7) Hamilkar, genannt Baraq, d. h. der Blitz (Meltzers Bedenken gegen diese Erklärung II 582 sind wenig durchschlagend), Feldherr der Karthager im ersten Punischen Krieg, Sohn eines Hannibal (Nep. Hann. 1) und Vater des großen Hannibal; wenn identisch mit Nr. 6, etwa 285 v. Chr. geboren. Im Frühjahr 246 (nach der annalistischen Überlieferung 247, s. u. unter Chronologie) an Stelle Karthalos (Zonar. 8, 16, 397 a) zum Oberbefehlshaber der Seestreitkräfte ernannt (Polyb. I 56, 1), warf er sich sofort auf die Küsten Lukaniens und Bruttiums, die er gründlich verheerte, und setzte sich dann auf der Heirkte bei Panormos fest. Nach der Beschreibung
[2304]
bei Polyb. I 56, 3–8 wird die Heirkte gewöhnlich mit dem Monte Pellegrino bei Palermo identifiziert, so von Schubring Topographie von Panormos I 24–26, Freeman Hist. of Sic. I I 254f. (gute Karte), Meltzer Gesch. d. Karthager I 342ff., auch von Holm Gesch. Siz. III 254, der indessen einige Bedenken geltend macht. Neuerdings hat dann Kromayer (Festschr. d. Wiener Eranos zur Begrüßung d. Phil.-Vers. in Graz 1909, 225) die Richtigkeit der Identifizierung geleugnet und die der Heirkte entsprechende Örtlichkeit auf der nordöstlichen Abdachung des Monte Castellaccio, 7 km nordwestlich von Palermo, gesucht. Von hier aus führte H. drei Jahre lang gegen die Römer in Panormos Krieg, während zugleich seine Flotte die Küsten Italiens bis nach Kyme hinauf brandschatzte. Vielleicht gehören die Zonar. VIII 15, 397 c und Front. III 10, 9 erwähnten Kämpfe in diese Zeit (Polyb. I 56, 10–57, 8). Schließlich doch wohl von der Heirkte vertrieben (Polybios’ Ausdruck I 58, 1 ist nicht ganz klar), warf er sich 243 auf die Stellung am Eryx (S. Giuliano bei Trapani), nahm die seit 259 verlassene, ca. 150–200 m unterhalb des Gipfels auf einem kleinen Plateau gelegene Stadt ein und schob sich auf diese Weise zwischen die römische Besatzung im Tempel auf dem Gipfel der Eryx und das römische Belagerungskorps, das am Südfuß des Berges auf der Pizza Argenteria am Wege nach Drepanon lag. Als Hafen und rückwärtige Verbindung (Polyb. I 58, 3) diente ihm die kleine Bucht bei Tonnara di Bonagia, deren Entfernung der Angabe des Polybios (30 Stadien = 5 km) ziemlich entspricht. Die mannigfachen Streitigkeiten über die Örtlichkeit (Holm Gesch. Siz. 354f s. o. Bd. VI S. 602f.) sind jetzt durch die genaue Aufnahme des Geländes erledigt, die Kromayer und Veith vorgenommen haben (Klio X 1910, 461–477 mit guter Kartenskizze). Auch hier setzte H. seine Kampfesweise fort, die die Römer fortwährend in Atem hielt (Polyb. I 58, 4–5), bis durch Catulus’ Sieg bei den Aegatischen Inseln (Mai 241) seine Stellung vom Meere abgeschnitten und dadurch unhaltbar ward. Nach der Schlacht von den karthagischen Behörden zum Oberbefehlshaber mit unumschränkter Vollmacht ernannt (Polyb. I 62, 3), knüpfte er sofort Verhandlungen mit Catulus an und vereinbarte die Friedenspräliminarien, die Polyb. I 62, 8–9 im Wortlaut vorlegt. Für sich selbst und seine Leute verlangte er freien Abzug mit allen militärischen Ehren der wohl ohne Schwierigkeiten bewilligt ward (anders Nep. Ham. 1. Zonar. VIII 17). Sodann führte er die Truppen nach Lilybaion zurück und legte dort das Kommando nieder (Polyb. I 66, 1); ob auf Betreiben der Gegenpartei oder weil es nur für Sizilien gegolten hatte, wie Meltzer II 369 meint, muß dahingestellt bleiben. Hauptquellen für diesen ersten Abschnitt sind Polyb. I 56–66, der seinem eigenen Geständnisse nach (c. 18. 19) auf Philinos und Fabius Pictor zurückgeht, während Diod. frg. XXII–XXIV fast nur auf Philinos beruht. Daneben steht die annalistische Tradition, von deren Hauptvertreter Livius nur die Inhaltsangaben der Bücher erhalten sind, für uns besonders vertreten durch Eutrop. I 18, 3–27. Cass. Dio bei Zonar. VIII 10–17 und [2305] Oros IV 8, 6; vgl. darüber Meltzer Gesch. d. Karth. II 557f. Neuere Darstellungen Holm Gesch. Sizil. III 24ff. Mommsen R. G. I 531ff. Meltzer Gesch. d. Karth. II 338–356.
Söldnerkrieg. Unmittelbar nach dem Ende des ersten Punischen Krieges brach in Afrika der Söldnerkrieg aus (241–238), in dem zuerst Hanno den Oberbefehl übernahm; indessen mußte er nach einigen Mißerfolgen sich es gefallen lassen, daß ihm H. an die Seite gesetzt ward (Polyb. I 75, 3). Dieser umging sofort die feindliche Stellung am Makar, schlug den Anführer der Söldner Spendios und erzwang die Aufhebung der Belagerung von Utika (Polyb. I 75, 5–76). Seinerseits von Spendios eingeschlossen befreite er sich mit Hilfe des Numiderhäuptlings Narhavas durch ein glückliches Gefecht, in dem 10 000 Söldner fielen (Polyb. I 77, 1–78, 15); die 4000 Gefangenen entließ er oder stellte sie in sein Heer ein. Um die Wirkung dieser Milde nicht aufkommen zu lassen, reizten die Führer Mathos, Spendios und Autaritos die Söldner zu der furchtbaren Verstümmelung Geskons und der übrigen in ihrer Hand befindlichen Gefangenen, die den Erfolg hatte, daß nunmehr auch H. jeden Gedanken an Milde aufgab. Inzwischen waren Hanno und H. in Streit geraten, der dadurch beigelegt wurde, daß Hanno zurückberufen ward und Hannibal an seine Stelle trat (Polyb. I 82, 1-10). Unterdes belagerten die Söldner Karthago, wurden aber bald durch die methodische Kriegführung H.s in solche Bedrängnis gebracht, daß ein Teil von ihnen unter Spendios, Autaritos und Zarzas sich gegen ihn wenden mußte. Diese wurden von H. in dem Engpaß Prion eingeschlossen und nach verräterischer Gefangennahme der Führer völlig vernichtet (Polyb. I 84, 1–85, 7). Sofort wandte sich H. nun gegen Mathos, den er in Tunis belagerte, ward aber durch die Niederlage seines Mitfeldherrn gezwungen, die Belagerung aufzuheben (Polyb. I 86). Neue Verstärkungen brachte Hanno heran; beide Feldherrn schlossen unter Vermittelung des Rates eine Versöhnung und wandten sich gegen Mathos, der in einer letzten Entscheidungsschlacht besiegt ward. H. brachte endlich noch Utika zur Unterwerfung (Polyb. I 87, 1–88. 7) und damit den ganzen Söldnerkrieg zu Ende. Einzige Quelle für den Krieg ist Polyb. I 75–88 offenbar im wesentlichen nach karthagischen Quellen, s.
Meltzer Gesch. der Karth. III 588f.; Diodors Darstellung XXV 2–6. 9, die nur fragmentarisch erhalten ist, hängt völlig von Polybios ab, wie
Mommsen Röm. Forschungen II 266 gezeigt hat. Auf Polybios gehen auch die summarische Darstellung bei Nep. Ham. 2 und sonstige verstreute Notizen zurück. Neuere Darstellung
Neumann-Faltin Zeitalter der pun. Kriege 164–181.
Meltzer Gesch. d. Karth. II 357–392.
Letzte Jahre und Tod. Die Wegnahme Sardiniens und die schweren Bedingungen, die Rom von neuem Karthago auferlegte, hatten dort eine furchtbare Erbitterung erregt, so daß es H. leicht ward, das Volk für einen Krieg zu gewinnen, der ihm Ersatz für Sizilien schaffen sollte. So ward er im Frühjahr 237 nach Spanien geschickt, wohin er seinen neunjährigen Sohn Hannibal mitnahm (Polyb. II 1, 5; s. auch
Hannibal). Den
[2306] Übergang bewerkstelligte er nach Polyb. II 1, 6 zunächst auf dem Landwege und dann über die Meerenge von Gibraltar; wenn
Meltzer Gesch. d. Karth. II 592 die Worte des Geschichtschreibers nicht als ein klares Zeugnis für den Zug zu Lande ansehen will, so leitet ihn offenbar das Bestreben, hier Polyb. mit Diod. XXV 10, 1 in Übereinstimmung zu bringen, wo
κατέπλευσε steht. Doch ist bei der notorisch flüchtigen Art des Exzerptors auf ein einzelnes Wort schwerlich viel Gewicht zu legen. – Gegenüber dieser Polybianischen Darstellung aber gibt es nun eine zweite, in den übrigen Quellen hervortretende, die zuerst
Meltzer (jetzt Gesch. d. Karth. II 357f. 392ff.) als von der karthagischen Gegenpartei H.s herrührend erkannt hat. Diese Auffassung der antibarkinischen Partei ist dann vor allem von der römisch-nationalen Geschichtschreibung angenommen worden. Nach ihr lag die Sache so, daß H. unmittelbar nach der glücklichen Beendigung des Süldnerkrieges von seinen Feinden angeklagt ward, er habe durch seine maßlosen Versprechungen in Sizilien den Aufstand hervorgerufen. Indessen wußte er mit Unterstützung des jungen Volksführers Hasdrubal, zu dem er in unerlaubten Beziehungen stand, freigesprochen und mit Hanno dem Großen zusammen in den Numiderkrieg geschickt (Appian. I 4). Als dann Hanno infolge von Verleumdungen zurückgerufen ward, führte er gegen den Willen der Behörden das Heer nach Spanien hinüber (Appian. I 4, II 2. Zonar. VIII 17 fin.) Der Zweck dieser ganzen Darstellung liegt auf der Hand: es soll gezeigt werden, wie H. von Anfang an aus egoistischen Motiven heraus und ganz im Gegensatz zu den karthagischen Behörden auf den großen Entscheidungskampf zwischen beiden Mächten hingearbeitet habe (vgl. die klassische Stelle Nep. Ham. 3–4). Zurückzuführen ist sie auf die Bestrebungen der antibarkinischen Partei, die nach dem Sturz des großen Hannibal den Argwohn des Siegers beschwichtigen und mit Rom wieder in ein besseres Verhältnis kommen wollte. Diese Auffassung aber kann dem Zeugnis des Polybios gegenüber umsoweniger ins Gewicht fallen, als dieser sie bis zu einem gewissen Grade teilt (III 9, 6ff.); nur daß es ihm nicht einfällt, deswegen die Tatsachen zu verändern.
In Spanien angelangt, stellte H. zunächst den früheren Besitz der Karthager wieder her (Polyb. II 1. 6. Diod. XXV 14) und legte zu ihrem Schutz Ἄκρα λευκὴ (röm. Lucentum, jetzt Alicante; vgl. Hübner zu CIL III 479f.) an; dann begann er unter harten Kämpfen die allmähliche Unterwerfung der spanischen Völkerschaften (Polyb. II 1, 6–8). Unterstützt ward er dabei von Hasdrubal, der sein Schwiegersohn geworden und ihm nach Spanien gefolgt war; diesen scheint er noch einmal auf kurze Zeit zur Unterdrückung eines Numideraufstandes nach Afrika zurückgesandt zu haben (Diod. a. a. O.). Nachdem er bedeutende Erfolge erzielt und die Herrschaft Karthagos in Spanien begründet hatte, fiel er im Winter 229/8 tapfer kämpfend (Polyb. II 1, 7. Front. II 4, 17. Appian. I 5. Zonar. VIII 19, 401 D) bei der Belagerung von Helike (Diod. XXV 14 im Gebiet der Vettonen? Nep. Ham. 4).
Quellen. Polyb. II 1, 5-9. III 9. 10. Diod.
[2307] XXV 10–19. Appian. I 4. 5. Nep. Ham. 1–4 Oros. IV 13f. Zonar. VIII 19, 401. Daß Diod. vom Ende des Söldnerkrieges ab nicht mehr Polybios, sondern einer sehr stark antibarkinisch gefärbten Quelle folgt, hat zuerst
Meltzer richtig ins Licht gesetzt (Gesch. d. Karth. II 592, vgl. auch 357f. 392ff.). Von derselben Auffassung sind auch die meisten übrigen Quellen beeinflußt,
Ackermann Untersuchungen zur Geschichte des Barkas, Rostock 1876. O.
Gilbert Rom und Karthago in ihren gegens. Beziehungen 241–218 v. Chr., Leipzig 1876.
Egelhaaf Analekten z. Geschichte, Stuttg. 1886.
Faltin über den Ursprung des 2. punischen Krieges, Progr. Neuruppin 1887.
Hesselbarth Histor.-krit. Untersuch, zur 3. Dekade des Livius, Halle 1889. Neuere Darstellungen:
Neumann-Faltin Das Zeitalter der punischen Kriege 240–249.
Meltzer Gesch. d. Karthager II 392-404.
Mommsen R. G. I 562ff.
Chronologie. Auszugehen ist vom Beginn des 2. Punischen Krieges, der nach allgemeiner Überzeugung im Frühling 218 ausbrach. Damals war Hamilkar 10 Jahre tot (Polyb. III 10, 7); die untere Zeitgrenze für seinen Untergang ist also Frühling 228, und er fiel im Laufe des J. 229/8, aber sicher näher dem Ende zu, da Polybios sich sonst seiner Gewohnheit gemäß genauer ausgedrückt haben würde. Dies war im neunten Jahre seiner Feldherrnschaft (Polyb. II 1, 8. Nep. Ham. 4 u. a.), also muß sein Übergang nach Spanien, da er doch in der guten Jahreszeit gekommen sein wird, Frühjahr 237 stattgefunden haben. Der Auszug aus Karthago selbst fällt einige Monate früher ins Ende 238; damals war der im Frühsommer 247 (vgl. Polyb. XV 19, 4) geborene Hannibal etwas über neun Jahre alt (
ἐνναέτης Polyb. a. a. O. und sonst überall). Nun geschah aber der Auszug, wie Polybios zweimal hervorhebt (II 1, 5, III 10, 5) unmittelbar nach dem Ende des Söldnerkrieges, der drei Jahre und vier Monate dauerte (Polyb. I 88, 7. Diod. XXV 6 mit vier Jahren vier Monaten beruht vielleicht auf Flüchtigkeit des Exzerptors). Dieser brach unmittelbar nach der Ankunft der Söldner aus Lilybaion aus, also August/September 241. Andrerseits ist zwischen dem Frieden und der Schlacht bei den Aegaten nicht viel Zeit verflossen (vgl. Polybios Darstellung I 62, 3
ὀξέως, § 5 u. 7
προθύμως); diese ward also im Frühjahr 241 geschlagen, nach Eutrop. II 27
a. d. VI Id. Mart., d. h. wie
Varese und
Beloch Gr. Gesch. III 2, 213 gesehen haben, infolge der römischen Kalenderverschiebung am 10. Mai 241. H.s Abzug fällt also bald nach Hochsommer 241, nachdem er zwei Jahre (Polyb. I 58, 6) auf dem Eryx gelegen hatte; er war demnach Hochsommer 243 dorthingekommen. Vorher hatte er
σχεδὸν ἐπὶ τρεῖς ἐνιαυτούς auf dem Heirkte Krieg geführt (Polyb. I 56, 11), d. h. vom Ende des Sommers 246 ab, er muß also im Anfang der guten Jahreszeit 246 nach Sizilien gekommen sein und den Sommer mit der Verheerung der Küsten Italiens zugebracht haben. Seine Ankunft geschah nun nach Polyb. I 56, 2 im 18. Kriegsjahr, eine Angabe, die allgemein auf Philinos zurückgeführt wird; der Krieg müßte also, wie
Varese und
Beloch Gr. Gesch. III 2, 231ff. schließen, tatsächlich erst 263
[2308] ausgebrochen sein und nur 23 Jahre gedauert haben; die widersprechende Äußerung des Polyb., der I 63, 4 ausdrücklich 24 Jahre angibt, führt
Beloch auf Fabius Pictor zurück. Allein die Rechnung stimmt nur, wenn polybianische Kriegsjahre zu verstehen sind; es ist aber sehr wohl möglich, daß Philinos, der den
Timaios fortsetzte, nach dessen Olympiadenjahren rechnete: dann begann der Krieg mit Ol. 129, 1 im Hochsommer 264 und sein 18. Jahr endete 246 im Hochsommer; kurz zuvor war Barkas ins Amt getreten. Auch die andre Angabe des Philinos, nach dem die Belagerung Lilybaions im 14. Jahr begonnen ward (Polyb. I 41, 4; auch hier steht
τῷ πολέμῳ, nicht der Genetiv), läßt sich damit vereinigen: sie fing Frühjahr 250 an, nachdem auf die Nachricht vom Siege bei Panormos Juni 251 (nach
Beloch 250) größere Rüstungen vorangegangen waren (Polyb. I 41, 3). Der Krieg begann also im Olympiadenjahr 129, 1 und endete im 24. Jahre Ol. 133, 4, etwa Anfang September. Dies ist die Rechnung des Polybios, mit der sich seine sämtlichen Zeitangaben in Einklang bringen lassen. Daneben gab es noch eine zweite, deren Spur zunächst bei Liv. XXI 2, 1 vorliegt. Danach lagen zwischen dem Ende des ersten Punischen Krieges und H.s Übergang nach Spanien fünf Jahre; hier sind also die Schlacht bei den Aegaten und der Friedensschluß auf 242 angesetzt, und demzufolge berechnet sich die Kriegsdauer auf 23 Jahre (Ined. Vaticanum. Eutrop. II 27). In sich ist diese Rechnung ebenfalls ausgeglichen (so gegen
Niese Grundr. der römisch. Geschichte⁴ 109, 4); doch verdient die des Polybios den Vorzug, der deswegen auch sämtliche Ansätze oben entnommen sind.