. 174; vgl. noch Sanders Quellenkontamination im 21. und 22. Buche des Liv. [Berl. 1898] 52f.).

Herkunft. Die Fasti Cap. bezeichnen F. als Q. f. Q. n., aber über die Person seines Großvaters liegen zwei widersprechende Angaben vor: die eine findet sich bei Plutarch in der Einleitung 1, 3: ἀπὸ 'Ῥούλλου τοῦ μεγίστου καί διὰ τοῦτο Μαξίμου παρὰ Ῥωμαίοις ἐπονομασθέντος τέταρτος ἧν und 24, 5 bei den Parallelanekdoten über F. und seinen πρόπαππος Fabius Rullianus Nr. 114 im Verhältnis zu ihren Söhnen, die andere bei Livius XXX 26, 8 in dem Nachruf auf F.: vir certe fuit dignus tanto cognomine, vel si novum ab eo inciperet. superavit paternos honores, avitos aequavit. pluribus victoriis et maioribus proeliis avus insignis Rullus; sed omnia aequare unus hostis Hannibal potest. Die Zeitverhältnisse lassen es nicht unmöglich erscheinen, daß F. Enkel des Rullianus und folglich Sohn des Gurges Nr. 112 gewesen sei. Gurges starb 489 = 265, und F. 551 = 203 exactae aetatis, si quidem verum est augurem duos et LX annos fuisse, quod quidam auctores sunt (Liv. XXX 26, 7, daraus Val. Max. VIII 13, 3; wohl ohne Belang die Abweichung um ein Jahr bei Plin. n. h. VII 156). Man möchte angesichts dieser Zahlen vermuten, daß nach Angabe der quidam auctores F. das Augurat gerade nach dem Tode des Gurges und vielleicht als dessen Nachfolger empfangen hatte, so wie sein eigener Nachfolger in dieser Würde sein Enkel Nr. 104 geworden ist. Daraus folgt aber, daß die Livianische Angabe, F. sei der Enkel des Rullianus gewesen, von dieser Seite her keine Stütze erhält. Gegen sie spricht ferner Plin. n. h. VII 133: (in omni aevo reperitur) una familia Curionum, in qua tres continua serie oratores exstiterint, una [1815] Fabiorum, in qua tres continui principes senatus, M. Fabius Ambustus, Fabius Rullianus filius, Q. Fabius Gurges nepos. Auch F. war Princeps senatus (s. u.), so daß, wenn er der Sohn des Gurges gewesen wäre, sogar in vier einander folgenden Generationen diese Würde wiedergekehrt wäre, und das hätte sich der Gewährsmann des Plinius nicht entgehen lassen. Nimmt man hinzu, daß sich Plutarch als Biograph über die Vorfahren seines Helden genauer unterrichtet haben muß, so wird man seiner Angabe den Vorzug vor der des Livius geben. F. war also nicht Enkel, sondern Urenkel des Rullianus; sein Vater muß um die Zeit des ersten Punischen Kriegs gelebt haben und nicht zu den höheren Ämtern gelangt sein, was beides auf Nr. 30 passen würde.

Cognomina. Maximus heißt F. ganz allgemein, z. B. oft bei Cicero. Daß er den Beinamen zuerst erhalten habe, sagt Polyb. III 87, 6 nicht geradezu und jedenfalls nicht mit Recht (wertlos Polyaen. VIII 14, 1f. s. u.); nur daß er ihn gleichsam von neuem verdiente, wird von Liv. a. O. Verg. Aen. VI 845f. Ovid. fasti II 241 u. a. gern angedeutet; aber Zeugen, die mit der Geschichte der Fabier vertraut sind (Liv. a. O. Plut. a. O. u. a.), erklären bestimmt, daß er ihn bereits von seinem Ahnherrn Rullianus ererbt habe. Als individuelles Cognomen erscheint Verrucos(s)us zuerst bei Cic. Brut. 57, dann in den Fasti Cap. (daraus Chronogr.) und Acta triumph., bei Fest. p. 352. Sen. de benef. II 7, 1, vgl. IV 30, 2. Plin. n. h. XXXIV 40, sowie mit einer Erklärung der Bedeutung und verbunden mit einem zweiten, sonst nicht bekannten Beinamen übereinstimmend beim Auct. de vir. ill. 43, 1: ut Verrucosus a verruca in labris, ita Ovicula a clementia morum, und bei Plut. 1, 4: ἤν δ' αὐτῷ σωματικὸν μὲν παρώνυμον ὁ Βερούκωσος · εἶχε γὰρ ἀκροχορδόνα μικρὰν ἐπάνω τοῦ χείλους ἐπιπεφυκυῖαν · ὁ δὲ Ὀουικούλας σημαίνει μὲν τὸ προβάτων, ἐτέθη δὲ πρὸς τὴν πρᾳότητα καὶ βραδυτῆτα τοῦ ἤθους ἔτι παιδὸς ὄντος (vgl. die Ausschmückung 1, 5; die Etymologie von Verrucosus auch noch bei Seren. Sammon. 1092ff. [Baehrens PLM III 158]: interdum exsistit turpi verruca papilla. hinc quondam Fabio rerum cognomen adhaesit, qui solus patriae cunctando restituit rem). Im Elogium und bei Livius kommt der Beiname Verrucosus nicht vor. Die Bezeichnung des F. als Cunctator beruht auf den berühmten und vielzitierten Versen des Ennius: Unus homo nobis cunctando restituit rem. non enim rumores ponebat ante salutem, ergo postque magisque viri nunc gloria claret (Enn. ann. XII 370–372 Vahlen2; Anspielung vielleicht schon bei Polyb. III 105. 8; Zitat bei Cic. ad Att. II 19, 2; Cato 10; off. I 84. Liv. XXX 26, 9 [einzigartig]. Verg. Aen. VI 846. Ovid. fasti II 242. Augustus bei Suet. Tib. 21. u. a.): als Beiname wird aber Cunctator, das Liv. XXII 12, 12. XXX 26, 9 appellativisch verwendet, nicht vor Quintilian. inst. or. VIII 2, 11, vgl. XI 2, 30 und Frontin. strat. I 3, 3. III 9, 2 gebraucht, weiterhin bei Flor. I 22, 27 (Ampel. 18, 6. 46, 6). Auct. de vir. ill. 14, 6 (ab obtrectatoribus dictus). 43, 1.

F. müßte nach der oben angeführten Angabe über sein Augurat etwa 80 Jahre alt geworden sein. Dann hätte er erst mit 50 Jahren das Consulat [1816] erlangt; dies ist wenig wahrscheinlich, daher der Zweifel des Livius an der Richtigkeit jener Notiz berechtigt und die Geburtszeit des F. unbestimmbar. Seine niederen Ämter zählt das Elogium in absteigender Reihenfolge auf; er war demnach je zweimal Tribunus militum und Quaestor, ferner curulischer Aedil, woran auch Sen. ep. 86, 10 (Fabius Maximus; vgl. die häufigen Anspielungen auf diesen F. bei Seneca) denkt, dagegen nicht Praetor.

521 = 233 Consul I mit M’. Pomponius Matho (Fasti Cap. Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Cassiod. Cic. Cato 10). F. kämpfte glücklich gegen die Ligurer und erwarb dadurch die Ehre des Triumphs (Acta triumph. Elog. Auct. de vir. ill. 43, 1. Plut. 2, 1; comp. Per. et Fab. 2, 1; vgl. Zonar. VIII 18); er weihte den Honostempel, der 25 Jahre später durch M. Marcellus, der den Virtustempel hinzufügte, neugeweiht wurde (Cic. nat. deor. II 61, vgl. o. Bd. III S. 2753, 29ff.). Die Schuld am Aufstand der Ligurer und an dem der Sarden, den der Kollege des F. unterdrückte, wurde den Karthagern zugeschrieben; deshalb schickte F. nach Karthago als Symbol von Krieg und Frieden einen Speer und einen Heroldstab (nach Varro bei Gell. nur im Bild auf zwei Tesseren); die Punier stellten die Wahl den Gesandten anheim, und der Friede blieb vorläufig erhalten. Die Übereinstimmung dieser von Gell. X 27, 3–5 (nach Tubero? vgl. Hosius Praef. p. XLII) und Zonar. a. O. erzählten Anekdote mit der bekannteren von der späteren Gesandtschaft des F. nach Karthago ist ohne weiteres deutlich.

524 = 230 war F. Censor mit M. Sempronius Tuditanus (Fasti Cap. Elog.),

526 = 228 Consul II mit Sp. Carvilius Maximus Ruga (Fasti Cap. Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Cassiod.). Die Angabe des Cic. Cato 11, daß er in dieser Stellung dem Ackergesetze des Tribunen C. Flaminius heftigen Widerstand geleistet habe, verliert dadurch an Glaubwürdigkeit, daß dieses Gesetz nach dem zuverlässigeren Zeugnis des Polybios II 21, 7f. um einige Jahre früher fällt (vgl. Mommsen R. Forsch. II 401, 23; vgl. Herm. XL 86f.). Über den Anteil des F. an der auswärtigen Politik dieser Jahre schweigt die trümmerhafte Überlieferung.

Zwischen 533 = 221 und 535 = 219 muß er Dictator I gewesen sein, da außer für diese drei Jahre die Fasten der ganzen Zeit vollständig sind. Wenn Val. Max. I 1, 5: occentus soricis auditus Fabio Maximo dictaturam C. Flaminio magisterium equitum deponendi causam praebuit (vgl. Plin. n. h. VIII 223) richtig ist (abweichend Plut. Marc. 5. 5: Μινουκίου [entstellt aus Μαξίμου?] δὲ δικτάτορος ἵππαρχον ἀποδείξαντος Γάιον Φλαμίνιον κτλ.) und hierher bezogen werden darf, so könnte die Dictatur am besten mit Pighius (vgl. Mommsen zum Elog.) ins J. 533 = 221 gesetzt werden, weil im folgenden C. Flaminius Censor wurde.

Im J. 535 = 219 und im Anfang des J. 536 = 218 in der Vorgeschichte des zweiten Punischen Krieges spielte F. eine nicht unbedeutende, aber nicht mehr ganz aufzuklärende Rolle. Bei der Verhandlung des römischen Senats nach dem Fall Sagunts traten nach einer alten Darstellung [1817] als Wortführer der Parteien L. Lentulus Caudinus (o. Bd. IV S. 1378) und F. auf, und zwar der letztere mit dem Antrage, nicht sofort den Krieg zu erklären, sondern erst durch Gesandte Rechenschaft zu fordern. Uns liegt diese Darstellung nur verkürzt bei Sil. Ital. I 676–694 vor und namentlich bei Dio frg. 54, 1–9. Zonar. VIII 22 (vgl. o. Bd. III S. 1718, 18ff.; eine Erinnerung daran auch bei Frontin. strat. I 11, 4); die entschiedene Polemik des Polybios III 20, 1ff. gegen sie hat sie verstummen lassen, aber vielleicht nicht zum Vorteil der historischen Wahrheit (vgl. Hesselbarth Histor.-krit. Untersuch. zur dritten Dekade des Livius 134–138. Meltzer Gesch. der Karthager II 451f. 608). Hatte F. jenen Standpunkt in Rom vertreten, so war es das Gegebene, daß er ihn auch in Karthago zu vertreten beauftragt wurde. Nach der gewöhnlichen Annahme ist er der Führer der Gesandtschaft, die das römische Ultimatum dorthin überbringt, der im punischen Rat den Feinden zuruft, er bringe ihnen im Bausch seiner Toga den Krieg und den Frieden, auf daß sie wählten, und der auf die Antwort, er solle gehen, was er wolle, den Krieg erklärt. Ohne daß auf die verwickelten Fragen nach den ganzen diplomatischen Verhandlungen eingegangen wird, muß die Frage nach dem Anteil des F. kurz erörtert werden. Polybios III 20, 6. 9. 33, 1. 4. 40, 2 nennt die Namen der römischen Gesandten überhaupt nicht und bezeichnet den Helden jener berühmten Szene nur als den ältesten von ihnen (III 33, 2: ὁ δὲ πρεσβύτατος αὐτῶν). Auch Appian. Iber. 13 gibt keine bestimmten Namen; er spricht zuerst von πρέσβεις in der Mehrzahl, dann von ὁ μὲν πρεσβευτής. Daß weder das Elogium des F., noch Plutarch und Auct. de vir. ill. die Sache erwähnen, ist nicht ohne Bedeutung. Livius XXI 18, 1–14 gibt von fünf legati maiores natu (im Gegensatz zu den 6, 8 genannten) die Vor- und Geschlechtsnamen, und zwar zuerst Q. Fabius, doch ohne anzudeuten, daß dieser auch sonst öfter vorkomme; bei Flor. I 22, 7 ist dem dux legationis der Name Fabius vielleicht nur von dem Interpolator beigefügt. Fabius ohne nähere Bestimmung heißt der Gesandte auch bei Sil. Ital. II 3–6. 369. 382–390: der Dichter wirft die frühere Gesandtschaft an Hannibal und die spätere an die karthagische Regierung zusammen, denkt aber offenbar an den berühmtesten Fabier dieser Zeit. Dagegen nennt Dio, der auch mehrere Gesandte erwähnt, den Wortführer ὁ Φάβιος ὁ Μάρκος (frg. 54, 10; umgestellt ὁ Μάρκος ὁ Φάβιος Zonar. VIII 22), wobei nur an M. Fabius Buteo Nr. 53 gedacht werden kann. Diese Ansicht hat A. Schäfer (Comment. Mommsenianae 7–10) als die richtige hingestellt, und er hat vielfach Zustimmung gefunden (so bei Hesselbarth a. O. und Meltzer a. O.; vgl. auch die freilich ziemlich unbedeutenden Ausführungen von Jung Beiträge zur Charakteristik des Liv. [Diss. Marbg. 1903] 37–44). Aber man gewinnt doch den Eindruck, daß die Alten selbst nichts ganz Sicheres gewußt haben, weil nicht allein die römische Regierung im allgemeinen, sondern auch die im Senat vorherrschende konservative Partei und einzelne in ihr hervorragende Persönlichkeiten, wie F. bestimmte Gründe haben mochten, sich später nicht offen zu der [1818] damals eingenommenen Stellung zu bekennen, und weil der einzige gleichzeitige römische Gewährsmann, Fabius Pictor Nr. 126, solchen Wünschen Rechnung trug und eine gewisse Unklarheit nicht zerstreute. Betrachtet man die beiden Angaben, daß Q. Fabius, d. h. Verrucosus, oder M. Fabius, d. h. Buteo, die Gesandtschaft geführt habe, unbefangen, so ist die Entscheidung für die eine oder die andere nicht leicht: nach Alter und Stellung waren beide Persönlichkeiten für die wichtige Mission gleich geeignet; an politischer Bedeutung überragte Verrucosus den Buteo ebenso wie an Ruhm bei der Nachwelt, so daß er ihm ebensowohl von seinen Zeitgenossen wie von späteren fälschenden Geschichtschreibern vorgezogen sein könnte. In dem Bericht über die Rückreise der Gesandten von Afrika durch Spanien und Gallien werden keine Namen mehr genannt (Liv. XXI 19, 6–20, 9; vgl. Dio frg. 55).

Das J. 537 = 217 ist das berühmteste im Leben des F. Die wichtigste Quelle dafür ist Polybios; wenn auch seine Darstellung im wesentlichen auf Fabius Pictor beruhen wird, so verdient sie doch im ganzen volles Vertrauen; denn wirkliche Berichtigungen liefern die späteren Quellen fast nirgends; vielmehr haben sie, zumal Livius und nach ihm, was entschuldbar ist, der Biograph des F. Plutarch und der Dichter Silius die Grundzüge der Erzählung möglichst scharf herausgearbeitet, so daß dadurch am meisten das Gesamtbild geändert worden ist. Zur Kritik der Überlieferung vgl. namentlich Hesselbarth a. O. 305–322, auch etwa Soltau Livius Geschichtswerk (Leipzig 1897) 67f., wo die Ergebnisse der früheren Arbeiten dieses Gelehrten kurz zusammengefaßt sind. Im folgenden können immer nur die Haupttatsachen angegeben werden. Daß F. dem Consul Flaminius geraten habe, dem Kampfe mit Hannibal auszuweichen (Plut. 2, 4), und daß er, an dessen Feldzug teilnehmend, seine Truppen aus der Katastrophe am Trasimenus gerettet habe (Sil. Ital. VI 619–622), sind wertlose und späte Erdichtungen. Die Nachricht von jener furchtbaren Niederlage ließ in Rom allgemein die Ernennung eines Dictators notwendig erscheinen und den Blick auf die politischen Gegner des so unglücklich geendeten Flaminius lenken; so wurde F. zum zweitenmale Dictator. In welcher Weise das geschah, war den Juristen der Augustischen Zeit zweifelhaft: ein Exkurs des Liv. XXII 31, 8–11 führt aus, daß die Annalisten an der Ernennung des F. zum Dictator rei gerundae causa keinen Anstoß genommen hätten, und Coelius – mit ihm Livius selbst 8, 6 – ihn sogar als den ersten vom Volke gewählten Dictator bezeichne; da aber nur ein Consul einen Dictator ernennen konnte und der überlebende Consul Cn. Servilius abwesend war und es nicht tat, habe der vom Volke gewählte Heerführer F. nur pro dictatore sein können; die übliche Bezeichnung als Dictator II sei demnach ein Irrtum oder eine Fälschung. Ähnliche Bedenken haben die Fasti Cap. zu dem eigentümlichen Ausweg geführt, den F. als dict(ator) interregni caus[a] zu bezeichnen; sie haben ferner Plutarchs Verschweigen der Wahl 3, 8 und die verwirrte Äußerung des Lyd. de mag. I 38 p. 40, 15ff. Wünsch beeinflußt. Die ganze unbefangene [1819] Überlieferung von Polyb. III 87, 6 an (Nep. Hann. 5, 1. Elog. Liv. 9, 7 u. ö. Plin. n. h. XXXIII 45. Plut. 4, 1. Appian. Hann. 11. Dio frg. 56, 9. Zonar. VIII 25 u. a.) gibt dem F. einfach den Titel Dictator, und jene staatsrechtlichen Bedenken sind in der Tat gegenstandslos. Denn die ungewöhnliche Not forderte ungewöhnliche Maßregeln, und so ist die Bestellung des F. zum vollberechtigten Dictator in neuen Formen auf Grund eines außerordentlichen Volksbeschlusses erfolgt (vgl. Mommsen Staatsr. II 147. 150. 161, 1; CIL I2 p. 194).[1] Diese Durchbrechung des geltenden Rechtes blieb nicht die einzige. Der Magister equitum M. Minucius Rufus wurde nicht in der üblichen Weise von dem Dictator ernannt, wie Plut. 4, 1 behauptet, sondern ihm ebenfalls vom Volke beigegeben (Polyb. 87, 9. Liv. 8, 6). Dadurch war die Stellung des Reiterobersten neben F. wohl von vornherein eine andere als bei früheren Dictaturen (vgl. die Bezeichnung als συνάρχων bei Polyb. 88, 7. 90, 6) und wurde die stärkste Verletzung des Herkommens vorbereitet, die nach einiger Zeit eintrat, die völlige Gleichstellung des Minucius mit F. Alle jüngeren Berichte schweigen darüber, in welcher Form, durch die Beilegung welches Titels dies geschah, und verwerfen somit die unzweideutige Aussage des Polybios III 103, 4, daß damals zwei Dictatoren für denselben Zweck bestellt worden seien, was niemals vorher vorgekommen war – übrigens auch niemals nachher, da die Condictatoren des folgenden Jahres verschiedene Spezialkompetenzen hatten (vgl. Nr. 53) –; die Zuverlässigkeit dieses Zeugnisses ist 1862 durch den Fund einer alten Weihinschrift glänzend bestätigt worden (CIL I 1503[2] = VI 284 = Dessau 11: Hercolei sacrom M. Minuci C. f. dictator vovit). Nach dem Antritt seiner Dictatur wurde F. längere Zeit durch verschiedene Geschäfte in Rom festgehalten, während Hannibal einen großen Teil der Halbinsel durchzog. Die Sorge für die Befestigung der Stadt (Liv. 8, 7), für den Staatsschatz durch die bedeutsame Reduktion des Münzfußes (Plin. n. h. XXXIII 45; vielleicht Ausführung eines Gesetzes des Flaminius, vgl. Fest. 347, o. Bd. II S. 1511), für das Heer durch umfassende neue Aushebungen (Polyb. 88, 7f. Liv. 11. 1ff. 12, 1f. Plut. 4, 3. Appian. 12 nicht ganz übereinstimmend) war wichtiger als der rein formelle Antrag an das Volk, den Dictator zur Besteigung des Pferdes zu ermächtigen (falsch verstanden von Plut. 4, 1f., vgl. Mommsen Staatsr. II 159); die antiken Berichterstatter (kurz Polyb. 88, 7; ausführlich Liv. 9, 7ff. 10, 10. XXIII 30, 13. Plut. 4, 4ff.) interessierten besonders die Erweckung des religiösen Sinnes und die Neuerungen im Kultus, wodurch sich F. in schroffsten Gegensatz zu Flaminius stellte, und seine Amtsführung epochemachend in der römischen Religionsgeschichte wurde (vgl. Wissowa Religion und Kultus der Römer 54f.; s. auch Nr. 126). Die Schärfe, mit der er die Machtfülle der Dictatur, deren man schon entwöhnt war, wieder zur Geltung brachte (z. B. gegenüber dem Consul Servilius, Polyb. 88, 8. Liv. 11, 5f. Plut. 4, 8. Appian. 12), mag bereits damals den Keim zu der rasch wachsenden Opposition gegen ihn gelegt haben. Nachdem er in Apulien (περὶ τὰς [1820] Αἴκας καλούμενας Polyb. 88, 9, haud procul Arpis Liv. 12, 3, vgl. Nissen Ital. Landesk. II 844. 846) in der Nähe des Feindes seine Stellung genommen hatte, begann er den Krieg in der bekannten Weise zu führen, die ihn unter dem Namen des Zauderers durch alle Zeiten fortleben ließ (s. o. die Zeugnisse des Ennius u. a.; erinnert sei daran, daß Friedrich d. Gr. seinen gefährlichsten Gegner Daun mit Fabius Cunctator zu vergleichen liebte): F. hielt seine Macht beständig gedeckt und schlagbereit in geringer Entfernung vom Feinde, sich selbst nie eine Blöße gebend und jede Blöße des Feindes bedrohend; er rechnete darauf, daß Zahl und Kraft des im Feindeslande kämpfenden punischen Heeres von selbst beständig zusammenschmelzen müßten. In seiner Rechnung waren gewisse Fehler, die im Anfange deutlich hervortreten mußten, aber an dem schließlichen Gesamtergebnis wenig änderten. Die Folge davon war, daß F. im Anfange von kurzsichtigeren Leuten aufs heftigste angegriffen, am Ende aber von allen in etwas übertriebenem Maße gepriesen wurde. In Apulien lehnte F. hartnäckig jede Herausforderung Hannibals zum Kampfe ab (Polyb. 89, 1ff. Liv. 12, 2ff. Plut. 5, 1ff. Appian. 12. Dio frg. 56, 10f. Zonar. VIII 25. Sil. Ital. VII 1ff. 90ff.); darauf beschloß dieser, durch Samnium bis nach Campanien zu ziehen und durch Verheerung der blühendsten Landschaften Italiens den F. zum Heraustreten aus seiner unbeweglichen Ruhe zu zwingen; aber F. folgte dem Gegner zwar, hielt jedoch hartnäckig an seiner Taktik fest (Polyb. 90, 7ff. Liv. 13, 1ff. Plut. App. Dio. Zonar. Sil. Ital. VII 157ff.). Das war der erste Rechenfehler des F., der die Erbitterung der Seinen gegen ihn entfachte: indem er nichts zum Schutze der vom Feinde so schwer heimgesuchten Gegenden tat, stellte er ihre mit Rom verbündeten Bewohner vor die Wahl, entweder ihr Eigentum zu verlieren oder dessen Sicherheit durch Abfall zum Feinde zu erkaufen; für Rom blieb ein Verlust trotz der Bundestreue der Italiker. Als dann im Herbst das beutebeladene punische Heer den Rückweg aus Campanien nach Apulien antrat, wollte F. einen großen entscheidenden Schlag führen, ähnlich wie ihn Hannibal gegen Flaminius geführt hatte. Es war sein zweiter Rechenfehler, daß der große Punier jeder Lage gewachsen war, und daß deshalb der Schlag mißglückte. Zwar schien sich der Feind in einer verzweifelten Situation gefangen zu haben (vgl. über die Örtlichkeit jetzt besonders Nissen a. O. II 687f.), doch verschaffte er sich einen freien Ausgang durch die berühmte Kriegslist, daß er bei Nacht große Scharen erbeuteter Rinder mit Feuerbränden auf den Hörnern gegen die Römer trieb und die dadurch getäuschte Besatzung des Engpasses von ihrem Posten weglockte (Polyb. 92. 10ff. Liv. 15, 11ff., vgl. 41, 9. Plut. 6, 4ff.; comp. Per. et Fab. 2, 2. Appian. 14f. Zonar. VIII 26 Anf. Sil. Ital. VII 272ff. Nep. Hann. 5, 1f. Frontin. strat. I 5, 28. Polyaen. exc. 46, 10 p. 486, 24 Melb, vgl. auch Quintil. inst. or. II 17, 19. Auct. de vir. ill. 43, 4). Ein Angriff gegen den feindlichen Nachtrab am folgenden Morgen fügte noch Schaden zu der Schande (Polyb. 94, 6. Liv. 18, 1–4. Plut. 7, 2. Appian.; falsch Zonaras von einem Erfolge des F.). Darauf [1821] begnügte sich F. wieder in der alten Weise damit, dem Gegner beobachtend zu folgen und zuzusehen, wie er Gerunium an der Grenze Samniums und Apuliens besetzte und zu seinem Standquartier und Waffenplatz machte (Liv. 18, 5ff. Appian. 15f. Zonar., vgl. Polyb. 100, 2ff., über Gerunium Nissen a. O. II 785). Durch religiöse Pflichten nach Rom gerufen, übergab er den Befehl in seiner Abwesenheit dem Minucius mit der Weisung, auch weiterhin jeden offenen Kampf zu vermeiden (Polyb. 94, 8ff. Liv. 18, 8ff. Plut. 8, 1. Appian. 12. Sil. Ital. VII 381ff, vgl. Zonar.), zumal da Minucius seine Mißbilligung der vorsichtigen Zurückhaltung nicht verhehlt hatte. Die allgemeine Unzufriedenheit war, wie natürlich, auf den Gipfel gestiegen, als der gehoffte Hauptschlag mißlungen war (Polyb. 94, 8. Plut. 7, 2); bei Appian wird alles umgestellt, indem dieses glückliche Entkommen Hannibals aus Campanien nach der ganzen Episode von F. und Minucius erzählt wird, doch weil so seine Darstellung weniger wirksam erscheint, braucht sie noch nicht auf echterer Überlieferung zu beruhen. Die Mißstimmung beim Heere durfte sich nicht so laut äußern, wie die in Rom, wo zu ihrer Erhöhung auch Kleinigkeiten beitrugen, die freilich nur von den jüngeren Quellen breiter ausgeführt wurden: Wenn Hannibal bei der allgemeinen Verheerung des Falernergebietes wirklich die Äcker des F. verschonte, um den Feldherrn verdächtig zu machen, so konnte diese Wirkung höchstens bei dem Pöbel erzielt werden (Liv. 23, 4. Plut. 7, 4f. Zonar. Sil Ital. VII 260ff. Val. Max. VII 3 ext. 8. Frontin. strat. I 8, 2); dagegen stieß der Anspruch des Dictators, ohne Befragung des Senates Verträge über Auslösung von Gefangenen abschließen und zu solchen Zwecken über Staatsmittel verfügen zu dürfen, auch im Senat auf so entschiedenen Widerstand, daß er für die eingegangene Verpflichtung mit seinem eigenen Vermögen haften mußte (Liv. 23, 5ff. Plut. 7, 5ff.; comp. Per. et Fab. 3, 5. Dio frg. 56, 15. Val. Max. III 8, 2. IV 8, 1. Frontin. strat. I 8, 2. Auct. de vir. ill. 43, 7; vgl. auch Nr. 104). Was aber den Unwillen gegen den Dictator zum Ausbruch brachte, war eine Nachricht vom Kriegsschauplatze: der Magister equitum benutzte seine Abwesenheit, um gegen seine Grundsätze und Befehle zu handeln: er ließ sich in einen Kampf ein und errang einen Erfolg. Dessen Bedeutung ist gewiß sehr stark aufgebauscht worden; ein von der seit Polyb. 101, 1ff. angenommenen Vulgärtradition wesentlich abweichender Bericht ist sogar noch bei Liv. 24. 11ff. erhalten, und wenn die Ähnlichkeit der beiden von Minucius gelieferten Treffen das eine von ihnen verdächtig macht (vgl. Ihne R. G. II2 213, 2), so könnte es wohl das erste nach der konventionellen Darstellung sein (vgl. o. Bd. IV S. 2273f.). Jedenfalls war man aber der Ansicht in Rom, daß der alleinige Oberbefehl des F. zu nichts Rechtem führe, und machte ihm ein Ende durch die Gleichstellung des Minucius (s. o.). Der einfache, vielleicht auch schon etwas gefärbte Bericht über die Verhandlungen im Senat und in der Volksversammlung, die zu diesem Ergebnis führten (Polyb. 103, 1ff.), ist durch erfundene Reden aufs reichste ausgestaltet worden (Liv. 25, 1ff. [1822] Plut. 8, 3ff.; apophth. Fab. 2. Appian. 12. Dio frg. 56, 13f. 16. Zonar. VIII 26. Sil. Ital. VII 494ff., vgl. noch Elog. Liv. in Reden XXVIII 40, 10f. XLIV 22, 10. XLV 37, 12. Val. Max. III 8, 2. V 2, 4. Auct. de vir. ill 43, 3. Diod. XXVI 3, 3); dabei hat die Erzählung von Papirius und Fabius Rullianus Nr. 114 (s. d. beim J. 429), die nach dem Muster der Minuciusgeschichte gebildet ist, selbst wieder auf deren Ausschmückung zurückgewirkt, z. B. wenn F. droht, den Minucius wegen seines Ungehorsams zur Rechenschaft zu ziehen (Liv. 25, 13. Plut. 9, 1. Sil. Ital. VII 506ff.), und wenn dies an die imperia Manliana erinnert (Plut. 9, 2). Eine Schmälerung der Macht des Dictators bestand übrigens wohl auch darin, daß er nicht die Consulwahlen für das nächste Jahr abhalten durfte, sondern nur einen Ersatzconsul für Flaminius damals wählen ließ (Liv. 25, 16, vgl. Polyb. 106, 2). Nach der Rückkehr zum Heere überließ F. dem Minucius die Entscheidung, wie sie als Kollegen bei völlig gleicher Kompetenz ihr Amt führen sollten, und Minucius wählte Teilung des Heeres zu gleichen Hälften in getrennten Lagern (Polyb. 103, 7f.); es ist charakteristisch für die Umgestaltung der Tradition bei den Späteren, daß sie die Rollen vertauschen lassen: Minucius schlägt regelmäßigen Wechsel im Befehl über das ganze Heer oder Teilung der Truppen vor, und F. lehnt das erstere ab (Liv. 25, 5ff. Plut. 10, 3. Dio frg. 56, 17. Zonar. VIII 26), natürlich in weiser Voraussicht der übeln Folgen, die es im nächsten Jahre bei Cannae haben sollte. Der Rückschlag gegen die bisherige Entwicklung der Dinge folgt nun rasch: Fabio Maximo immortalem attulit laudem ereptus ex hostium manibus inimicus (Ps.-Quintil. declam. IX 17 p. 183, 1 Lehnert) war ein sehr dankbares Thema für moralisierende und rhetorisierende Historiker. Selbst gegen Polyb. 104, 1ff. läßt sich das Bedenken erheben, daß sein Schlachtbericht dem vorhergehenden sehr ähnlich ist (s. o.) und keinen bestimmten Ortsnamen nennt; seine Nachfolger haben Vorsicht und Großmut des F., Unbesonnenheit, Reue und Dankbarkeit des Minucius, seines Heeres und des ganzen Volkes (darüber s. u. S. 1828) mit leuchtenden Farben ausgemalt (vgl. z. B. Elog. Liv. 28, 1ff. Plut. 11, 1ff.; apophth. 2; comp. Per. et Fab. 2, 2. 3, 2. Appian. 13. Dio frg. 56, 16ff. Zonar. Nep. Hann. 5, 3. Val. Max. V 2, 4. Frontin. strat. II 5, 22. Auct. de vir. ill. 43, 3. Sil. Ital. VII 515ff.). Den Kern der Sache zu bezweifeln liegt kein Grund vor: Die Teilung der Streitkräfte und der Abfall von der vorsichtigen Taktik des F. brachte seinen Kollegen in eine gefährliche Lage, aus der ihn nur das rechtzeitige Erscheinen des F. mit der zweiten Armee rettete; seitdem stand allgemein der Ruhm des Zauderers fest. Bald darauf erreichte die Dictatur des F. ihr Ende; die Angaben über die Niederlegung des Kommandos stimmen im einzelnen ebensowenig überein, wie die über dessen Antritt, lassen aber teilweise doch erkennen, daß das Heer bis dahin geteilt geblieben ist (Polyb. 106, 1. Liv. 31, 7, vgl. 32, 1. Plut. 14, 1. Appian. 16. Dio frg. 56, 21. Zonar. VIII 26).

538 = 216. Die spätere Annalistik führte [1823] F. in der weiteren Geschichte des Hannibalischen Krieges wiederholt als den vorsichtigen und klugen Ratgeber ein, vermutlich damit der Wirklichkeit nahekommend, aber sich auf keine echte Überlieferung stützend. So soll er die Grundsätze seiner Kriegführung namentlich dem Consul L. Aemilius Paullus mit Erfolg eingeprägt haben, der seinem Kollegen C. Terentius Varro ähnlich gegenüberstand, wie F. dem Minucius (Liv. 38, 13–39, 22. 40, 1–3. 49, 10. Plut. 14, 4–7. 16, 6. Sil. Ital. VIII 298ff. u. ö. Eutrop. III 10, 1f.); so soll er nach der furchtbaren Niederlage bei Cannae durch seinen besonnenen Rat am meisten zur Beruhigung und zur Sicherheit der Hauptstadt beigetragen (Liv. 55, 4–8. Plut. 17, 6–18, 5. Zonar. IX 2. Sil. Ital. X 593ff.) und unwürdige Beschlüsse verhütet haben (Liv. XXIII 22, 8f.). Er wurde in diesem Jahre Pontifex (Liv. XXIII 21, 7, vgl. XXX 26, 10. Elog.; s. u.) und weihte als Duumvir den Tempel der Venus Erucina, den er als Dictator gelobt hatte (Liv. XXIII 30, 13f. 31, 9).

539 = 215. Wie einzelne seiner Vorfahren, so scheint auch F. seine Wahl zum Consul in den folgenden Jahren nicht immer mit ganz erlaubten Mitteln durchgesetzt zu haben, was freilich einigermaßen verschleiert wurde, weil es zu dem konventionellen Bilde nicht paßte. Von den für dieses Jahr gewählten Consuln Ti. Sempronius Gracchus und L. Postumius Albinus war der letztere bereits vor dem Amtsantritt gefallen; an seiner Stelle wurde einstimmig M. Claudius Marcellus gewählt; aber die Auguren veranlaßten die Verwerfung dieser Wahl, und nun wurde F. Consul (Liv. XXIII 31, 12–14). Bei der Beurteilung dieser Vorgänge ist nicht nur zu beachten, daß nun über vierzig weitere Jahre vergingen, bis zwei Plebeier zusammen zum Consulat gelangten, sondern auch, daß F. selbst dem Collegium der Auguren angehörte (s. o.). Als Consul III (Elog. Fasti fer. Lat. CIL I2 p. 57.[3] Idat. Chron. Pasch. Liv. XXIII 31, 14. XXXIV 1, 3. 6, 9. Oros. IV 16, 12) hatte F. den Krieg in Campanien zu führen, stand aber einige Zeit untätig bei Cales, durch ungünstige Vorzeichen geschreckt (Liv. XXIII 32, 1. 14f. 36, 9f.). Darauf nahm er drei unbedeutende zu Hannibal abgefallene Städte an der samnitischen Grenze ein (Liv. XXIII 39, 5–8, vgl. Nissen a. O. II 800f.) und verheerte das Gebiet von Capua (Liv. XXIII 46, 8–11. 48, 1f. Frontin. strat. III 4, 1. Zonar. IX 3); während er demnach seine alte Art der Kriegführung beibehielt und wenig Bedeutendes ausrichtete (vgl. noch Elog. Val. Max. III 8, 2 Plut. 19, 4|, bewährte er seinen Scharfblick dadurch, daß er zuerst die Wichtigkeit von Puteoli erkannte und diesen Punkt befestigte (Liv. XXIV 7, 10, vgl. XXV 20, 2). Zu den Wahlen kehrte er nach Rom zurück, vereitelte die bereits gesicherte Wahl des M. Aemilius Regillus und seines eigenen Verwandten T. Otacilius und setzte durch, daß neben Marcellus er selbst zum Consul gewählt wurde (Liv. XXIV 7, 11–9, 3). Selbst in dem panegyrischen Bericht des Livius fehlt es nicht an Andeutungen, daß sein gewaltsames Verfahren scharfen Tadel erfahr (ebd. 9, 1f. 10f.); obgleich ein Senatsbeschluß Kontinuation und Iteration von Magistraturen während dieser Notjahre [1824] ermöglicht hatte (vgl. Liv. XXVII 6, 7), so steht doch die Konfirmation des Consulates bei F. auch in dieser Zeit einzig da. Mit proconsularischer Gewalt war auch Marcellus bereits ausgestattet; daher wurde von den beiden Neugewählten eine lex curiata de imperio für unnötig erklärt (Fest. 352 mit der Ergänzung und Erläuterung Mommsens R. Forsch. II 407–416; St.-R. I 613, 3). Der Einfluß des F. auf die Comitien zeigte sich auch darin, daß sein Sohn Nr. 103 von der curulischen Aedilität sofort zur Praetur befördert wurde.

540 = 214. F. war Consul zum viertenmal (Elog. Fasti fer. Lat. CIL I2 p. 57.[3] Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Enn. ann. 295 Vahlen2. Cic. Cato 10. Nep. Cato 1, 2. Liv. XXIV 9, 7. 43, 1. XXVII 6, 8. Cassiod. Zonar. IX 4) und Marcellus zum drittenmal; beide hatten sich von allen römischen Feldherren am meisten gegen Hannibal bewährt und wurden deshalb gern zusammen gestellt und miteinander verglichen, so von Cic. rep. I 1. V 10. Liv. XXIV 9, 7–11. Plut. Fab. 19, 2–7; Marc. 9, 2f., vgl. 21, 3. 24, 1; apophth. Fab. 3; die scharf pointierte Charakteristik beider, F. sei der Schild Roms (so auch Flor. I 22, 27) und Marcellus das Schwert Roms, entnahm Plut. Fab. 19, 5; Marc. 9, 3 dem Poseidonios, während er andere Vergleiche dem Hannibal selbst in den Mund legt (μᾶλλον φοβεῖται Μαρκέλλου μαχομένου Φάβιον μὴ μαχόμενον apophth. Fab. 3, vgl. Fab. 19, 6; dasselbe von Scipio und F. Val. Max. III 8, 2; τὸν μὲν Φάβιον ὡς παιδαγωγὸν φοβεῖσθαι, τὸν δὲ Μάρκελλον ὡς ἀνταγωνιστήν Marc. 9, 3, vgl. Fab. 5, 4; apophth. Fab. 1. Diod. XXVI 3, 1f., wohl alles aus Poseidonios). F. ordnete gemeinsam mit seinem Amtsgenossen umfassende Rüstungen an und leitete die Censorenwahlen (Liv. XXIV 11, 1ff.); auf die Nachricht, daß Hannibal aus Apulien wieder nach Campanien gezogen sei, eilte er zu seinem dort stehenden Heere (ebd. 12, 5f. 14, 1). Aber trotz der Entsendung der beiden besten Feldherren und einer gewaltigen Streitmacht brachte der Feldzug dieses Jahres den Römern keinen bedeutenden Erfolg außer der Wiedergewinnung von Casilinum (ebd. 19, 1ff., vgl. o. Bd. III S. 2743). Der Bericht über die Taten, die F. dann, nachdem er sich von seinem Kollegen wieder getrennt hatte, gegen die abtrünnigen Gemeinden in Samnium, Apulien und Lucanien verrichtete (ebd. 20, 3–7), ist wenig glaubwürdig (vgl. die Wiederholung der Einnahme von Combulteria aus dem vorhergehenden Jahre, die Menge der Gefangenen und die Kürze der Zeit). Wiederum hielt F. die Wahlen für das nächste Jahr ab und setzte diesmal die Wahl seines Sohnes Nr. 103 zum Consul durch, wiederum gegen alles Herkommen (ebd. 43, 5).

541 = 213. Über die Anekdote von der Übergabe des Heeres durch F. an seinen Sohn und ihre Umgestaltung vgl. Nr. 103 und Nr. 114 beim J. 462. Livius, der F. zum Legaten seines Sohnes macht (XXIV 44, 9), läßt ihn bald darauf im Kriegsrat die entscheidende Stimme haben (ebd. 45, 4–9); wahrscheinlich war aber F. in diesem Jahre ebenso wie in den folgenden in Rom.

543 = 211. Bei Hannibals Zuge gegen Rom soll er im Senat mit ruhiger Zuversicht gegen [1825] die übereilte Zurückrufung des Belagerungsheeres von Capua gestimmt und somit Hannibals Hauptplan vereitelt haben (Liv. XXVI 8, 3–5). Angeblich wurde auch bei den Comitien dieses Jahres an seine Wahl zum Consul gedacht (ebd. 22, 12); die ganze Erzählung, in der diese Angabe steht, ist verdächtig, weil sie an die aus dem J. 540 = 214 und an ähnliche von Rullianus (Nr. 114 zum J. 455) erinnert (vgl. auch noch unten zum J. 545).

544 = 210. Auch bei den Comitien dieses Jahres wiederholten sich Bestrebungen und Kämpfe, wie sie im J. 540 = 214 zu Tage getreten waren; zwar steht dabei Q. Fulvius Flaccus mehr im Vordergrunde als F., doch kann auch dessen Persönlichkeit Anstoß gegeben haben; der Senat erreichte, daß F. neben Fulvius, der die Comitien leitete, gewählt wurde (Liv. XXVII 6, 3. 11).

545 = 209. Das fünfte Consulat des F. (Elog. Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Cic. leg. agr. II 90; Brut. 72. Liv. XXVII 6, 11. 7, 7. XXIX 15, 2. Eutrop. III 16, 1. Oros. IV 18, 5. Cassiod. Plut. 19, 7. Zonar. IX 8) begann wieder mit einer Verletzung des bisher geltenden Staatsrechts zu seinen Gunsten. Der eine Censor P. Sempronius Tuditanus machte ihn zum Princeps senatus, während der älteste Censorier T. Manlius Torquatus Anspruch auf die Würde hatte (Liv. XXVII 11, 9–12 vgl. Elog. Mommsen Staatsr. III 970; der angeblich freiwillige Rücktritt desselben Manlius bei den Consulwahlen für 544 = 210 dadurch auch in eigentümliches Licht gesetzt). Die Aufgabe des F. war die Wiedergewinnung der wichtigsten italischen Stadt, die noch in Feindeshand war, Tarents (Polyb. X 1, 10); nach seiner bedächtigen Art nahm er sehr umfassende Rüstungen vor (Liv. XXVII 7, 7. 9. 15. 8, 11. 13) und wies alle übrigen römischen Feldherren und Heere an, Hannibal zu beschäftigen und fernzuhalten (ebd. 12, 1–6. Plut. Marc. 25, 3). Sein Ziel erreichte er nicht durch Kriegskunst, sondern durch Verrat. Nach Erstürmung von Manduria (Liv. XXVII 15, 4) schickte er sich scheinbar zu einer Einschließung Tarents an, knüpfte aber vielmehr Verhandlungen mit den Bruttiern an, die neben der punischen Garnison unter Karthalo in der Stadt lagen, und wurde von ihnen durch eines der Tore hineingelassen. Die Einzelheiten des Verrats sind in den ausführlichen Berichten novellistisch ausgeschmückt worden (Liv. XXVII 15, 9ff. Plut. 21, 1ff. Appian. Hann. 49. Zonar. IX 8. Polyaen. VIII 14, 3. Sil. Ital. XV 320ff.); eine dem F. abgeneigte Quelle hat Plut. 21, 7 herangezogen. Kürzere Erwähnungen der Einnahme Tarents durch F. z. B. Elog. Cic. Cato 10f.; Brut. 72. Eutrop. III 16, 1f. Oros. IV 18, 5. Auct. de vir. ill. 43, 6. Plut. Cato 2, 3. Für F. charakteristisch sind verschiedene Züge, die nach der Eroberung der Stadt überliefert werden. Wie er unbedenklich das Schicksal der Besatzung von Rhegion aufs Spiel gesetzt hatte, weil diese aus bedenklichen Elementen bestand (Liv. XXVII 12, 4–6. Plut. 22, 1f.), so gab er auch den Befehl, die verräterischen Bruttier zuerst niederzumachen, damit die Stadt nicht durch List, sondern in ehrlichem Kampfe gewonnen zu sein schien; die Tatsache steht fest, wurde aber, weil sie ihm schwere Vorwürfe zuzog, später beschönigt (Liv. [1826] 16, 6. Plut. 22, 5; vgl. auch Liv. 20, 9. 25, 1). Unbarmherzig wurde ferner gegen Karthager und Tarentiner, Bewaffnete und Wehrlose, Feinde und Gastfreunde gewütet (Liv. 16, 1ff; Plut. 22, 6); 30000 Gefangene sollen in die Sklaverei verkauft worden sein (Liv. 16, 7. Eutrop. III 16, 2 [XXV milia]. Oros. IV 18, 5. Plut.); die Stadt wurde der Plünderung preisgegeben, und außer den Summen, die in den Staatsschatz gelangten, und der Beute, die den Soldaten überlassen blieb, brachte F. eine Menge von Kostbarkeiten und Kunstwerken nach Rom (Liv. Plut.), darunter eine berühmte bronzene Kolossalstatue von Lysipp auf das Capitol (Strab. VI 278. Plut. 22, 8. Plin. n. h. XXXIV 40. Auct. de vir. ill. 43, 6), neben die er sein eigenes Reiterstandbild stellte (Plut. a. O.). Auch bei der Beschlußfassung über die künftige Stellung Tarents hatte F. eine entscheidende Stimme (Liv. 21, 8. 25, 1). Ziemlich wertlos sind verschiedene andere Anekdoten, die gelegentlich dieser Einnahme von ihm erzählt werden, wie überhaupt geringwertige Anekdoten in der Geschichte seiner letzten Lebensjahre den meisten Raum einnehmen (vgl. darüber u. a. Hesselbarth Histor.-krit. Unters. zur dritten Dekade des Liv. 523–529). Schon die keineswegs zutreffende Vergleichung zwischen Marcellus bei der Eroberung von Syrakus und F. bei der von Tarent gehört hierher (Liv. 16, 8. Plut. 22, 8; Marc. 21, 4f.); sodann die Antwort auf die Frage, was mit den kolossalen Götterbildern zu geschehen habe: man solle den Tarentinern ihre erzürnten Götter lassen (Liv. 16, 8. Plut. 22, 7; apophth. Fab. 5; Marcell. 21, 4. Augustin. civ. dei I 6), während in Wahrheit die Größe und die Schwierigkeit der Fortschaffung dem Kunstraub Schranken zog (Plin. n. h. XXXIV 40). Eine andere Äußerung des F. galt dem (M. ?) Livius, der seinerzeit die Stadt Tarent an Hannibal verloren, die Burg dagegen stets behauptet hatte; nach Liv. 25, 5 fiel die Äußerung im Senat, als man über Tadel oder Lob des Livius verhandelte: fateri se opera Livi Tarentum receptum, quod amici eius vulgo in senatu iactassent, neque enim recipiundum fuisse, nisi amissum foret; wirksamer wurde sie, wenn sie als schlagfertige Antwort auf ein Selbstlob des Livius und dieser als der bekannte M. Livius Salinator ausgegeben wurde (Cic. de or. II 273 vgl. 290; Cato 11. Plut. 23, 4f; apophth. Fab. 6). Dem Hannibal wird nicht bloß die Anerkennung in den Mund gelegt: et Romani suum Hannibalem habent, eadem qua ceperamus arte Tarentum amisimus (Liv. 16, 10. Plut. 23, 1), sondern auch der Versuch, den Listigen zu überlisten, indem er ihm durch falsche Boten und Briefe Hoffnung erweckte, auch Metapont durch Verrat zu nehmen; diese Täuschung mißlang nach Liv. 16, 11–16 und Plut. 19, 8f. infolge der Frömmigkeit – F. der Augur wird durch Vogelzeichen gewarnt – und der Vorsicht (cunctantem Liv.) des F., nach Zonar. IX 8 infolge der Vergleichung des gefälschten Briefes mit einem andern; weder die naive noch die rationalistische Fassung der Erzählung verdient Glauben. Ohne bestimmte Zeitangaben, und darum oft schon ins vierte Consulat des F. gesetzt, werden zwei weitere Anekdoten überliefert, die seine Behandlung der Bundesgenossen als Muster hinstellen. Einen [1827] tapfern Italiker, der zum Feinde übergehen wollte, soll er durch ein Ehrengeschenk davon abgehalten haben (Marium Statilium Auct. de vir. ill. 43, 5; Statilium nobilem .... equitem Frontin. strat. IV 7, 36; Nolanum peditem Val. Max. VII 3, 7; στρατιώτην ἄνδρα Μάρσον Plut. 20, 2), und einen andern, einen lucanischen Reiter, den die Liebe unzuverlässig machte, soll er durch die Übergabe der Geliebten an sein Lager gefesselt haben (Val. Max. Auct. de vir. ill. Plut. 20, 4ff.; apophth. Fab. 4); wie bereits o. Bd. III S. 2740 bemerkt wurde, erzählte man dieselben Geschichten auch von Marcellus; sie waren ursprünglich an keine bestimmte Persönlichkeit gebunden, nur im allgemeinen an die Zeit des Hannibalischen Krieges, in der übrigens die Bezeichnung milites Fabiani sprichwörtlich gewesen sein soll (Nep. Iphicr. 2, 4). Daß nach dem Falle Tarents viele abtrünnige Gemeinden sich dem F. ergaben, behauptet nur Eutrop. III 16, 2. Ein Triumph des F. beschloß den Feldzug nach Elog. Plut. 23, 2; da dem Marcellus nach weit größeren Leistungen kein voller Triumph bewilligt worden war (o. Bd. III S. 2750), wäre dies der erste des Hannibalischen Krieges; das Schweigen des Livius im Vergleich mit seiner Verherrlichung der Triumphe von Syrakus, Sena und Zama macht ihn etwas verdächtig.

546 = 208. Nach dem Tode der beiden Consuln dieses Jahres hielt der Dictator T. Manlius Torquatus die Comitien ab, bei denen C. Claudius Nero sichere Aussichten hatte; Livius hebt hervor, daß die Wahl des F. als eines zweiten Patriziers unzulässig war (XXVII 34, 9), als ob man etwa daran gedacht hätte, und daß er als Princeps senatus, nachdem M. Livius Salinator dem Nero zur Seite getreten war, beiden Gewählten dafür dankte, daß sie ihrer früheren Feindschaft entsagt hätten. Mommsen (zum Elog. CIL I2 p. 194)[1] hält es für möglich, daß damals ein Interregnum eintrat und F. unter den Interreges war, weil das Elogium ihn als interrex II bezeichnet, und sich für die Bekleidung dieser Würde durch F. keine anderen Jahre ermitteln lassen.

547 = 207. Als F. den ins Feld rückenden Consul Livius nach seiner Weise zu einer bedächtigen Kriegführung ermahnte, zog er sich eine schroffe Zurückweisung zu [memoriae proditum est Liv. XXVII 40, 8f., daraus Val. Max. IX 3, 1); darin äußerte sich neben der Verstimmung des Consuls gegen seine Mitbürger wohl auch ein Gegensatz zu den Grundsätzen des F.

Nach der Darstellung des Altertums sind die letzten Lebensjahre des F. erfüllt von dem ebenso vergeblichen wie unerfreulichen Kampfe gegen P. Scipio, den späteren Africanus. Livius legt im J. 549 = 205 bei der Beratung über den Plan des neuen Consuls Scipio, den Kriegsschauplatz nach Afrika zu verlegen, dem F. eine große abmahnende Rede in den Mund, worauf er Scipio antworten und Q. Fulvius Flaccus vermitteln läßt (XXVIII 40, 1ff.), und ebenso führt er im J. 550 = 204 bei der ersten Verhandlung über die Verbrechen des Legaten Q. Pleminius F. als Gegner Scipios ein mit der Aufforderung, diesen mit dem Angeklagten zur Verantwortung zu ziehen (XXIX 19, 1ff.). Plutarch 25, 2–26, 4; comp. Per. et Fab. 2, 3 hat noch eine Reihe von kleinen Zügen als weitere Belege für die Feindschaft des F. gegen [1828] Scipio hinzugefügt nebst Betrachtungen über die Beweggründe; er hat außerdem Cato 3, 6ff. als die gemeinsamen Gegner Scipios den greisen F. und den jungen Cato gezeichnet. Diese Auffassung Catos als des Jüngers des F. (auch an seni sit ger. resp. 12, 7; praec. reip. ger. 11, 3) beruht auf Cicero Cato 10–12, wo F. ebenso verzeichnet ist, wie Cato und die engen Beziehungen zwischen beiden ganz frei erfunden sind (vgl. Herm. XL 64f. 69f.). Cato ist allerdings schon damals ein heftiger Gegner Scipios gewesen, ebenso hatte dieser im Senat viele Feinde, und die maßgebendste Persönlichkeit im Senat war damals dessen Vormann F.; der Gegensatz zwischen der defensiven Kriegführung des Cunctators und der offensiven des Africanus lag auch klar zu Tage. Also ist das, was von den beiden Männern erzählt wird, an sich durchaus möglich, aber man muß sich unbedingt hüten, es als eine zuverlässige und glaubwürdige Überlieferung hinzunehmen. Die wenigen sicheren Daten mußten ja jeden Rhetor zur Ausmalung des Gegensatzes reizen, der seine schärfste Zuspitzung gefunden hat in der Anekdote vom Wettstreit zwischen Φάβιος Μέγιστος und Σκιπίων Μέγας (Polyaen. VIII 14, 2), einer chronologisch unmöglichen Erfindung nach dem Muster der andern von F. und Livius (s. o. zum J. 545) und auf Grund von Liv. XXVIII 40, 14 und 43, 7. Daß F. in seinen letzten Lebensjahren auch anderes und Besseres tat, als gegen Scipio zu hetzen, zeigen die drei zuverlässigen Angaben, daß er 550 = 204 bei der Lectio senatus zum zweiten Male an die Spitze der Liste gestellt wurde (Elog. Liv. XXIX 37, 1), daß er in demselben Jahre öffentlich als Redner zu Gunsten der Lex Cincia de donis et muneribus auftrat (Cic. Cato 10) und daß er um dieselbe Zeit eine zweite Rede, nämlich beim Leichenbegängnis seines Sohnes, hielt und veröffentlichte (s. u. und Nr. 103 Ende). Ihn selbst ereilte der Tod im folgenden J. 551 = 203 (Liv. XXX 26, 7, vgl. 28, 2), um die Zeit, als Hannibal sich nach Afrika einschiffte (Plut. 27, 2), vor dem Eintreffen der karthagischen Friedensanerbietungen (Liv. XXX 23, 1ff., wo F. nicht mehr im Senat).

Geistliche Würden. F. war zwölf Jahre lang Pontifex (s. o. zum J. 538) und angeblich 62 Jahre lang Augur (s. o.; weitere Zeugnisse Elog. Cic. Cato 11f.; wohl auch div. II 71); daß jemand gleichzeitig Mitglied der beiden vornehmsten Staatspriesterkollegien war, ist bis auf Caesar beispiellos (vgl. Wissowa Religion und Kultus der Römer 423, 2), und so zeigt sich die gewaltige Machtstellung des F. darin ebenso wie in den mancherlei Abweichungen seiner weltlichen Ämterlaufbahn von den geltenden Ordnungen. Die scientia iuris augurii (Cic.) hat ihm übrigens hauptsächlich als Waffe gedient, um plebeische Ansprüche zu bekämpfen und eigene durchzusetzen.

Besondere Auszeichnungen. Im J. 537 = 217 soll dem F. von Minucius und seinem Heer, die er vor dem Untergang bewahrte, der Ehrenname pater verliehen worden sein (Elog. Liv. XXII 29, 10. 30, 2f. Val. Max. V 2, 4. Plin. n. h. XXII 10. Sil. Ital. VII 735ff. VIII 2f. Plut 13, 5), was zu den späteren Erweiterungen der Minuciusepisode gehört (s. o)|; bloße Redensart ist es, wenn Plutarch 27, 3 um gar ὡς πατέρα τoῦ δήμου [1829] feiert. Nach seinem Tod erhielt er keine öffentliche Bestattung (Plut. ebd.), aber eine sehr ehrenvolle aus freiwilligen Beiträgen des ganzen Volkes (Val. Max. V 2, 3. Plut.); dies ist dem Livius unbekannt und sonst namentlich von Agrippa Menenius überliefert, daher nicht unverdächtig. Eine corona graminea soll dem F. von dem römischen Senat und Volk verliehen worden sein, nach Gell. V 6, 10, quod urbem Romam obsidione hostium liberasset, nach Plin. n. h. XXII 10 Hannibale Italia pulso; entweder ist hier eine bildliche Redewendung (des Ennius? von Varro?) wörtlich genommen oder, wenn die Zeitangabe des Plinius richtig ist, die hohe Auszeichnung entweder der Leiche oder der Statue des F. (über eine solche Plut. 22, 8) erwiesen worden. Alle diese Ehren, die dem F. zugeschrieben werden, erinnern an solche des Kaisers Augustus; die Berichte darüber sind mit Vorsicht aufzunehmen.

Beredsamkeit. Die Schätzung des F. als Redner bei Cicero (Brut. 57, vgl. 77. Cato 12) beruht auf der geschichtlichen Überlieferung und auf der eigenen Kenntnis der einzigen herausgegebenen Rede des F., der Laudatio funebris auf seinen Sohn Nr. 103. Erhalten ist von dieser nur ein unsicheres Fragment bei Priscian. VIII 16 p. 380, 9 Hertz; wenn sie nach Cic. Cato 12 in den Gedanken an philosophische Konsolationen und nach Plut. 1, 5, der F. mit Perikles vergleicht, in der Sprache an Thukydides erinnerte, so könnte die Vermutung erlaubt sein, daß in ihr der berühmte Epitaphios des Perikles bei Thucyd. II 35, 1ff. benützt war (wie bei Cic. Phil. XIV der des Lysias II). Die Reden des F. bei den Historikern sind sämtlich erfunden. In Umlauf waren verschiedene Apophthegmen des F.; zum Teil sind sie mit bestimmten Ereignissen aus seinem Leben verbunden und deshalb z. B. von Plutarch sowohl in die Biographie wie in die Apophthegmensammlung aufgenommen worden; zum Teil sind sie an seinen Sohn gerichtet; zum Teil enthalten sie seine strategischen Grundsätze (vgl. z. B. Augustus bei Appian. Hann. 13 Ende. Sen. de ira II 31, 4, s. aber Val. Max. VII 2, 1, der denselben Ausspruch dem Scipio zuschreibt); andersartig sind Cic. Cato 11, eine Erweiterung eines berühmten Homerverses (Il. XII 243), und Sen. de benef. II 7, 1 (vgl. Plaut. Aulul. 195. Ev. Matth. 7, 9 u. a.); apokryph sind diese Ansprüche wohl ohne Ausnahme.

Beurteilung. Über F. als Feldherrn stand das Urteil fest: sein Verdienst war, daß er nach den Worten des Ennius (s. o.) nobis cunctando restituit rem, oder nach anderer, voller klingender Ausdrucksweise den Hannibal durch sein Zögern überwand (subsequendo coercuit Elog.; mora fregit Auct. de vir. ill. 14, 6. 43, 2. Flor. I 22, 28. Eutrop. III 9, 3. Ampel. 18, 6. 46, 6: victricesque moras Fabii Propert. III 3, 9 u. dgl.). Livius XXX 26, 9 ist im Zweifel, utrum ingenio cunctator fuerit an quia ita bello proprie, quod tum gerebatur, aptum erat; andere begnügen sich mit dem Urteil, daß er dux aetatis suae cautissimus et rei militaris peritissimus (Elog.), imperator callidissimus (Nep. Hann. 5; 1. Cic. off. I 108) gewesen sei (vgl. auch die Zusammenstellung mit Marcellus oben zum J. 540). Große Siege hat F. nie erfochten, aber er selbst ist unbesiegt [1830] geblieben. So durfte Cicero (Verr. V 25) ihm als Feldherrn die Haupteigenschaft der sapientia nachrühmen; doch sehr falsch war es, wenn er nun auch den Staatsmann und Menschen als Ideal des sapiens hinstellen wollte (Cato 10ff.), obgleich gerade sein Phantasiebild von der weisen und milden Menschlichkeit des F. besonders durch Plutarch weiter ausgeführt und verbreitet wurde. Zur richtigeren Beurteilung des F. ist es nötig, zu erinnern, daß die Gegensätze und Kämpfe der Stände von der landläufigen Überlieferung mit Unrecht in die ältere Zeit hinaufgerückt und für die des Hannibalischen Kriegs als längst beendet betrachtet werden. Polybios III 87, 6 führte den F. passend ein als ἄνδρα καὶ φρονήσει διαφέροντα καὶ πεφυκότα καλῶς (beide Seiten ausgemalt bei Sil. Ital. VI 619ff.); Verständigkeit und Herkunft gehören wirklich hier zusammen. Denn F. ist der rechte Vertreter des alten römischen Patriziats gewesen, zäh festhaltend an den Vorrechten seines Standes und seines Geschlechtes, an den ererbten Grundsätzen der Politik und der Strategie, besonnen und unerschütterlich bei allen Stürmen, aber auch unberührt von weichen Regungen und unbedenklich in der Wahl seiner Mittel, ein Mann von jener starren, echt römischen Größe, die man bewundern, aber nicht lieben kann.

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116) Poetisches Elogium des Cunctators Anth. Lat. 833 (ed. Riese2 II 303f.), ebd. 838 ein solches des Fabricius Nr. 9.

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116) Q. F. Maximus Verrucosus (Cunctator), Konsul in den J. 233, 228, 215, 214 und 209 v. Chr. (L) S III.

Anmerkungen (Wikisource)

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  1. a b Corpus Inscriptionum Latinarum I, 194.
  2. Corpus Inscriptionum Latinarum I, 1503.
  3. a b Corpus Inscriptionum Latinarum I, 57.