Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Terentius Varro, Cos. 216 v. Chr., von Hannibal geschlagen
Band V A,1 (1934) S. 680690
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83) C. Terentius Varro war Sohn eines Gaius und Enkel eines Marcus (Fasti Cap.) und wurde der Begründer des Ansehens seiner Familie, indem er es als erfolgreicher Parteipolitiker bis zum Consulat brachte. Als Consul im J. 538 = 216 hatte er mit seinem Amtgenossen L. Aemilius Paullus (o. Bd. I S. 581 versehentlich mit dem Vornamen M. bezeichnet und deshalb falsch als Nr. 118 eingereiht, statt zwischen Nr. 114 und 115) den Oberbefehl gegen Hannibal und ist diesem Gegner bei Cannae erlegen, ohne selbst gleich seinem Kollegen Paullus und seinem 537 = 217 am Trasimenus geschlagenen Amtsvorgänger C. Flaminius bei der Niederlage sein eigenes Leben einzubüßen. Seine Mitbürger haben ihm die Katastrophe nicht als seine persönliche und unverzeihliche Schuld angerechnet; aber die geschichtliche Überlieferung hat zunächst unter dem Einfluß seiner innenpolitischen Gegner und ihrer Gesinnungsgenossen und später in dem Streben nach wirkungsvoller und freier Ausgestaltung des gegebenen Stoffes dem überlebenden Besiegten die Hauptverantwortung an dem nationalen Unglück aufzubürden gesucht. Sie hat sogar gelegentlich den T. bei dem Vergleiche mit C. Flaminius, dessen Schicksal im Leben und im Nachleben ähnlich war (s. o. Bd. VI S. 2496ff.). noch unter diesen gesetzt (Liv. XXII 39, 6. 42, 8f. 44. 5; s. auch Sil. Ital. VIII 218. 310. IX 55. 422). Indes blieb sein Andenken bei seinen Nachkommen in Ehren bestehen, und obgleich von ihnen nur noch zwei ebenfalls zum Consulat emporgestiegen sind, und zwar solche, die von Geburt dem vornehmeren Licinischen Geschlecht angehörten und erst durch Adoption zu Terentii Varrones geworden sind (Nr. 90. 92), so war ein anderer von ihnen der größte römische Altertumsforscher (Nr. 84), und dieser scheint sich seiner angenommen zu haben, so daß neben der [681] gehässigen und verfälschten Darstellung der Geschichte des T. auch Spuren einer ehrenvollen Familientradition zu bemerken sind. Ein Hinweis auf das Elogium in der Ahnengalerie liegt vielleicht bei Val. Max. IV 5, 2 vor: Titulo imaginis eius speciosius non recepta dictatura quam aliorum gesta adscribi potest (s. u.).

Einen Rest solcher Familientradition hat Cichorius (Röm. Stud. 189–191) überzeugend nachgewiesen bei Serv. (Interpol.) Aen. XI 743 (mit adn. crit.) = Funaioli Gramm. Rom. frg. I 342: Varro cum de suo cognomine disputaret, ait eum qui primus Varro sit appellatus, in Illyrico hostem Varronem nomine, quod rapuerat et ad suos portaverat, ex insigni facto vocabulum meruisse. Der erste in Illyrien geführte Krieg der Römer ist der von 525/6 = 229/8, und der erste bekannte Träger des Beinamens Varro ist der Consul von 538 = 216, so daß sich die Erzählung auf ihn bezieht. Sie scheint allerdings nach dem Muster von ähnlichen Anekdoten geformt zu sein (s. o. Bd. XIII S. 853, 28ff.), und die Erklärung des Cognomens klingt wenig glaubhaft; aber die Tatsache einer rühmlichen Beteiligung des T. an dem illyrischen Feldzug ist jedenfalls geschichtlich und bietet eine erste Rechtfertigung seines Aufstiegs. Sein frühestes Amt war das des Münzmeisters, das er um dieselbe Zeit bekleidete (Denare mit C. Var., geschlagen nach 513 = 241 Mommsen Münzw. 504 nr. 51. Babelon Monn. de la rép. rom. II 479ff. Grueber Coins of the roman rep. I 35. CIL I² app. 58. s. Nr. 76). Die Vulgärtradition bei Liv. XXII 25, 18–26, 4 führt den T. im J. 537 = 217 mit einem zusammenhängenden Bericht über sein bisheriges Leben ein, ohne übrigens etwas von den beiden erwähnten Tatsachen, Illyrierkrieg und Münzmeisteramt, zu berühren. Livius mußte in den verlorenen Büchern den T. unter den Jahren, in denen er die niederen Ämter geführt hatte, wiederholt erwähnen; wenn er erst bei seinem Eintreten für das Gesetz über die Gleichstellung des Magister equitum M. Minucius Rufus mit dem Dictator Q. Fabius Maximus 537 = 217 seine gesamte Lebensgeschichte und Charakteristik und zwar als Vorbereitung auf das Folgende (so richtig Weissenborn z. d. St) einlegt, so folgt er wahrscheinlich einem Autor, der nicht die früheren Zeiten, sondern nur den Hannibalischen Krieg darstellte, also wohl dem Coelius Antipater (vgl. den ähnlichen, gleichsam umgekehrten Fall XXX 1, 4–6 bei P. Crassus Dives o. Bd. XIII S. 332, 63ff.). Über die Herkunft des T. heißt es nun hier (Liv. XXII 25, 18): loco non humili solum, sed etiam sordido ortus. (19) patrem lanium fuisse ferunt, ipsum institorem mercis, filioque hoc ipso in servilia eius artis ministeria usum. (26, 1) is iuvenis, ut primum ex eo genere quaestus pecunia a patre relicta animos ad spem liberalioris fortunae fecit, togaque et forum placuere, (2) proclamando pro sordidis hominibus causisque adversus rem et famam bonorum primum in notitiam populi, deinde ad honores pervenit (danach Val. Max. III 4, 4: Miro gradu ..... ad consulatum macellaria patris taberna conscendit. et quidem fortuna parum duxit sordidissimae mercis capturis alito duodecim fasces largiri. Sil. Ital. [682] VIII 246ff.: Atque illi sine luce genus surdumque parentum nomen, et immodice vibrarat in ore canoro lingua procax. hinc auctus opes largusque rapinae, infima dum vulgi fovet oblatratque senatum, . .. caput extulit. .. 258ff.: Idem, ut turbarum sator atque accendere sollers invidiam pravusque togae, sic debilis arte belligera Martemque rudis versare nec ullo spectatus ferro. Plut. Fab. 14, 2: εἰς τὴν ὑπατείαν προαχθεὶς ἀπὸ γένους ἀσήμου, βίου δὲ διὰ δημοκοπίαν καὶ προπέτειαν ἐπισήμου. Dio frg. 57, 24 und daraus Zonar. IX 1: ἐν τῷ ὁμίλῳ ἐτέθραπτο καὶ ἐν βαναυσικῇ θρασύτητι ἤσκετο. Mit dem vorsichtigen ferunt weist Livius selbst auf die Bedenklichkeit seiner Angabe hin; inhaltlich gehört sie zu dem beliebten Rüstzeug der Invective (s. Gelzer Nobilität der röm. Republik 11), und die Einseitigkeit und Gehässigkeit der Formulierung wird z. B. dadurch beleuchtet, daß jenes, von den Späteren noch mehr geschmähte Auftreten des T. als Gerichtsredner und Volksredner (vgl. die Empfehlung des Gesetzes über die Dictatur 537 = 217 Liv. XXII 25, 18. 26, 4) ihm einen Platz in der Geschichte der Beredsamkeit verschafft hat (Cic. Brut. 77: cum . .. Catone [oratores] grandiores natu fuerunt C. Flaminius C. Varro . . .). In dieser feindseligen Darstellung geht alles darauf zurück, daß die Plebs in T. sui generis hominem, plebi insectatione principum popularibusque artibus conciliatum (Liv. XXII 34, 2), vere plebeium, id est hominem novum (ebd. 7) zu den honores beförderte, nämlich in früheren, nicht zu bestimmenden Jahren zur Quaestur und zur plebeischen Aedilität (ebd. 26, 3), dann vielleicht unmittelbar darauf, in einem der Varronisch geraden Jahre, spätestens 534 = 220 zur curulischen Aedilität (ebd. s. Seidel Fasti aedilicii [Bresl. Diss. 1908] 21) und 536 = 218 zur Praetur (Liv. XXII 25, 18. 26, 4. Vollständige Aufzählung der Ämter vielleicht aus einem Elogium stammend). Aus einem der Aedilenjahre ist eine weitere Spur der von M. Varro vertretenen Familientradition zu erkennen bei Val. Max. I 1, 16 und Lactant. inst. div. II 16: Bei der Pompa circensis der von dem Aedilen T. gegebenen Festspiele habe auf dem Wagen des Jupiter ein Knabe von auffallender Schönheit (eximia facie puerum histrionem Val. formosum puerum . . . alterum Ganymeden Lact.) die Exuvien des Gottes getragen; wegen der dadurch erregten Eifersucht der Juno (ob iram Iunonis Val, anklingend an das berühmte Iunonis ob iram Vergil Aen. I 4; vgl. Val. IV 5, 2: effecit ut acies deorum irae.....imputaretur) habe nach dem Glauben des Volkes (creditum est Val.) T. in seinem Consulat die Schlacht bei Cannae verloren: quod factum, post aliquot annos memoria repetitum, sacrificiis expiatum est (Val). Tatsächlich sind nach dieser Niederlage sowohl die Ludi Romani von den curulischen Aedilen wie die Ludi plebei von den plebeischen instauriert worden (Liv. XXIII 30, 16f.), was zu geschehen pflegte, so oft aliquid ex patrio ritu neglegentia casuve praetermissum est (ebd. V 52, 9; s. Suppl.-Bd. V S. 612). Es bleibe dahingestellt, oh die Entweihung ursprünglich in der Verwendung eines histrio statt eines edelgeborenen und unverwaisten Knaben erblickt wurde (s. Friedländer bei Marquardt Staatsverw.² [683] III 509, 5, angeregt von Kempf zu Val. Max. [Ed. maior 1854, 752f.]), und ob die Deutung aus der griechischen Mythologie, die den Spott des christlichen Autors mit Recht herausforderte, erst später hinzukam, als man das nicht mehr verstand und den histrio wegließ; kaum zu bezweifeln ist jedoch, daß die gemeinsame Quelle des Val. Max. und des Lactantius M. Varro gewesen ist, und daß er mit der nach bekannten Vorbildern (z. B. Liv. II 36, 1; o. Bd. XII S. 925, 41ff.) zurechtgemachten Darstellung einer unabsichtlichen Erregung göttlichen Zornes die seinem Ahnherrn T. zugeschriebene menschliche Schuld an der Niederlage verringern wollte. Im J. 537 = 217, nach dem Abgange von der Praetur, empfahl T. als einziger den Gesetzantrag des Volkstribunen M. Metilius, der für den Magister equitum gleiche Befehlsgewalt wie für den Dictator Fabius forderte. Die Tatsache ist gewiß richtig, aber von Liv. XXII 25, 18 tendenziös zu Ungunsten des T. verwertet worden, als ob er sich durch diese Befehdung des Fabius und seiner Kriegführung für die Wahl zum Consulat den Weg gebahnt habe (26, 4: iam ad consulatus spem cum adtolleret animos, haud parum callide auram favoris popularis ex dictatoria invidia [vgl. 25, 17] petiit scitique plebis unus gratiam tulit. 34, 2: ab ... dictatorio imperio concusso aliena invidia splendens. 39, 6: priusquam peteret consulatum, deinde inpetendo consulatu ... insanit).

Das Consulat des T. im J. 538 = 216 ist außer durch die Fasten (Fasti Cap. vgl. Fasti fer. Lat. CIL I² p. 57. Chronogr. Hydat. Chron. Pasch. Cassiod.) durch die vielen Zeugnisse belegt, die seine Geschichte darstellen oder erwähnen (mit falschem Praenomen P. bei Eutrop. III 10, 1 und Oros. IV 16, 1); es kann hier nur soweit behandelt werden, als es sich dabei um die Persönlichkeit handelt. Der ausführliche Bericht des Liv. XXII 34, 2-35, 7 über die Wahl der Consuln läßt trotz der starken Abneigung gegen T. deutlich erkennen, daß seine besonders von einem mit ihm verwandten (cognatus) Volkstribunen, C. Baebius Herennius (34, 3), betriebene Wahl anstandslos und glatt durchging (35, 2), während sich die Nobilität nur mit Mühe auf L. Aemilius Paullus einigte, der schon 535 = 219 Consul gewesen war, und ihn im zweiten Wahlgang durchbrachte (s. Röm. Adelsparteien 124–126. 418. Cornelius Klio Beih. XXVI 74). Schon Polybios ist demnach ungenau, wenn er bei der Erwähnung der Wahl den Paullus voranstellt (III 106, 1). Andere stehen ganz im Bann der Vulgärtradition (Sil. Ital. VIII 243. Appian. Hann. 17: ὑπάτους τε αἱροῦνται ἐκ μὲν δόξης πολεμικῆς Λεύκειον Αἰμίλιον ... ἐκ δὲ δημοκοπίας Τερέντιον Οὐάρρωνα vgl. 18: Τερεντίου δὲ οἷα δημοκόπου). Der Gesamtplan für den bevorstehenden Feldzug wurde einmütig entworfen und gebilligt: Die Römer wollten dem Hannibal mit einer erdrückenden Übermacht entgegentreten und ihm dann eine Schlacht in offenem Gelände liefern, wo Hinterhalt und andere Mittel, denen er seine bisherigen Erfolge verdankte, ausgeschlossen waren; sie rechneten darauf, daß ihnen unter solchen Bedingungen die große Überlegenheit der Zahl den Sieg bringen müßte. Die erste Hälfte der Aufgabe, die Aufstellung einer Armee von einer noch nicht [684] dagewesenen Stärke, ist gelöst worden; sie hat die Consuln fast ein halbes Jahr lang beschäftigt und offenbar dem T. Gelegenheit gegeben, sich als Organisator zu betätigen; aber davon ist in der Überlieferung nicht die Rede. Die zweite Hälfte der Aufgabe war an einem einzigen Tage zu lösen und ist an der Genialität des Gegners gescheitert; an diesem Tage lag der Oberbefehl, der Tag um Tag zwischen den beiden Consuln wechselte, in den Händen des T. (Polyb. III 110, 4. Liv. XXII 41, 3. 45, 5. Plut. Fab. 15, 1. Sil. Ital. IX 15ff. s. Mommsen St.-R. I 48). Dadurch konnte von vornherein seine Verantwortlichkeit größer als die des Paullus erscheinen, und es kamen weitere Umstände hinzu, die in derselben Richtung wirksam waren und die Überlieferung über ihn beeinflußten. Paullus fiel in der Schlacht und war damit jeder Verantwortung überhoben, wenn etwa beiden Consuln eine solche auferlegt war. Gegensätze bestanden tatsächlich im damaligen Rom noch zwischen Patriciat und Plebs, altem Adel und neuen Emporkömmlingen, und Meinungsverschiedenheiten hatten sich nicht nur in der inneren Politik gezeigt, sondern im J. 537 = 217 auch hinsichtlich der Art der Kriegführung, wobei die Ermattungsstrategie des Fabius besser abgeschnitten hatte, als das Verhalten der plebeischen Oberbeamten C. Flaminius, der am Trasimenus erlegen war, und M. Minucius, der beinahe ein gleiches Schicksal gehabt hätte (s. o. Bd. XV S. 1961). Die spätere römische Tradition sah nicht darauf, daß man im J. 538 = 216 eine ähnliche Niederlage durch den Umfang der Rüstungen unmöglich zu machen gehofft hatte, sondern nur darauf, daß sie dennoch und schwerer als je erlitten worden war; unter dem Eindruck dieses Ausgangs, unter Benutzung der erwähnten Anhaltspunkte und unter Hereintragung der Stimmungen des Vorjahrs hat sie die Vorgeschichte der Schlacht bei Cannae so gestaltet, daß T. als der allein daran schuldige (s. Liv. XXII 61, 14: consuli ex tanta clade, cuius ipse causa fuisset, redeunti; danach Val. Max, III 4, 4; gravissimae cladis auctor. IV 5, 2. Sil. Ital. IX 414. X 630. Appian. Hann. 25), ebenso gewissenlose wie unfähige Feldherr dem Paullus als dem Vertreter und Fortsetzer der Ansichten des Fabius entgegengesetzt wurde. Polybios, der ja zu dem Sohne und dem Enkel des Paullus, dem Sieger von Pydna und dem Zerstörer Karthagos, in sehr nahen Beziehungen stand, hat mit der ungleichen Beurteilung der Consuln begonnen, indem er gleich anfangs sagt, daß alle Hoffnungen auf Paullus gesetzt worden seien wegen seiner sonstigen Tüchtigkeit und wegen seines illyrischen Erfolges im ersten Consulat (III 107, 8). Die ἀπειρία des T. erwähnt er jedoch erst beim Kriegsrat vor der Schlacht gegenüber der besseren Einsicht des Paullus (110, 2f.), und auch sein Schlußurteil über T.: ἀνὴρ αἰσχρὰν μὲν τὴν φυγὴν ἀλυσιτελῆ δὲ τὴν ἀρχὴν τὴν αὐτοῦ τῇ πατρίδι πεποιημένος (116, 13) ist durch das vorausgegangene über Paullus bedingt ἀνὴρ πάντα τὰ δίκαια τῇ πατρίδι κατὰ τὸν λοιπὸν βίον καὶ κατὰ τὸν ἔσχατον καιρόν, εἰ καί τις ἕτερος ποιήσας 116, 9). Dagegen verlegt die verbreitete Anschauung den Streit darüber, ob eine Schlacht zu liefern sei, zurück bis in die Zeit vor dem Aufbruch aus Rom (so schon [685] Liv. XXII 32, 3. 34, 11): T. habe in vielen Hetzreden vor dem Volke (contiones multae ac feroces Liv. XXII 38, 6. ἀπειρίᾳ [vgl. Polyb. III 110, 3] καὶ θρασύτητι [vgl. Dio frg. 57, 24. Zonar. IX 1] . .. ἐβόα ἐν ταῖς ἐκκλησίαις Plut. Fab. 14, 2. saevit iam rostris Sil. Ital. VIII 244. e rostris 262. ad vulgum 264) behauptet, bellum arcessitum in Italiam ab nobilibus (dasselbe schon im Munde des Baebius Liv. 34, 4) mansurumque in visceribus rei publicae, si plures Fabios imperatores haberet (Liv. 38, 6; ebenso Plut. Sil. 263ff. vgl. Dio. Zonar.), und versichert, se quo die hostem vidisset perfecturum (Liv. 38, 7. Plut. Sil. 274f. Appian. Hann. 17: πολλὰ αὐτοῖς ἐκ τῆς συνήθους δοξοκοπίας ὑπισχνούμενος). Zumal gegen diese Schlußworte richten sich drei Gegenreden, eine des Paullus vor dem Volke (Liv. 38, 8–12 in indirekter Form) und zwei, die als Ermahnung des Fabius an den aufbrechenden Paullus (Liv. 38, 13–39, 22 [daraus Eutrop. III 10, 1]. Plut. Fab. 14, 4–6. Sil. 297–326) und als dessen Erwiderung (Liv. 40, 1–4. Plut. 14, 7. Sil. 327-358) gegeben werden. Die Einführung der zweiten durch fertur bei Liv. 38, 13 und der dritten durch λέγεται bei Plut. 14, 7 genügt zu der Charakterisierung ihrer vollständigen Ungeschichtlichkeit; es sei dafür außerdem noch auf die Behandlung des einen Motivs hingewiesen, der angeblich nur von T. ausgesprochenen Absicht, sofort zu schlagen. Nicht nur wird auf diese Äußerung von den Gegnern immer wieder zurückgegriffen (Liv. 38, 9f. 39, 4–8. 18. 40, 2), sondern sie wird namentlich von ihnen so gewendet, als ob Paullus den schwersten Kampf mit seinem eigenen Kollegen T. zu bestehen hätte (Liv. 39, 4f. Plut. 14, 5. Sil. 301), und zwar wird einerseits dieser Gedanke dem Fabius im Hinblick auf sein eigenes Verhältnis zu Minucius in den Mund gelegt (vgl. Liv. 39, 4. 40, 2. Plut. 10, 7) und anderseits dem sterbenden Paullus als letzte Botschaft an Fabius (am schärfsten Plut. 16, 8, doch angedeutet auch Liv. 49, 10f. Sil. X 283). Einseitig ist dann auch die mit einem vorsichtigen tradunt gegebene Darstellung des Liv. 40, 4 von der Abreise der Consuln zum Heer, als ob dem Paullus die ersten Männer Roms das Geleit gegeben hätten, dem T. nur die Masse des niederen Volkes. Nach dem Eintreffen beider im Operationsgebiet wurde sofort an die Ausführung des Kriegsplans herangetreten, was gewiß auch wegen der Verpflegungsschwierigkeiten bei einer so starken Armee notwendig war; aber da haben sich allerdings Meinungsverschiedenheiten gezeigt. Der allein maßgebende Bericht des Polybios rechnet von der Ankunft der Consuln beim Heere, die in der Gegend von Arpi erfolgt sein dürfte (Kromayer Antike Schlachtfelder III 283, 4. 300), bis zur Schlacht nur acht Tage, an denen sie abwechselnd den Oberbefehl führten (s. o.). Erster Tag Polyb. III 108, 2ff.: Kommandoübernahme, Oberbefehl des Paullus, seine Ansprache an das Heer. Zweiter Tag 110, 1: Oberbefehl des T., Vormarsch. Dritter Tag ebd.: Oberbefehl des Paullus, weiterer Marsch bis 50 Stadien (= 8, 9 km) Entfernung vom Feinde. Hier gehen die Ansichten auseinander, 110, 2f: Paullus findet das Gelände ungünstig, weil der Gegner in der weiten Ebene seine Reiterei gut [686] zur Geltung bringen könnte; T. vertritt die entgegengesetzte Ansicht Polybios begründet das zwar mit seiner ἀπειρία (s. o.; dagegen vorher 108, 2 bei Paullus seine αὐτοπάθεια), begnügt sich aber im übrigen mit einer sentenziösen Bemerkung über das Schädliche solcher Uneinigkeit. Vierter Tag 110, 4–7: Oberbefehl des T., weiteres Vorrücken trotz der Bedenken des Paullus (πολλὰ διαμαρτυρομένου καὶ κωλύοντος τοῦ Λευκίου), glückliches Gefecht. Fünfter Tag, 110, 8–11: Oberbefehl des Paullus, οὔτε μάχεσθαι κρίνων οὔτε μὴν ἀπάγειν ἀσφαλῶς τὴν στρατιὰν ἔτι δυνάμενος, Verteilung der Truppen auf zwei Lager zu beiden Seiten des Aufidus. Sechster Tag: Oberbefehl des T., Ruhetag, von Polyb. 112, 1 nur mit Rücksicht auf Hannibals Maßregeln erwähnt. Siebenter Tag 112, 1–5: Oberbefehl des Paullus. Hannibal bietet die Schlacht an; Paullus δυσαρεστούμενος ... τοῖς τόποις ... εἴχε τὴν ἡσυχίαν Hannibal kehrt ins Lager zurück und schickt die Numider vor, die bis zu dem kleineren römischen Lager streifen und das Wasserholen hindern; Unzufriedenheit des T. (ἔτι μᾶλλον ἐπὶ τούτοις παρωξύνετο) und Ungeduld der Soldaten, wieder mit einer sentenziösen Bemerkung, die noch verstärkt wird durch die 112, 6–9 eingeflochtene Schilderung der bangen Erwartung in Rom. Achter Tag, 113, 1ff.: Oberbefehl des T.; die Schlacht. Von einer grundsätzlichen und entschiedenen Stellungnahme des Paullus gegen und des T. für das Liefern einer Feldschlacht ist hier nichts zu bemerken; die Ansichten gehen über Ort und Zeit ein wenig auseinander; es macht aber den Eindruck, als ob T. sogar seinem Kollegen nachgegeben und gewartet hätte, bis die gesamte Kriegslage, die Herausforderung des Gegners, die Stimmung im eigenen Heere ein längeres Zögern kaum mehr zuließ. Wesentlich anders, aber auch wesentlich schlechter ist die Darstellung des Livius und der späteren Autoren, wonach die Consuln schon bei Gerunium zum Heere gekommen sind und hier die ersten Berührungen mit dem Feinde hatten, ehe dieser nach Cannae abmarschierte (Liv. XXII 40, 5–43, 10). Ein Gefecht, bei dem einem feindlichen Verluste von 1700 Mann ein eigener von nicht mehr als 100 Römern und Bundesgenossen gegenübersteht (41, 1f.), kann nur aus dem von Polybios beim vierten Tage berichteten herausgesponnen sein (s. De Sanctis Storia dei Romani III 2, 59, 90). Es ist nicht nur von der Gegend bei Cannae in die von Gerunium verlegt und vordatiert worden, sondern auch aus einem Tage, an dem T. das Kommando hatte, auf einen, an dem Paullus führte, geschoben worden, so daß sich Gelegenheit bot, die Unbesonnenheit und Unvorsichtigkeit des T. gegenüber der Zurückhaltung des Paullus aufs schärfste zu tadeln (41, 1. 3–5). Daran schließt sich die Erzählung von einer Falle, die Hannibal ihnen stellte (41, 6–42, 12), und in die T. ohne die Vorsicht des Paullos heinahe hineingegangen wäre, was wiederum ähnlich gerügt wird (42, 3. 7. 9. s. Kromayer 385, 1. De Sanctis a. O.). Die beiden unglaubwürdigen Episoden bietet auch Zonar. IX 1 mit derselben gegen T. gerichteten Tendenz. Nach Hannibals Abzug folgt bei Liv. 43, 7–9 ein römischer Kriegsrat, wobei jeder der Consuln denselben Standpunkt wie immer [687] einnimmt, aber Paullus lediglich bei seinem Amtsvorgänger Cn. Servilius Geminus (o. Bd. II A 5. 1795) Zustimmung findet, und daher nach der Ansicht des T. und aller übrigen beschlossen wird, dem Feinde zu folgen. Dasselbe sagt Appian. Hann. 18, wenn er auch den Marsch der beiden Heere nach Cannae vorher (17) und die zweite Episode, den Hinterhalt Hannibals, nachher (18f.) erzählt; er betont noch stärker, daß T. sich gegenüber dem zurückhaltenden und nur von Servilius unterstützten Paullus auf die ausdrücklich erteilte Anweisung des Volkes zu einer Entscheidungsschlacht berufen habe (18, vgl. 17) und den Beifall sämtlicher anwesenden Senatoren und Ritter erhalten habe. Es sind somit auch in den Berichten, die dem T. durchaus abgeneigt sind, deutliche Spuren einer unbefangeren Auffassung, die seine persönliche Verantwortung keineswegs als die alleinige oder die größte von allen hinstellte. Unmittelbar vor der Schlacht, am siebenten Tage, spricht ja auch Polybios von dem Zwist der Consuln; hier ist dieser nun von den Späteren mit grellen Farben ausgemalt worden, die aber das Bild um nichts wahrheitsgetreuer erscheinen lassen (Liv. 44, 5-45, 1. Sil. Ital. IX 1–65, vgl. X 407. Appian. 19), und er wird noch einmal ausdrücklich erwähnt, als am nächsten Tage T. als Oberbefehlshaber das Heer zur Schlacht aufstellt (Liv. 45, 5; auch Sil. IX 262; s. ferner Val. Max. III 4, 4. Eutrop. III 10, 2. Oros. IV 16, 1. V 5, 7f. Plut. Aem. Paull. 2, 3. Dio frg. 57, 25). Für die Schlacht genügt es, auf die Literatur bei Kromayer Antike Schlachtfelder III 278–388. IV 610–625 und bei Cornelius Klio Beih. XXVI (1932) zu verweisen; die Untersuchungen an Ort und Stelle werden vielleicht eine der Streitfragen, die nach der Lage des Schlachtfeldes, in nächster Zeit lösen; doch ist nach den von Kromayer IV 678 und Arch. Anz. 1930, 403 aufgenommenen Meldungen italienischer Zeitungen nichts mehr darüber bekannt geworden (z.B. nichts Arch. Anz. 1931 und 1932). T. persönlich übernahm die Führung des linken Flügels, dessen Spitze die bundesgenössische Reiterei gegenüber der numidischen des Feindes bildete (Polyb. 114, 4. 6. Liv. 45, 8. Sil. IX 249ff. 267ff. Abweichend Appian. 19: στρατηγοὶ δ’ ἐφειστήκεσαν τῷ μέσῳ μὲν Αἰμίλιος, τῷ δὲ λοιῷ Σερουίλιος, Τερέντιος δὲ τοῖς ἐπὶ δεξιά ; s. darüber Cornelius 69, auch Klotz Rh. Mus. LXXXII 16f.). In den Schlachtberichten ist von T. gar nicht die Rede, da die Angaben bei Sil. 414 (cuncti fons Varro mali) 419ff. 632ff. wertlose Erdichtungen sind, und von der durch ihn befehligten Reiterei des linken römischen Flügels nur sehr wenig. Sie ist nach dem Bericht des Polyb. 116,5–7, vgl. 12 von den Numidern, bis die Entscheidung im Centrum gefallen war, beschäftigt und dann in die Flucht gejagt worden. Liv. hat dies verkürzt (48, 1), aber auch erweitert durch die unglaubwürdige Anekdote von der arglistigen Täuschung der Römer durch angebliche Überläufer (48, 2–4; vgl. Val. Max. VII 4, ext. 2. Appian. 20. 22. Zonar. LX 1; s. Kromayer III 385). Angesichts der allgemeinen Niederlage rettete sich T. mit 70 Reitern zunächst nach Venusia, während etwa 300 weitere seiner bundesgenössischen Reiter in benachbarte Ortschaften entkamen (Polyb. 116, 3. [688] 117, 2). Die Zahl seiner Begleiter ist bei Livius auf ,ungefähr’ (fere 49, 14) und weiterhin sogar ,kaum’ (vix 50, 3. XXIII 11, 9) fünfzig Reiter (danach Oros. IV 16, 3) zusammengeschrumpft, und die Vulgärtradition hat überhaupt das Möglichste getan, um seine Flucht kläglich und schimpflich darzustellen (z. B. Plut. 16, 6: ὀλιγοστὸς ἀφιππευεν. 18, 4. Appian. 23: αὐτοῖς ἐξῆρχε τῆς φυγῆς) 25: ὁ δὲ φαυλότατός τε καὶ τῶν συμφορῶν αἴτιος ἀρχομένης τῆς τροπῆς ἐπεφεύγει und in einen Gegensatz zu dem gepriesenen und durch ihn gewissermaßen verschuldeten Heldentod des Paullus zu bringen (z. B. Cic. Cato 75 von Paullus: morte luit collegae in Cannensi ignominia temeritatem [vgl. off. III 114]. Nep. Hann. 4, 4. Liv. XXV 6, 9. XXVI 3, 2. Flor. I 22, 17. Oros. IV 16, 3. V 5, 8 in einer Rede: collega enim Paullo – quo tandem viro.! – perdito novissime in urbem paene solus [so!] impudentissime redire ausus est. Auct. de vir. ill. 42, 4. Ampel. 46, 5 [vgl. 28, 4]. Porphyr. Horat. carm. I 12, 37. Schol. Iuvenal. 2, 155. 11, 201. Sil. Ital. IX 649ff. X 55f. 64f. 514ff. Lactant. inst. div. II 16. Apoll. Sidon. c. VII 554. Plut. Aem. Paull. 2, 3. Zonar. IX 1). Doch fehlt es auch hier nicht an Spuren einer anderen Beurteilung: Flor. I 22, 17 wirft die Frage auf: Ducum fugit alter, alter occisus est; dubium uter maiore animo, und Frontin. strat. IV 5, 6 (s. u.) beantwortet sie sogar zugunsten des T.: Varro collega eius vel maiore constantia post eandem cladem vixit. . . non autem vitae cupiditate, sed rei publicae amore se superfuisse ... adprobavit, Jedenfalls hat T. nach der furchtbaren Katastrophe seine Pflicht erfüllt. In Venusia sammelten sich um ihn Flüchtlinge in der Stärke von etwa einer Legion (Liv. XXII 54, 1 vgl. XXV 6, 14; entstellt und übertrieben XXIII 5, 1ff.); er führte sie nach Canusium und vereinigte sie mit den mehr als doppelt so zahlreichen Mannschaften, die hierhin entkommen waren, ordnete und ermutigte sie (Liv. XXII 54, 5f. Appian. 26. Dio frg. 57. 29; s. Klotz Philol. LXXXVIII 61ff.) und sandte dann einen amtlichen Bericht an den Senat (Liv. XXII 56, 1–3. Zonar. IX 2 vgl. Dio), worauf er von M. Marcellus abgelöst und nach Rom entboten wurde (Liv. 57, 1). Dio schildert seine Haltung in diesen Tagen: ’ ἀθυμήσας οὔτε καταπτήξας, ἀλλ’ ἀπ’ ὀρθῆς τῆς διανοίας ὥσπερ μηδενός σφισι δεινοῦ συμβεβηκότος πάντα τὰ πρόσφορα τοῖς παροῦσι καὶ ἐβούλευσε καὶ ἔπραξε, und selbst Liv. XXIII 14, 1 stellt ihm nach dem Eintreffen in Rom ein ähnliches Zeugnis aus: Nec consul ulli rei, quae per eum agenda esset, deerat. So erklärt sich sein Empfang in Rom, der stets als Beweis des ungebrochenen Mutes und Selbstvertrauens des Senats und Volkes bewundert worden ist, zugleich als eine Kundgebung ihres unverminderten Vertrauens zu dem Consul: adeo magno animo civitas fuit, ut consuli ex tarda clade, cuius ipse causa maxima fuisset (s. o.), redeunti et obviam itum frequenter ab omnibus ordinibus sit et gratiae actae, quod de re publica non desperasset (Liv. XXII 61, 11. XXV 6, 7. Val. Max. III 4, 4. Frontin. strat. IV 5, 6. Flor. I 22, 17. Oros. V 5, 9. Schol. Iuvenal. 11, 201. Sil. Ital. X 606–639. Plut. Fab. 18, 4f. s. Klotz Rh. [689] Mus. LXXXII 18f.). Eine Übertreibung einer späten und schlechten Quelle ist die Behauptung, es sei für ihn ein Triumph beschlossen worden, weil er nicht ganz verzweifelt habe (Schol. Iuvenal. 11, 201); dagegen tritt die Nachricht, daß ihm die Dictatur angeboten, jedoch von ihm abgelehnt worden sei, bei Val. Max. III 4,4. IV 5, 2 und auch bei Frontin. strat. IV 5, 6, der statt von ihr im allgemeinen von honores spricht, mit solcher Bestimmtheit auf, daß sie schwerlich ganz zu verwerfen ist. Die Bemerkung des Val. Max. IV 5, 2, daß die tum recepta dictatura sehr wohl dem titulus imaginis eius hinzugefügt werden dürfte, erinnert an eine ähnliche Überlieferung von Scipio Africanus (Liv. XXXVIII 57, 12) und an die Aufnahme entsprechender Notizen, z. B. gerade der Ablehnung der Dictatur, im Verzeichnis der Ehren des Augustus (Mon. Ancyr. cap. V Anf. u. dgl., auch Plin. ep. II 1, 7); die Primärquelle wird die Familientradition sein und der unmittelbare Gewährsmann der Altertumsforscher M. Varro Nr. 84. Dann ist diesem auch die weitere Nachricht zuzuweisen, die Frontin neben jener als Beleg für die auch von Val. Max. anerkannten Eigenschaften des T., pudor und modestia, erhalten hat: et barbam cafrillumque summisit et postea nunquam recubans cibum cepit; die Zurückführung auf M. Varro ließe sich noch durch manche Beobachtungen stützen. Jedenfalls ist dem T. das allgemeine Vertrauen weder im J. 538 = 216 noch späterhin entzogen worden, wenn er auch im Felde kein größeres Kommando mehr geführt hat; an den neuen Rüstungen nahm er in Rom unverzüglich neben dem Dictator M. Iunius Pera (o. Bd. X S. 1076f.), der ex auctoritate patrum (Liv. XXII 57, 9) offenbar von ihm ernannt wurde (Weissenborn z. d. St.), eifrig teil (Liv. XXIII 14, 1, s.o.). Indes nach kurzer Zeit muß T. zu den in Apulien verbliebenen Truppen zurückgekehrt sein; denn als der Senat beschlossen hatte, daß zur Ausfüllung der großen Lücken in seinen eigenen Reihen ein Dictator, und zwar der älteste Censorier M. Fabius Buteo (o. Bd. VI S. 1760 Nr. 53) bestellt werden sollte, wurde der Consul zur Ernennung dieses Dictators nach Rom berufen (Liv. XXIII 22, 10f). Er führte den Auftrag aus und eilte sogleich wieder auf den Kriegsschauplatz, ohne den Senat zu benachrichtigen, damit er nicht etwa wegen der Wahlen in der Hauptstadt festgehalten würde (ebd. 23, 9).: In der Tat wurden die Wahlen von dem Dictator rei gerundae M. Iunius Pera geleitet (ebd. 24, 1-5 ; o. Bd. X S. 1077), so daß die Verwendung des T. im Felde fortdauerte. Auch als die Nachrichten aus Gallien zu einer genaueren Feststellung der Streitkräfte veranlaßten, die unter seinem Befehle in Apulien vorhanden waren, entschied man sich dennoch, ihm zunächst das Kommando für das nächste Jahr zu bestätigen und von einer Verminderung der Truppen Abstand zu nehmen (ebd. 25, 6. 11.). Erst im Verlauf des J. 539 = 215 gab er diese Heeresabteilungen ab, die nun nach Tarent kamen (ebd. 32, 16 vgl. 38, 9), und wurde selbst nach Picenum versetzt, um hier Aushebungen zu veranstalten und den Grenzschutz zu übernehmen (ebd. 32, 19). Dieses Imperium, mit dem der Befehl über eine Legion verbunden war, wurde ihm für 540 = 214 (ebd. XXIV 10, 3. [690] 11, 3) und 541 = 213 (ebd. 44, 5) prorogiert und erreichte erst 542 = 212 sein Ende, als die Legion anderwärts nötiger gebraucht wurde (ebd. XXV 3, 4. 6, 7: cui post fugam a Cannis per omnes annos prorogatum imperium). Aufs neue fand T. während des Krieges in den J. 546 = 208 bis 548 = 206 in Etrurien Verwendung, als Privatmann mit einem propraetorischen Imperium bekleidet (Liv. XXVII 24, 1: cum imperio missus. 35, 2: pro praetore missus. XXVIII 10, 11: pro praetore; vgl. Mommsen St.-R. I 681f., 6. II 652, 2). Die aufrührerische Bewegung unter den Etruskern hatte ihren Herd in Aretium und war vielleicht gefährlicher, als man später eingestand (Liv. XXVII 21, 6f. 22, 13. Plut. Marcell. 28, 1. Zonar. 9, 1), so daß zu ihrer Unterdrückung zuerst der bereits zum fünften Consulat bestimmte M. Marcellus (o. Bd. III S. 2753), dann der Propraetor C. Hostilius Tubulus (o. Bd. VIII S. 2514 Nr. 25) aufgeboten wurde, und ferner T., anfangs mit dem Propraetor zusammen (Liv. XXVII 24, 1–9), dann allein zur längeren Überwachung des Landes (ebd. 35, 2. 36, 13. XXVIII 10, 11). T. wird damals in einem Alter gewesen sein, das für den Felddienst nicht mehr geeignet war; aber seine beständige Heranziehung bei anderen Aufgaben beweist, daß der Senat ihm dauerndes Vertrauen schenkte. 551 = 203 führte er eine Gesandtschaft an Philipp von Makedonien, um die griechischen Verbündeten gegen dessen Übergriffe in Schutz zu nehmen (Liv. XXX 26, 4 vgl. 42, 3, woraus seine Rückkehr im J. 552 = 202 zu erschließen ist), und 554 = 200 eine zweite Gesandtschaft nach Africa, die erstens in Karthago Beschwerden über mangelhafte Erfüllung der Friedensbedingungen erhob, zweitens dem Masinissa Glückwünsche und Auszeichnungen überbrachte und seine Bundeshilfe in dem soeben erklärten Kriege gegen Philipp erbat und drittens dem Sohne des Syphax, Vermina, den Friedensvertrag diktierte (Liv. XXXI 11, 18; Aufträge der Gesandtschaft ebd. 11, 4–17 und Erfolge 19, 1-6). Noch in demselben J. 554 = 200 trat er an die Spitze einer Kommission zur Verstärkung der durch den Hannibalischen Krieg schwer geschädigten Kolonie Venusia (Liv. XXXI 49, 6); die beiden anderen Kommissionsmitglieder waren zwei jüngere Männer, die sowohl durch ihre Zugehörigkeit zu den vornehmsten patrizischen Geschlechtern wie durch ihren eigenen Wert berufene Führer der jungen Generation waren, T. Quinctius Flamininus und P. Scipio Nasica (o. Bd. IV S. 1495); wenn T. seine letzte bekannte Tätigkeit als deren Vorgesetzter und gerade an dem Orte ausübte, wo er am schwersten Tage seines Lebens im J. 538 = 216 geweilt hatte (s. o.), so ist auch das ein Zeichen dafür, daß die Sieger über Hannibal den Besiegten von Cannae nicht als den Hauptschuldigen an dieser Niederlage verachteten und verurteilten.