Ἐπιτάφιος ἀγών, Arist. resp. Athen. 58. Diod. XI 33. XVII 117, λόγος Plat. Menex. 236 b. Poll. XX 141, häufiger noch mit Weglassung des Substantivs. Seit alten Zeiten wurden in Athen in Kriegslasten die Gebeine der für das Vaterland Gefallenen jährlich gemeinsam feierlich bestattet. Diese Feier war gesetzlich geordnet, Thuκ. II 34, und stand unter Leitung des Polemarchen, Arist. a. O. Thukydides, der die Feier beschreibt, betrachtet die Sitte als uralt, älter jedenfalls als 490, vgl. Diog. Laert. I 55; Paus. I 29, 4 steht damit in keinem Widerspruch, da nach dem vorhergehenden das πρῶτοι δὲ ἐτάφησαν von den 465 bei Drabeskos in Thrakien Gefallenen örtlich zu verstehen ist (anders E. Curtius Abh. Akad. Berl. 1854, 266). Später (Thuk. II 35, seit den Perserkriegen Diod. XI 33, 3. Dion. Hal. V 17) wurde für die Feier eine Leichenrede angeordnet, für welche der Redner vom Staate und zwar durch Wahl des Rates bestellt wurde, Plat. a. O. 234 b. 235 c. Der erste, von dem wir hören, ist Perikles, 440, nach dem samischen [219]
Kriege, Plut. Per. 8. 28 (vielleicht gehört dahin auch das Zitat Arist. Rhet. I 7, 1365 a. III 10, 1411 a), und ebenso 430 nach dem ersten Jahre des Peloponnesischen Krieges, Thuk. a. O. Die
Form der letzteren Rede gehört jedenfalls dem Geschichtschreiber, andererseits ist nicht abzusehen, warum der Gedankengang nicht wesentlich der des Perikles sein sollte, da Thukydides sicher unter den Zuhörern zu denken ist. Aus späterer Zeit hören wir von solchen Reden des Archinos und Dion. Plat. a. O. 234 b. Phot. 487 b 34, des Demosthenes nach der Schlacht hei Chaironeia, der dazu vom Volk erwählt wurde, Demosth. XVIII 285f. Hier ist auch von einem Leichenmahle die Rede. Aber der unter seinen Reden als LX befindliche ἐ. galt schon den Alten als unecht und wird von den Neueren allgemein verworfen. Erhalten ist demnach von wirklich gehaltenen Reden nur der ἐ. des Hypereides auf Leosthenes und die 322 bei Lamia Gefallenen. Dagegen konnte es nicht fehlen, daß sich die Rhetorik bald des dankbaren Stoffes bemächtigte. Zuerst trat Gorgias auf den Plan, von dessen ἐ. Dionysios bei Max. Planudes V 549 Walz ein längeres den Preis der Gefallenen behandelndes Stück erhalten hat, das trotz der gleichen Antithesen weitaus gekünstelter ist, als der entsprechende Abschnitt bei Thukydides (c. 42). Philostr. vit. soph. I 9 denkt ihn wirklich in Athen bei einer Leichenfeier gehalten, was ganz ausgeschlossen ist. Man setzt ihn in die Zeit 426/20, Blass Att. Ber. 12 61. Es folgte kein Geringerer als Platon in seinem Menexenos, der freilich das Lob der Gefallenen des Korinthischen Krieges dem Sokrates oder eigentlich sogar der Aspasia in den Mund legt. Ferner ist unter Lysias Namen ein ἐ. überliefert, der zwischen 380 und 371 verfaßt ist und von Arist. Rhet. III 10, 1411 a ohne Nennung des Verfassers angeführt wird. Endlich der unter den Reden des Demosthenes befindliche. Neben diesen wird bei [Dionys.] ars rhet. VI 1 noch ein ἐ. von Naukrates, dem Schüler des Isokrates, erwähnt. Die Einleitung behandelt in der Regel die Schwierigkeit der Aufgabe, es folgen bald mehr, bald weniger ausgeführt: die Abkunft und das Lob des Landes und seiner Bewohner als Autochthonen, die Erziehung unter der freien Verfassung des Staates, die Taten der Vorfahren oft von der mythischen Zeit an, der Preis der Gefallenen und ihrer Tapferkeit, die Ermahnung an die Lebenden, es den Bestatteten gleichzutun, die Tröstung der Angehörigen, vgl. [Dionys.] a. O. Hervorzuheben ist noch, daß in den späteren Reden als Bestandteil der Feier auch ἀγῶνες erwähnt werden, [Demosth.] LX 36, ἀγῶνεσ γυνικοὶ καὶ ἱππικοὶ καὶ μουσικῆς πάσης Plat. 249 b, ἀγῶνες ῥώμης καὶ σοφίας καὶ πλούτου [Lys.] II 80. Vgl. Girard Études sur l’éloquence Attique 181f. Meuss Beil. Allg. Zeit. 2. Mai 1892. Nitzsche Progr. Altenburg 1901. Im Anfang des 1. Jhdts. v. Chr. war daraus eine jährliche Feier geworden, die Ἐπιτάφια hieß, mit Fackel- und Waffenwettlauf der Epheben. IG II 466f. Zu Ciceros Zeit wurde bei dieser Feier alljährlich der Platonische Menexenos vorgelesen, Cic. or. 151. Sie bestand bis in die Anfänge der Kaiserzeit, IG III 106. 108. 118. Vgl. Sauppe Gött. Nachr. 1864, 199.