Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Sohn d. Hamilkar Barkas, großer Feldherr d. Altertums
Band VII,2 (1912) S. 23232351 (IA)
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8) Hannibal, Sohn des Hamilkar Barkas, der größte Feldherr des Altertums.

1. Jugend- und erste Feldherrnjahre. Das Geburtsjahr H.s ergibt sich aus der bekannten Erzählung vom Schwur am Altar, die uns an einer ganzen Reihe von Stellen überliefert ist (Polyb. III 11, 5. Liv. XXI 1, 4. XXXV 19, 2ff. Nep. Hann. 2. Val. Max. IX 3 ext. 3. Martial. IX 44. Sil. Ital. I 81-43. Flor. II 62. Oros. IV 14. Aur. Vict. de vir. ill. 42). Übereinstimmend wird H.s Alter damals auf neun Jahre angegeben; da nun der Auszug nach Spanien, bei dem jener Vorfall sich ereignete, ganz im Frühjahr 237 stattfand, so ist Frühjahr 247 die obere Grenze für H.s Geburt. Sie kann aber auch nicht viel später angesetzt werden, da Polyb. XV 19, 3 den Feldherrn sich in einer Rede an den Senat Ende 202 als über 45 Jahre alt bezeichnen läßt. Danach ist H. wahrscheinlich Mitte 247 geboren; dazu stimmt die Notiz bei Zonar. VIII 21, 405 D, wonach er bei Übernahme der Feldherrnwürde im J. 221 26 Jahre gezählt habe. Mit der Nachricht Eutrops III 7, 2, daß er bei der Belagerung Sagunts 219 erst 20 Jahre alt gewesen sei, ist nichts anzufangen; wahrscheinlich ist der Einer ausgefallen. Nep. Hann. 3, 2 gibt 25 Jahre, nimmt also als Geburtsjahr 246 an, was mit Livius’ Ansätzen stimmen würde. Frühjahr 237 also ging H. mit dem Vater nach Spanien, wo er blieb; erst nach 36jähriger Abwesenheit, nach seiner Niederläge bei Zama Ende 202, ist er in die Vaterstadt zurückgekehrt (so Polyb. XV 19, 3 = Liv. XXX 37, vgl. die abgeleiteten Stellen XXX 30. 35 und bes. Liv. XXVII 21). Allerdings findet sich bei Liv. XXI 33ff. eine Erzählung, aus der hervorgehen würde, daß H. später nach Karthago zurückgekehrt und erst von Hasdrubal nach Spanien zurückberufen sei. Allein abgesehen davon, daß die ganze Geschichte sich durch ihre schmutzigen Einzelheiten [2324] als Erfindung der antibarkinischen Partei kennzeichnet, leidet sie auch an einer inneren chronologischen Unwahrscheinlichkeit: wenn H. erst nach dem Tode des Vaters d. h. frühestens Anfang 228 nach Spanien zurückging, so stand er im 19. Jahr und konnte also nicht mehr als vixdum pubes (Liv. XXI 3, 2) bezeichnet werden. Wie dem auch sei, seine drei ersten Kriegsjahre diente er unter seinem Schwager Hasdrubal ab, wobei er sich besonders als Reitergeneral auszeichnete (Liv. XXI 4, 1ff. 10. Appian VI 6. Nep. Hann. 3). Nach dem Tode Hasdrubals (221) ward er sofort zum Oberfeldherrn gewählt (Polyb. II 36, 3. III 13, 3. Liv. XXI 3, 1) und vom Volke einstimmig bestätigt (Polyb. III 13, 4).

Noch im selben Sommer (221) unternahm H. einen Kriegszug gegen die Holkaden, die er besiegte und deren Stadt Althaia (Kartala bei Livius) er einnahm, darauf führte er das Heer in die Winterquartiere nach Neukarthago zurück (Polyb. III 13, 5–8. Liv. XXI 5, 3–5). Im folgenden Jahr (220) besiegte er die Vaccäer am oberen Duero und nahm ihre beiden Städte Helmantika (Liv. Hermandica, Polyaen. VII 48 = Plut. de mul. virtut. 10. Salmatis, vielleicht das jetzige Salamanca) im ersten Anlauf, Arbukala erst nach langer Belagerung. Auf dem Rückwege wurde er von einem großen Heer der Karpetaner überfallen, doch gelang es ihm, den Tajo als Deckung zwischen sich und die Feinde zu bringen und diese beim Übergang über den Fluß vollständig zu besiegen (Pol. III 14, 1–10, vgl. Front. II 7, 7). Nachdem dadurch die Ruhe in Spanien völlig gesichert war, ging er nach Neukarthago in die Winterquartiere. Hier empfing er eine römische Gesandtschaft, die in betreff Sagunts Vorstellungen erhob, aber von ihm abgewiesen wurde, (Polyb. III 15, 5–13). Im Frühjahr brach dann H. nach Sagunt auf, das er nach achtmonatlicher Belagerung eroberte und zerstörte (Polyb. III 17, 1–9 Herbst 219), worauf er zum drittenmal Winterquartiere in Neukarthago bezog (Polyb. III 33, 5). Da durch sein Vorgehen gegen Sagunt der Krieg unvermeidlich geworden war (s. den Art. Karthago unter Geschichte), so traf er seine Anordnungen für den Aufbruch, wobei er die Berichte der schon vorher von ihm ausgesandten Kundschafter über die Alpenpässe und die Stimmung in Oberitalien verwertete (Pol. III 34, 5-6). Das Oberkommando in Spanien erhielt sein Bruder Hasdrubal; die Verteilung der zurückgelassenen Besatzungen nahm er noch selber vor – Dislokationsplan nebst genauen Zahlenangaben bei Polyb. III 33, 6ff. nach H.s eigener Aufzeichnung ebd. § 18 – und wartete die formelle Kriegserklärung Karthagos ab. Sobald die Nachricht davon eingetroffen war, rief er das Heer aus den Winterquartieren zusammen und setzte den Tag des Aufbruchs fest.

Quellen. Hauptquelle Polyb. III 13, 3ff., daraus abgeleitet, aber mit selbständigen Zusätzen, deren Herkunft noch nicht sicher festgestellt ist, Liv. XXI 3–15. 21, 1–5; ferner die sog. annalistische Überlieferung bei Flor. II 22, 1–14. Eutrop. III 7–9. Zonar. VIII 23, 409 Aff. Oros. IV 14ff., die ohne selbständigen Wert ist; einzelnes bei Frontin. II 77 (Angriff der Karpetaner). III 10, 4 (Sagunt); neuere Behandlungen Mommsen R. G. I 570ff. Neumann-Faltin [2325] Das Zeitalter der punischen Kriege 255ff. Meltzer Gesch. der Karthager II 417–456. 601–611.

Chronologie. Auszugehen ist vom Beginn des Krieges im Frühjahr 218; vorher erwähnt die Hauptquelle Polybios deutlich dreimalige Winterquartiere in Neukarthago, also muß H. 221 das Kommando übernommen haben. Dies geschah unmittelbar nach Hasdrubals Tod, der nach Polyb.II 36, 1 im ganzen acht, nach Liv. XXI 2, 3 octo ferme annos den Oberbefehl geführt hatte. Da nun Hamilkars Tod ins Spätjahr 229 anzusetzen ist (s. o. S. 2307), so muß Hasdrubal im J. 221 ermordet sein und zwar ziemlich spät, so jedoch, daß in diesem Kriegsjahr noch Zeit zu der Unternehmung gegen die Holkaden blieb. Also Hamilkars Tod gegen Ende 229, Hasdrubals Ermordung und Übernahme des Kommandos durch H. etwa August/September 221. Diese auf Polybios beruhenden Ansätze sind bei weitem der ganz verkehrten Chronologie des Livius vorzuziehen, der Hamilkars Ankunft in Spanien auf 236, seinen Tod auf 227 und Hasdrubals Ermordung auf 220 verschiebt. Dann müssen die spanischen Kriege H.s einschließlich der Belagerung Sagunts in das J. 219 zusammengedrängt werden, was offen mit der genauen Angabe der Winterquartiere streitet, vgl. Liv. XXI 14, 3. Doch hat auch Livius’ Chronologie ihre Verteidiger gefunden, vgl. Meltzer Gesch. d. Karthager II 393f. G. Egelhaaf Hist. Ztschr. N. F. XVII 43lff. W. Sieglin Die Chronologie der Belagerung von Sagunt, Leipz. 1878. Buzello De oppugnatione Sagunti quaestiones chronologicae, Königsb. 1886. Oehler N. Jahrb. XLIII 421f. (1891). Thiaucourt Les causes et l’origine de la seconde guerre punique, Paris 1893.

2. Hannibals Angriff auf Italien. Soweit auch die Ansichten über die Einzelheiten des H.-Zuges auseinandergehen, so hat doch darüber niemals ein Zweifel bestanden, daß das eigentliche Ziel des karthagischen Feldherrn die Vernichtung der römischen Herrschaft in Italien gewesen ist. Zur Erreichung dieses Zieles aber standen H. nur dann ausreichende Streitkräfte zur Verfügung, wenn es ihm gelang, in Italien selbst eine Operationsbasis zu gewinnen, von ihr aus die römische Feldarmee in vernichtenden Schlägen zu besiegen und auf diese Weise das feste Gefüge der römischen Bundesgenossenschaft zu zertrümmern, auf der die Weltstellung Roms beruhte. Diese Operationsbasis konnte nach Lage der Dinge, d. h. bei der unbedingten Überlegenheit der Römer zur See nur in Oberitalien gesucht werden, wohin H. auf dem Landwege gelangen mußte; sie bot dem karthagischen Feldherrn zugleich in den noch nicht völlig unterworfenen gallischen Völkern ein vortreffliches Ergänzungsmaterial für sein Heer, und auf sie hatte er denn auch von Anfang an sein Augenmerk gerichtet, wie die Entsendung der Späher zeigt. Andererseits waren sich die Römer der Gefahr, die von Norden drohte, wohl bewußt; sie hatten den Ebrovertrag mit Hasdrubal nur geschlossen, um Zeit für die Niederwerfung Oberitaliens zu gewinnen. H. mußte also befürchten, daß sie von vornherein seinen Plan durchschauen und somit Zeit gewinnen würden, überlegene Streitkräfte nach Oberitalien zu werfen, um sein vom Alpenmarsch ermüdetes Heer sofort beim [2326] Austritt in die Ebene zu erdrücken. Es kam also darauf an, Rom so lange wie möglich im unklaren über seine eigentliche Absicht zu lassen,, und dazu dienten offenbar die Kämpfe am Ebro, deren große Bedeutung hier hervortritt, Mit Absicht zog H. sie so lange hin, bis er die Nachricht erhielt, daß P. Cornelius Scipio mit seinem Heere zu Schiff nach Massilia abgezogen sei, offenbar um von dort mit Hilfe der Massalioten zur See nach Spanien zu gelangen und die Karthager dort festzuhalten. Sofort überschritt jetzt H., sogar unter Zurücklassung des Gepäcks (Polyb. III 35, 5), die Pyrenäen und gelangte in Eilmärschen bis zur Rhone (Liv. XXI 24, 3): tatsächlich gelang es ihm, das Heer gerade noch hinüberzubringen, bevor Scipios Reiter diesem die Nachricht brachten, daß der Feind, den er noch am Ebro vermutete, nur wenige Tagemärsche von ihm entfernt schon diesseits der Rhone stehe. Unmittelbar nach dem Rhoneübergang bog H. nach Norden ab und zog am linken Ufer stromaufwärts, ein Manöver, das seit Liv. XXI 31, 3 damit erklärt wird, er habe eine Schlacht mit Scipio vermeiden wollen, um möglichst rasch über die Alpen zu kommen. Allein dazu stimmt H.s Verhalten nicht; zunächst ging er in vier tagen bis zur Insel, wo er einige Zeit verweilte, dann legte er nach Polyb. III 50, 1 in zehn Tagen 150 km zurück, d. h. bedeutend weniger als seine Truppen nachher beim Alpenübergang unter den schwierigsten Verhältnissen zurücklegten (Poly. III 56, 3, vgl. mit 39, 9). Das sieht nicht sehr nach übergroßer Eile und nach der Absicht aus, aus Scipios Nähe fortzukommen, vielmehr wird man zu der entgegengesetzten Auffassung gedrängt, daß H. nur deswegen mit so geflissentlicher Langsamkeit vorwärts zog, weil er Scipio hinter sich herlocken und zur Schlacht verleiten wollte, je weiter von dessen Operationsbasis Massilia entfernt, um so besser. Denn wenn Scipio jetzt mit dem ganzen Heere nach Oberitalien ging, so konnte er, der im Besitz der bequemeren Küstenpässe war, vor H. da sein und diesem unmittelbar nach der Ankunft in der Poebene mit frischen Kräften entgegentreten. Viel bessere Chancen bot H. die Schlacht: numerisch war er dem Consul überlegen,k und mit einem Siege mußte er von vornherein rechnen, wenn sein Unternehmen gelingen sollte. Der Sieg aber würde nicht nur die Poebene, sondern wahrscheinlich auch die bequemeren Küstenpässe frei gemacht haben. Allein Scipio tat H. den Gefallen nicht zu schlagen; in richtiger Erkenntnis, daß sein Platz in der Poebene sei, ging er dorthin zurück. Immerhin wer er zu sehr römischer Soldat, als daß er es wagt hätte, den wohlerwogenen Plan des Senats umzustoßen; deshalb schickte er sein Heer, das für Spanien bestimmt war, auch wirklich dorthin: er selbst ging allein zurück und hoffte mit den in der Poebene zerstreuten Streitkräften noch rechtzeitig zur Stelle sein und H. sofort entgegentreten zu können. Diese halbe Maßregel war sein Unglück; sobald H. das erfuhr – nach Polyb. III 61, 1ff war er davon unterrichtet – forcierte er den Alpenmarsch und langte tatsächlich mit einem so bedeutenden Vorsprung in Italien an, daß sein Heer völlig schlachtbereit war, als der Consul heranrückte. Über den Gesamtplan H.s und die Durchführung im einzelnen [2327] L. v. Vincke Der zweite punische Krieg u. der Kriegsplan der Karthager, Berlin 1841. Hennebert Histoire d’Annibal, Paris 1870/91. Neumann-Faltin Das Zeitalter d. punischen Kriege 1883, 270. W. Streit Zur Gesch. des 2. punisch. Krieges, Berlin 1887; vor allem aber Delbrück Gesch. der Kriegskunst I 320ff. und die grundlegende Darstellung Konr. Lehmanns Die Angriffe der drei Barkiden auf Italien, Leipz. 1905, 11ff. 143ff. 151ff., von denen die obige Auffassung in einigen Punkten abweicht.

Noch ein Punkt bleibt vor der eigentlichen Darstellung zu erledigen, die Berechnung der Stärke des Heeres, das H. zur Verfügung stand. Nur eine authentische Angabe darüber ist vorhanden; auf der Erztafel im Heiligtum der Hera Lacinia, die Polybios selbst einsah (III 56, 4), bezifferte H. selber das Heer, mit dem er die Poebene erreichte, auf 20 000 Mann zu Fuß und etwa 6000 Reiter. Für den Ausmarsch aus Neukarthago dagegen gibt Polyb. III 35, 2 das Heer auf 90 000 Mann Fußvolk und 12 000 Reiter an. eine Zahl von ganz unbekannter Provenienz, die ihm den Anlaß gegeben hat, geradezu erstaunliche Verlustzahlen zu berechnen. Die Unterwerfung der Ebrolandschaften müßte 20 000 Mann und 1000 Reiter gekostet haben, denn nach Detachierung weiterer 20 000 Mann und 2000 Reiter, die zur Hälfte zurückgesandt wurden, zur Hälfte am Ebro stehen blieben (Polyb. III 35, 3), 3 waren nur 50 000 Mann und 9000 Reiter übrig, mit denen H. über die Pyrenäen ging (Polyb. III 35, 7). Der durchaus friedliche (s. u.) Marsch durch Gallien bis zur Rhone müßte abermals beträchtlichen Abgang verursacht haben, denn beim Rhoneübergang hatte er nur noch 38 000 Mann und 8000 Reiter (Polyb. III 60, 5) und endlich kostete ihn der Alpenmarsch noch beinahe die Hälfte seiner Armee, nämlich 18 000 Mann und 2000 Reiter. Man sieht, welche Mühe es Polybios gemacht hat, die Anfangszahl des Heeres mit der durch H.s ausdrückliches Zeugnis feststehenden Stärke beim Eintritt in die Poebene in Einklang zu bringen. Seine Angaben sind ebenso abenteuerlich wie die des L. Cincius Alimentus bei Liv. XXI 38, 3, der von H. selber gehört haben wollte, daß er seit dem Rhoneübergang 36 000 Mann verloren habe. Delbrück (326ff.) und Lehmann 131ff, tun also ganz recht, alle diese Angaben zu verwerfen und die Stärke H.s bei Ausmarsch nach eigener Schätzung zu berechnen; die von ihnen gewonnenen Zahlen (40 000 bezw. 36 000 Mann) kommen der Wahrheit jedenfalls erheblich näher, als die überlieferten. Mehr hatte hundert Jahre früher Alexander auch nicht, als er auszog, das persische Weltreich zu erobern.

Im Frühjahr also 218, wahrscheinlich im Mai, verließ H. mit einem Heere von 35–40 000 Mann Neukarthago, überschritt den Ebro und unterwarf in blutigen Kämpfen (μετὰ πολλῆς φθορᾶς ἀνδρῶν) die Völker zwischen Ebro und Pyrenäen (Polyb. III 35, 2. Liv. XXI 22, 5–23, 6). Zur Besatzung ließ er Hanno mit einem stärkeren Truppenteil zurück. Sodann überschritt er die Pyrenäen, rückte in Eilmärschen (Polyb. III 41, 8, vgl.Liv. XXI 24, 3) ohne größere Kämpfe bis zur Rhone und setzte in sechs Tagen das [2328] Heer, am siebenten noch die Elefanten über (Polyb. III 42-45, 5. Liv. XXI 36, 6–38, 12). Die Stelle des Übergangs lag nach Polyb. III 42, 1 nur vier Tagemärsche von der Mündung entfernt; sie kann also weder mit de Luc (Histoire du passage des Alpes par Hannibal 42ff.) bei Roquemaure, noch mit Lehmann 15ff. bei Etienne des Sorts und Mornas gesucht werden, sondern lag vielmehr weiter stromabwärts, näher am Delta, etwa bei Beaucaire, wo auch später die große Straße den Strom überschritt. Von der Übergangsstelle ging der Marsch in vier Tagen bis zur Insel, die nach dem übereinstimmenden Zeugnis von Polyb. III 49, 5 und Liv. XXI 31, 4 durch den Zusammenfluß von Isara und Rhone gebildet ward. Da indessen die Beschreibung bei Polybios nicht stimmt, man auch unmöglich in vier Tagen bis zur Isaramündung gelangen kann, so liegt wahrscheinlich eine Verwechslung mit der Durance vor. Auf der Insel schlichtete er den Streit zweier Häuptlinge (Polyb. III 49, 8ff., ausführlicher Liv. XXI 31, 5), dann bog er nach Livius links ab und zog durchs Gebiet der Trikastiner, Vokontier, Trikorier bis zur Druentia, womit nun natürlich die Isara gemeint sein muß: auch die Beschreibung des Flusses bei Livius paßt viel besser auf sie, als auf die Durance. Von dem Flußübergang erwähnt Polybios nichts, der hier besonders stark gekürzt hat; er bietet nur die Angabe, daß H. von der Insel bis zum Beginn des Alpenanstiegs 150 km (III 50, 1) zurückgelegt habe. Dies würde etwa in die Gegend von Rovon führen, und es ist sehr wohl möglich, daß H. hier sofort und nicht erst, wie Lehmann meint, bei Cularo (Grénoble) die Isère überschritt, weil er auf diese Weise den Bec de l’Echaillon umging, der ein schweres Marschhindernis auf dem Südufer bildete (vgl. die Karte bei Lehmann). Von hier an erfolgt nun der eigentliche Alpenübergang, der in allen wesentlichen Punkten von Polyb. III 50, 1 – 56, 2 und Liv. XXI 32, 6–38, 1 übereinstimmend erzählt wird; er dauerte 15 Tage und fand gegen die Zeit des Frühuntergangs der Pleiaden statt (Liv. XXI 35, 6. Polyb. III 54, 1), d. h. also Ende Oktober, eine Zeitbestimmung, die durch das Eintreten des ersten Neuschnees als richtig erwiesen wird. Der Ort des Übergangs war bereits im Altertum und ist jetzt wieder seit Jahrhunderten Gegenstand der Kontroverse. Die einen (Neumann, Hennebert) lassen Hannibal bis Grenoble dem Lauf der Isère, dann dem des Drac folgen und von hier erst ins Tal der Durance, dann über den Mont Genèvre ins Tal der Dora Riparia übergehen; ihre Ansicht beruht im wesentlichen auf der Erwähnung der Durance nach der Isère bei Livius. Andere (Osiander, Jullian) nehmen ebenfalls an, daß H. zunächst im Isèretal aufwärts zog, dann aber lassen sie ihn durch das Tal des Arc, die Druentia des Livius, den Mont Cenis ersteigen und von hier den Abstieg ebenfalls ins Tal der Dora Riparia nehmen. Lehmann endlich, wie ebenfalls schon andere (z. B. de Luc, Wickham und Cramer) vor ihm, ist der Ansicht, daß H. fast bis zur Quelle das Isèretal benützt und nun von da aus über den kleinen St. Bernhard ins Tal der Dora Baltea gelangt sei. Dazu stimmt, daß nach Pol. [2329] III 56, 2 der Karthager zuerst auf die Insubrer getroffen sei. Nach Liv. XXXI 38, 6 allerdings waren dies nach allgemeiner Ansicht die Tauriner, allein Livius hat hier das Volk, mit dem H. zuerst feindlich zu tun bekam, für dasselbe gehalten, in dessen Gebiet sein Zug endete. Jedenfalls läßt sich seine Angabe nicht dafür als Argument verwerten, daß H. das Tal der Dora Riparia d. h. also über den Mont Genèvre oder Mont Cenis herankam. Im allgemenein spricht die Wahrscheinlichkeit entschieden für den kleinen St. Bernhard, wie zuletzt Lehmann dargetan hat (55ff. 71ff.). Die Literatur s. bei Lehmann VIII–X, dazu Colin Annibal en Gaule, Paris 1904, und Camille Jullian Histoire de la Gaule I 451ff; Jahresberichte des philol. Vereins in Berlin (Ztschr. f. d. Gymnasialwesen 1898ff.).

Nach kurzer Rast, die er den Truppen gönnte, unterwarf H. zunächst die mit den Insubrern verfeindeten Tauriner und besiegte dann den Consul P. Cornelius Scipio, der inzwischen über Pisa und die Apenninpässe nach Oberitalien gelangt war und die dortigen Streitkräfte an sich gezogen hatte, in der Reiterschlacht am Tessin (Pol. III 51-65. Liv. XXXI 39-46), bei Victumulae (Liv. XXI 45, 3) südöstlich von Vercelli. Dann überschritt er den Po und folgte dem verwundeten Gegner bis Placentia, wo er ein Lager aufschlug und fast das ganze Pogebiet zum Aufstand brachte. Um nicht abgeschnitten zu werden, zog sich der Consul näher an den Apennin heran und nahm hinter der Trebia Aufstellung (Polyb. III 66, 1-68, 5. Liv. XXI 47, 1-48, 7; beide begehen den Irrtum, Placentia links von der Trebia anzusetzen, s. Neumann-Faltin a. a. O.). H. folgte ihm und schlug in einer Entfernung von 7 km ebenfalls ein Lager auf, so daß der Fluß zwischen ihm und seinem Gegner lag; unmittelbar darauf nahm er Clastidium durch Verrat (Polyb. III 69, 1ff. Liv. XXI 48, 8ff.). Inzwischen war der zweite Consul, Ti. Sempronius Longus, vom Senat aus Sizilien heimberufen, wo er den Übergang nach Afrika plante. Von Ariminum aus – wie sein Heer dorthin gelangte, ist unsicher, vgl. die widersprechenden Angaben bei Polyb. III 61, 10. 68, 12ff. und Liv. XXI 51, 6 – kam er dem Kollegen zu Hilfe und vereinigte sich mit ihm im Lager an der Trebia. Da H. wußte, daß er zum Kampf entschlossen war, so suchte er ihn noch besonders dazu zu reizen, indem er ein Gefecht der Leichten in einem ungünstigen Augenblick abbrach (Polyb. III 69, 5–14. Liv. XXI 51, 2–11). Auf diese Weise gelang es ihm, den Consul über die Trebia auf das wohl vorbereitete Schlachtfeld zu locken und hier völlig zu besiegen (Mittwinter 218). Nur 10 000 Mann brachen durch und retteten sich nach Placentia, wohin sich auch ein Rest Versprengter noch flüchtete, so daß den Römern die Schlacht rund 20 000 Mann gekostet haben muß. H.s Zweck war erreicht, die Operationsbasis gewonnen, endlich bezog er die Winterquartiere in der Poebene, wahrscheinlich ziemlich nahe dem Nordabhang des Apennin (Polyb. III 70, 1–74, 11. Liv. XXI 53, 1–56, 9).

Quellen. Hauptquelle in diesem ganzen ersten Teil des Feldzuges ist Polyb. III 35-74, der hier einen gekürzten Auszug einer älteren karthagischen [2330] Quelle, vielleicht Seilenos, bietet. Daneben hat nur Liv. XXI 22–56 selbständigen Wert; doch geht das Urteil über das Verhältnis der Quellen sehr auseinander. Das Wahrscheinlichste ist, daß Livius den Bericht des Polybios zu Grunde legte und hier und da aus andern Schriftstellern ergänzte, unter denen vielleicht aber auch die Quelle des Polybios, also Seilenos war. Vgl. über das Verhältnis bei den Quellen vor allem Hesselbarth Histor. krit. Untersuchungen zur 3. Dekade des Livius, Halle 1889, der eine direkte Benützung des Polybios durch Livius erwiesen hat. Ferner Peter Über die Quellen des 21. und 22. Buches des Livius, Pforta 1863. Soltau Livius Quellen in der 3. Dekade, Berlin 1894. A. Sanders Die Quellenkontamination im 21. und 22. Buche des Livius, Berlin 1898 und für die vorliegende Partie besonders Konr. Lehmann 81ff. Die übrigen Quellen Nep. Hann. 3. 4. Flor. I 22, 1–14. Eutrop. III 7–9. Appian. Hann. 4ff. Zonar. VIII 23, 409 A-25, 412 C. Oros. IV 14–15; dazu einzelnes bei Polyaen. VII 48 (Einnahme von Salmatis), Frontin. II 7, 7 (Abzug der Karpetaner), II 10, 4 (Sagunt), II 5, 23 (Trebia) haben keinen selbständigen Wert. Neuere Darstellungen bei Neumann-Faltin 270–319, Lehmann 11-185. Über die Chronologie der Ereignisse s. u.

3. Die Gewinnung einer neuen Operationsbasis in Unteritalien. Über die Ereignisse des Winters in Oberitalien sind wir nur durch Livius unterrichtet. Danach machte H. zunächst den vergeblichen Versuch, sich des Hafens von Placentia zu bemächtigen, und eroberte das Kastell Victumvia (Liv. XXI 57, 9–14). Bei den ersten Anzeichen des Frühlings versuchte er den Apennin zu überschreiten, was sich aber infolge des schweren Wetters als unmöglich erwies (Liv. XXI 58, 1–11). H. ging daher auf Placentia zurück, wo ihm Sempronius ein hitziges aber unentschiedenes Treffen lieferte (XXI 59, 1–9). Der Consul rückte darauf nach Lucca, H. ins Gebiet der Ligurer, wo ihm mehrere vornehme Römer ausgeliefert wurden, vgl. Jung Hannibal bei den Ligurern in Wien. Stud. XXIV (1902) 152ff. 313ff. Von allem diesen erwähnt Polybios nichts, außer der kurzen Notiz, daß H. im Keltenlande überwintert habe. Da die Ereignisse fast sämtlich den Römern günstig und nachteilig für H. sind, so werden sie der römischen annalistischen Überlieferung entstammen, die Livius ja eingestandenermaßen öfter benützt hat. Einen Schritt weiter geht Varese (Cronologia Romana vol. I Roma 1908, 258–272), indem er das Reitergefecht, bei dem H. verwundet wird (c. 57, 9), für eine römische Dublette des Treffens am Ticinus erklärt, und ebenso soll der Kampf bei Placentia (c. 59. 1) die annalistische Darstellung der Trebiaschlacht sein, die Livius seinem Bericht einfügte, ohne zu merken, daß er zweimal dasselbe erzählte; wahrscheinlich geht sie auf den schönfärberischen Bericht des Consuls an den Senat (Polyb. III 75, 1) zurück. Dies ist nun sicher unrichtig, da der Consul in seinem Bericht den unentschiedenen Ausgang des Kampfes dem Sturm zuschrieb, während die Schlacht in c. 59, 1 infolge der einbrechenden Dunkelheit abgebrochen werden mußte. An sich enthalten die von Livius erzählten Ereignisse [2331] nichts Unwahrscheinliches; daß das immerhin doch noch etwa 20 000 Mann starke römische Heer in Placentia und Cremona während des ganzen Winters mit einem Mann wie Tib. Sempronius an der Spitze, ruhig dagelegen habe, ist nicht sehr glaublich. Eigentümlich ist die Notiz, daß der Consul nach Lucca gegangen sei; dann hat es sich wohl bei der c. 59, 1 erwähnten Schlacht um einen erfolgreichen Durchbruch eines Teiles der römischen Armee nach Süden gehandelt. Vgl. über diese Ereignisse Seeck Hermes VIII 152ff. Matzat Römische Zeitrechnung 112ff. Thouret Rh. Mus. N. F. XLII 426. Strittig ist besonders die Chronologie. Nach Polyb. III 54, 1 war beim Alpenübergang die Zeit des Frühuntergangs der Pleiaden (Ende Oktober) in der Nähe, vgl. auch Liv. XXI 35, 6 occidente iam sidere Vergiliarum, H. muß also Ende Oktober in Italien angelangt sein. Rechnet man für die Nachricht nach Rom und die Rückberufungsordre an Tib. Sempronius in Lilybaion vierzehn Tage bis drei Wochen, so kann dieser etwa in der zweiten Novemberwoche aufgebrochen sein. Der Marsch bis Ariminum dauerte (Polyb. 61, 10–12. 68, 12–15) vierzig Tage, was für die Entfernung von 1400 km allerdings sehr kurz erscheint (vgl. Varese a. a. O. 271); indessen auch wenn man darin nur die Zeit für den Marsch bis Rom sieht, so bleibt es immerhin möglich, daß der Consul in rund 60 Tagen von Lilybaion bis zum Kriegsschauplatz an der Trebia gelangte. Die Schlacht muß also etwa Ende Dezember oder in der ersten Januarhälfte geschlagen sein, und dazu stimmt wieder Polybios’ Angabe οὔσης τῆς ὥρας περὶ τὰς χειμερινὰς τροπάς Polyb. III 72, 3. Dann fallen die übrigen von Livius genannten Ereignisse etwa in den Vorfrühling des J. 217. Gegen diese Chronologie erhebt Varese Einspruch, indem er sich vor allem auf den Schlachtbericht bei Liv. XXI 59, 1ff. stützt, der nach ihm die richtige Darstellung der Trebiaschlacht gibt. Diese schloß sich also an den Apenninübergang H.s im Vorfrühling 217 an, und so kommt er zu der Ansetzung des Sieges an der Trebia auf den April 217. Dadurch wird die Chronologie wesentlich verschoben: H. erschien nach Varese im November 218 in Oberitalien, die Schlacht am Ticinus fällt spät in den November, sodaß allerdings sehr reichlich Zeit für den Truppenmarsch Lilybaion-Ariminum bleibt. Doch scheitert die Ansicht Vareses an der Schlachtbeschreibung selber; wenn der Einbruch der Dunkelheit die Entscheidung verhinderte, so kann eben die Schlacht nicht im April erfolgt sein. Denn H.s Gegenangriff erfolgte am Nachmittag um 3; es wäre also im April noch reichlich drei Stunden hell gewesen, so daß eine Entscheidung sehr wohl möglich war. Vielmehr deutet dieser Umstand darauf hin, daß die Schlacht (59, 1) innerhalb der eigentlichen Wintermonate, also November bis Februar geschlagen sein muß. Es muß also bei der alten Chronologie des Polybios verbleiben.

Im Frühling 217 versammelten sich die römischen Truppen in Ariminum, wohin das Heer von Placentia und Cremona zu Schiff gelangte, (Liv. XXI 63, 1. 15). Dort übernahm Flaminius die vier allerdings in ihrem Bestände verminderten Legionen des Polandes (nach Appian. Hann. 8 [2332] übernahm sie gerade Servilius, vgl. Neumann-Faltin 328, 1) und begab sich nach dem ihm zugewiesenen Posten Arretium in Etrurien; inzwischen wird Servilius auch seinerseits nach Ariminum gekommen sein, obwohl das nicht erwähnt wird. Bei Polyb. III 77, 1 sieht es so aus, als ob beide Consuln direkt von Rom aus in die ihnen angewiesenen Stellungen gelangen. Sobald H. hörte, daß Flaminius vor Arretium stehe, brach er Anfang Frühjahr (ἅμα τῷ τὴν ὥραν μετaβάλλειν Polyb. III 78, 8, vgl. Liv. XXII 1, 1) auf und überschritt den Apennin auf dem kürzesten Wege, um nach Etrurien zu gelangen. Merkwürdig ist, daß die Quellen den Apenninübergang gar nicht, dagegen sehr ausführlich den Marsch durch die Sümpfe schildern (Polyb. III 79, 1–12. Liv. XXII 2, 2-11), deren Lage leider nicht mit Sicherheit zu bestimmen ist (vgl. darüber die Literatur Nissen Rh. Mus. XXII 565; )Ital. Landesk. I 208. Neumann-Faltin 330ff. Faltin Herm. XX 71ff.; Rh. Mus. N. F. XXXIX 556. Jung Wien. Stud. XXII [1902] 152–193. 313-324. Fuchs Wien. Stud. XXIV [1904] 118–150). Strabon V 217 verlegt sie noch in die Polandschaft, was Niese Grundriß d. römischen Geschichte⁴ 114, 2 für richtig hält, während Nissen die Sümpfe im Tal des Ombrone unterhalb von Pistoja am unteren Arnolauf sucht. Jung meint, H. sei aus dem Gebiet der Ligurer über den Paß von Pontremoli ins Arnotal vorgedrungen (außer Liv. XXI 59, 10 läßt auch Nep. Hann. die Karthager aus Ligurien kommen); das würde ebenfalls die Ansetzung am unteren Arnolauf erfordern. Für diese Auflassung spricht Polyb. III 82, 1, bei dem H. unmittelbar nach dem Marsch durch die Sümpfe von der Gegend von Fiesole aus an Flaminius vorbei in Etrurien einbricht. Ganz anders Josef Fuchs, bei dem H. von Forli, nördlich vom Apennin aus, zwischen den römischen Heeren durch auf der Linie Meldola-S. Piero-Bibbiena über den Mandriolipaß ins obere Arnotal gelangte, das damals weit und breit überschwemmt war. Bei seinem Weitermarsch an Flaminius vorbei läßt sich dann genau der Ausdruck des Livius XXII 3, 6 laeva relicto hoste Faesulas petens medio Etruriae agro praedatum profectus geltend machen. Die Sache ist nicht zu entscheiden, da die beiden Hauptzeugen Gegenteiliges berichten.

Nach dem Marsch durch die Sümpfe rückte H. an dem bei Arretium stehenden Consul vorbei tiefer in Etrurien hinein unter fortwährenden Plünderungen und Verheerungen, die darauf berechnet waren, den H. wohlbekannten Charakter des Flaminius als Draufgänger nur noch mehr zu reizen. Tatsächlich eilte denn auch Flaminius, ohne die Ankunft seines Kollegen zu erwarten, in Eilmärschen hinter H. her, der ihm auf der Straße von Cortona nach Perusia, da wo diese am Nordufer des trasimenischen Sees entlang ging, einen Hinterhalt legte. Infolge mangelhafter Aufklärung rückte der Consul in das ziemlich einem Hohlweg ähnelnde Gelände ein, wo sein Heer von den rings auf den umgebenden Höhen aufgestellten Karthagern angegriffen und fast in der Marschordnung zusammengehauen wurde. Nur die Spitze, 6000 Mann, vermochte sich durchzuschlagen, ward aber schon am folgenden Tage [2333] von H.s Unterführer Maharbal umzingelt und zur Übergabe genötigt (Polyb. III 82, 1–85, 6. Liv. XXII 4, 1–7, 5 nach Fabius Pictor). Von Verlustangaben ist bei Livius die Zahl des Fabius erhalten, 15 000 Gefallene; nach Polybios gab es ebensoviel Gefangene. Dagegen ist die Zahl der 10 000 Versprengten bei Livius sicher zu hoch gegriffen: tatsächlich wird Flaminius nicht viel mehr als 30 000 Mann gehabt haben. Über den Ort der Schlacht ist lange gestritten worden Nissen Rh. Mus. XXII 565ff. Stürenburg De Romanorum clade Trasimenna et Cannensi, Leipz. 1883. 1889. Faltin Rh. Mus. XXXIX 260ff. Voigt Berl. philol. Wochenschr. 1883 nr. 50. Grundy Journ. of Philology XXIV (1895) 83ff. XXV (1896) 273ff. Henderson ebd. XXV 112ff. Fuchs Wiener Stud. XXVI (1904) 118ff. Reuß Klio VI (1906) 226ff. E. Sadée Klio X 48–60). Meist entschied man sich für die kleine Ebene von Tuoro am Nordwestufer des Sees, bis Kromayer auf dem Grazer Philologentag 1909 sich für eine Stelle weiter östlich zwischen Passignano und Montecolognola erklärte, wo das Gelände genau den Schilderungen bei Livius und Polybios entspricht (Neue Jahrb. f. d. klass. Altert. 1910 I 185-200). Die dagegen erhobenen Einwände von Fuchs (Ztschr. f. d. österr. Gymn. LXII 1911, 97ff.) und Reuß (Rh. Mus. 1910, 352–358) sind meines Erachtens durch Groebe völlig widerlegt (Ztschr. f. d. österr. Gymn. LXII 1911, 590-600). Schwieriger ist es, über die Zeit der Schlacht ins reine zu kommen. Nach der Erzählung, wie sie bei Livius und Polybios vorliegt, muß man annehmen, daß die Ereignisse sich Schlag auf Schlag vollzogen haben, daß also zwischen H.s Aufbruch und der Schlacht am Trasimenus höchstens 3–4 Wochen liegen, und demzufolge wird die Schlacht meist in den Ausgang April gesetzt. Allein mit vollem Recht macht Varese a. a. O. darauf aufmerksam, daß diese Ansicht völlig mit Polyb. V 101, 3–5 (vgl. 95, 5) unvereinbar ist, wo erzählt wird, daß Philipp von Makedonien die Nachricht von der Niederlage am Nemeenfest, d. h. Ende Juli oder Anfang August, empfing und daraufhin sofort Friedensunterhandlungen mit den Aitolern einleitete. Nun war die Nachricht allerdings über Makedonien gegangen (s. Polyb. a. a. O.), allein es ist doch völlig unmöglich, daß die Kunde von einem so gewaltigen Ereignis drei Monate gebraucht haben soll, um bis zu Philipp zu gelangen. Das Höchste sind etwa vier Wochen, und wenn man das annimmt, so kommt man auf Ende Juni für die Schlacht am Trasimenus und Ende Mai als Datum für H.s Aufbruch. Allerdings wäre das reichlich spät, allein es scheint, als ob die Karthager überhaupt selten vor Mitte Mai ausrückten. Anzumerken ist immerhin, daß die offizielle römische Chronologie den 21. oder 22. Juni als Schlachttag bezeichnete (Ovid. fast. VI 705).

Inzwischen hatte sich auf die Nachricht von H.s Übergang über den Apennin der Consul Cn. Servilius von Ariminum aus in Marsch gesetzt, um dem Kollegen zu Hilfe zu kommen; die Reiterei, 4000 Mann unter Cn. Centenius, hatte er vorausgesandt. Sobald H. davon hörte, schickte er gegen sie Maharbal mit Numidern und Balearern [2334] ab, dem es gelang, einen Teil der Reiterei zu vernichten und den Rest zur Übergabe zu nötigen (Pol. III 86, 1-5. Liv. XXII 8, 1–9, 1). Nach Appian. Hann. 10, der einen etwas abweichenden Bericht hat, soll das Treffen am See von Plistia stattgefunden haben (Jung Wien. Stud. XVIII 1896, 99ff.). Inzwischen marschierte H. durch Umbrien weiter – der mißglückte Angriff auf Spoleto ist wohl römische Erdichtung – nach Picenum bis ans Adriatische Meer, wo er seinen Truppen Ruhe gönnte und zur See mit Karthago in Verbindung trat (Pol. III 87, 1–5. Liv. XXII 9, 1–5). Hier führte er auch die Neubewaffnung der Afrikaner aus den römischen Beutestücken durch (Polyb. III 87, 3). Nach weiteren Verwüstungen des bundesgenössischen Gebiets an der adriatischen Küste ging er nach Apulien, wohin ihm der mittlerweilen ernannte Dictator Fabius mit den zwei Legionen des Servilius und zwei neuen folgte. Fabius vermied die offene Feldschlacht und suchte H. in kleineren Gefechten und Überfällen Abbruch zu tun (Polyb. III 85, 6-90, 6. Liv. XXII 9, 7-12, 12. Plut. Fab. 5). Nun brach H. über den Apennin in Samnium ein, das er ebenfalls verwüstete, und gelangte von Allifae im oberen Volturnustal über den Paß, den Polybios Eribianus, Livius Callicula nennt, bei Cales vorbei in die reiche Fruchtebene am unteren Volturnus nach Casilinum. Von hier aus brandschatzte er die weite, prachtvolle Ebene und den angrenzenden Ager Falernus; als er jedoch, mit ungeheurer Beute beladen, auf demselben Wege abziehen wollte, verlegte ihm Fabius, der inzwischen Casilinum und die Pässe besetzt hatte, den Weg. Nur durch List gelang es H., dennoch durchzubrechen und den Römern eine empfindliche Schlappe beizubringen (Polyb. III 92, 1 -94, 6. Liv. XXII 13, 1–18, 4. Plut. Fab. 6. 7). Dann wandte er sich nach Gereonium an der Nordgrenze Apuliens, eroberte die Stadt – nach Livius war sie teilweise durch ein Erdbeben zerstört und von den Bewohnern verlassen – und bezog hier die Winterquartiere (Polyb. III 100, 1–8. Liv. XXII 18, 5–10). Dabei erfocht der Reiteroberst Minucius in Abwesenheit des Dictators einige kleine Vorteile über ihn (Polyb. III 100, 9–102, 11. Liv. XXII 23, 9-24, 14. Plut. Fab. 8. 9), die in Rom derartige Begeisterung erregten, daß man Minucius zum zweiten Dictator ernannte. Die Sache steht, so seltsam sie ist, doch durch Polyb. III 103, 3 und die Weihinschrift des Minucius CIL I 1503 fest; danach ist Liv. XXII 31, 8 Versuch, eine Prodictatur zu konstruieren, als spätere Erfindung abzuweisen (vgl. auch Niese Röm. Gesch.⁴ 115, 1). Bald darauf ließ sich Minucius unvorsichtigerweise mit den ihm zugefallenen zwei Legionen in einen Kampf mit H. ein, der mit seiner Niederlage geendet haben würde, wenn ihm nicht Fabius mit dem Rest des Heeres zu Hilfe gekommen wäre (Polyb. III 103, 1–105, 11. Liv. XXII 25, 1–31, 11. Plut. Fab. 10–13). Die Zeit ist nicht ganz sicher. Nach Livius (XXII 31, 7) neigte sich Fabius’ Dictatur dem Ende zu und es war medium autumni (c. 32, 1), woraus sich ergibt, daß Livius die Schlacht am Trasimenus etwa Ende April setzt. Nach Polybios III 106, 1 (vgl. Plut. Fab. 14, 1) legten die Dictatoren ihr Amt erst nach der Consulwahl nieder, d. h. Anfang 216, was [2335] nur dann stimmt, wenn die Schlacht Ende Juni stattfand. Dies wird das Richtige sein (s. o.); inzwischen übernahmen bis zur Ankunft des Aemilius und Terentius Varro die Consuln des J. 217, Servilius Geminus und der an Flaminius’ Stelle nachgewählte Atilius Regulus das Heer (Polyb. III 106, 2. Liv. XXIX 32, 1). Der Rest des Winters verging ohne Zwischenfälle. Trotz seines glänzenden Sieges bedeutete für H. der Feldzug des J. 217 einen Mißerfolg. Die gallische Operationsbasis hatte er aufgegeben, offenbar weil die erwartete Massenerhebung der Kelten gegen die römische Herrschaft nicht erfolgte: nur eine ziemlich große Anzahl Gallier hatte Dienste bei ihm genommen. Andererseits hatte er eine neue Operationsbasis noch nicht gewonnen, da trotz seiner unbezweifelten und durch Fabius’ Verhalten glänzend bestätigten Überlegenheit im Felde sich bisher kein einziger römischer Bundesgenosse ihm angeschlossen hatte.

Spät im Frühjahr, sicherlich nicht vor Ende Mai 216, brach H. von Gereonium auf und nahm zuerst Cannae mit den dort lagernden Vorräten weg. Inzwischen hatte in Rom die Kriegspartei wieder die Oberhand gewonnen, weil man von einer Fortsetzung der hinhaltenden Kriegführung des Fabius den Abfall der Bundesgenossen fürchtete. Die Consuln hatten also den Befehl zu schlagen; es ist spätere Erfindung, wenn wie bei Livius und teilweise auch schon bei Polybios Varro die Hauptschuld an der Schlacht zugewiesen wird. Beide Consuln nahmen deshalb sofort nach ihrem Erscheinen Fühlung mit H., der bei Cannae lagerte. Der Ort der Schlacht ist sehr umstritten, besonders ob er auf dem linken oder auf dem rechten Ufer des Aufidus lag (Hesselbarth De pugna Cannensi, Gött. 1874. Schwab Das Schlachtfeld v. Cannae, Progr. d. Wilhelms-Gymn. in München 1897/8. Wilms Beil. d. Wilhelms-Gymn. in Hamburg 1895. Fry Engl. hist. Review XII (1897) 748ff. Hartwig Berichte d. freien deutschen Hochstifts 1898 treten für das rechte, Stürenburg Progr. d. Thomasschule in Leipzig 1883 und besonders Delbrück Gesch. d. Kriegskunst I 291 ff. mit größerem Recht für das linke Ufer ein). Nach einigen kleineren Gefechten kam es zur Schlacht von Cannae, die mit einer vernichtenden Niederlage der Römer endete (Polyb. III 107, 1–118, 12. Liv. XII 34, 1–61, 15). Über den Kampf liegt ein ausgezeichneter Bericht bei Polyb. 113ff. vor, den Delbrück in letzter Linie auf H. selbst zurückführt; auch Livius hat ihn benützt und stellt die Sache mit kleinen Abweichungen ebenso dar; die beste Analyse der Schlacht, der man fast in allem zustimmen kann, bei Delbrück I 281–304. Über die Verluste lauten die Angaben sehr verschieden, Polyb. III 117, 1 rechnet 67 000 Mann an Toten und 5630 Reiter, dazu 10 000 Gefangene, die bei der Einnahme des Lagers gemacht wurden, so daß nur 3000 Mann zu Fuß und 570 Reiter entkommen wären. Liv. XXII 49, 15 gibt 45 500 Mann Infanterie und 2700 Reiter als tot an; gefangen sind nach ihm 3000 Mann und 1500 Reiter; von den 17 000 Mann, die sich nachher im Lager zusammenfanden, sollen noch 6000 Mann entkommen sein (vgl. c. 50, 11 und 52, 4). Umgekehrt wird H.s Verluat von Polybios auf 5700, [2336] von Livius auf 8000 angegeben, Liv. XXII 52, 4. Delbrück ist geneigt, den geringeren Angaben des Livius Glauben zu schenken; richtig ist vor allem seine Bemerkung (a. a. O. 297), daß die Zahl der Entkommenen viel größer gewesen sein muß, da die Römer aus ihnen zwei Legionen bilden konnten.

Unmittelbar nach der Schlacht begann der Abfall der Bundesgenossen, doch bezeichnet die Liste bei Liv. XXII 61, 11–12 nicht die zunächst Abgefallenen, sondern das Abfallgebiet in seiner größten Ausdehnung. H. selber drang in Samnium ein, nahm Compsa durch Verrat und machte einen vergeblichen Versuch, sich Neapels zu bemächtigen. Dagegen schloß sich Capua ihm an (Liv. XXIII 1–10, die Bedingungen Liv. XXIII 7, 1), was den Abfall vieler anderer Städte zur Folge hatte (Polyb. VII 1, 4). Nuceria und Acerrae eroberte er, während Nola und Casilinum ihm hauptsächlich durch Claudius Marcellus verteidigt, widerstanden; dann bezog er die Winterquartiere in Capua (Liv. XXIII 14, 5-18, 16). Was den früh (schon bei Livius von Maharbal) gegen H. erhobenen Vorwurf betrifft, daß er nicht sofort nach der Schlacht einen Versuch auf Rom gemacht habe, so ist so viel jetzt allgemein zugestanden, daß H.s Heer dazu in keiner Weise ausreichte, ganz abgesehen davon, daß es doch auch in der Schlacht gelitten hatte (vgl. Delbrück 309, der 20 000 Verwundete annimmt, was allerdings meines Erachtens viel zu hoch gegriffen ist). Allenfalls genügten seine Truppen, Rom zu zernieren, allein dies Unternehmen hätte nur dann Aussicht auf Erfolg gehabt, wenn die karthagische Flotte die See beherrscht hätte, woran kein Gedanke war. Endlich lag eine Belagerung Roms in diesem Zeitpunkt durchaus nicht in H.s Kriegsplan, der erst den italischen Bund zertrümmern wollte, wozu jetzt die beste Aussicht vorhanden war. So begnügte er sich damit, eine neue und viel günstigere Operationsbasis in Unteritalien gewonnen zu haben, die ihm Verbindungen nach allen Seiten, vor allem mit der Heimat, gewährte.

Quellen: Mit der Schlacht von Cannae bricht die zusammenhängende Erzählung des Polybios in Buch III ab, auch Livius schließt mit ihr sein XXII. Buch, was schwerlich Zufall ist. Für das Verhältnis beider Schriftsteller gilt das oben Gesagte. Wenig Neues bietet Plutarch im Leben des Fabius und des Marcellus: er beruft sich auf Livius, benützt aber wohl eine Livius sehr nahestehende Erzählung und hat seiner Gewohnheit nach auch noch einiges aus andern Schriftstellern, z. B. Poseidonios, angefügt. Ziemlich wertlos ist Appians Bericht, wie das Delbrück an der Schlacht von Cannae nachgewiesen hat (298ff.), und das Gleiche gilt von den übrigen Darstellungen bei Nep. Hann. 4 ff. Oros. Eutr. Zonaras. Interessant ist die Notiz bei Macrob. Sat. I 16, 26, wonach Q. Claudius (doch wohl Quadrigarius, der nach Liv. XXV 19, 2 die Annalen des Acilius aus dem Griechischen übersetzte) als Schlachttag a. d. IV Non. Sext., d. h. also den 2. August, angab. Wenn das richtig sein sollte, so müßte H. noch später, nicht vor Ende Juni, die Winterquartiere von Gereoniom verlassen haben, da die Ereignisse von da bis zur Schlacht nach der Darstellung bei Livius [2337] und Polybios kaum mehr als einen Monat erfordert haben können. Vareses Versuch (Cronologia Romana 28 und 280ff.), die Schlacht in den September hinabzurücken, scheitert daran, daß dann Polybios sie nicht im III., sondern im VII. Buch erzählt haben würde, wo Capuas Abfall berichtet wird. Offenbar fiel die Schlacht kurz vor das Ende der 140. Olympiade, also spätestens Anfang August. Neuere Darstellung Neumann-Faltin 327–363.

4. Der Krieg in Italien bis zur Schlacht am Metaurus (215–207). Übersicht. Das J. 215 zeigt H. auf dem Gipfel seiner Macht, die süditalischen Bundesgenossen fielen ihm zu, das Bündnis mit Makedonien, der Tod Hierons von Syrakus erweckten die vorteilhaftesten Aussichten für die Zukunft; nur in Spanien hatten die Römer einige Vorteile erzielt. Allein sofort erfolgte der Niedergang, da die Heeresleitung in Karthago, anstatt den besten Feldherrn, den sie hatte, an der wichtigsten Stelle zu unterstützen, ihre Kraft auf die Nebenkriegsschauplätze zersplitterte. Dadurch gelangten die Römer in die Lage, den Vorteil der überlegenen Volkskraft für sich auszubeuten: H.s Untätigkeit in den J. 214–212 zeigt deutlich, wie er durch die geringe Stärke seines Heeres, das nur einmal einen ganz geringen Ersatz von Karthago erhielt, an einer energischen Kriegführung verhindert ward. So vermochte er Capua nicht zu entsetzen, und damit fiel sein eigentlicher Plan, die Zertrümmerung des italischen Bundes, in sich zusammen. Die letzte Hoffnung beruhte nun darauf, daß er durch Hasdrubal noch einmal aus Spanien Verstärkung bekam – wahrscheinlich hatte dieser Gedanke schon im ursprünglichen Kriegsplan der Karthager gelegen. Mit seinem Mißlingen war die letzte Aussicht geschwunden; insofern ist die Schlacht am Metaurus die Entscheidungsschlacht des ganzen Krieges.

Im Herbst und Winter, während H.s Heer in Capua in den Winterquartieren lag, eroberte sein Unterfeldherr Himilkon Bruttium (Liv. XXIII 30, 1–9, vgl. das Bruchstück des Polyb. VII 1, 3–4 über die Belagerung von Poetelia). Im Anfang des Sommers bezog H. ein Lager auf dem Berge Tifata, wo ihn die Gesandten König Philipps nach mancherlei Fährlichkeiten erreichten (Liv. XXIII 33, 1ff. Mit diesem schloß er ein Bündnis, dessen Bedingungen Liv. XXIII 33, 10–12 angibt; es ist interessant, daß der von Polyb. VII 9. 1–17 ausführlich mitgeteilte Eid H.s außer den allgemeinen Versicherungen gegenseitiger Hilfeleistung nur die Bestimmung enthält, daß im Fall des Sieges die illyrischen Besitzungen der Römer Philipp zufallen sollen (vgl. über das Verhältnis beider Berichte Egelhaaf Hist. Ztschr. N. F. XVII 456). Im übrigen setzte H. seine Bemühungen fort, einen Seehafen zu gewinnen, indessen mißlang der Anschlag auf Cumae, und H. ging in das Lager auf dem Tifata zurück, wo er eine neue Gesandtschaft Philipps antraf, da die erste bei der Rückkehr von den Römern abgefangen war (Liv. XXII 39, 1–4). Alsdann brach er gegen Marcellus in Nola auf, während gleichzeitig Hanno, der an Himilkons Stelle getreten zu sein scheint, aus Bruttium anrückte (Liv. XXIII 43, 5-6). Nach einem unglücklichen Treffen unter [2338] den Mauern der Stadt (Liv. XXIII 44, 3–46, 5. Plut. Marc. 9–12), dessen Bedeutung in der römischen Überlieferung gewaltig aufgebauscht worden ist, sandte er Hanno nach Bruttium zurück, er selbst ging nach Arpi in die Winterquartiere (Liv. XXIII 46, 8. XXIV 3). Während des Sommers – die Zeit ist ungewiß, s. den Art. Hieronymos – wahrscheinlich aber noch in Campanien empfing er die Gesandtschaft des Königs Hieronymos, der durch den Tod seines Großvaters Hieron zur Regierung gelangt sofort Verhandlungen mit H. anknüpfte. Dieser sandte aus seiner Umgebung H. (s. Nr. 9) den Trierarchen, Hippokrates und Epikydes nach Syrakus, um dort die karthagische Sache zu führen (Polyb. VII 2, 3ff. Liv. XXIV 6, 1). Hingegen blieben die ihm zugedachten Verstärkungen aus, sie waren mit seinem Bruder Mago nach Spanien und ein zweites bedeutendes Korps nach Sardinien dirigiert worden. Nur ein kleines Korps numidischer Reiter landete in Süditalien und vereinigte sich mit den Truppen des dort operierenden Hanno (Liv. XXIII 41, 10–12); vielleicht sind dies die c. 13, 7–8 erwähnten 4000 numidischen Reiter.

Auf die Nachricht, daß die Römer damit umgingen, Capua zu belagern, brach H. im Frühjahr (Liv. XXIV 12, 3) von Arpi auf und bezog sein altes Lager auf dem Tifata. Hier empfing er ein paar vornehme Tarentiner, die ihm die Stadt in die Hände zu spielen versprachen. H. beschloß, ihnen zu folgen, versuchte indes vergeblich, vorher noch Puteoli und Nola zu überrumpeln (Liv. XXIV IB. 17). Vor Tarent angelangt, erkannte er, daß die Römer ihm zuvorgekommen, waren, und bezog in Salapia die Winterquartiere (Liv. XXIV 20). Hier erhielt er im Sommer 213 die Nachricht, daß der Consul Fabius Arpi durch Verrat genommen habe, wobei beinahe 1000 Spanier zu den Römern übergegangen waren (Liv. XXIV 45–47); weiteres erwähnen unsere Quellen in diesem Sommer überhaupt nicht. Nach Liv. XXV 1 soll H. den Sommer über untätig in der Nähe von Tarent gelegen haben, in der Hoffnung, sich dieses für ihn ungemein wichtigen Hafens zu bemächtigen. In der Tat gelang es ihm, durch den Verrat einiger vornehmer Tarentiner die Stadt zu gewinnen, wobei freilich die Burg in den Händen der Römer blieb (Polyb. VIII 24, 3–34, 15; darnach Liv. XXV 7–11, der nur die wenig rühmliche Rolle verschweigt, die der römische Stadtkommandant C. Livius bei der ganzen Sache spielte). Nach Polyb. VIII 34 (36) fand die Einnahme während des Winters statt, also entweder Ende 213 oder Anfang 212; daher das Schwanken der Autoren, das Livius XXV 11 fin. erwähnt. Wenn er selber sich für 212 entscheidet, so steht dies mit seiner eigenen Angabe XXVII 25 in Widerspruch, wo nach Livius die Burg fünf Jahre lang, bis zur Wiedereinnahme der Stadt durch Fabius (209) gehalten habe.

Die Untätigkeit H.s während der J. 214/3 und die gleichzeitigen Erfolge der Scipionen in Spanien haben offenbar denselben Grund, der uns nur aus einer flüchtigen Erwähnung bei Appian. Iber. 15 bekannt ist: den schweren Krieg Karthagos mit Syphax von Numidien, zu dem Hasdrubal aus Spanien abgerufen ward und der erst im [2339] Laufe des J. 213 beigelegt ward. Mit dem J. 212 begann auf beiden Kriegsschauplätzen, in Spanien wie in Italien, der Krieg von neuem. Auf den Hilferuf der Campaner sandte H. zunächst seinen General Hanno aus Bruttium, um die Campaner zu verproviantieren (Liv. XXV 13); nach dessen Niederlage bei Benevent (Liv. XXIV 14, 1 IG, 5, vgl. Varese a. a. O. 240ff.) folgte im Frühjahr 212 (nach Liv. XXV 15 frumenta iam in herbis erant, also zweite Hälfte des Mai) ein Hilfskorps von 2000 Numidiern, wahrscheinlich unter Hanno und Bostar (Liv. XXV 15 vgl. mit Appian. Hann. 36 und Liv. XXVI 12). Inzwischen belagerte er die Burg von Tarent (Appian. Hann. 33) vergeblich, gewann aber unmittelbar darauf Metapont und Thurioi (Liv. XXV 15, nach Appian. Hann. 34f. auch Herakleia). Nach dem Fall des Tib. Sempronius Gracchus (Liv. XXV 17) brach er nach Campanien auf, lieferte den Consuln ein unentschiedenes Gefecht (Liv. XXV 19) und verfolgte den abziehenden Claudius nach Lucanien. Hier vernichtete er das Heer des M. Centenius Paenula und unmittelbar darauf das des Praetors Cn. Fulvius bei Herdonea (Liv. XXV 21, 1–10, nach Varese a. a. O. 282 eine Dublette der Schlacht bei Herdonea von 210), während ein abermaliger Versuch auf die Burg von Tarent und ein zweiter auf Brundusium mißlangen (Liv. XXV 22), worauf H. die Winterquartiere bezog. Im Frühjahr 211 brach er auf, um endlich Capua zu entsetzen und schlug sein Lager angesichts der römischen Befestigungen am Tifata auf. Aber der Sturm auf das Lager des Appius mißlang (Polyb. IX 3, 1–4, 6. Liv. XXVI 4-6 nennt gerade Fulvius); offenbar hatte H. nicht genügend Truppen, die römische Stellung zu forcieren. Deswegen entschloß er sich, um die Consuln von Capua fortzulocken, zum Marsch auf Rom, wohin er durch Samnium auf einem Umwege (Polyb. IX 5, 8, nach Liv. XXVI 8 extr. auf der Via Latina) gelangte. Am Anio, drei Milien vor der Stadt, schlug er ein Lager auf und kam auf einem Rekognoszierungsritt bis vor die Tore Roms: da aber sein Heer bei weitem nicht ausreichte, die Stadt zu belagern oder gar einen Sturm zu wagen, so blieb ihm nichts anderes übrig, als abzuziehen, zumal der Zweck der ganzen Diversion, die Aufhebung der Belagerung von Capua, nicht erreicht war. Beim Abzug nach Süditalien fügte er der ihn verfolgenden Besatzung Roms noch eine empfindliche Schlappe zu (Polyb. IX 5–7, 9. der Bericht bei Liv. XXVI 8, 1–11, 1 ist völlig unbrauchbar, vgl. H. Haupt Mélanges Graux 1884. 23ff.). Er scheint im Tarentinischen überwintert zu haben.

Im Frühjahr 210 verlor H. Salapia (Liv. XXVI 38. Appian. Hann. 45–47) und einige kleinere samnitische Plätze an Marcellus, was indessen durch seinen Sieg über den Proconsul Cn. Fulvius Centumalus bei Herdonea mehr als ausgeglichen ward (Liv. XXVII 1. Plut. Marc. 24). Später kämpfte er unentschieden mit Marcellus bei Numistro (Liv. XXVII 2. Plut. Marc. 24) und zog sich darauf nach Apulien zurück, wo er Winterquartiere bezog, da es bereits spät im Jahre war. Seine Untätigkeit erklärt sich auch diesmal aus der numerischen Schwäche seines Heeres; Verstärkungen waren abermals nicht verfügbar, da in [2340] Karthago hauptsächlich für den Krieg in Spanien gerüstet ward (Liv. XXVII 5). Gleich im Frühjahr des folgenden J. 209 (Liv. XXVII 12 ubi primus in agris pabuli copia fuit) warf sich Marcellus wieder auf H., um dessen Aufmerksamkeit von Tarent abzulenken, gegen das der andere Consul., Fabius Maximus, einen Handstreich plante. In der Nähe von Canusium kam es zu einer dreitägigen Schlacht (Liv. XXVII 12–14, nach Plut. Marc. 251 dauerte sie nur zwei Tage), die zuerst unentschieden blieb, am zweiten Tage siegte H.. am dritten angeblich wieder Marcellus, aber mit sehr schwerem eigenem Verlust, worauf H. nach Bruttium abzog (Liv. XXVII 15). Inzwischen ging Tarent an Fabius verloren (Liv. XXVII 15f. Plut. Fab. 21–23), H., der in Eilmärschen aus Bruttium herbeieilte, kam zu spät, vermochte aber noch Metapont zu retten. In der Nähe muß er überwintert haben, um gleichzeitig Fabius in Tarent und Marcellus in Venusia in Schach zu halten (Liv. XXVII 20. 22, nach Plut. Marc. 26 extr. bezog dieser bei Sinuessa in Campanien die Winterquartiere). Als im Frühjahr 208 der neue Consul Crispinus Lokroi angriff, zwang H. ihn, die Belagerung aufzuheben, und folgte ihm bis zu seiner Vereinigung mit Marcellus bei Venusia. Zwischen den drei römischen Heeren stehend, gelang es ihm, zuerst der Besatzung von Tarent, die zur Belagerung von Thurioi auszog, eine schwere Niederlage beizubringen (Liv. XXVII 27), bald darauf legte er den Consuln einen Hinterhalt, wobei Marcellus getötet, Crispinus tödlich verwundet und zum Rückzug nach Campanien gezwungen war (Liv. XXVII 28f. Plut. Marc. 29. 30). Vielleicht fällt in diese Zeit der bei Appian. Hann. 49 erwähnte Einbruch nach Campanien, wobei er die Einwohner von Atella nach Thurioi verpflanzte. Dann entsetzte er abermals Lokroi und überwinterte im Tarentinischen (Liv. XXVII 40).

Vielleicht hat sich H.s Genialität niemals glänzender gezeigt, als in diesen Jahren, wo er, eingeklemmt zwischen den numerisch weit überlegenen Heeren der Römer, trotzdem seine Überlegenheit im Felde behauptete und bald hierhin, bald dorthin vernichtende Schläge austeilte: seine Lage ähnelt in mancher Hinsicht der Friedrichs d. Gr. nach der Niederlage von Kunersdorf. Und endlich begannen sich auch die Folgen dieses mit beispielloser Zähigkeit geführten Kampfes geltend zu machen. Nach Polyb. IX 44, 1–4 herrschte im J. 210 eine derartige Teuerung in Italien, daß sich der Senat genötigt sah, von Ptolemaios Philopator Hilfe zu erbitten. Liv. XXVII 4, 10 hat den eigentlichen Zweck verschwiegen und eine einfache Ehrengesandtschaft daraus gemacht. Im folgenden Jahre. 209, wurden zwölf latinische Kolonien schwierig (Liv. XXVII 9-10; warum die Erzählung legendarischen Charakter tragen soll, vgl. Niese Röm. Geschichte⁴ 125, 3, ist nicht abzusehen); auch in Etrurien begannen Unruhen (Liv. XXVII 8), die sich 208 in erhöhtem Masse wiederholten (Liv. XXVII 24). Inzwischen hatte Hasdrubal bei Baecula sich allerdings mit schweren Verlusten durchgeschlagen; im Winter 208 stand er in Südgallien, im Frühjahr wollte er die Alpen überschreiten. Alles drängte zur Entscheidung. H., im allgemeinen von den Absichten seines Bruders unterrichtet, [2341] brach im Frühjahr 207 aus den Winterquartieren auf, zog zunächst alle verfügbaren Truppen aus Bruttium zusammen und erzwang bei Gruraentum in Lucanien gegen Claudius Nero den Durchzug (Liv. XXVII 41, der natürlich wieder von einem römischen Siege zu berichten weiß). Dann zog er noch die Besatzung von Metapont heran und rückte nach Canusium vor, wo er Claudius Nero gegenüber zunächst Halt machte, um weitere Nachrichten von Hasdrubal zu erwarten (Liv. XXVII 42). Allein dessen Boten waren im Gebiet von Metapont aufgefangen und dem Consul Claudius Nero ausgeliefert, der nun den kühnen Entschluß faßte, mit 6000 Mann Kerntruppen dem Kollegen zu Hilfe zu kommen und den Rest H. gegenüber in fester Stellung stehen zu lassen (Liv. XXVII 48); er war auch nach dem Abzug H., der schwerlich mehr als 15 000 Mann hatte, immer noch um das Doppelte überlegen (vgl, Lehmann Die Angriffe der drei Barkiden 265f.) Der Plan gelang; Ende Juni erlag am Metaurus Hasdrubal der Übermacht. H. erfuhr von der Schlacht erst durch das Haupt des Hasdrubal, das Claudius ihm zuwerfen ließ, und zog sich nun ins Gebiet von Bruttium zurück, wo er seine Kräfte konzentrierte. So der Bericht des Livius, der allerdings, besonders in den Kapiteln 40-42 vollkommen wirr erscheint. Die vielen Kreuz- und Querzüge, die Livius hier H. zuschreibt, mögen übrigens zum Teil mit der Konzentration seiner Truppen zusammenhängen; sie völlig verständlich zu machen, ist auch Lehmann nicht gelungen (237–254). Die Hauptfrage bleibt immer die: wie war es möglich, daß H. sich durch einen so plumpen Streich täuschen ließ, zumal die Abwesenheit des Consuls sicher nicht 12 Tage, wie Livius meint, sondern mindestens 20 Tage gedauert haben muß (Lehmann 248ff.), und ruhig bei Canusium stehenblieb? Lehmanns eigene Vermutung, er sei gar nicht stehen geblieben, sondern am Adriatisthen Meer bis zur Aternusmündung vorgerückt, beruht nur auf einer Zeitbestimmung des in solchen Dingen sehr unzuverlässigen Livius und findet in unsern Quellen nicht die geringste Stütze (249ff.), Annehmbarer erscheint auf den ersten Blick Vareses Erklärung (Cronologia 304f.), der die Schlacht in den Anfang November setzt: nach ihm glaubte H. infolge der vorgerückten Jahreszeit und des Ausbleibens jeglicher Nachrichten von Hasdrubal, daß dieser den Plan der Vereinigung für dies Jahr aufgegeben habe; er zog sich also nach Metapont in die Winterquartiere zurück, und nun erst erfolgte Claudius Neros Abmarsch nach Norden. Aber ganz abgesehen davon, daß die Ansetzung der Schlacht in den November schweren Bedenken unterliegt (Varese 209ff. vgl. mit Lehmann 195ff., der sich mit Soltau für das überlieferte Datum 22./23. Juni ausspricht, während Oehler sie in den April setzt, vgl. den Art. Hasdrubal), steht auch von dem Rückzug H.s nichts in den Quellen: alle fassen die Sache so auf, daß er ruhig in Canusium stehen geblieben ist. Schließlich könnte man ja vermuten, daß H. durch die überlegenen Streitkräfte der Gegner in Süditalien festgehalten wäre; allein der Verlauf der ganzen Erzählung, auch bei Livius, zeigt doch, daß H. vollkommen das Feld behauptete und hinzog, wo [2342] es ihm beliebte, ohne daß die an Zahl weit überlegenen Feinde ihn daran zu hindern wagten. So bleibt nichts übrig als einzugestehen, daß wir die Motive nicht kennen, die H. bewogen, bei Canusium stehen zu bleiben; wer an historischen Analogien Gefallen findet, mag sich daran erinnern, daß auch Napoleon gerade im kritischsten Moment seiner Feldherrnlaufbahn, zwischen seinem Sieg bei Dresden und der Völkerschlacht bei Leipzig, eine solche Periode fast lethargischer Untätigkeit durchlebt hat, die vielleicht auf sein körperliches Befinden zurückzuführen ist (vgl. A. Fournier Napoleon I. III 160ff.).

Quellen: Von der Schlacht von Cannae ab, mit der Polybios drittes Buch abschließt, bildet der zusammenhängende Bericht des Livius in den Büchern XXIII–XXVII die Grundlage der Darstellung. Von Polybios ist gerade genug erhalten, um den geringen Wert der Livianischen Darstellung erkennen zu lassen; man vergleiche beispielsweise den kurzen, nüchternen Bericht des Griechen über H.s Marsch auf Rom mit der legendenhaften Ausschmückung, die Livius den Ereignissen gegeben hat. Auf seine Parteilichkeit, mit der er gewisse, den Römern ungünstige Einzelheiten verschweigt, ist ebenfalls schon hingewiesen. Sehr hübsch hat Streit in seiner oben erwähnten Schrift auf die Lügenhaftigkeit der Berichte über die Verlustzahlen des karthagischen Heeres aufmerksam gemacht: wenn man die Angaben des Livius addiert, so kommen für die Jahre 215-203 über 120 000 Mann heraus, d. h. beinahe dreimal so viel als H. jemals nach Cannae an Soldaten zusammen gehabt hat. Auch unterliegt es keinem Zweifel, daß sich mehrfach Dubletten bei ihm finden, indem er nach verschiedenen Quellen, ohne es zu merken, mehrmals dasselbe berichtet: die dreimalige Niederlage H.s vor Nola ist vielleicht das treffendste Beispiel. Im ganzen ist es um unsere Kenntnis des italischen Krieges nach Cannae nur mäßig bestellt, wo wir auf Livius allein angewiesen sind. Die übrigen ihm verwandten Quellen ergeben ebenfalls nicht viel brauchbares Material; von Diodor ist sehr wenig erhalten, Nepos behandelt diese Periode sehr summarisch, und das gleiche gilt von Eutropius, Orosius und Zonaras (Cassius Dio), der hier nur dann und wann etwas Eigenes hat, wie z. B. bei der Niederlage des C. Centenius. Eine besondere Stellung nimmt Plutarch im Marc. und Fab. Max. ein. Im ganzen deckt sich seine Darstellung mit der des Livius; charakteristisch ist die Neigung zu einer gewissen novellistischen Art der Erzählung mit häufiger Verwendung der direkten Rede (Marc. 10 die Geschichte von L. Bantius, auch von Liv. XXIII 15, 7–16, 2 übernommen, Fab. 21 die Vorgänge beim Verrat Tarents), die an einer Stelle höchst eigentümlicherweise auch bei Appian in der Geschichte von Dasius und Blattius (Hann. 45-48) wiederkehrt. Bei Liv. XXVI 38 ist diese rein referierend wiedergegeben; es scheint danach, als ob in allen diesen Fällen Plutarch. Appian und Livius auf dieselbe Quelle zurückgehen, die noch nicht ermittelt ist (vielleicht der bei Plutarch sowohl im Marc, wie im Fab. mehrfach angeführte Poseidonios?). Neuere Darstellungen: Neumann-Faltin Das Zeitalter der punisch. Kriege 374–478. Niese Grundr. ein. [2343] der röm. Gesch.⁴ 116ff. Über den Feldzug des J. 207 vgl. R. Oehler Der letzte Feldzug des Barkiden Hasdrubal und die Schlacht am Metaurus (Berliner Stud. f. klass. Philol. N. F. 1897, II 1) und die sehr gründliche, die gesamte Literatur berücksichtigende Arbeit von Konr. Lehmann Die Angriffe der drei Barkiden auf Italien (1905, 190ff.). In betreff der Chronologie ist in erster Linie neben den älteren Arbeiten von Matzat Röm. Chronologie 1883/4, Holzapfel Röm. Chronologie 1885, Matzat Zeittafeln für die J. 219 bis 201, 1889, Soltau Röm. Chronol. 1889, Unger in J. Müllers Handb. Bd. I² 779 besonders das bereits oben erwähnte Buch von Varese Cronologia Romana 1909 zu vergleichen. Varese glaubt, daß der damalige römische Kalender drei bis vier Monate gegen die natürliche Jahreszeit im Rückstand war, daß also die Consuln tatsächlich nicht im März, sondern erst etwa im Juli ihr Amt antraten. Hieraus ergeben sich seiner Ansicht nach eine Reihe von Verschiebungen, die sich zum Teil noch aus den in der Erzählung verwobenen natürlichen Jahrangaben erkennen lassen; übrigens nimmt er keinen Anstand, wenn diese natürlichen Jahreszeitangaben mit seiner Theorie nicht übereinstimmen, sie für sekundär, d. h. aus der Berechnung des betreffenden Schriftstellers entsprungen zu erklären. Eine Hauptstütze seiner Ansichten findet er in den Triumphalfasten,- CIL I² 43ff. (besonders herausgegeben von G. Schön Abh. arch.-epigr. Seminars Wien 1893), die indessen manchen Forschern wie Niese Röm. Gesch.⁴ 11 als späteren Ursprungs und aus den jüngeren Historikern entlehnt gelten. Vor allem nimmt er an, daß seit Mitte des Krieges die Consuln meist erst im zweiten Sommer des von Juli bis Juli reichenden Consulatsjahres ins Feld zogen. Im einzelnen sind die Abweichungen gegen die herkömmliche Chronologie ziemlich stark; so setzt Varese die Trebiaschlacht April 218, die Schlacht am Trasimenus Anfang August 217, die bei Cannae September 216, den Abmarsch Hasdrubals aus Spanien April 207, die Schlacht am Metaurus November 207, endlich die Schlacht bei Zama etwa März 201. Im einzelnen unterliegen diese Ansätze mannigfachen Bedenken, die zum Teil schon im vorhergehenden angedeutet sind.

5. Das Ende des Krieges. Hannibal als Feldherr. Nach der Niederlage seines Bruders zog sich H. auf Bruttium zurück; aus den beiden nächsten Jahren wird nur berichtet, daß Hunger und Seuchen in seinem Heere herrschten (Liv. XXVIII 46). Eine karthagische Flotte mit Verstärkungen und Lebensmitteln ward vom Sturm nach Sardinien verschlagen, wo sie größtenteils in die Hände der Römer geriet (Appian. Hann. 54 = Coelius Antip. bei Liv. XXVIII 46, auch die Gesamtzahlen stimmen). Vorwiegend hielt sich H. bei Locri und beim Tempel der Hera Lacinia auf. wo er damals die große punisch-griechische Inschrift herstellen ließ (Liv. XXVIII 46). Durch den Friedensschluß der Römer mit Philipp 205 ward seine Lage weiter verschlimmert. Magos (s. d.) Diversion nach der ligurischen Küste nützte ebenfalls nichts: im Winter ging durch einen Handstreich Scipios von Sizilien aus Lokroi verloren (Liv. XXIX 6–7. Appian. Hann. 55). Im folgenden Sommer besiegte H. den Consul [2344] Sempronius, mußte aber, als dieser den Proconsul Crassus heranzog, sich vor den überlegenen Streitkräften beider auf Kroton zurückziehen (Liv. XXIX 36), worauf ihm eine Reihe bruttischer Städte,, darunter Consentia, verloren ging (Liv. XXIX 38. Appian. Hann. 56). Um sich gegen das Umsichgreifen des Abfalls (Liv. XXX 19) zu schützen und sich einen neuen Stützpunkt zu schaffen, verpflanzte H. die treugebliebenen Bewohner von Petelia und Thurioi nach Kroton, das nun Hauptwaffenplatz ward (Appian. Hann. 57). Hier kam es im Sommer 203 noch einmal zu einem Kampf mit den Römern, dessen Ausgang nach Liv. XXX 19 ungewiß war, was wohl eine Niederlage verschleiert. Inzwischen aber hatte sich die Lage der Karthager durch Scipios Erfolge derartig verschlimmert, daß sie H. zum Feldherrn mit unbeschränkter Vollmacht ernannten (Appian. Lib. 31) und ihn aus Italien abriefen. Eine Flotte (nach Appian. Hann. 58 unter Hasdrubal, Sohn des Geskon, der aber nach Lib. 36 damals aus Karthago verbannt war), erschien in Italien, um die Überfahrt des Heeres zu sichern; von den bei seinem Abschied aus Italien verübten Grausamkeiten H.s weiß nur die spätere Überlieferung (Diod. XXVII 9. Appian. Hann. 58-60), nicht Livius (XXX 19) zu erzählen. Nach sechzehnjährigen Kämpfen im Lande (Liv. XXX 28. Appian. Hann. 60. Polyb, XI 19, 3; wenn er in dem Rückblick XXIII 13 von 17 Jahren spricht, hat er die gesamte Kriegsdauer im Auge, ebenso Diod. XXIX 19), also im Laufe des Sommers 202 verließ H. Italien und landete nach kurzer Überfahrt wohlbehalten mit dem Heer in Africa, nach Liv. XXX 25 in Leptis, nach Diod. XXVII 10. Appian. Lib. 33 in Hadrumetum, wohin er erst von Leptis gelangt sein müßte. Hier verstärkte er sich durch ein numidisches Reiterkorps (Polyb. XV 35, vgl. Diod. XXVII 10 = Appian. Lib. 33) und rückte dann Scipio nach Zama entgegen. Ob die bei Appian. Lib. 37–39 erzählten Ereignisse, wonach H. noch einmal durch Masinissa den Frieden vermittelt, dann aber vom Volke gezwungen wird, doch loszuschlagen, auf Wahrheit beruhen, ist sehr zweifelhaft: die Geschichte mit dem Reitertreffen vor Zama, in dem Scipio siegt (Appian. Lib. 36), sieht bedenklich nach Valerius Antias aus (vgl. Liv. XXX 29). Allzuviel Zeit scheint zwischen der Ankunft in Afrika und der Schlacht nicht stattgefunden zu haben, da sie jedenfalls noch in das J. 202, Ende November oder Anfang Dezember, fällt: der unmittelbar auf sie folgende Sieg über Vermina, Syphax’ Sohn, fand primis Saturnalibus statt (Liv. XXX 36). Varese allerdings verschiebt nach seiner Theorie, daß damals der offizielle römische Kalender um vier Monate zurück war, die Schlacht in den Anfang April 201 (Cron. Rom. 54), kann aber nur auf eine Notiz des wenig zuverlässigen Zonaras (IX 14, 441 c) stützen, wonach Scipio zur Schlacht τοῦ ἔaρος ἐπιλάμψαντος aufbrach.

Ende November 202 also lagen sich die beiden Heere bei Zama gegenüber. Es gab zwei Orte dieses Namens, der eine, östliche, nicht weit von Karthago, der zweite, westliche, bei dem numidischen Orte Naraggara. Die Nachricht, daß die Schlacht fünf Tagemärsche von Karthago (Liv. [2345] XXX 29, nach Westen zu Polyb. XV 5, 3) gelegen habe, gibt für das östliche Zama den Ausschlag (vgl. über den Ort Mommsen Herm. XX 144. Tissot Géographie comparée de l’ancienne Afrique II 571. 577. Joh. Schmidt Rh. Mus. XLIV 1889, 397ff. v. Wittinghausen Wien. Stud. XIX 1897, 282ff.). Die Lesart Naraggara, auf die Konrad Lehmann (Der letzte Feldzug des Hannibalischen Krieges, N. Jahrb. Suppl. XXI 527f., auch separat, Leipz. 1894) und Delbrück (Gesch. der Kriegskunst I 345ff.) ihre gegenteilige Ansicht gründen, steht nur in einer Handschriftenklasse bei Liv. XXX 29, 9; der Puteanus hat narcara, auch bei Polyb. XV 5, 14 steht μαργaρον. Unmittelbar vor der Schlacht fand eine Unterredung der beiden Feldherrn statt (Polyb. XV 6, 1–8, 14. Liv. XXX 30. 31, kürzer Appian. Lib. 39), die indessen ergebnislos blieb. Am Tage darauf erfolgte die Schlacht, die nach hartem Kampf mit der Niederlage H.s und der Vernichtung seines Heeres endete: die Entscheidung brachte der Rückenangriff der von Laelius und Masinissa geführten, weit überlegenen Reiterei (Polyb. XV 9, 1–16, 6. Liv. XXX 32–34 und der unbrauchbare Bericht Appians Lib. 40–47; beste neuere Darstellungen bei Lehmann und Delbrück a. a. O.). Nur mit wenigen Reitern entkam H. nach Hadrumet (Polyb. XV 15, 3. Liv. XXX 35; die übertriebene Entfernungsangabe 3000 stad. = 560 km hat erst Appian. Lib. 47), wo er einen Teil seines Heeres zurückgelassen hatte. Dann eilte er nach Karthago und riet selber zum Frieden (Polyb. XV 19, 1–9. Liv. XXX 37), den er auch durchsetzte.

Quellen: Der Bericht des Livius, mit den Bruchstücken des Polybios; die schlechtere Fassung, wesentlich auf römischen Annalisten wie Coelius und Valerius Antias beruhend, bei Diod. XVII und Appian. Hann. und Lib.; Nepos und Iustin geben nur kurze Notizen. Neuere Darstellungen außer den genannten Neumann-Faltin 506–550. Zielinski Die letzten Jahre des 2. punischen Krieges, Leipzig 1880.

Über das Feldherrngenie H.s hat im Altertum nur eine Stimme geherrscht: Polybios ergreift jede Gelegenheit, sein Lob zu singen (IX 22. 1. XI 19, 1-7. XV 15, 3-16, 6. XXIII 13, 1-2) und auch Livius kann, so schwer es ihn ankommt, nach dieser Seite nicht umhin, ihn rückhaltlos anzuerkennen (Liv. XXI 4. XXVIII 12. XXX 35); die meisten haben in ihm den ersten Feldherrn des Altertums gesehen (vgl. noch Diod. XXIX 19. Iustin. XXXI 4, 10-12). Wie hoch er selber sich gestellt hat, ist aus der zweifelhaften und nur zur höheren Ehre Scipios erfundenen Geschichte des Claudius Quadrigarius bei Liv. XXXV 14. Plut. Flam. 21 (ausführlicher und der gemeinsamen Quelle näherstehend App. Syr. 10. 11) nicht zu entnehmen; soviel geht indessen daraus hervor, daß H. die Feldzüge Alexanders und Pyrrhus - eingehend studiert hat, und in der Tat finden sich in der Schlachtanlage von Cannae und Gaugamela gewisse Ähnlichkeiten (vgl. Delbrück Geschichte d. Kriegskunst I 289f.). Umso merkwürdiger ist es, daß der taktische Grundgedanke Alexanders, das von Epameinondas übernommene Prinzip der Durchbruchsschlacht mit nachfolgender Aufrollung der feindlichen Linie, bei H. [2346] vollständig zurücktritt. An seiner Stelle erscheint die Umfassungsschlacht mit Umgehung auf beiden Flügeln, wie sie zuerst im Keim in Alexanders Treffen gegen Poros enthalten ist. Ihre vollkommenste Ausbildung hat sie, wie Delbrück richtig erkannt hat (a. a. O. 281ff.), bei Cannae gefunden, wo die Kavallerie, der sonst die Umgehung zufällt, noch durch den Seitenangriff des Fußvolks unterstützt wird, was dann zu völliger Einkreisung und Vernichtung des Feindes geführt hat. Indessen sind schon die Schlachten am Ticinus und an der Trebia ähnlich als Umfassungsschlachten gedacht, nur daß das System hier noch nicht in so künstlerischer Vollendung wie bei Cannae erscheint (Delbrück a. a. O. 303). Scheinbar als etwas ganz Neues tritt dazu nun die Erfindung der Treffentaktik bei Zama, die Delbrück ebenfalls zuerst klar erkannt und dargestellt hat (334ff.). Allein sie ist aus dem Prinzip der Umgehung organisch entwickelt: das zweite Treffen hat, infolge des Mangels an leichter Reiterei, dem H. ohne Erfolg abzuhelfen bemüht war, eben die Bestimmung, seitwärts ausgezogen zu werden und nun seinerseits den Flankenangriff auszuführen. Bemerkenswert ist, daß Scipio dieser taktischen Wendung sofort mit demselben Manöver begegnet, was Delbrück a. a. O. 338 für eine geniale Eingebung des Moments zu halten scheint. Aber das ist nicht sehr wahrscheinlich, da sich derartige Bewegungen nicht improvisieren lassen, und auch bei H. war es nicht das erstemal, daß er dies Manöver anwandte. Wie die Erfolge der Scipionen in Spanien viele Iberer in seinem Heere unzuverlässig gemacht hatten (Appian. Hann. 30, vgl. Liv. XXV 30. 49), so scheint auch der Numiderkrieg des Syphax gegen Karthago (ca. 215–213) für H. verderbliche Folgen gehabt zu haben (Zonar. IX 3, 422 D): bereits 211 gab es nach Liv. XXVI 10 gegen 1200 numidische Überläufer in Rom, und rechnet man Verluste, wie den von Salapia, mit, wo 500 numidische Reiter vernichtet wurden, so kann man sich leicht berechnen, daß von den glänzenden Reiterschwadronen, die zuerst auf italischem Boden H.s Überlegenheit begründeten, schon fünf Jahre später nicht allzuviel vorhanden war. Es ist also wohl anzunehmen, daß H. Schritt für Schritt durch den Mangel an Reiterei, für die kein Ersatz kam, zur Treffentaktik gekommen ist, und wenn wir nicht für den Krieg seit 216 einen so eminent unmilitärischen Schriftsteller wie Livius als einzige Quelle hätten, so würden wir die organische Entwicklung der Treffentaktik aus der Umfassungsschlacht wohl noch ganz gut beobachten können. Dann aber wird Scipio, der doch bis 209 in Italien war und den Krieg mit größtem Interesse verfolgte, dies Manöver seinem Gegner abgesehen und es in Spanien selbständig zur Anwendung gebracht haben: in der Ausdehnung der Flügel bei Ilipa 206 läßt selbst die Darstellung des Livius (XXVIII 14) noch etwas Ähnliches erkennen.

Eine Stelle für sich nimmt die Schlacht am Trasimenus ein, die sich als ein Überfall auf dem Marsche mit außerordentlich geschickter Benützung des Geländes darstellt; auch darin ist H. offenbar ein Meister gewesen, wie sich das noch bei späteren Gelegenheiten (Polyb. III 104, 4–6. Liv. XXIII 28, 5 Treffen gegen Minucius; Liv. XXV 21 erste

[2347] Schlacht bei Herdonea), freilich nicht wieder mit so glänzendem Erfolge gezeigt hat. Eben die Schlacht am Trasimenus aber läßt nun eine der hervorragendsten Feldherrneigenschaften H.s erkennen: die Fähigkeit, seinen Gegner völlig zu durchschauen und auf die Vorausberechnung von dessen Handlungen seine eigenen Pläne zu gründen. Auch die Trebiaschlacht und Cannae legen davon Zeugnis ab, vor allem aber die Durchführung des Landmarsches nach Italien, die bereits vorher geschildert ist. Überhaupt ist der ganze Kriegsplan ein Meisterwerk darin, daß H. es vermochte, ihn den jeweiligen Umständen anzupassen, wie der Wechsel der Operationsbasis zeigt. Auch die Gewinnung der auswärtigen Bundesgenossen, die Heranziehung Philipps, das sofortige und zunächst erfolgreiche Eingreifen in Syrakus zeigt, daß H. neben seiner unvergleichlichen Feldherrnkunst auch staatsmännische Begabung besaß: insofern hat Polybios recht, wenn er ihn als die Seele des Krieges gegen Rom bezeichnet (Polyb. IX 22, 1–6). Dazu kommt noch eins, was die antiken Schriftsteller, die mit den Schäden des Söldnerwesens besonders vertraut waren, immer zuerst hervorheben: die feste Manneszucht und unbedingte Treue seiner Soldaten, die auch unter den schwersten Umständen niemals gewankt hat. Endlich umgab ihn eine Schar fähiger Generale, die nicht bloß unter seiner Leitung Vorzügliches leisteten, sondern auch selbständig zu operieren verstanden wie Maharbal, Myttones, Hanno, Sohn des Bomilkar; die meisten werden sicher aus seiner Schule hervorgegangen sein, wenngleich er zweifellos schon einen Stamm tüchtiger Offiziere von seinem Vater und Schwager übernommen hat.

Fragt man nun nach den Umständen, die schließlich doch das Scheitern H.s herbeigeführt haben, so wird man zunächst immer die ungeheure Zähigkeit und Aufopferung der Römer nennen, der es im Verein mit dem unerschöpflichen Menschenmaterial Italiens auch nach vernichtenden Niederlagen immer wieder gelang, mit numerischer Überlegenheit aufzutreten, sowie die Treue der mittelitalischen Bundesgenossen, die erst in der Zeit von 211–206 bedenklich ins Wanken geriet. Auch die Untätigkeit und das Versagen der Bundesgenossen H.s in Makedonien und Syrakus hat vieles zur Niederlage beigetragen; dennoch wäre es verkehrt, mit Neumann-Faltin (560f.) darin die eigentliche Ursache zu erkennen. Diese lag vielmehr zunächst darin, daß die karthagische Macht bei weitem nicht so fest gefügt war, wie die römische, und selbst in den glänzendsten Zeiten des Krieges durch Aufstände gelähmt ward (Appian. Hiber. 15, vgl. Diod. XXVI 23. Liv. XXIV 49). Weiter standen ihr in bezug auf das Menschenmaterial bei weitem nicht solche Hilfsquellen zu Gebote wie den Römern, obgleich auch so ihre Leistungen nach Cannae gar nicht so gering anzuschlagen sind, ohne daß sie freilich auch nur im entferntesten das Maß der römischen Opferwilligkeit erreichen. Allein der Hauptfehler bleibt der, daß diese schon an sich geringeren Verstärkungen nicht da, wo sie in erster Linie am Platz gewesen wären, nämlich in Italien verwandt, sondern über Sizilien, Sardinien, Spanien zerstreut wurden. Und dies wieder läßt erkennen, daß H. [2348] doch eben nicht selber die Zentralleitung in der Hand hatte, sondern daß diese in Karthago saß und oft genug von antibarkinischen Einflüssen geleitet ward. Wenn H. endlich unterlag, so sind seine Mitbürger allein schuld gewesen, wenngleich ja auch schließlich – das soll nicht geleugnet werden – Scipios Tüchtigkeit viel zur ungünstigen Entscheidung des Krieges beigetragen hat. Als Feldherrn beide zu vergleichen, ist nicht angebracht; Scipio nimmt zu H. etwa dasselbe Verhältnis ein wie Gneisenau zu Napoleon I.

6. Letzte Jahre und Tod. Persönlichkeit. Unmittelbar nach seiner Niederlage war H. nach Hadrumet geeilt und hatte hier bereits ein kleines Heer um sich vereinigt (Appian. Lib. 47. 55. Corn. Nep. Hann. 6, 4). Mit diesem scheint er, unterstützt von Mago, allmählich die karthagische Herrschaft in Afrika innerhalb der in dem Friedensschluß gebotenen Grenzen wiederhergestellt zu haben, bis die Römer im J. 200 seine Abberufung verlangten (Nep. Hann. 7, 4). Die Karthager gehorchten, wählten ihn aber für das J. 197 zum Suffeten (ebd.). Während seiner Amtszeit setzte er wichtige Reformen durch: er brach die Macht des karthagischen Rates, indem er die lebenslängliche Amtsdauer auf ein, höchstens zwei Jahre beschränkte (Liv. XXIII 46) und trat den zahlreichen Unterschleifen bei der Erhebung der Zölle wirksam entgegen, so daß nicht bloß die römische Kriegsentschädigung regelmäßig bezahlt werden konnte (Liv. XXIII 47. Nep. Hann. 7,5), sondern sogar noch Überschüsse erzielt wurden (Nep. Hann. 7, 5). Hierdurch zog er sich den Haß der Gegenpartei zu, die ihn in Rom verleumdete (Liv. XXXIII 45. Appian. Syr. 44). Als im folgenden Jahr eine römische Gesandtschaft erschien, um Grenzsstreitigkeiten mit Masinissa zu schlichten – ihr geheimer Auftrag ging dahin, sich über H.s Pläne zu unterrichten (Liv. XXXIII 47, nach Iust. XXXI 2, 11 sogar ihn zu ermorden) – hielt H. es für geratener zu fliehen. Nach der genauen Angabe bei Nep. Hann. 7, 6 fand seine Flucht im J. 196 statt; wenn Livius a. a. O. sie unter dem J. 195 erzählt, so liegt das daran, daß er ihn als den eigentlichen Anstifter des Antiochos zum Kriege gegen Rom erscheinen lassen will, wie Niese Grundriß der röm. Gesch.⁴ 132, 1 gesehen hat. Doch wird das livianische Datum von Holleaux Herm. XLIII 296f. verteidigt. Die Flucht wurde mit großer Heimlichkeit ins Werk gesetzt (Liv. XXXIII 49), H. wandte sich zunächst nach Tyros, wo er mit großer Auszeichnung aufgenommen wurde (Liv. a. a. O. Iust. XXXI 2. 1–5). Den gleichen Empfang bereitete ihm Seleukos, Antiochos’ Sohn, in Antiochia (Liv. XXXIII 49), dann begab er sich nach dem Hoflager des Königs, den er in Ephesos erreichte (Liv. a. a. O. Appian. Syr. 4). Auf Antiochos’ Befragen entwickelte er hier seinen Plan, der im wesentlichen darauf hinauskam, den Krieg nicht auf Griechenland zu beschränken, sondern nach Italien hinüberzuspielen und zugleich Karthago und das noch im Aufstand befindliche Spanien (Iust. XXXI 3, 5–10) in Bewegung zu setzen (Liv. XXXIV 60. Appian. Syr. 7). In der Tat machte er durch den Tyrier Ariston einen Versuch, in Karthago für das Bündnis mit Antiochos Stimmung zu machen (Liv. XXXIV 61. [2349] Iust. XXXI 4, 1–3. Appian. Syr. 8), der aber von der Gegenpartei vereitelt ward. Im Zusammenhange damit stand jedenfalls die von Nepos (Hann. 8, 1) erwähnte und genau auf das J. 193 (im dritten Jahr nach der Flucht) fixierte Anwesenheit H.s und Magos in Cyrene, das sie erst verließen, als jede Aussicht auf eine Erhebung Karthagos geschwunden war. H. kehrte nach Ephesos zurück, wo er mit der römischen Gesandtschaft unter P. Villius, nach Claudius Quadrigarius auch mit Scipio Africanus zusammentraf (Liv. XXXV 14. Plut. Flam. 21). Sein häufiger Verkehr mit ihnen erregte des Königs Argwohn (nach Appian. Syr. 9. Iustin. XXI 4, 4–9 war das gerade die Absicht der Römer, wovon Livius a. a. O. natürlich nichts wissen will); doch wußte er sich durch die bekannte Erzählung vom Schwur am Altar (s. o. S. 2323, 8 die Stellen) zu rechtfertigen. Noch einmal redete er einer energischen Kriegführung das Wort (Liv. XXX 6, 7. Iustin. XXI 5, 1–10), ohne damit durchdringen zu können; wahrscheinlich ist es im Sinne seiner weitergehenden Pläne gewesen, wenn er das Bündnis mit den Aetolern widerriet (Diod. XXIX 3). Allerdings soll der König später nach dem Mißlingen seines Vorstoßes nach Griechenland H.s Warnungen als richtig anerkannt haben (Liv. XXXVI 15. Diod. XXIX 3. Iust. XXI 6, 6), aber H.s Anteil am Kriege war jedenfalls sehr gering. Er führte den einen Flügel einer unbedeutenden Flotte, die bei Side von den Rhodiern angegriffen wurde, und ward in die Niederlage seines Mitfeldherrn hineingezogen (Liv. XXXVII 23. 24, kurz bei Nep. Hann. 8, 4. Appian. Syr. 22; Iust. XXXI 6, 7–10 berichtet irrtümlich, daß M. Livius sein Gegner gewesen sei). Im Frieden verlangten die Römer seine Auslieferung, sowohl in den Präliminarien (Polyb. XXI 17, 7), wie im endgültigen Vertrag (Polyb. XXI 45, 11. Liv. XXXVII 45. Diod. XXIX 10. Iust. XXII 4. 1). Rechtzeitig vom König benachrichtigt, rettete H. sich zunächst nach Gortyn auf Kreta, wo er eine Zeitlang lebte (Nep. Hann. 9. Iustin. XXXII 4, 3–5). Darauf begab er sich zu König Prusias von Bithynien, den er in seinem Kampf gegen Eumenes unterstützte; in einer Seeschlacht verschaffte er ihm den Sieg über seinen Gegner (Nep. Hann. 10–11. Iust. XXXII 4, 6–7. Gründung von Artaxata Strab. XI 14, 6 528?). Zufällig erfuhr T. Flamininus von dem Aufenthalt H.s bei Prusias und teilte ihn dem Senate mit, der sofort durch eine Gesandtschaft mit Flamininus an der Spitze die Auslieferung fordern ließ. Ob der König dabei eine zweideutige Rolle spielte, wie Livius XXXIX 50 andeutet, oder ob er sich anständig benahm, wie Nep. Hann. 12, 2 erzählt, und T. Flamininus die Hauptschuld zuzuschreiben ist, wie Plut. Flam. 21 und App. Syr. 11 in einer wirren Notiz behaupten, läßt sich nicht mehr erkennen. Sicher ist, daß H., um den Verfolgungen der Römer zu entgehen, sich selber vergiftete, nach Liv. XXXIX 50 und Atticus bei Nep. Hann. 13 im J. 183, nach Polybios (bei Nep. ebd.) 182, nach Sulpicius 181 (ebd.). Trotz der Übereinstimmung des Livius und Atticus ist 183 als Todesjahr deshalb weniger wahrscheinlich, weil bei dieser Ansetzung vielleicht die Absicht mitgespielt haben kann, die drei berühmtesten Feldherm ihrer Zeit, [2350] Scipio, Philopoimen und H. in einem Jahre sterben zu lassen. Das Datum des Polybios hat die meiste Wahrscheinlichkeit für sich. Quellen: Da die großen Historiker von der Schlacht von Zama ab nur noch einzelne Notizen gaben, die sich wesentlich auf seine Flucht aus Karthago, seinen Aufenthalt am Hoflager des Antiochos und seinen Tod beschränkten – mehr hat weder Livius noch Appian, die zum Teil wieder die römischen Annalisten wie Antias und Quadrigarius erkennen lassen – so ist die weitaus wertvollste Quelle für uns die Lebensbeschreibung H.s bei Nepos. Man erkennt deutlich die Absicht, das auch bei andern Erzählte kurz abzutun und dafür die minder bekannten Partien ausführlich und mit genauen Zeitangaben zu erzählen. In einigen dieser Zusätze stimmt Nep. zu Iustin; seine Quelle war wohl eine ältere Lebensbeschreibung H.s, die er in der oben angedeuteten Absicht exzerpierte.

Mit Bezug auf persönliche und private Verhältnisse H.s fließen unsere Quellen nur ziemlich spärlich. Er war der älteste Sohn des großen Hamilkar, seine beiden jüngeren Brüder (Hasdrubal († 207) und Mago († 203 oder 193) gingen ihm im Tode voraus. Außerdem waren mindestens zwei, wahrscheinlich ältere Schwestern vorhanden. Die eine war an Hasdrubal (Nr. 5) verheiratet, der sie aber überlebte; die andere hatte eine Tochter, die bereits 210 mit Masinissas Oheim vermählt war (Liv. XXIX 29). H. selbst war mit einer Spanierin aus Castulo vermählt (Liv. XXIV 41), doch scheint die Ehe kinderlos geblieben zu sein. Von einem illegitimen Verhältnis weiß Appian. Hann. 43 zu berichten; die Sache ist aber offenbar nur erfunden, um H.s Untätigkeit gegen Ende der Belagerung Capuas zu erklären. Iustin. XXXII 4, 9–12 hebt gerade seine Enthaltsamkeit auch in diesem Punkte hervor. An Bildung war H. jedenfalls den meisten seiner Gegner überlegen; er verfügte über bedeutende Sprachkenntnisse (Zonar. VIII 24, 411 D.) und hatte literarisch gebildete Leute um sich wie Seilenos und Sosylos von Lakedaimon (nach Diod. XXVI 4 aus Ilion), die beide seine Geschichte schrieben (Nep. Hann. 13, 3). Sosylos war zugleich sein Lehrer im Griechischen, das H. mündlich wie schriftlich beherrschte. Nepos (c. 13. 2) erwähnt eine Schrift an die Rhodier über die Neuordnung Kleinasiens (188), und vielleicht hat er auch den Eid Pol. VII 9, 1–17 selber aufgesetzt. Außerdem existieren eine Menge mündlicher Äußerungen von ihm in den Quellen, deren Echtheit natürlich zweifelhaft ist. Authentisch scheinen der Witz auf Kosten Geskons vor der Schlacht von Cannae (Plut. Fab. Max. 15) und die bittere Äußerung, die ihm Liv. XXX 44 in den Mund legt; wenigstens entbehren sie der rhetorischen Zuspitzung, die meist Verdacht erregt. Was endlich seinen Charakter selber betrifft. so darf man nicht vergessen, daß das meiste, was wir nach dieser Seite hin erfahren, so die bekannte Charakteristik bei Liv. XXI 4 römischen Schriftstellern entstammt, deren Patriotismus sich in der Verunglimpfung des Feindes nicht genug tun konnte: auch hier bildet das Charakterbild Napoleons I., wie es in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts bei deutschen Schriftstellern erscheint, eine erwünschte Parallele. [2351] Der Hauptvorwurf gegen ihn ist der der Grausamkeit, aber sämtliche Belege (z. B. Diod. XXVI 14, 1–2. Appian. 28. 31. 59. 60 u. a. m.) entstammen römischen Quellen. Polybios erwähnt kein einziges Beispiel und hat ihn IX 22 gerade gegen diesen Vorwurf sehr wirksam verteidigt, indem er manches der Umgebung H.s, das meiste aber dem Zwang der Verhältnisse zuschiebt. Jedenfalls spricht die Achtung, mit der H. stets den gefallenen Feind behandelte (s. die Belege oben) dagegen; sie sticht ebenso vorteilhaft von der Roheit des Claudius Nero, der ihm Hasdrubals Kopf zuwerfen ließ, wie von der Gemeinheit des Fabius Maximus ab, die dieser nach der Einnahme von Tarent gegen die Bruttier verübte (Plut. Fab. Max. 22). Ebenso steht es mit der Treulosigkeit, die H. vorgeworfen wird: hier wissen selbst die römischen Quellen kein Beispiel anzuführen, daß H. einen beschworenen Vertrag verletzt oder ein gegebenes Wort gebrochen habe. Dagegen scheint es mit seiner Habsucht etwas auf sich gehabt zu haben; Polybios’ Verteidigung in der angeführten Stelle (IX 24ff.) ist jedenfalls viel lauer, und er scheint geneigt, einiges zuzugeben. Daß H. vom Vater her sehr begütert war, ist zweifellos; er besaß an der Küste südlich von Karthago Landhäuser und Schlösser, und das Liv. XXXI 48 erwähnte wird nicht das einzige gewesen sein. Bei seiner Flucht rettete er nur die bewegliche Habe, alles andere ward konfisziert (Nep. Hann. 7, 7), allein schon 190 erscheint er wieder im Besitz bedeutender Barmittel (ebd. 9, 2. Iust. XXXII 4, 3–5). Das Wahre wird sein, daß er kein Verschwender war und sein Geld zusammenzuhalten verstand. Auch von dieser Seite fällt kein Schatten auf die düstere Gestalt des Helden, dessen überragende Größe an der Jämmerlichkeit seines Volkes zu grunde ging.