Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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P. C. Scipio Nasica, Konsul 191 v. Chr.
Band IV,1 (1900) S. 14941497
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350) P. Cornelius Scipio Nasica. Wiederholt wird ausdrücklich angegeben, dass er der Sohn des Cn. Scipio Calvus Nr. 345 und der Vetter des älteren P. Scipio Africanus gewesen sei (Fasti Cap. Liv. XXIX 14, 8. XXXI 49, 6. XXXV 1, 3. 10, 9. 24, 4. XXXVI 1, 1. XXXVII 57, 10. XXXVIII 58, 4. Vell. II 3, 1. Sil. It. XVII 11f. Appian. Hann. 56. Dio frg. 56, 64). Der Beiname Nasica bedeutet nach Arnob. VI 10 das Gegenteil von displosae nares, vielleicht Spitznase, und ist in dem Zweige der Scipionen, die von diesem ersten P. Nasica abstammen, erblich geworden. Ein mit ihm gleichzeitiger L. Nasica (erwähnt von Cic. de or. II 260; vgl. Gell. IV 20, 3–6) gehört schwerlich derselben Familie an; ebenso ist es nicht wahrscheinlich, dass der von Hor. sat. II 5, 57ff. erwähnte Nasica ,ein heruntergekommenes Glied des edlen Geschlechtes‘ gewesen sei, wie u. a. Kiessling z. d. St. meint. Aus den letzten anderthalb Jahrhunderten der Republik sind sechs Männer mit Namen P. Cornelius Scipio Nasica bekannt, von denen jeder der Sohn des vorhergehenden war. Obgleich es nicht schwer ist, sie auseinander zu halten, sind doch verschiedene Verwechslungen vorgekommen. Besonders häufig wird der erste Nasica mit seinem Sohne Nasica Corculum zusammengeworfen, so von Liv. ep. XLIX, wo offenbar der Epitomator, nicht Livius selbst die Schuld trägt, ferner von Diod. XXXIV 33, 1–6. Auct. de vir. ill. 44, 1ff. Ampel. 19, 11. Augustin. civ. dei II 5, vielleicht auch von Pompon. Dig. I 2, 2, 37 (s. Nr. 353), sodann mit seinem Sohn und Enkel an den zusammengehörigen Stellen Plin. n. h. VII 118 und 120 (vgl. Schol. Iuvenal. III 137), endlich mit Sohn, Enkel und Urenkel von Val. Max. VII 5, 2. Wenn bei jenen diese Verwirrung noch als blosser Irrtum zu erklären ist, so scheint dagegen bei Val. Max. und Plin. nicht blos ein Irrtum, sondern eine bestimmte Absicht vorzuliegen. Die Verschmelzung der verschiedenen Nasicae zu einer Person ergab ein glänzendes Musterbeispiel römischer Tugend (vgl. Münzer Quellenkritik der Naturgesch. des Plin. [Berlin 1897] 322–325). In einem Falle vermögen wir die von den Autoren geschaffene Unklarkeit nicht mehr aufzuhellen; nach Diod. XXXIV 33, 1 sollen Grossvater und Vater des Consuls von 643 = 111 die Würde eines Princeps senatus bekleidet haben; da der Grossvater von Diodor für identisch mit dem Urgrossvater gehalten wird, und da anderweitig [1495] nur für den Grossvater die Würde bezeugt ist (vgl. Nr. 353), so bleibt die Möglichkeit offen, dass der Urgrossvater oder der Vater jener zweite Princeps senatus unter den Vorfahren des Consuls von 643 = 111 sein könnte. Aber beides erscheint unmöglich (vgl. Mommsen Rhein. Mus. XIX 455; St.-R. III 970, 2), Diodor muss einen Irrtum begangen haben, und zwar hat er wohl den väterlichen Urgrossvater jenes Consuls mit dem mütterlichen, dem Vater seiner Grossmutter, verwechselt; diese zwei waren die gleichnamigen Vettern Scipio Nasica und Scipio Africanus Maior, der in der That Princeps senatus gewesen ist.

In den Nachrichten über das Leben des ältesten P. Scipio Nasica verrät sich mehrfach die Hand des Annalisten Valerius Antias, der in ihm wohl eine Art Doppelgänger seines Lieblingshelden Scipio Africanus, nur mit schwächeren Farben darstellte. Als im J. 550 = 204 das Bild der grossen Göttermutter von Pessinus nach Rom gebracht wurde, war vom delphischen Orakel oder nach anderer Version von den sibyllinischen Büchern die Weisung erteilt worden, der beste Mann in Rom sollte die Göttin empfangen. Durch Senatsbeschluss wurde Nasica, der damals noch ein ganz junger Mann war und noch nicht die Quaestur bekleidet hatte, für den besten Mann der Bürgerschaft erklärt und erhielt den ehrenvollen Auftrag, die Göttin von dem Schiffe in die Stadt zu tragen, nicht in sein Haus, wie einige Autoren angeben. Es versteht sich von selbst, dass diese Auszeichnung zu den höchsten Ehrentiteln des Scipionenhauses gerechnet wurde; schon der Anfang des Grabgedichts des L. Scipio Nr. 323: honc oino ploirume consentiont R[omai] duonoro optumo fuise viro Luciom Scipione ist sicherlich unter dem Eindruck jenes Urteils des Senats über seinen Enkel entstanden (vgl. dagegen die Grabschrift des A. Atilius Calatinus: unum hunc plurimae consentiunt gentes populi primarium fuisse virum). Worauf sich das Urteil gründete, ist unbekannt; Livius macht die charakteristische Bemerkung XXIX 14, 9: id quibus virtutibus inducti ita iudicarint, sicut traditum a proximis memoriae temporum illorum scriptoribus libens posteris traderem, ita meas opiniones coniectando rem vetustate obrutam non interponam; was andere von der Frömmigkeit und ähnlichen Tugenden Scipios reden, sind nur solche Vermutungen. Gewiss hat das Andenken seines Vaters, der in Spanien den Heldentod gestorben war, und die Stellung seines Vetters, der im Begriff war, nach Africa überzugehen, das Urteil des Senats nicht weniger bestimmt, wie die moralischen Vorzüge des Jünglings selbst. Berichte und Erwähnungen der Sache: Cic. har. resp. 22. 27; Brut. 79; fin. V 64. Liv. XXIX 11, 6. 14, 8–11. XXXV 10, 9. XXXVI 36, 3. 40, 9; ep. XLIX. Vell. II 3, 1. Val. Max. VII 5. 2. VIII 15, 3. Plin. n. h. VII 120. Auct. de vir. ill. 44, 1. 46, 3. Ampel. 24. Augustin. civ. dei II 5. Ovid. fast. IV 347. Sil. Ital. XVII 5–12. Iuven. III 137f. mit Schol. Diod. XXXIV 33, 1–3. Appian. Hann. 56. Dio frg. 56, 64. Im J. 554 = 200 war Nasica Triumvir für die Verstärkung der Colonie Venusia (Liv. XXXI 49, 6), 557 = 197 curulischer Aedil (Liv. XXXIII 25, 1) und 560 = 194 Praetor. Als solcher erhielt er das jenseitige [1496] Spanien zur Provinz (Liv. XXXIV 42, 4. 43, 7; bei Plut. Cato 11, 1ff. wird fälschlich P. Scipio Africanus für diesen Statthalter gehalten), zwang durch glückliche Kämpfe zahlreiche Städte zur Übergabe (Liv. XXXV 1, 3), beschäftigte seine Soldaten während des Winters mit dem Bau von Schiffen (Frontin. strat. IV 1, 15), vertrieb durch einen Sieg bei Ilipa die in die Provinz eingedrungenen Lusitaner und gelobte bei dieser Gelegenheit die Festspiele, die er später als Consul feierte (Liv. XXXV 1, 4–12 mit starken Übertreibungen. XXXVI 36, 1f.). Um dieses Amt bewarb er sich nach seiner Rückkehr für das J. 562 = 192, wurde aber trotz seiner eigenen Verdienste und trotz der nachdrücklichen Unterstützung von seiten des Scipio Africanus noch nicht gewählt (Liv. XXXV 10, 2. 9), sondern hatte erst bei einer erneuten Bewerbung für 563 = 191 Erfolg (Liv. XXXV 20, 4f. XXXVI 1, 1. Eutrop. IV 3, 1. Oros. IV 20, 20. Cassiod. Fasti Cap. Chronogr. Idat. Chron. Pasch.). Er erhielt Italien als Provinz zugewiesen, stellte beim Volke den Antrag auf Kriegserklärung gegen Antiochos und beschäftigte sich längere Zeit mit der Ordnung der inneren Angelegenheiten (Liv. XXXVI 1, 6. 2, 1. 3, 2. 36, 1–3. 37, 1. 5). Darauf begab er sich nach Oberitalien und lieferte hier den Boiern eine grosse Schlacht. Zwar ist deren Bedeutung wieder von Antias übertrieben worden, aber doch war das Ergebnis, dass sich die Boier vollständig unterwarfen und Geiseln stellten (Liv. XXXVI 37, 6. 38, 5–7. 39, 3. Oros. IV 20, 21); daher wurde dem Consul der geforderte Triumph trotz des Einspruchs eines Volkstribunen bewilligt (Liv. XXXVI 39, 3–40, 14; in den Acta triumph. ist nur [Co]rnel[ius] erhalten). Im Anfang des nächsten Jahres kehrte er noch einmal in das Gebiet der Boier mit proconsularischem Imperium zurück (Liv. XXXVII 2, 5). Ein Sechsgespann von vergoldeter Bronze, das er auf dem Capitol stiftete, war wohl ein aus der reichen Beute errichtetes Weihgeschenk (Liv. XXXVIII 35, 4 mit Weissenborns Anm.). Das höchste Staatsamt hat Nasica nicht erreicht; er ist nach Liv. XXXVII 57, 10. XXXIX 40, 2 565 = 189 und 570 = 184 bei der Bewerbung um die Censur unterlegen, und auch Plin. n. h. VII 120 nennt ihn in toga candida bis repulsa notatus a populo, wobei die erste Niederlage bei den Consulwahlen noch nicht einmal erwähnt wird. Dass Nasica bei den Censorenwahlen durchfiel, hängt damit zusammen, dass in diesen Jahren die Stellung der Scipionen schwer erschüttert wurde. In der livianischen Darstellung der Scipionenprocesse erscheint Nasica neben seinen beiden Vettern als einer der vornehmsten Mitwirkenden, denn er ist es hier, der die Volkstribunen dem L. Scipio Asiaticus [1] zu Hülfe ruft und diesen in langer, trefflicher Rede verteidigt (Liv. XXXVIII 58, 3–59, 11); aber diese wichtige Rolle hatte in der älteren Überlieferung vielmehr der ältere Africanus als Bruder des Angeklagten gespielt (Liv. XXXVIII 56, 9f. Gell. VI 19, 5; vgl. Nr. 337), und nur Valerius Antias hat Nasica an dessen Stelle gesetzt, weil er die Verbannung und den Tod des Africanus vor den Process des Asiaticus verlegte und dann in dem Vetter den passendsten Ersatzmann fand (vgl. Mommsen Röm. Forsch. II 473, [1497] 112. 495f.). Antias liess ferner den Nasica im J. 571 = 183 mit jener Gesandtschaft, die Hannibals Auslieferung von Prusias fordern sollte, nach Asien reisen (Liv. XXXIX 56, 7); zu derselben Zeit ist Nasica aber zum Triumvir coloniae deducendae gewählt worden und wirkte in dieser Stellung 573 = 181 bei der Gründung von Aquileia mit (Liv. XXXIX 55, 6. XL 34, 3). Nur zehn Jahre später wird er noch einmal erwähnt; damals ist er mit M. Cato, L. Aemilius Paullus und C. Sulpicius Gallus als Patron der Spanier gegen die von diesen angeklagten Statthalter aufgetreten (Liv. XLIII 2, 5. 7). Der Tod des Africanus hatte auch Nasicas Zurücktreten von der politischen Bühne zur Folge gehabt. Für ein näheres Verhältnis beider zu einander spricht namentlich auch die Thatsache, dass sie ihre Kinder mit einander vermählten. Auch Nasica stand in freundschaftlichen Beziehungen zu Ennius, wie eine Anekdote bei Cic. de or. II 276 beweist.

Nachträge und Berichtigungen

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Band S I (1903) S. 331 (EL)
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350) (Zu S. 1494, 27) Nasica ist nach den Glossatoren (vgl. Löwe Prodomus corp. gloss. Lat. 391f.) nicht ,Spitznase‘, sondern ,Krummnase‘.

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350) P. C. Scipio Nasica, Konsul im J. 191 v. Chr. (K) S I.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. L. Scipio Asiaticus hier identisch mit L. Scipio Asiagenus