Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Vibulanus, K., cos. III 479 v. Chr.
Band VI,2 (1909) S. 18731880
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159) K. Fabius Vibulanus, Consul 270 = 484, 273 = 481, 275 = 479, gestorben 277 = 477. In der ältesten römischen Geschichte kann eine ganze Periode geradezu als die Fabische bezeichnet werden. In den sieben Jahren 269 = 485 bis 275 = 479 hat nach der allgemein angenommenen Überlieferung regelmäßig ein F. als einer der beiden Consuln an der Spitze des Staates gestanden, und ein oder zwei Jahre darauf soll das ganze Geschlecht im Kampf gegen die Veienter seinen Untergang gefunden haben. Die Consuln sind die drei Brüder Quintus, Kaeso und Marcus; in dieser Reihenfolge erscheinen ihre Namen zweimal hinter einander in den Fasten; im siebenten Jahr wird Kaeso Consul, weil Quintus bereits im vorhergehenden gefallen ist, so daß man die Vorstellung von einem regelmäßigen Turnus in der Bekleidung des Consulats durch die drei Fabier gewinnt. Daß sie Brüder waren, bezeugen Liv. II 42, 7. 46, 6. 47, 10f. Dionys. VIII 77, 1. 82, 5. IX 11, 3. 13, 3f. 14, 1. 16, 3. 17, 5. 22, 5. 59, 1; den Vornamen ihres Vaters Kaeso fügt Dionys je einmal jedem von ihren Namen hinzu (VIII 83, 1. 87, 2. 90, 5; vgl. Fasti Cap. bei dem Enkel Nr. 165); den Beinamen Vibulanus legen ihnen allen die Fasti Cap. bei (erhalten bei den J. 272 und 274; sonst stets Vivulano beim Chronogr.), sowie zweien von ihnen Diodor (XI 27, 1. 41, 1; in den Hss. Σιλουανός, Σιλανός, Σιλβανός); auch dieses Cognomen muß demnach schon der Vater geführt haben.

269 = 485 Quintus Consul I mit Ser. Cornelius Maluginensis (o. Bd. IV S. 1404 Nr. 253. Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Liv. II 41, 12. Cassiod. Diod. XI 27, 1. Dionys. VIII 77, 1). In der innern Geschichte dieses Jahres ist das bedeutendste Ereignis die Katastrophe des Sp. Cassius, der im vorhergehenden Jahr Consul III gewesen war. Nach Liv. II 41, 11 gaben einige Quellen an, die Quaestoren Kaeso Fabius und L. Valerias hätten Cassius wegen Hochverrat beim Volk angeklagt und seine Verurteilung herbeigeführt; Dionys. VIII 77, 1, vgl. 79, 1 hält diesen Bericht für den glaubwürdigeren. In Wahrheit dürfte er zu den spätesten Bestandteilen der Cassiusgeschichte gehören (s. o. Bd. III S. 1750ff.), und besonders die Namen der Quaestoren sind gewiß einfach den Consularfasten der beiden folgenden Jahre entlehnt. Die Annalistik hat demnach eine Beziehung zwischen der Beseitigung des Sp. Cassius und dem Fabischen Geschlecht künstlich geschaffen; die Möglichkeit ist aber kaum abzuweisen, daß das Ende jenes Mannes und die Machtstellung der Fabier nicht nur in einem zeitlichen Zusammenhang gestanden haben. In der [1874] äußern Geschichte wird kurz von Liv. II 42, 1f. und ausführlich von Dionys. VIII 81, 1–82, 5 ein Raubzug des Consuls Q. Fabius ins Gebiet der Aequer und Volsker berichtet. Beide heben hervor, daß die Beute zum Besten des Staatschatzes verkauft worden sei; bei Livius tut dies der Consul selbst und macht dadurch sich und sein ganzes Geschlecht beim Volk unbeliebt; Dionys erzählt später gerade umgekehrt, das Volk habe den Quintus zum zweitenmal zum Consul gewählt, weil es von ihm in seinem ersten Amtsjahr nichts Übles erfahren hatte (VIII 90, 6, daraus entstellt Lyd. de mag. I 38 p. 39, 5 Wünsch). Dagegen läßt Dionys den Verkauf der Beute durch die Quaestoren, also Kaeso Fabius und L. Valerius, erfolgen (VIII 82, 4; dieses Verfahren als die Regel angenommen in einer Rede bereits VII 63, 2f.) und begeht dadurch einen Anachronismus (vgl. Schwegler R. G. II 137, 4, dem Mommsen St.-R. II 565, 3 beistimmt) ähnlich dem andern, daß er die Quaestoren für junge Männer hält. Schon bei diesem Jahr zeigt sich, daß Livius und Dionys die Lücken der ihnen vorliegenden Überlieferung durch eigene Kombinationen auszufüllen versuchten.

270 = 484 Kaeso Consul I mit L. Aemilius Mamercus (o. Bd. I S. 570 Nr. 96. Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Liv. II 42, 2. Cassiod. Diod. XI 38, 1. Dionys. VIII 82, 5. 83, 1). Nach dem knappen Bericht des Livius II 42, 2–7 und dem breit ausgeführten des Dionys VIII 82, 5–87, 2 wurde in diesem Jahr ein Ausbruch innerer Unruhen glücklich verhindert durch die Notwendigkeit, äußeren Gefahren zu begegnen; als äußere Feinde werden die Aequer und namentlich die Volsker genannt, von den Consuln steht Aemilius im Vordergrund, größere Erfolge werden nicht errungen. Keiner von diesen Historikern erwähnt das, was Diodor XI 40, 5 als wichtiges kriegerisches Ereignis unter diesem Jahr verzeichnet, die Bezwingung des mit den Aequern verbündeten Tusculum; dadurch verlieren ihre Angaben jeden Wert.

271 = 483 Marcus Consul I mit L. Valerius (Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Liv. II 42, 7. Cassiod. Dionys. VIII 87, 2. Diod. XI 41, 1). Der Livianische Bericht II 42, 7–11 hat den Kern: bellum ... Veiens initum, et Volsci rebellarunt; bei Dionys. VIII 87, 2–90, 6 ist von den Veientern noch keine Rede; dafür nehmen die Ausschmückungen, die Livius nicht hat, den breitesten Raum ein, wie ein Tribun C. Maenius die Aushebung zu verhindern sucht, wie sich das von dem Consul Valerius gegen die Volsker geführte Heer aus Haß gegen den Feldherrn, den einen Ankläger des Sp. Cassius, absichtlich schlecht schlägt, wie der Streit zwischen den Ständen die Wahlen nicht zu stande kommen läßt und ein Interregnum herbeiführt. Alle diese Züge kehren in der Geschichte der nächsten Jahre wieder und sind hier willkürlich und spät hinzugefügt worden.

272 = 482 Quintus Consul II mit C. Iulius Iulus (Fasti Cap. Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Liv. II 43, 1. 46, 2. Cassiod. Dionys. VIII 90, 5. Lyd. de mag. I 38; bei Diodor fehlen die Consuln, vgl. Mommsen Chronol.2 125, 224). Als Kern der Berichte des Livias II 43, 1 und des Dionys VIII 91,1-4 sind Kämpfe mit den Aequern [1875] und der Beginn des Veienterkrieges zu erkennen, und zwar erscheint Rom im Nachteil, denn die Aequer nehmen das selten genannte Ortona nach Dionys in diesem Jahr, während sie es nach Livius erst im nächsten belagern, und die Veienter verheeren das römische Gebiet. Je weniger ruhmvoll für Rom die annalistischen Berichte lauteten, desto kürzer waren sie gewöhnlich.

273 = 481 Kaeso Consul II mit Sp. Furius (Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Liv. II 43, 1. 46, 6. Cassiod. Dionys. IX 1, 1. Diod. XI 48, 1. Zonar. VII 17). Livius berichtet hier zum erstenmal von dem Versuch eines Tribunen, die Aushebung zu hindern (II 43, 3f.), Dionys bereits zum zweitenmal (IX 1, 3ff., s. o. zum J. 271 = 483); daß jener den Tribunen Sp. Licinius und dieser ihn Sp. Iulius nennt, kann als Schreibfehler erklärt werden (Mommsen Röm. Forsch. II 252, 35); doch Dionys läßt in diesem Jahre, Livius erst im folgenden den Ap. Claudius den Rat erteilen, den Einspruch des einen Tribunen durch den seiner Kollegen unwirksam zu machen, obgleich auch Livius die tatsächliche Anwendung des Verfahrens schon in diesem Jahre berichtet (vgl. diesen Zug wiederholt im J. 338 = 416, Liv. IV 48. 6. V 2, 14). Die auswärtigen Feinde sind dieselben wie im vorigen Jahr; nach beiden Autoren (Liv. II 43, 5–11; vgl. 59, 1f. Dionys. IX 2, 3–4, 3, vgl. Val. Max. IX 3, 5. Zonar. VII 17) soll Furius gegen die Aequer nichts ausgerichtet, F. gegen die Veienter tapfer gekämpft haben, aber durch den Ungehorsam seines Heeres, bei dem er unbeliebt war, um den vollen Erfolg gebracht worden sein. Als Grund der Unbeliebtheit des Consuls bei den Soldaten gibt Dionys. IX 3, 1 seine Anklage gegen Sp. Cassius an, dasselbe Motiv, das zwei Jahre früher bei L. Valerius erschien. Sehr bezeichnend für die Wertlosigkeit aller dieser Angaben ist, daß Livius bald darauf zweimal (II 44, 11. 46, 1) sagt, das Heer habe den Feldherrn im Aequerkrieg im Stich gelassen. Die ältesten Quellen hatten nur die in diesem Jahr unternommenen Feldzüge kurz erwähnt; erst die jüngern haben dann jedem Consul seinen bestimmten Teil davon zugewiesen und sind bei der Willkür dieser Rollenverteilung verschieden verfahren; daher weichen die Angaben von einander ab (vgl. z. B. einen ähnlichen Fall aus späterer Zeit o. Bd. IV S. 1489) und erweisen sich sämtlich als ungeschichtlich.

274 = 480 Marcus Consul II mit Cn. Manlius (Fasti Cap. Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Liv. II 43. 11. Cassiod. Dionys. IX 5, 1. Diod. XI 50, 1). Wieder wird erzählt, daß ein Tribun versucht habe, die Aushebungen zu hindern, doch vergebens (Liv. II 44, 1–6. Dionys. IX 5. 1. Zonar. VII 17); der Name des Tribunen, Tib. Pontificius (Liv. Dionys.), ist auffällig und macht die Erzählung hier noch besonders verdächtig (vgl. Enmann Rh. Mus. LVII 531, dessen sonstige Hypothesen aber unhaltbar sind). Der einzige Krieg dieses Jahres ist der gegen die Veienter und andere mit ihnen verbündete Etrusker, worüber Liv. II 43, 11–47, 12 und Dionys. IX 5, 1–13, 5 ausführlich berichten; von Livius abhängig sind VaL Max. V 5, 2. Frontin. strat. I 11, 1. II 6, 7. 7, 11 (wo aus Flüchtigkeit die beiden Consuln mit einander vertauscht sind). [1876] Oros. II 5, 7f. Zonar. VII 17. In den Hauptsachen stimmen die beiden vollständigsten Darstellungen überein; Dionys hat bisweilen seine Vorlage verschlechtert (vgl. Schwartz o. Bd. V S. 939, 53); mehr als Livius bietet er besonders im Anfang mit der Erzählung der schlimmen Vorzeichen, die den Römern zu teil wurden und auf ihre Maßnahmen Einfluß hatten, und am Schluß mit der von der Abdankung des Consuls F. Nach beiden Berichten waren die Feinde voll Siegeszuversicht und die Consuln voll Mißtrauen gegen ihr eigenes Heer infolge der Erfahrungen des vorhergehenden Jahres; erst als die Herausforderungen und Angriffe der Etrusker die Soldaten so gereizt hatten, daß sie heftig eine Schlacht verlangten und sich eidlich verpflichteten, nur als Sieger zurückzukehren, hätten sich die Consuln zum Kampf entschlossen; die Schlacht selbst habe lange hin und her geschwankt; auf römischer Seite hätten sich vor allen die Fabier ausgezeichnet, Q. Fabius und der Consul Manlius seien gefallen; schließlich hätten die Römer das Schlachtfeld behauptet, aber der überlebende Consul M. Fabius habe um der Trauer willen den angebotenen Triumph abgelehnt; das Verhalten der Fabier in dem ganzen Krieg habe das Volk mit ihnen völlig ausgesöhnt. Nach dem Vorgang Niebuhrs (R. G. II 224f.) ist mehrfach versucht worden, die Hauptbestandteile dieser Darstellung auf Fabische Familienüberlieferung zurückzuführen, auf (gefälschte) Laudationen (vgl. Liv. II 47, 11), die Fabius Pictor benützte; Mommsen (R. Forsch. II 252, 35) hat sich mit großer Schärfe gegen diese Versuche erklärt. In der Tat sind weit mehr einzelne Züge, die den Verhältnissen späterer Zeit entsprechen, hier hineingetragen, als echte und alte, die Späteren nicht mehr geläufig waren, bewahrt worden. In dem Bestreben, die Wechselwirkung der inneren und der äußeren Geschichte darzustellen, wurde der Bericht der ältesten Quellen reicher ausgestaltet; sieht man aber von dem leicht zu entfernenden Beiwerk ab, so ergibt sich, daß gerade darüber gar nichts überliefert war, denn weshalb und wie besonders das Fabische Geschlecht sich erst den schweren Haß und dann wieder die Gunst der Plebs erworben habe, wird in ganz ungenügender Weise erklärt. So bleiben als Tatsachen nur die bestehen, die in den Consularfasten verzeichnet waren, die Reihe der Fabierconsulate und der Tod des zweiten Consuls Manlius im sechsten von ihnen; der gleichzeitige Tod des ältesten der drei Fabischen Brüder konnte, wie bereits bemerkt wurde, schon daraus erschlossen werden, daß im siebenten Jahr der zweite Consul III wurde. Tatsache ist ferner der in dieser Zeit ununterbrochen und fast immer von Rom unglücklich geführte kleine Krieg mit den Nachbarn im Süden und im Norden, besonders mit Veii. Alles übrige konnte aus diesen wenigen Daten herausgesponnen werden.

275 = 479 Kaeso Consul III mit T. Verginius (Chronogr. Idat. Chron. Pasch. Liv II 48, 1. Cassiod. Dionys. IX 14, 1. Diod. XI 51, 1). In folgerichtiger Durchführung früher geäußerter Ansichten läßt Dionys dieses Jahr mit einem Interregnum beginnen, Livius, mit einem mißlungenen Versuch des Consuls F., die Wünsche der Plebs [1877] zu erfüllen und die Eintracht der Stände herzustellen. Übereinstimmend geben beide an, daß F. gegen die Aequer gezogen sei, ohne etwas auszurichten (Liv. II 48, 4. Dionys. IX 14, 1f.), Verginius gegen die Veienter ins Feld rückte, von ihnen eingeschlossen und nur durch die rechtzeitige Ankunft des F. befreit worden sei, worauf die Veienter ungehindert ihre Plünderungszüge ins römische Gebiet unternehmen konnten (Liv. II 48, 5–7. Dionys. IX 14, 3–8). Also im ganzen unbedeutende und erfolglose Kämpfe mit den alten Feinden bilden die Grundlage auch dieses annalistischen Kriegsberichtes aus dem letzten Fabierconsulat. Nur lose mit ihm und mit den ähnlichen der drei folgenden Jahre verbunden erscheint die Überlieferung über das berühmte Ereignis aus der Geschichte der Fabier, über den

Untergang der Fabier am Cremera. Als ältester Bericht gilt der Diodors XI 53, 6 (nach den Hss.): Ῥωμαίοις πρὸς Οὐηιεντανούς ἐνστάντος πολέμου μεγάλη μάχη συνέστη περὶ τὴν ὀνομαζομένην Κρεμέραν. τῶν δὲ Ῥωμαίων ἠττηθέντων συνέβη πολλοὺς αὐτῶν πεσεῖν, ὥς φασί τινες τῶν συγγραφέων, καὶ τοὺς Φαβίους τοὺς τριακοσίους, συγγενείς ἀλλήλων ὄντας καὶ διὰ τοῦτο μιᾷ περιειλημμένους προσηγορίᾳ. Diese Stelle ist zuletzt von Schwartz o. Bd. V S. 694, 46. 695, 57 eingehend besprochen worden; er nimmt an, daß Diodor die gewöhnliche Tradition als bekannt voraussetzte und die abweichende seiner Hauptquelle deshalb wie eine Variante einführte (also etwa in derselben Weise, in der auch Dionys IX 22, 1 gerade bei der Fabiergeschichte einmal verfährt). Die gewöhnliche Tradition lautet bei Liv. II 48, 8–50, 11: Da die Plünderungszüge der Veienter nur durch eine ständige Wache verhindert werden konnten, habe das Fabische Geschlecht diese Aufgabe freiwillig übernommen, den Veienterkrieg gleichsam als Privatfehde für sich beansprucht; unter Führung des Consuls Kaeso seien 306 Angehörige des patrizischen Geschlechts mit großem Gefolge unter dem rechten Torbogen der Porta Carmentalis aus der Stadt gezogen und hätten sich am Cremera festgesetzt. Im folgenden J. 276 = 478 hätten die Fabier von hier aus anfangs gemeinsam mit dem römischen Heer des Consuls L. Aemilius gegen die Veienter operiert, dann aber allein und selbständig; sie hätten den Feind von dem römischen Gebiet abgehalten, sein eigenes Land verheert und ihm auch glückliche Gefechte geliefert. Schließlich, und zwar erst im J. 277 = 477, hätten sie sich bei einem ihrer Raubzüge in einen Hinterhalt locken lassen und seien nach heldenmütigem Kampf sämtlich gefallen, die letzten bei der Erstürmung ihrer Burg; von dem ganzen Geschlecht sei nur ein Knabe Übrig geblieben. In Zusammenhang mit dieser Erzählung steht das Vordringen der Veienter bis auf das Ιaniculum, das sie in diesem und im nächsten Jahr behaupten, obgleich sie einmal in eine ähnliche Falle geraten wie die Fabier (Liv. II 51, 1–9), und die im folgenden Jahr gegen den einen Consul von 277 = 477 erhobene Anklage, daß er den Fabiern nicht geholfen habe (ebd. 52, 3–5). Es sei aber gleich bemerkt, daß die Motivierung dieser Anklage 52, 3 (amissum Cremerae praesidium, cum haud procul [1878] inde stativa consul habuisset) in Widerspruch steht mit der Darstellung 51, 1, der Consul sei erst nach der Niederlage der Fabier gegen die siegesfrohen Feinde geschickt worden; man sieht daraus wieder, wie locker die Fabierkatastrophe mit den annalistischen Kriegsberichten verknüpft ist. Sonst aber ist die Erzählung des Livius hier einheitlich und weist auf keine abweichenden Berichte hin (höchstens vgl. 50, 11: satis convenit). Bei Dionys, der wie immer weit ausführlicher ist, werden beim Auszug 275 = 479 die Fabier, im ganzen 4000 Mann, darunter die 306 Patrizier, geführt von dem Consular Marcus (IX 15, 3); der Consul Kaeso führt das reguläre römische Heer, ebenfalls gegen die Veienter, und begibt sich erst nach der Niederlegung seines Amtes im J. 276 = 478 zu seinen Geschlechtsgenossen (IX 16, 3); der Untergang der Fabier wird hier ohne Zusammenhang mit den sonstigen Kriegsberichten vollständig im J. 277 = 477 erzählt, und zwar in zwei Versionen. Die zweite, von Dionys als die glaubwürdigere betrachtete (IX 20, 1–21, 6), stimmt im wesentlichen mit der Livianischen überein; ihre Ausschmückung verdient vielleicht untersucht zu werden (vgl. z. B. die Gegenwehr der Waffenlosen hier IX 21, 4 mit der bei den Thermopylen Herod. VII 224 Anf. 225 Ende); die erste von Dionys als weniger wahrscheinlich verworfene Version (IX 18, 5–19, 3) läßt die Fabier in den Hinterhalt geraten, während sie mit geringem Gefolge zu einem gentilicischen Opfer nach Rom ziehen. Eine ausführliche Kritik läßt Dionys IX 22, 1–6 der Angabe zu teil werden, daß das ganze Fabische Geschlecht mit Ausnahme des einen Knaben zu Grunde gegangen sei. Der Widerspruch in den Angaben über den Consul Menenius findet sich bei ihm ähnlich wie bei Livius (vgl. IX 18, 5 mit 23. 1). Von der großen Zahl der übrigen erhaltenen Berichte schließen sich die ausführlichsten in allen Einzelheiten genau an den Livianischen an, so Ovid. fast. II 195-242. Sil. It. VII 39–61 (vgl. II 4–6. VI 637f.). Dio frg. 20, 1–3. Zonar. VII 17. Auct. de vir. ill. 14, 1ff. und selbstverständlich Flor. I 6, 1f. Eutrop. I 16, 1–3. Oros. II 5, 8f. Ampel. 20, 2; kürzere Erwähnungen bei Fest. 285. 334; ep. 335. Sen. de benef. IV 30, 2. V 3, 2; epist. 82, 20. Invenal. 2, 155 mit Schol. Gell. XVII 21, 13. Auct. de praen. 6. Macrob. I 16, 22. Serv. Aen. VI 846. VIII 337. Hieron. zu Euseb. chron. II 103 d Schoene. Plut. Camill. 19, 1. Appian. Ital. frg. 6. Es sind also nur die drei angeführten Berichte von einander zu unterscheiden. Unter ihnen weichen die beiden von Dionys verzeichneten nur in einem verhältnismäßig unwesentlichen Punkte von einander ab; die von ihm verachtete Version hat Niebuhr (R. G. II 228f.) als die poetischere, Mommsen (R. Forsch. II 255) als die ältere in Schutz genommen. Als Vertreter einer ganz verschiedenen Darstellung steht aber nur Diodor der Masse der übrigen Zeugen gegenüber. Doch kaum in einem zweiten Fall ist es so schwer, das Verhältnis seiner Darstellung der altrömischen Geschichte zu der landläufigen annalistischen Tradition zu ermitteln, denn abgesehen davon, daß der überlieferte Text nicht einwandfrei ist, bleibt der Hinweis auf die τινὲς τῶν συγγραφέων von allen ähnlichen Angaben [1879] ,die rätselhafteste‘ (so Schwartz a. O.). So hoch man auch Diodors Nachrichten über die altrömische Geschichte im allgemeinen schätzen mag, so kann man in diesem besondern Falle doch niemals die z. B. von Niebuhr (R. G. II 230, 57) angenommene Möglichkeit vollkommen ausschalten, daß durch irgend ein Versehen Diodors der Bericht seiner Vorlage Änderungen erlitten habe; dadurch aber wird hier, wo es auf jedes einzelne Wort ankommt, das Urteil unsicher.

Die Kritik der Überlieferung hat weniger deren Entwicklung, als die Grundlagen zu ermitteln gesucht. Was vom rationalistischen Standpunkt aus gegen die große Zahl der Geschlechtsgenossen und gegen den Untergang aller mit einer einzigen Ausnahme eingewendet werden kann, hat teilweise schon Dionys vorgebracht (vgl. von Neueren Schwegler R. G. II 525ff. Mommsen R. Forsch. II 257ff., auch u. Nr. 161 und 165). Gewisse Zutaten lassen sich sodann leicht als aetiologische Mythen entfernen, zumal zwei auf Ort und Zeit bezügliche Angaben: an der Porta Carmentalis haftete der Name porta scelerata und der Aberglaube, daß man vermied, durch den rechten Torbogen hinauszugehen; man gab dafür die Erklärung, daß einmal jemand, der hier ausgezogen war, nicht heimgekehrt sei, und fand die gewünschte Persönlichkeit in den Fabiern (vgl. besonders Liv. II 49. 8. Ovid. fast. II 201f. Sil. VII 48f. Fest. 285. 334; ep. 335. Flor. 16, 2. Oros. II 5, 8. Auct. de vir. ill. 14, 5. Serv. Aen. VIII 337. Dio frg. 20, 3), obgleich dieser Weg mit dem Ziele ihres Auszugs gar nicht vereinbar war (vgl. O. Richter Herm. XVII 428). Ähnlich haftete an gewissen Tagen des Kalenderjahres die Bezeichnung als Unglückstage und der entsprechende Aberglaube; auch hier fand man die Erklärung, daß an einem dieser Tage die Katastrophe am Cremera erfolgt sei; aber es ist charakteristisch, daß man sich nach der annalistischen Darstellung des Livius VI 1, 11 daran erst erinnerte, als an demselben Tage, dem 18. Juli, die Niederlage an der Allia erlitten worden war; es ist also das unbekannte Datum des Unterganges der Fabier, weil es als ein Unglückstag galt (Dionys. IX 23, 2. Appian Ital. frg. 6. Dio frg. 20, 3. Auct. de vir. ill. 14, 4), mit dem bekannten Datum der Alliaschlacht willkürlich gleichgesetzt worden (Dies Allia[e et] Fab(iorum) Fasti Ant. CIL I2 p. 218,[1] vgl. 322. Liv. a. O. Tac. hist. II 91. Serv. Aen. VII 717. Macrob. I 16, 22. Plut. Cam. 19, 1). Abweichend von dieser Überlieferung verlegt Ovid. fast. II 193 die Katastrophe der Fabier auf den 13. Februar; wenn er nicht, wofür v. 206 spricht, den Tag des Auszugs mit dem der Niederlage verwechselt hat (so Niebuhr II 222, 441. Mommsen R. Chronol.2 90, 128), so könnte Haakh (in der alten Realencycl. III 371, vgl. Mommsen R. Forsch. II 255, 42. W. Otto Philol. LXIV 197) dafür die richtige Erklärung gefunden haben: das Gentilfest der Fabier in der ersten Version des Dionys seien die auf den 15. Februar fallenden Lupercalien gewesen, und deshalb sei der Schlachttag unmittelbar vorher angesetzt worden. Sodann hat in neuerer Zeit Mommsen (R. Forsch. II 245–261) besonders vom staatsrechtlichen Gesichtspunkt aus die Grundlagen der Tradition geprüft und O. Richter (Herm. XVII [1880] 425–440) vom topographischen. Mommsen kommt zu dem Ergebnis (a. O. 255), es habe ,die Fabiersage in dem älteren Staatsrecht und bei den dessen kundigen Annalisten den Wert und den Zweck gehabt, die Unzweckmäßigkeit des bellum privatum und dessen Beseitigung in bekannter Weise exemplifikatorisch darzustellen‘; Richter formuliert sein Resultat (a. O. 437): ,Der Fabierzug ist der heldenmütig unternommene Versuch, durch die Anlage eines festen Kastells am untern Cremera die für Rom verhängnisvolle Verbindung zwischen Veii und Fidenae zu sprengen.‘ Zuletzt hat Pais (Storia di Roma I 1, 515–523) hervorgehoben, daß manche Züge aus späterer Zeit (vgl. besonders Nr. 40) und namentlich aus einer verwandten Episode der griechischen Geschichte, nämlich der Thermopylenschlacht, hierher übertragen seien; er hat auch eine eingehendere Untersuchung in Aussicht gestellt (a. O. 515, 2. 519, 2). In allen diesen Untersuchungen ist viel Wertvolles und Richtiges enthalten; aber keine von ihnen ist zu einer völlig befriedigenden Lösung des ganzen Problems gelangt. Sie lösen die römische Überlieferung in die verschiedenartigsten Elemente auf (vgl. die charakteristischen Schlußworte bei Pais a. O. 523), aber erklären nicht, wie daraus ein so einheitliches Ganzes entstehen konnte, das Niebuhr (II 228) an ,glänzende Dichtungen‘ denken und Mommsen (R. Forsch. II 254) von dem ,großartigen Ausdruck‘ der ,Fabiertragödie‘ sprechen ließ (ganz unwahrscheinlich die Ansicht, daß der Stoff wirklich von einer römischen Tragödie verwendet worden sei, bei A. Schöne Das histor. Nationaldrama der Römer [Kiel 1893] 15–17). Mag der historische Kern der Tradition auf das geringste Maß beschränkt werden, so bleibt die Tatsache einer schweren Katastrophe des Fabischen Hauses nicht zu beseitigen, und ihr steht die andere gegenüber, daß unmittelbar vorher das Fabische Haus eine Reihe von Jahren hindurch an der Spitze des römischen Staates gestanden hat. Aber jeder Versuch, die beiden Ereignisse in eine Beziehung zueinander zu bringen, würde zu Kombinationen führen, die ebenso haltlos und luftig wären, wie die von den Alten als Geschichte angenommenen und überlieferten. Die Fabiersage hat noch im 19. Jhdt. nicht nur die Historiker angezogen, sondern auch Militärs, wie Moltke (Wanderbuch6 123–131) und den von Abessynien her bekannten O. Baratieri (La leggenda dei Fabi, Rom 1886, mir nur dem Titel nach bekannt), und einen Dichter, G. Freytag (vgl. über Entstehung und Wert seiner 1859 erschienenen Tragödie ,Die Fabier‘ seine eigenen Lebenserinnerungen [Leipz. 1887] 278ff.).

Anmerkungen (Wikisource)

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  1. Corpus Inscriptionum Latinarum I, 218.