Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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altes, echtes römisches Adelsgeschlecht mit Tribus in der Republik
Band VI,2 (1909) S. 17391743
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Fabius. Den Namen F. leitete Varro, aus dem Plin. n. h. XVIII 10 schöpft (vgl. Münzer Quellenkritik der Naturgesch. des Plin. 265–268), von faba ab, wie auch die Cognomina Lentulus und Cicero von den Namen anderer Hülsenfrüchte: ut quisque aliquod optime genus sereret; die Ableitung ist durchaus möglich (vgl. Olck o. Bd. III S. 611, 37). Die Gelehrten der augustischen Zeit [1740] behaupteten dagegen, daß F. nicht die alte Form sei, und suchten daher eine andere Etymologie; entweder habe der Name früher Fodius gelautet und komme von fodere (Plut. Fab. 1, 2) oder Fovius von fovea (Fest. ep. 87), wobei ja derselbe Stamm zu Grunde liegt; als Begründung gaben die einen an, quod princeps gentis eius ex ea natus sit, cum qua Hercules in fovea concubuit (Fest. a. O.), die andern, daß der Stammvater der Fabier zuerst Wolfsgruben (fovea) angelegt habe (fodere). Beide Deutungen hängen zusammen mit Traditionen über den Ursprung des Geschlechts. Die Künstlichkeit der ersten liegt auf der Hand; ihr Erfinder ist wahrscheinlich auch der Erfinder der ganzen Zurückführung des Fabischen Hauses auf Herakles, nämlich Verrius Flaccus, der Hofgelehrte des Kaiserhauses und des höchsten Adels, wozu damals besonders Paulius Fabius Maximus gehörte (Nr. 102). In einem zu dessen Ehren gedichteten Abschnitt seiner auf Verrius beruhenden Fasti (II 237, vgl. Nr. 159) und in einem an ihn gerichteten Brief ex Ponto III 3, 99f. spielt Ovid auf die Abkunft der Fabier von Herakles an, während in der republikanischen Zeit weder Zeugnisse noch Münzbilder auf irgendwelche Beziehungen zwischen beiden hinweisen, höchstens die Weihungen des kolossalen, in Tarent erbeuteten Lysippischen Herakles durch Fabius Cunctator Nr. 116 und eines Heraklestempels in Gallien durch Fabius Allobrogicus Nr. 110 und die Keule auf dem Quadrans des Labeo Nr. 92. Wer die Stammmutter des Geschlechts war, ließ Verrius (bei Fest. s. o.) vielleicht im dunkeln; auf Grund der Vorstellungen, die man sich vom Zustande Latiums zur Zeit des Herakles machte, konnte man wählen zwischen einer Nymphe und einer sterblichen Bewohnerin des Landes (Plut. Fab. 1, 1), und wer den letzteren Gedanken folgerichtig weiterspann, mußte schließlich auf eine Tochter Euanders verfallen, so Sil. Ital. VI 627–636, der Herculeus und Tirynthius fast als stehendes Epitheton bei Fabiern gebraucht (II 3. VII 35. 44. VIII 217, vgl. ferner Iuvenal. VIII 14). Aus anderen Wurzeln erwachsen ist die Etymologie, Fabii komme von Fovii und dieses von fovea der Wolfsgrube; sie knüpft an die Überlieferung an, daß die Luperci, die Wolfsgenossen, ursprünglich nur den beiden Geschlechtern der Fabier und der Quinctier angehören durften. Daran erhielt sich die Erinnerung in der Bezeichnung der späteren Luperci als Fabiani und Quinctiales (Fest. 257; ep. 87. Ovid. fast. II 375–378, der die Fabier als Genossen des Remus hinstellt; vgl. noch Prop. IV 1, 26); daher kam es auch, daß nur bei diesen zwei patrizischen Geschlechtern der Vorname Kaeso üblich war, weil von den Luperci puellae de loro capri caeduntur (Serv. Aen. VIII 348 u. a.), was Mommsen (Röm. Forsch. I 17, vgl. R. G. I 51 Anm.) erkannt hat; darum erscheint sogar noch unter Septimius Severus, als die Luperci gewöhnlich Ritter von geringem Ansehen waren, unter ihnen ein angesehener Mann senatorischen Standes, weil er den Namen F. trägt (Nr. 97). Für alles weitere muß hier auf Wissowa bei Marquardt St.-V.2 III 440f.; Religion und Kultus d. Römer 484 und Art. Luperci verwiesen werden. Deutlich aber ist, daß die Fabier eines der ältesten und echtesten römischen Geschlechter [1741] gewesen sind. Das wird dadurch bestätigt, daß sie einer Tribus den Namen gegeben haben und daß sie zu den gentes maiores der Patrizier gehörten, wie die Aemilier, Claudier, Cornelier, Valerier.

In die Sagen von der Gründung des Freistaats sind sie nicht hineingezogen worden, weil ihre historische Bedeutung außer Frage stand (vgl. auch Nr. 158). Beim ersten Auftreten im dritten Jahrzehnt der Republik erscheinen sie sofort an der Spitze des Staates bis sie einer schweren Katastrophe erliegen. Diesen Kern der Überlieferung darf man unbedenklich festhalten (vgl. Nr. 159). Zu den Einzelheiten, die preiszugeben sind, gehört namentlich die, es sei das ganze Geschlecht vernichtet worden mit Ausnahme eines einzigen F., der nun der neue Stammvater wurde. Gerade bei den Fabiern läßt sich aus manchen Spuren nachweisen, was Klebs o. Bd. I S. 569 mit zu weitgehender Verallgemeinerung ausgesprochen hat, daß Familienstammbäume für die ersten Jahrhunderte der Republik künstlich zurechtgemacht wurden; bei den Fabiern suchte man nämlich die weitere Verzweigung, die für die kinderreiche alte Zeit das Natürliche war und in der Tradition von dem Untergang der 306 vorausgesetzt wird, zu beseitigen und alle hervorragenden späteren Glieder des Geschlechts möglichst in direkten genealogischen Zusammenhang miteinander zu bringen. Dabei wurden auch manche unberechtigten Identifikationen vorgenommen, was umso leichter geschehen konnte, als die Zahl der Praenomina sehr klein war; neben Q., das so häufig war, daß Q. Fabius wie unser N. N. gebraucht wurde (z. B. Cic. div. II 71 in einer staatsrechtlichen Formel [doch s. Nr. 116], wie Fabia in einer privatrechtlichen Top. 14, vgl. noch Fabius de fato 12), kommen die allgemein gebrauchten C. und M. und die nur diesem patrizischen Geschlecht eigenen K. (auch bei den Quinctiern, s. o. und Nr. 20 Ende) und N. (vgl. darüber Nr. 27) verhältnismäßig selten vor. Beispiele für die willkürliche und schematische Gestaltung des Stammbaums der ersten zwei Jahrhunderte vgl. unter Nr. 27 und besonders 39ff., wo auch die Cognomina besprochen werden. Ein Schatten fällt auf den Fabiernamen durch seine Verknüpfung mit dem dies Alliensis, ähnlich wie auf den Claudiernamen durch die mit dem Decemvirat; in beiden Fällen schloß sich die Tradition ohne wirkliche Anhaltspunkte an den Namen an, der an der Spitze der Eponymen des betreffenden Jahres stand (vgl. Nr. 48). Die glänzende Erhebung des Geschlechts in historisch hellerer Zeit beginnt mit dem Helden der Samniterkriege, Q. Fabius Maximus Rullianus Nr. 114 (vgl. den Stammbaum S. 1777f.), und setzt sich fort durch den gefeierten Gegner Hannibals, Q. Fabius Maximus Verrucosus Nr. 116, so daß der Name für berühmte Feldherrn fast sprichwörtlich wird (vgl. z. B. Cic. de or. I 210; or. 232. Liv. IX 17, 11), und von dem Cognomen, das wahrscheinlich schon der erstere empfing (vgl. Nr. 114), gesagt werden kann (Ovid. fast. I 606): illa domus meritis Maxima dicta suis. Zur Unterscheidung der verschiedenen Q. Fabii Maximi dient in diesen und den folgenden Zeiten die Hinzufügung weiterer Beinamen, die individuell und nicht immer sicher zu deuten sind. Nicht lange nach dem Hannibalischen Kriege [1742] drohte der Hauptstamm der Fabier auszusterben; durch Adoptionen wurde ihm frisches Blut zugeführt, und die neuen Glieder des Geschlechts und ihre Söhne erhöhten in der zweiten Hälfte des 2. Jhdts. v. Chr. den alten Ruhm. Im Zeitalter der Bürgerkriege ging es mit den Fabiern abwärts; noch einmal wurde der Niedergang unter Caesar und Augustus aufgehalten; dann ist das Geschlecht erloschen; nur unwürdige Erben brüsteten sich mit seinem Namen (vgl. Senec. benef. IV 30, 2. Iuvenal. VIII 13f., dazu Nr. 121), den schon in spätrepublikanischer Zeit manche trugen, die nicht zu dem alten Patriziergeschlecht gehörten.

Die Fabier der Republik haben nicht nur durch die große Zahl ihrer Magistraturen, bei denen Iteration auffallend häufig ist, und durch ihre Kriegstaten hohen Ruhm gewonnen, sondern auch durch friedliche Betätigung. In drei Generationen nacheinander ist die Würde des Princeps senatus ihnen zugefallen (Plin. n. h. VII 133); auch ein vierter F. hat sie noch erhalten (Nr. 116). Als Gesandte zu fremden Staaten begegnen sehr häufig Fabier, wie sie auch schon in sehr früher Zeit in Familienbeziehungen und Patronatsverhältnisse zu anderen italischen, besonders samnitischen Gemeinden getreten sind (vgl. Nr. 19. 20. 27. 42. 48. 109. 112. 116. 124). Auch in den Kollegien der Staatspriester, zumal in dem der Pontifices, scheint fast immer ein F. gewesen zu sein (vgl. in chronologischer Folge Nr. 68. 116. 91. 115. 128). Daher haben sie tätigen Anteil an der Einbürgerung und Entwicklung von Kunst, Wissenschaft und Literatur in Rom genommen (vgl. besonders Nr. 91. 110. 115. 116. 122. 126. 128). Trotz der Existenz Fabischer Laudationen (auf Nr. 103; vgl. auch S. 1876) und Annalen sind Spuren von Fälschungen, die der Familieneitelkeit und Familienüberlieferung entsprungen sein dürften, ziemlich gering; die meisten Entstellungen in der Geschichte der Fabier – und deren gibt es allerdings viele – erweisen sich vielmehr als Werk der jüngeren Annalistik; es handelt sich hier nicht um falsi triumphi, plures consulatus (vgl. die vielberufene Cicerostelle Brut. 62), sondern hauptsächlich um romantische Ausschmückung und tendenziöse Färbung schlichter Tatsachen, an deren eigener Geschichtlichkeit zu zweifeln kein Grund vorliegt; zu dieser Art der Umgestaltung der Tradition reichten die vielbenutzten Mittel berufsmäßiger Literaten aus, die als solche noch zu durchschauen sind: das Haus der Fabier selbst durfte solche Künste verschmähen, weil es des echten Ruhmes auch ohnehin genug besaß. Die ,Familiengeschichte‘ der Fabier, die Atticus verfaßte (Nep. Att. 18, 4, vgl. Nr. 108), ist schwerlich eine solche in modernem Sinne gewesen (vgl. Herm. XL 94ff.).

In der alten Realencyklopädie III 366ff. VI 2899ff. hat Haakh die Geschichte der Fabier gegeben; ohne Kenntnis seiner Arbeit begonnen, doch nach ihr und mit ihrer steten Berücksichtigung vollendet ist die umfangreiche Dissertation von G. N. du Rieu De gente Fabia, Leyden 1856; an Gründlichkeit und an kritischer Schärfe ist Haakh von du Rieu nicht überboten worden; an Ausführlichkeit bleibt die folgende Darstellung vielfach hinter beiden zurück. [1743]

Die Adoptivlinie des Fabischen Hauses, die von Q. Fabius Maximus Aemilianus (Nr. 109) abstammte, ist in den Consulfasten der Kaiserzeit noch durch drei Consulate (11 und 10 v. Chr., 34 n. Chr.) vertreten. Diese letzten Fabier, die auf ihre Abstammung von dem Aemilischen Geschlechte ebenso hohes Gewicht legten wie auf ihren Fabiernamen (vgl. Nr. 101. 102, 120), traten unter Augustus in verwandtschaftliche Beziehungen zum Iulischen Kaiserhause (s. die Stammtafel u. S. 1777f.). In der Neronischen Zeit erlischt ihr Andenken (vgl. Nr. 118 und 121). Fabius Maximus, Rector von Samnium unter Constantius II. (CIL IX 2639[1] = Dessau 1247 und sonst), hat mit dem patrizischen Hause natürlich nichts mehr gemein, ebensowenig wie viele andere Fabii Maximi, die in Inschriften begegnen (CIL II 4214.[2] VI 17545.[3] VIII 60.[4] 3600. 6437. IX 5445. CIG II Add. 2146 b usw.). Noch heute leitet das italienische Fürstenhaus Massimo seine Abstammung von den Fabiern ab und führt die Worte, die Ennius vom Cunctator gebraucht (cunctando restituit), als Devise.

Der Gentilname F. findet sich unter dem Principat am häufigsten in Spanien (vgl. die Indices von CIL II und u. Nr. 33. 65. 75. 85. 87. 88. 95. 119. 130. 140. 179), wo mehrere der patrizischen Fabier in republikanischer und noch in Augusteischer Zeit als Feldherren und Statthalter tätig gewesen waren.

[Groag. ]

Anmerkungen (Wikisource)

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  1. Corpus Inscriptionum Latinarum IX, 2639.
  2. Corpus Inscriptionum Latinarum II, 4214.
  3. Corpus Inscriptionum Latinarum VI, 17545.
  4. Corpus Inscriptionum Latinarum VIII, 60.